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Fünfundzwanzigstes Kapitel.

»Thomas von Baux, tapfrer Tom von Gills!« ließ sich König Richards helle Stimme vernehmen, »Du bist mir willkommen, wie je eine Flasche Wein einem fröhlichen Zecher. Hätt' ich nicht Deine rüstige Gestalt im Auge gehabt, wie einen Grenzstein, meine Reihen danach zu ordnen, so hätt' ich kaum gewußt, wie ich meine Truppen in Schlachtordnung stellen sollte. Jetzt wirds Hiebe setzen, Thomas, wenn die Heiligen uns beistehen, und hätten wir in Deiner Abwesenheit gefochten, so wäre ich darauf gefaßt gewesen, Dich an irgend einem Baume hängen zu sehen!« »Statt den Tod eines Abtrünnigen zu sterben, hätte ich meine fehlgeschlagene Hoffnung mit christlicher Geduld getragen,« sagte Thomas von Baux. »Allein ich danke Eurer Majestät für dies Willkommen um so herzlicher als ja doch der größere Teil Hiebe auf Konto Eurer Majestät genommen wird. Ich habe aber jemand mitgebracht, den Eure Majestät gewiß noch herzlicher willkommen heißen werden.«

Ein Jüngling von kleiner, schlanker Figur trat vor, um sich vor dem König zu verneigen. Seine Tracht war so einfach wie seine Figur unbedeutend; doch trug er auf seiner Mütze eine goldene Schnalle mit einem Edelstein, der mit den von der Mütze beschatteten Augen um die Wette funkelte. Sonst stach an dem Gesicht nichts weiter hervor; wer es jedoch genauer betrachtete, konnte sich eines gewissen Eindrucks nicht erwehren. Um den Hals des Jünglings hing an einem Bande von himmelblauer Seide ein Stimmhammer aus gediegenem Golde, das für Sänger unentbehrliche Werkzeug für ihre Harfe. Der Jüngling wollte vor dem König niederknien, der aber hob ihn fröhlich empor, drückte ihn zärtlich ans Herz und küßte ihn auf beide Wangen.

»Blondel von Nesle,« rief er, »willkommen von Cypern, Du König der Minnesänger! Willkommen dem König von England! Ich bin krank gewesen; ich glaube aber, bloß, weil Du mir fehltest; denn Deine Lieder würden mich gewiß auf dem Weg zum Himmel aufhalten ... Doch sprich, bist Du fleißig gewesen?« – »Etwas habe ich gelernt, und etwas getan, edler König,« erwiderte der berühmte Sänger bescheiden. – »Wir wollen Dich hören – auf der Stelle,« rief der König; »vorausgesetzt natürlich, daß Du nicht von Deiner Reise zu müde bist.« – »Ich bin wie immer, meinem königlichen Herrn zu Dienst,« sagte Blondel; »aber,« setzte er hinzu mit einem Blick auf die umherliegenden Papiere, »Majestät scheinen beschäftigt zu sein, und spät ist es auch schon.«

»Das bißchen Arbeit, Blondel, eilt nicht im mindesten; eine Schlachtordnung gegen die Sarazenen – so flink erledigt, wie ihre Niederlage.«

»Ich möchte aber gern wissen,« mischt« sich Thomas von Baux in das Gespräch, »was für Krieger Majestät aufzustellen haben. Ich bringe nämlich Berichte von Askalon.« – »Du bist eigensinnig, Thomas,« versetzte der König, »wie ein Maultier! Kommt, Ihr Edlen, stellt Euch ringsum! – Gebt Blondel den Sessel! gebt ihm meine Harfe; seine eigene könnte unterwegs gelitten haben.« »Majestät,« tief Thomas von Vaux; »ich bin weit geritten. Kein Wunder also, daß es mich mehr nach der Streu als nach Blondelschen Strophen verlangt.« – »Macht doch ein einziges Mal eine Ausnahme, Gills,« sagte der König, »Ihr wißt doch, daß ich wie Blondel ein Zunftgenosse der fröhlichen Kunst bin?« – »Majestät sollten nicht vergessen,« sagte Thomas von Vaux lächelnd, »daß man von einem Maultiere keine Ausnahmen verlangen kann.« – »Sehr wahr,« sagte der König, »dann kommt her, Herr Maulesel, und werft Eure Last ab, damit Ihr auf die Streu kommt. Du aber, Bruder Salisbury, begib Dich in das Zelt unserer Gemahlin, und sage ihr, Blondel sei angekommen und habe die neuesten Minnelieder mitgebracht. Sie solle sogleich kommen, und unsere Cousine Edith Plantagenet auch!«

Sein Auge streifte wieder den Nubier mit jenem zweifelsvollen Ausdruck, der sich immer in seinen Mienen verriet, wenn er ihn anblickte.

