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Dreißigstes Kapitel.

Ein Schwur – ein Schwur? Ich schwur bereits
dem Himmel.
Sollt ich Meineid begeh'n an meiner Seele?
Nicht für Venedig, nein!

Der Kaufmann von Venedig.

Der Schluß des vorigen Kapitels enthielt die Nachrichten, welche der Minstrel seinem unglücklichen Gebieter, Hugo von Lacy, überbrachte. Doch geschah dies nicht mit der genauen Schilderung, die wir der Erzählung beifügen konnten. Er trug ihm nur die allgemeinen und furchtbaren Thatsachen vor: seine verlobte Braut und sein geliebter, geachteter Neffe hätten sich zu seiner Schande mit einander verbunden, und das Banner der Empörung gegen ihren gesetzmäßigen Oberherrn entfaltet. Durch das Mißlingen dieses frechen und gewagten Unternehmens sey aber das Leben eines derselben in die äußerste Gefahr gerathen, während das Haus Lacy selbst, falls nicht eine unmittelbare Hülfe ausfindig gemacht werden könne, seinem Untergange nahe sey.

Vidal beobachtete, während er sprach, das Antlitz seines Gebieters mit der scharfen Aufmerksamkeit, womit der Wundarzt die Fortschritte seines zergliedernden Messers verfolgt. In des Konstabels Zügen lag Kummer – tiefer Kummer, doch nicht die Niedergeschlagenheit und Zerknirschung, die ihn öfters begleitet. Zorn und Scham lagen darin, aber beide Gefühle hatten einen edlen Charakter, und schienen mehr aus dem Gedanken zu entstehen, daß seine Braut und sein Neffe die Gesetze der Ehre, Blutsfreundschaft und Tugend überschritten hatten, als aus der Idee, welche Schmach und Kränkung ihr Verbrechen ihm selbst bereitet.

Der Minstrel wunderte sich so sehr über dies veränderte Benehmen, in Vergleich mit dem tödtlichen Schmerze, den Hugo bei der ersten Nachricht verrieth, daß er ein Paar Schritte zurücktrat, und überrascht und erstaunt ausrief: »Wir haben von den Märtyrern in Palästina gehört, aber Ihr übertrefft sie.«

»Wundere Dich nicht so sehr, guter Freund!« sagte der Konstabel gelassen; »nur der erste Stoß der Lanze, der erste Schlag der Keule dringt durch oder betäubt – die, welche folgen, fühlt man weniger.«

»Bedenkt, Mylord,« sagte Vidal, »daß Alles verloren ist – Liebe, Eigenthum, hoher Rang und glänzender Ruhm. Vor Kurzem noch ein geehrtes Oberhaupt unter den Edlen – jetzt ein armer Pilger.«

»Willst Du mit meinem Elende Deinen Scherz treiben?« versetzte Hugo finster. »Doch auch das wird hinter meinem Rücken nicht ausbleiben. So wisse denn, Minstrel, und mache, wenn Du willst, ein Spottlied daraus, wisse, daß Hugo von Lacy, der Alles verloren hat, was er nach Palästina brachte; so wie Alles, was er daheim zurückließ, dennoch stets Herr seiner selbst geblieben ist, Widerwärtigkeiten können ihn nicht mehr erschüttern, als der Lufthauch, der die Eiche zwar ihrer Blätter beraubt, doch gleichwohl nicht vermag, den Stamm derselben mit der Wurzel heraus zu reißen.«

»Nein, bei dem Grabe meines Vaters!« rief der Minstrel begeistert, »dieses Mannes Edelmuth überwiegt meinen Entschluß!« – Und schnell zu dem Konstabel eilend, ließ er sich auf ein Knie nieder, und ergriff seine Hand zutraulicher, als es sich gegen Männer von Lacy's Range schickte.

»Hier!« rief Vidal, »bei dieser Hand – dieser edlen Hand hier entsage ich« –

Aber ehe er noch ein Wort mehr sprechen konnte, zog Hugo von Lacy, der vielleicht dies Benehmen für eine Kühnheit hielt, die sein gesunkenes Glück veranlasse, seine Hand stolz zurück, und indem er dem Minstrel mit gefurchter Stirne aufzustehen befahl, fügte er hinzu, es wohl zu bedenken, daß selbst Unglück Hugo von Lacy nicht zum Gaukelspiele herabwürdigen könne.

Renault Vidal stand beleidigt auf: »Ich vergaß,« sagte er, »die weite Kluft zwischen einem armorikanischen Geiger und einem hochgeborenen normännischen Freiherrn. Ich hätte geglaubt, der gleiche tiefe Schmerz, der gleiche Ausbruch der Freude risse, für einen Augenblick wenigstens, jene künstlichen Schranken nieder, welche die Menschen von einander scheiden. Aber es ist so gut, wie es ist. – Lebt so fort in den Gränzen Eures Ranges, wie Ihr sonst zwischen Euren Schloßthürmen und Burggräben lebtet. Die Theilnahme eines solchen Mannes, wie ich, soll Euch nicht belästigen. Auch ich habe meine Pflichten zu erfüllen.«

»Jetzt nach Garde Doloureuse!« rief der Freiherr, indem er sich zu Philipp Guarine wandte. »Gott weiß, wie sehr das Schloß diesen Namen verdient! Wir wollen uns mit eigenen Augen und Ohren von der Wahrheit dieser traurigen Nachricht überzeugen. Steigt ab, Minstrel, und gebt mir Euren Klepper. – Ich wollte, Guarine, ich hätte einen für Dich; denn was Vidal betrifft, so ist seine Begleitung minder nöthig. Ich will meinen Feinden oder meinem Unglücke Trotz bieten wie ein Mann, davon sey überzeugt, Geiger! – Sieh nicht so finster aus, ich werde alte Anhänger nicht vergessen!«

»Einer unter ihnen wird Euch mindestens nicht vergessen, Mylord,« entgegnete der Minstrel, mit seinem gewöhnlichen zweifelhaften Blicke und Ausdrucke.

Als aber der Konstabel eben im Begriffe war, fort zu reiten, erschienen zwei Personen auf jenem Pfade, die, auf Einem Pferde reitend, von dem Gebüsche versteckt, ihnen sehr nahe gekommen waren, ehe sie dieselben bemerkt hatten. Es war ein Mann und eine Frau, und der Erstere, der vorn auf dem Pferde saß, ein solches Bild des Hungers, wie es die Pilger kaum in den verheerten Gegenden, durch die sie ihr Weg geführt, erblickt hatten. Sein von Natur hageres und spitzes Antlitz umschattete so gänzlich ein grauer Bart und Haare von ähnlicher Farbe, daß man nur die Spur einer langen Nase erblicken, die schmal wie ein Messerrücken war. Das zuckende Blinzen der grauen Augen war nächst dem Alles, was man von seinen Zügen gewahrte. Seine Beine in den alten, weiten Stiefeln, welche sie umgaben, glichen den Stielen alter Besen, die zufällig in einen Wascheimer gesteckt wurden. Seine Arme hatten etwa die Stärke einer Reitgerte, und die Theile seines Körpers, welche ein zerrissener Jägeranzug nicht umhüllte, schienen eher einer Mumie, als einem lebenden Wesen anzugehören.

Das Weib, welches hinter diesem Gespenste saß, zeigte ebenfalls einige Spuren erlittener Drangsale; da sie aber stets eine sehr wohlbeleibte Dame gewesen war, so hatte sie der Hunger nicht zu einem so jammervollen Gegenstande umwandeln können, als das Gerippe war, hinter welchem sie saß. Frau Gillians Wangen – denn es war diese alte Bekannte des Lesers – hatten in der That den Rosenschimmer eines wohlgenährten Körpers und die Glätte und Rundung verloren, die ein gemächliches Leben und manche kleine Kunst ihr zum Ersatze der zarteren Jugendblüthe gegeben hatten. Ihre Augen waren eingefallen, und hatten großentheils den kecken, lüsternen Glanz verloren, aber sie war doch noch in mancher Hinsicht dieselbe, und die Ueberreste früherer Zärtlichkeit, so wie die dicht anliegenden, scharlachrothen Reithosen, so beschmutzt sie auch waren, verriethen doch noch immer Ansprüche auf Eitelkeit und Gefallsucht.