»Ha, unser geheimer Bote ist wieder zurückgekehrt? Steh auf, Sklave, und tritt hinter Neville! Was Du jetzt hören wirst, wird Dich freudig stimmen darüber, daß Du bloß stumm und nicht auch taub bist!« Dann wandte er sich zu Thomas von Vaux, und horte dessen Vortrag an. Kaum war Thomas von Vaux, fertig, so meldete ein Bote, die Königin nähere sich mit ihrem Gefolge dem königlichen Zelte. – »Eine Flasche Wein!« rief der König, »von des alten König Isaaks lang aufgespartem Cypernwein, den wir von dem Sturm auf Famagusta haben. Füllt dem wackeren Lord Gilsland einen Becher, Ihr Edlen! Einen getreueren Diener hat noch kein Fürst gehabt. Doch sieh! der Fackelschein draußen verrät, daß unsere Gemahlin sich nähert. Eile ihr entgegen, Thomas! halte Dich doch nicht auf mit Deinem Mantel! Da sieh, Lord Neville kommt Dir zwischen Wind und Segel!« – »Auf dem Schlachtfeld hat er mir nie das Prävenire gespielt,« brummte Thomas von Vaux, durchaus nicht erfreut über die Zuvorkunft des gewandteren Kämmerers. – »Nein, weder er, noch sonst jemand, mein guter Thomas von Gils,« sagte der König, »außer mir selbst dann und wann.« – »Doch einer noch,« versetzte Thomas; »möchte wenigstens auch ihm Gerechtigkeit werden! Der unglückliche Ritter vom Leoparden ist mir seinerzeit auch zuvorgekommen, denn er ist leichter zu Pferde, drum ....« – »Still!« wehrte ihm der König mit gebietendem Tone. »Kein Wort mehr von ihm!« und er trat einen Schritt vor, seine Gemahlin zu begrüßen. Dann stellte er ihr Blondel vor als König der Minstrels und seinen Lehrherrn in der fröhlichen Kunst. Berengaria kannte die Passion ihres Gemahls für Musik und Poesie und wußte, daß Blondel sein besonderer Liebling war; sie ließ es sich deshalb angelegen sein, ihn mit Auszeichnung zu empfangen. Blondel erwiderte die Höflichkeit der Königin mit tiefer Ehrerbietung und demütigem Dank; aber es ließ sich nicht verkennen, daß er den schlichten anmutigen Gruß Lady Ediths mit größerer Herzlichkeit erwiderte.

König Richard entging es nicht, daß seine Gemahlin diese Bevorzugung Ediths nicht gern sah, und empfindlich sagte er, wohl selbst nicht eben erfreut darüber: »Wir Minstrels, Berengaria, erweisen einem strengen Kunstrichter, wie unserer Edith, mehr Achtung als einer wohlgeneigten Freundin, wie Dir, die zwar bereit ist, in unsern Wert keinen Zweifel zu setzen, ihn aber doch nicht unmittelbar zu taxieren weiß.«

Edith fühlte sich durch diese sarkastische Bemerkung ihres Oheims verletzt und erwiderte, daß hart und streng zu urteilen nicht die Eigenschaft sei, die unter den Plantagenets ihr allein zukomme.

Sie hätte sich vielleicht nicht auf diese wenigen Worte beschränkt; allein ihr Blick begegnete plötzlich dem Blicke des Nubiers, obwohl sich derselbe hinter den anwesenden Edlen zu verbergen suchte; sie sank in einen Sessel, so bleich, daß die Königin nach Wasser rief, weil sie eine Ohnmacht befürchtete. Aber Richard, der Edith besser kannte, bat Blondel mit seinem Gesange zu beginnen, da Minnegesang besser als jede Arznei einen Plantagenet zu heilen vermöchte.