Als sie die Pilger erblickte, begann sie mit ihrer Reitgerte Raoul in die Rippen zu floßen. »Versuche Dich in Deinem neuen Gewerbe, Mann,« sagte sie, »da Du zu jedem andern untüchtig bist. Nahe Dich den guten Leuten und sprich sie um ein Almosen an.«

»Betteln von Bettlern?« brummte Raoul vor sich hin, »das hieße auf Sperlinge Jagd machen, Frau!«

»Wir erlangen wenigstens einige Uebung,« entgegnete Gillian und begann mit weinerlichem Tone: »Gott segne Euch, fromme Männer, die Ihr das Glück gehabt, nach dem heiligen Grabe zu wallen, und, was mehr sagen will, von dort wieder heim zu kehren. Ich bitte Euch, spendet meinem armen alten Gatten ein Almosen! Er ist, wie Ihr seht, eine elende Kreatur, und ich, die ich das Unglück habe, sein Weib zu seyn, bin es gleichfalls – Gott möge mir helfen!«

»Schweigt, Weib, und hört, was ich Euch zu sagen habe!« rief der Konstabel, die Hand an den Zügel ihres Pferdes legend. »Ich bedarf eben jetzt dieses Rosses, und« –

»Bei St. Huberts Jägerhorne, Du wirst es nicht ohne Schläge erhalten!« antwortete der alte Waidmann. »Das ist mir eine schöne Welt, wo die Pilger Pferdediebe werden!«

»Still, Bursche!« rief der Konstabel finster. »Ich sage Dir, daß ich diesen Augenblick Dein Pferd brauche. Hier sind zwei Byzantiner in Golde, wenn Du mir das Thier einen Tag zum Gebrauche überlassen willst. Damit hätte ich wohl den ganzen Werth des elenden Kleppers bezahlt, wenn er auch nie wieder zurückkehrte.«

»Aber der Klepper ist mein alter Bekannter, Ihr Herrn,« sagte Raoul, »und wenn vielleicht« –

»Schweig mit Deinem Wenn und Vielleicht,« versetzte die Frau, indem sie ihrem Gatten einen so tüchtigen Stoß gab, daß er beinahe aus dem Sattel flog. »Herunter vom Pferde! Danke dem Himmel und diesem würdigen Manne für die Hülfe, die er uns in unserer Noth gewährt. Was nützt uns der Klepper, wenn wir weder für ihn noch für uns selbst was zu essen haben – und wollten wir selbst mit ihm Kraut und Gras fressen, wie jener König, von dem ums der gute Pater vor dem Schlafengehen vorzulesen pflegte«

»Höre einmal auf mit Deinem Geschwätze, Weib!« rief Raoul, indem er ihr behülflich war, sie aus dem Sattel zu heben. Sie zog indeß Guarine's Beistand vor, der, wiewohl schon ein ältlicher Mann, noch ein rüstiges, kriegerisches Ansehen hatte.

»Ich danke ergebenst für Eure Güte,« sagte sie, als der Knappe, nachdem er sie geküßt, sie vom Pferde herabhob. »Sagt doch, Herr, kommt Ihr aus dem heiligen Lande? Habt Ihr dort irgend eine Kunde von dem ehemaligen Konstabel von Chester vernommen?«

»Ha! was wollt Ihr von ihm?« rief Hugo von Lacy, der, eben beschäftigt das Kissen unter dem Sattel los zu machen, in seiner Arbeit inne hielt.

»Sehr viel, guter Pilger, wenn ich ihn nur treffen könnte; denn seine Lande und Vasallen sollen, wie man sagt, an seinen Neffen, den falschen Dieb, vergeben werden.«

»Wie? an seinen Neffen Damian?« rief der Konstabel mit rauhem, hastigem Tone.

»Wie Ihr mich erschreckt habt!« sagte Gillian. Hierauf zu Guarine sich wendend, fuhr sie fort: »Euer Freund scheint mir ein heftiger Mann!«

»Das rührt von der heißen Zone her, in der er so lange lebte,« erwiederte der Knappe; »aber habt ja Acht, daß Ihr seine Fragen wahrhaft beantwortet, um so besser wird es für Euch seyn.«

Gillian benutzte diesen Wink auf der Stelle. »War es nicht Damian von Lacy, nach dem Ihr fragtet,« sagte sie. »Ach, der arme junge Herr! Für ihn gibt es weder Würden, noch Besitzungen. Er kommt wahrscheinlich an den Galgen, der arme Mensch, und um nichts und wieder nicht, so wahr ich eine ehrliche Frau bin. Damian! Nein, nein! Es ist weder Damian, noch die Dame, sondern Randal von Lacy, der den Braten fischt, und des alten Mannes Ländereien, Einkünfte und Würden erhalten wird.«

»Wie?« sagte der Konstabel, »ehe man noch weiß, ob der alte Mann todt ist oder nicht? Ich dächte, das hieße der Vernunft und dem Gesetze auf gleiche Weise zuwidergehandelt.«

»Ei, Randal von Lacy hat wohl schon größere Dinge zu Stande gebracht. Seht, er hat dem Könige geschworen, daß zuverläßige Nachrichten von des Konstabels Tode angelangt wären. Und daß sie sich bestätigen, dafür laßt ihn allein sorgen, sobald er den Konstabel nur erst erreichen kann.«

»Wirklich?« sagte der Konstabel. »Aber Ihr schmiedet da Geschichten auf Kosten eines edlen Ritters. Gesteht mir, Frau, Ihr sagt dies, weil Ihr Randal von Lacy nicht leiden könnt.«

»Nicht leiden?« entgegnete Frau Gillian. »Was für einen Grund hätte ich, ihn leiden zu können, das möchte ich wissen. Etwa deshalb, weil er mich in meiner Einfalt verleitete, ihn in das Schloß Garde Doloureuse zu lassen, ein, zwei Mal, ja, noch öfterer, wenn er so als Hausirer verkleidet kam, und mich alsdann verlockte, ihm alle Familiengeheimnisse zu verrathen, wie der Knabe Damian und Jungfer Eveline vor Liebe zu einander fast starben und doch nicht den Muth hatten, nur ein Wörtchen davon zu sagen, aus Furcht vor dem Konstabel, der tausend Meilen weit entfernt war. Aber Ihr scheint sehr angegriffen, werther Herr! Könnte ich nicht Ew. Gnaden mit einem kleinen stärkenden Schluck aus meiner Flasche aufwarten? Es ist ein unübertreffliches Mittel gegen Herzklopfen und Anfälle von Hypochondrie.«

»Nein, nein!« rief Hugo von Lacy, »es war nur der Schmerz einer alten Wunde. Aber wurden nicht jener Damian und diese Eveline, wie Ihr sie nennt, allmälig genauer mit einander bekannt?«

»Die! – Nein, wahrlich nicht, die armen einfältigen Geschöpfe! Es fehlte ihnen irgend ein kluger Rathgeber, der zwischen sie trat und sie leitete. Denn seht nur, Herr, wenn der alte Hugo todt ist, wie dies leicht möglich seyn kann, so ist es viel natürlicher, daß seine Braut und sein Neffe seine Güter erben, als gerade dieser Randal, der nur sein entfernter Verwandter, und überdies ein meineidiger Schurke ist. Könnt Ihr es Euch denken, ehrwürdiger Herr, daß er mir Goldberge versprochen, und gleichwohl, als das Schloß erobert war, und er einsah, daß ich ihm nichts weiter nützen konnte, sich nicht entblödete, mich eine alte Plaudertasche zu nennen, und mir mit dem Büttel und Tauchschemel Siehe Anm. 27. zu drohen. – Ja, ehrwürdiger Herr, Plaudertasche und Tauchschemel, das waren die Worte, mit denen er mich beehrte, da er wußte, daß ich keinen weitern Schutz hatte, als den alten Raoul, der für sich selbst nicht sorgen kann. Aber wenn der grimmige alte Hugo sein altes Gerippe von Palästina wieder zurückbringt, und nur noch halbwege den Teufel im Leibe hat, wie damals, als er thöricht genug war fort zu gehen, so will ich ihm seines Vetters Dienste berichten.«

Eine Pause erfolgte, nachdem sie gesprochen hatte.