Blondels Auge aber ruhte mit angstvollem Ausdruck auf Edith, und als er sah, daß ihre Farbe wiederkehrte, leistete er dem Befehle des Königs Gehorsam. Seine Gestalt schien zu wachsen, sein Antlitz glühte von Kraft und Begeisterung, seine volle, männliche Stimme erschütterte Ohren und Herzen.

»Horcht, Ihr Ritter, in Burgen und Hallen!« rief der König, winkte den Anwesenden, sich um den Sänger im Kreise zu gruppieren, und nahm mit allem Ernst eines sachverständigen Kunstrichters Platz. Blondel sang in normannischer Sprache eines jener ritterlichen Liebesabenteuer, die damals im Schwunge waren:

Von dem herrlichen Benevent nicht fern,
Als tief schon die Strahlen der Sonne sanken,
Erblickte man viele Ritter und Herrn
Zum Sankt-Johannis-Turnier in den Schranken.
Da kam, von einer Prinzessin gesandt,
Nach Lincolngreen ein junger Fant
Durchs Lager geeilt mit schnellen Schritten,
Und fragte nach Thomas von Kent, dem Briten.

Weit war er gewandert, weit ging noch sein Pfad,
Bis er dem schmucklosen Zelte sich naht,
Das nichts enthielt als Eisen und Stahl,
Blutarm an Geld, blieb ihm keine Wahl,
Als selbst, mit entblößten, nervigen Händen,
Des Waffenschmieds Arbeit zu vollenden.
Er hämmert den Harnisch, Johannes dem Täufer
Und seiner Dame zu Ehren, mit Eifer.

Da naht ihm ein Page: »So sagte sie« –
Und der Ritter beugte sein Haupt und Knie –
»Die hohe Prinzessin von Benevent:
Du bist ein Ritter, den niemand kennt;
Willst Du erklimmen den hohen Baum
Und überspringen den trennenden Raum,
So vollbring eine Tat, daß ein jeder muß sagen:
Nur Ehrgeiz und Rittertum konnte dies wagen.«

»Hinweg mit dem Harnisch,« sagte sie –
Und der Ritter beugt abermals Haupt und Knie –
»So schön er dich ziert! Aus meiner Hand
Empfange statt dessen ihr Nachtgewand!
Mit ihm, statt dem Panzerhemd, ohne Wanken,
Erscheine mutig und keck in den Schranken;
Wo das Blut in Strömen fließt, da erwirb
Dir Ehre im tapfern Kampf, oder stirb!«

Mit ruhigem Blick, im Herzen erfreut,
Empfängt der Ritter und küßt das Kleid.
»Heil sei der Stunde, und du gesegnet.
Durch den mir so hohe Ehre begegnet!
Zur Dame: sprich: Mit dem Kleid angetan,
Werd' ich nicht weichen dem tapfern Mann;
Ihr dank ich es, wenn Ruhm ich errang!« –
Hier endigt des Blutsgewands erster Sang. In der Umdichtung von Heinrich Döring.

»Du hast das Versmaß in der letzten Strophe verändert,« sagte der König. – »Allerdings,« antwortete Blondel, »ich bekam die italienischen Verse von einem alten Harfner in Cypern, und es mangelte mir an Zeit, sie in mein Gedächtnis einzuprägen; ich mußte deshalb die Lücken aus dem Stegreif ausfüllen.« – »Nun, meiner Treu,« sagte der König, »ich habe die rollenden Alexandriner gern: sie klingen mir besser zur Musik, als die kurzen Verse; aber für die Szene, wo das Gefecht vor sich gehen soll, eignen sich meiner Meinung nach die erstern besser.« – »Es soll geschehen nach Eurer Majestät Belieben,« antwortete Blondel und fing von neuem zu präludieren an. Dann setzte er den Gesang fort:

Das Fest St. Johannis sah Taten vollführen,
Sah Ehre gewinnen und Ehre verlieren;
Sah Säbel hauen und Lanzen splittern;
Hier winkte Sieg, dort ein Grab den Rittern;
Und mancher darunter focht wacker und brav:
Doch wer sie alle wohl übertraf,
Der Ritter war es, der schlau und klug
Als Panzer der Dame Nachtgewand trug.