»Du sagst,« versetzte endlich der Konstabel, »daß Damian von Lacy und Eveline einander lieben, doch weder lasterhaft sind, noch falsch und undankbar gegen mich – gegen ihren Verwandten in Palästina wollte ich sagen.«

»Daß sie sich lieben, Herr, ist allerdings wahr,« entgegnete Frau Gillian; »aber es ist so, wie sich die Engel oder die Lämmer – oder die Narren lieben, wenn Ihr wollt. Denn selbst nicht mit einander gesprochen würden sie haben, ohne einen Schurkenstreich eben dieses Randal von Lacy.«

»Wie?« sagte der KonstabeL »Ein Bubenstück Randals? Was bewog ihn, sie zusammen zu bringen?«

»Nun, ihr Zusammentreffen war durchaus nicht seine Absicht. Allein es lag in seine Plane, Evelinen selbst zu entführen; denn ein wilder Wüstling ist dieser Randal. So erschien er, als ein Falkenhändler verkleidet, und lockte meinen alten, einfältigen Raoul, und Lady Evelinen und eine Menge von uns, angeblich zur Falkenjagd, ins Freie. Aber er hatte eine Bande Walliser Räuber im Hinterhalte, bereit, uns zu überfallen; und wäre nicht Damian plötzlich zu unserer Rettung herbeigeeilt, so läßt sich's nicht sagen, was aus uns geworden wäre. Da aber Damian beim Angriffe schwer verwundet ward, so mußte er aus bloßer Noth nach Garde Doloureuse geschafft werden; und wenn es nicht sein Leben gegolten hätte, so würde ihm Mylady, glaube ich, nie erlaubt haben, die Zugbrücke zu überschreiten, selbst wenn er sich selbst dazu erboten hätte.«

»Weib! bedenke, was Du sprichst!« rief der Konstabel. »Hast Du früherhin in diesen Angelegenheiten böse Dienste geleistet, wie ich nach Deiner Erzählung vermuthe, so glaube sie nicht durch neue Lügen zu verbessern, die Du vielleicht blos aus Verdruß über den Dir entgangenen Lohn schmiedest.«

»Pilger,« sagte der alte Raoul, mit seiner heisern, abgebrochenen Stimme, die durch manchen Jägerruf gelitten hatte. »Ich bin gewohnt, das Geschäft des Erzählens meinem Weibe Gillian zu überlassen, die mit jeder Plaudertasche in der gesammten Christenheit um die Wette schwatzt. Aber Du sprichst wie Jemand, der bei diesen Dingen interessirt ist, und darum sage ich Dir offen, daß dies Weib ihre eigene Schande eingesteht, indem sie ihr Einverständniß mit jenem Randal von Lacy zugibt. Aber, was sie berichtet, ist wahr, wie das Evangelium; und wenn es mein letztes Wort hienieden wäre, so würde ich sagen, daß Damian und Lady Eveline so unschuldig sind an allem Verrath und unehrenvollem Betragen, wie es ein neugebornes Kind ist. Aber was hilft es, daß unser eins davon spricht, da wir selbst genöthigt sind, zu betteln, nachdem wir so lange in einem stattlichen Hause lebten, und in eines guten Herrn Diensten standen. Gottes Segen sey mit ihm!«

»Aber sagt mir,« versetzte der Konstabel, »sind keine alten Diener des Hauses mehr da, die eben so gut als Ihr die Wahrheit verkünden mögen?«

»Hm!« antwortete der Waidmann, »die Menschen sind eben nicht sehr willig zum Schwatzen, wenn Randal von Lacy die Peitsche über ihren Kopf knallen läßt. Viele sind getödtet, andere verhungert, noch andere fortgeschickt oder weggetrieben. Aber da ist noch der Weber Flammock und seine Tochter Rose, die wissen eben so viel von der Sache, als wir.«

»Wie? Wilkin Flammock, der stattliche Niederländer?« fragte der Konstabel; »er und seine offenherzige, doch brave Tochter Rose! Mit meinem Leben will ich für ihre Treue mich verbürgen. Wo wohnen sie, und welch ein Loos ist ihnen in diesem mannichfachen Wechsel geworden?«

»In des Himmels Namen, wer seyd Ihr, daß Ihr diese Fragen thut?« rief Frau Gillian. »Mann! Mann! wir sind zu dreist gewesen. In diesem Blicke und Tone liegt etwas, dessen ich mich erinnern sollte.«

»Ja, betrachtet mich nur aufmerksamer,« entgegnete der Konstabel, indem er die Kapuze zurückwarf, welche seine Züge verhüllte.