Zwar ward ihm manch blutige Wunde geschlagen.
Doch hörte man manchen mit Ehrfurcht sagen:
»Ihn, den ein Gelübde hält gebunden,
Unritterlich wärs, ihn zu verwunden.«
Der Fürst gebeut, das Turnier zu enden;
Der Herold erscheint, und aus den Händen
Der Richter empfängt, im versammelten Kreis,
Der Ritter im Nachtgewande den Preis.

Das Fest war nahe, noch näher die Meß':
Da nahet ein Knappe sich der Prinzeß
Und reicht ein Gewand ihr, unwürdig zu schaun,
Zerstochen, zerstoßen, zerspießt und zerhaun,
Zerlumpt und zerrissen, mit Blut befleckt,
Vom Staub und vom Schaum der Rosse bedeckt.
So daß der Prinzessin Finger, ich wette,
Kein reines Fleckchen gefunden hätte.

Dies Zeichen erstattet Sir Thomas von Kent,
Mein Herr, der Prinzessin von Benevent.
Ihm gebührt die Frucht, er erklimmte den Baum
Und übersprang den trennenden Raum.
Sein Leben dran wagend, errang er den Preis,
Er fordert der Herrin Treu' als Beweis.
Sie stürzt' ihn in diese Gefahr hinab –
Sie lege das Zeugnis der Treue ihm ab.

Das Kleid, so er trug, erstattet er nun,
Die Fürstin ersuchend, es anzutun.
Mit blutigen Flecken hat's zwiefachen Wert.
Denn nimmer ward es durch Schande entehrt.« –
Die Fürstin errötet und drückt unbewußt
Das blutige Kleid an Lippen und Brust.
»Sag meinem Treuen, in kurzer Zeit
Wirds kund, ob ich schätze das blutige Kleid.«

Und als für den Adel die Stunde schlug,
Die ihn zur Kirch' und zur Messe trug,
Zog mit auch die Fürstin in Purpur und Seide,
Doch trug sie das Blutkleid, trotz allem Geschmeide;
Und als in der Halle die Tafel glänzt,
Sie knieend den Wein ihrem Vater kredenzt,
Da schimmerte, unter Juwel und Demant
Und prächtigen Stoffen das Blutgewand.

Es flüsterten Damen, es flüsterten Herrn,
Mit Winken und Kichern, von nah und von fern,
Der Fürst, der vor Zorn und vor Aerger verging,
Gab endlich der Tochter den zürnenden Wink:
»Das Blut, das vergossen ward, mag Deine Hand
Vergüten, da frei Du die Schuld bekannt.
Doch sollt ihr nun beide die Kühnheit bereu'n,
Verbannt hinfüro von Benevent sein.«

Und Thomas rief laut in der Hall', wo er stand,
Erschöpft und kraftlos, von Zorn übermannt:
»Was für die Prinzessin an Blut ich vergossen,
Frei ists, wie der Wein aus der Flasche geflossen.
Ward' Buß' und Schande durch mich ihr zu teil,
So schaff ich für Leid und Beschämung ihr Heil;
Leicht fühlt sie, von deinem Haus sich getrennt.
Wenn England sie grüßet als Gräfin Kent.

Ein Gemurmel des Beifalls durchlief die Versammlung. Der König überschüttete ihn mit Lob und machte ihm einen Ring von hohem Wert zum Geschenk. Die Königin überreichte ihm ein kostbares Armband.

»Hat unsere Base alles Interesse für Gesang und Harfenspielen verloren?« fragte Richard.

»Sie dankt dem Sänger für sein Lied,« entgegnete Edith; »aber doppelt dankt sie dem gütigen Oheim, der ihr so herrlichen Genuß verschaffte.« – »Du bist ärgerlich Base,« sagte der König; »weil Blondel von einem eigensinnigeren Weibe gesungen hat, als Du selbst bist. – Aber Du entschlüpfst mir nicht! Ich begleite Dich ein Stück zum Zelte der Königin; unterwegs müssen wir zusammen sprechen.«

Die Königin und ihr Gefolge brachen auf; die Gäste verließen das königliche Zelt; Fackelträger und Bogenschützen bildeten ihr Geleit. König Richard aber bot seiner Base den Arm .. »Was soll ich dem edlen Sultan antworten?« fragte er sie; »Könige und Fürsten fallen von mir ab, Edith! der neue Zwist hat sie mir noch mehr entfremdet. Ich täte gern etwas für das heilige Grab, wenn nicht durch Sieg, so durch Vergleich; aber leider ist mein Erfolg abhängig von den Launen eines eigensinnigen Mädchens, das ihrem eigenen Besten die Augen verschließt. Wie gesagt, Base, was soll ich Saladin antworten?« – »Daß sich die Aermste des Hauses Plantagenet lieber dem Unglück vermählen werde als dem Unglauben.«