»Auf Deine Kniee nieder, Raoul! Auf Deine Kniee nieder,« rief Gillian, selbst niedersinkend. »Es ist der Konstabel selbst, und er hat mich ihn den alten Hugo nennen hören.«

»Wenigstens ist es Alles, was von dem Konstabel übrig ist,« versetzte Hugo von Lacy; »und der alte Hugo vergibt Euch gern Eure Dreistigkeit, in Betreff der guten Nachrichten. Wo ist Flammock und seine Tochter?«

»Rose befindet sich bei der Lady Eveline,« sagte Frau Gillian. »Das gnädige Fräulein wählte sie an meiner Statt zur Kammerjungfer, wiewohl Rose nie im Stande war, auch nur eine holländische Docke anzuziehen.«

»Das treue Mädchen!« rief der Konstabel. »Und wo ist Flammock?«

»O, was den betrifft, so erhielt er Pardon und Gunst obendrein,« sagte Raoul. »Er ist mit seinem Weberpöbel in seinem eigenen Hause, nahe an der Schlachtenbrücke, wie jetzt der Ort heißt, wo Ew. Herrlichkeit die Walliser schlugen.«

»Dahin will ich jetzt aufbrechen,« erwiederte der Konstabel, »und wir wollen dann sehen, wie König Heinrich einen alten Diener bewillkommnet. Ihr beide müßt mich begleiten«

»Mylord,« sagte Frau Gillian bedenklich, »Ihr wißt wohl, arme Leute ernten schlechten Dank ein, wenn sie sich in großer Herren Angelegenheiten mischen. Ich hoffe, Ew. Herrlichkeit werden im Stande seyn, uns Schutz zu gewähren, wenn wir die Wahrheit sagten, und werden nicht mit Unwillen auf das zurückblicken, was ich einst, wie ich glaubte, zum allgemeinen Besten gethan habe.«

»Schweig, Frau, und schäme Dich!« sagte Raoul. »Willst Du an unsere eigenen sündhaften Gerippe denken, wenn es gilt, unsere junge Gebieterin von Schande und Unterdrückung zu retten? Und was Dein böses Maul und Deine schlechten Kniffe anbetrifft, so ist es Mylord bekannt, daß die gleichsam angeboren sind.«

»Ruhig, guter Bursche!« versetzte der Konstabel. »Wir wollen der Irrthümer Deines Weibes nicht gedenken, und Deine Treue soll belohnt werden. Was Euch betrifft, meine treuen Begleiter,« fuhr er fort, indem er sich zu Guarine und Vidal wandte, »ist Hugo von Lacy wieder im Besitze seiner Rechte, woran er nicht zweifelt, so wird es sein erster Wunsch seyn, Eure Treue zu belohnen.«

»Die meinige, mag sie seyn wie sie will, war stets und soll stets ihr eigener Lohn seyn,« sagte Vidal. »Ich will keine Gunst von dem im Glücke annehmen, der mir im Unglücke seine Hand versagte. Unsere Rechnung ist noch nicht ausgeglichen.«

»Geh, Du bist ein Thor; aber Dein Stand genießt das Vorrecht, fröhlich und aufgeräumt zu seyn,« versetzte der Konstabel, dessen rauhe und finstere Züge fast für schön gelten konnten, wenn das Gefühl der Dankbarkeit gegen den Himmel und Wohlwollen gegen die Menschen sie belebte.

»Wir treffen uns,« fügte er hinzu, »an der Schlachtenbrücke, eine Stunde vor der Vesperzeit. Ich werde viel bis dahin vollendet haben.«

»Der Zeitraum ist kurz,« sagte sein Knappe.

»Ich gewann in einem kürzern eine Schlacht,« erwiederte der Konstabel.

»Worin so mancher fiel, der sich des Lebens und Sieges gewiß hielt,« versetzte der Minstrel.

»Eben so soll mein gefährlicher Vetter Randal seine ehrgeizigen Absichten scheitern sehen,« antwortete der Konstabel, vorwärts reitend in Begleitung Raouls und seines Weibes, die wieder ihren Klepper bestiegen hatten, während der Minstrel und Knappe zu Fuße, und folglich viel langsamer nachfolgten.



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