»Willst Du nicht lieber noch das Wort Sklaverei hinzutun, Edith?« versetzte der König. »Es scheint mir doch Deinem Gedanken gleich am nächsten zu liegen?.« – »Körperliche Sklaverei,« erwiderte Edith, »ließe sich beklagen; aber seelische, o König, nur verachten! Schäme Dich, Richard, Du Herrscher des fröhlichen Englands! Du hast Körper und Geist eines Ritters in Knechtschaft gestürzt, der einst kaum weniger berühmt war, als Du.« – »Mußte ich nicht meiner Base wehren, Gift zu trinken, indem ich das gifthaltige Gefäß besudelte? bot sich denn ein anderes Mittel, ihr das Getränk zu verleiden?« antwortete der König. – »Du selbst willst aber mich nötigen, Gift zu trinken, das in goldenem Kelche geboten wird!« – »Edith,« sagte Richard, »erzwingen kann ich Deinen Entschluß nicht; doch hüte Dich, die Tür zu verschließen, die der Himmel öffnet! Der Eremit von Engaddi, den Päpste und Konzilien für einen Propheten halten, hat in den Sternen gelesen, daß Deine Vermählung mich mit einem mächtigen Feinde aussöhnen, daß Dein Gatte den christlichen Glauben annehmen werde. Bringe lieber ein Opfer, Edith, ehe Du so glückliche Aussichten verdunkelst.«

»Widder und Ziegen mögen die Menschen opfern,« sagte Edith, »aber nicht Ehre und Gewissen. Die Schmach einer christlichen Jungfrau hat, wie ich vernommen, die Sarazenen nach Spanien geführt; die Schande einer anderen dürfte kaum das passende Mittel sein, die Sarazenen aus Palästina zu vertreiben.« – »Nennst Du es Schmach, eine Kaiserin zu werden?« sagte der König. – »Ich nenne Schmach die Entweihung eines Sakraments, den Ehebund einer Christin mit einem Ungläubigen, der dadurch nicht gebunden werden kann; gemeinen Schimpf aber nenne ich es, daß ich als Tochter einer christlichen Fürstin das Haupt eines heidnischen Harems werden soll.« – »Wohlan, Base,« sagte her König, »ich will nicht länger mit Dir rechten, obgleich ich der Meinung bin, Deine Abhängigkeit sollte Dir größere Nachgiebigkeit empfehlen.«

»Mein König und Oheim,« versetzte Edith, »aller Reichtum, alle Würde und Herrschaft des Hauses Plantagenet ist kraft Rechtens auf Euch übergegangen. Vergönnt zum wenigsten Eurer armen Base Anteil am Stolze ihres Hauses!«

»Meiner Treu, Mädchen!« sagte der König, »mit diesem Worte hast Du mich aus dem Sattel geworfen. Gib mir einen Kuß und laß uns Freunde sein! Ich will sofort Saladin Deine Antwort senden... Aber wäre es nicht doch vielleicht besser, zu warten, bis Du ihn gesehen? es soll ein sehr schöner Mann sein!« – »Es wird sich keine Gelegenheit zu einer Zusammenkunft bieten,« meinte Edith. – »Beim heiligen Georg, die findet sich nächstens!« rief der König; »Saladin wird uns einen Platz anweisen, wo der Zweikampf stattfinden soll, der die Frage entscheiden wird, wer unser Banner beiseite geschafft hat. Er wird, wenn nicht alles trügt, dem Kampfe selbst beiwohnen. Berengaria und ihre Hofdamen werden auch nicht fehlen, und Du wohl am wenigsten, liebe Base! – Doch komm, wir haben das Zelt erreicht und müssen uns trennen, doch nicht im Verdruß!« Er umarmte sie zärtlich, doch hoheitsvoll, dann kehrte er, Blondelsche Weisen trällernd, nach seinem Zelte zurück, wo er das Schreiben ausfertigte, und dem Nubier übergab mit dem Befehle, sich bei Tagesanbruch zu dem Sultan zu begeben.


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