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Neuntes Kapitel.

Lord Gilsland begab sich langsamen Schrittes, aber mit unruhiger Miene nach dem königlichen Zelte. Außer in der Schlacht traute er seinem Wissen nicht eben viel zu und pflegte deshalb sich wohl über Geschehnisse laut zu verwundern, nicht aber mit ihrer Erwägung sich viel zu befassen. Aber daß die Aufmerksamkeit des Bischofs von der merkwürdigen Kur, die sie mit angesehen hatten, so plötzlich abgelenkt wurde durch die Mitteilung über einen armseligen Ritter, der gegenüber dem englischen Adel eine ziemlich unbedeutende Rolle spielte, das kam ihm doch so eigentümlich vor, daß er, seiner Gewohnheit, nur einen untätigen Zuschauer vorübergehender Ereignisse abzugeben, völlig zuwider, sich über den Grund solch auffallender Erscheinung in allen möglichen Mutmaßungen erging.

Schließlich kam er auf den Gedanken, daß innerhalb des Lagers der Verbündeten eine Verschwörung gegen König Richard im Gange sei, an der vielleicht auch der Bischof, nach mancher Meinung ein weltkluger Mann mit weitem Gewissen, Anteil habe. Er wußte recht gut, daß es seinem König immer beschert gewesen war, durch seinen Charakter sich Freunde und Feinde in ungefähr gleichem Maße zuzuziehen, und daß es selbst im Lager unter den durch ihren Eid verpflichteten Fürsten manche gab, die es gar nicht übel aufgenommen hätten, wenn Richard von England ins Verderben geraten oder wenigstens gedemütigt worden wäre.

»Warum sollte nicht dieser El Hakim,« sagte er zu sich selbst, »mit seiner Kur an dem schottischen Knappen nur einen listigen Streich gespielt haben, an welchem der Ritter vom Leoparden mit dem Bischof ihren Anteil hatten?« – Diese Vermutung ließ sich freilich nicht recht mit der Bestürzung vereinigen, die den Bischof befallen hatte, als er hörte, der Ritter sei ins Lager zurückgekehrt; Thomas von Vaux stand aber bloß unter dem Einfluß allgemeiner Vorurteile, und diese bestärkten ihn in der Annahme, daß ein schlauer Priester, ein falscher Schotte und ein heidnischer Arzt sich zu solch bösem Werke zusammengetan hätten. Er nahm sich vor, dem König seine Besorgnis vorzutragen, denn von dessen Urteilskraft hielt er fast ebenso viel, wie von seiner Tapferkeit. Unterdessen waren aber ganz andere Dinge vorgegangen, als Thomas von Vaux vermutete. Er hatte kaum das königliche Zelt verlassen, als Richard aus Ungeduld, die noch durch das Fieber gesteigert wurde, über sein Ausbleiben zu murren anfing und lebhaft wieder nach ihm verlangte. Er plagte seine Wärter, nahm zu dem Brevier des Priesters, ja selbst zur Harfe seines Lieblingssängers seine Zuflucht, ohne jedoch Ablenkung von seinen Schmerzen zu finden. Endlich schickte er ein paar Stunden vor Sonnenuntergang, lange vor der Zeit, da er Nachricht über den Fortgang der Kur des arabischen Arztes erwarten konnte, einen Boten nach dem Ritter vom Leoparden ab, um genaueren Bericht über die Ursache seiner Entfernung vom Lager, wie über die Umstände seiner Zusammenkunft mit dem berühmten Arzte zu erhalten.

Der schottische Ritter war dem Monarchen kaum von Ansehen bekannt, obgleich er bei solchen Gelegenheiten, wo Englands Gastfreundschaft allen Rittern Zutritt zum königlichen Hofe gewährte, niemals gefehlt hatte. Der König faßte den Ritter, der sich seinem Bette näherte, scharf ins Auge; der Ritter beugte ehrerbietig das Knie, wie es einem Krieger in Gegenwart seines Fürsten geziemte.

»Dein Name ist Kenneth vom Leoparden,« sagte der König. »Wer schlug Dich zum Ritter?« – »Wilhelm, der Löwe von Schottland,« entgegnete Kenneth – »Wir haben gesehen,« sagte drauf der König,»daß Du Dich im Schlachtgewühl tapfer und ritterlich geführt hast. Du hast noch nicht vernommen, daß uns Deine Dienste bekannt sind, weil Du Dir in anderer Hinsicht Dinge anmaßest, die Dir nicht zustehen, – darum können wir Deine Dienste nicht angemessen belohnen ... Was sagst Du, he?«

Kenneth wollte sprechen, fand aber die rechten Worte nicht, weil ihn das Bewußtsein seiner ehrgeizigen Liebe verwirrte und der scharfe Blick Richards, der sein Innerstes zu durchdringen schien, in Unruhe und Bange setzte.

»Doch genug davon,« rief der König; »jetzt sagt mir, Herr Ritter, weshalb und auf wessen Antrieb Ihr Eure letzte Reise nach dem Toten Meere und nach Engaddi unternommen habt?« – »Im Auftrage der hohen Ratsversammlung der Fürsten,« entgegnete der Ritter. – »Wie durfte es jemand wagen, Euch einen solchen Auftrag zu geben, da ich – offenbar nicht der geringste im Bunde der Fürsten, nichts davon wußte?« – »Euer Hoheit wolle bedenken, daß es mir nicht zukam, mich nach solchen Umständen zu erkundigen. Ich bin ein Soldat des Kreuzes unter dem Banner Eurer Majestät, demungeachtet verbunden, den Befehlen der Fürsten und Heerführer zu gehorchen, die das heilige Unternehmen leiten.« – »Gut,« versetzte Richard, »der Tadel trifft nicht Dich, sondern gewisse Bundesfürsten, mit denen ich, wenn mich der Himmel von diesem verwünschten Lager erlösen sollte, strenge Abrechnung zu halten hoffe. Worauf richtete sich Deine Sendung?« – »Mich dünkt, Majestät, diese Frage würde am besten an diejenigen Fürsten gerichtet, die mich absandten. Ich kann nur von der äußeren Beschaffenheit meiner Sendung sprechen.« – »Betrügt mich nicht, Herr Schotte – das könnte Euch das Leben kosten,« entgegnete der reizbare Monarch. – »Mein Leben,« erwiderte der Ritter, »war mir immer gleichgültig, seit ich mich dem Kreuzzuge weihte.« – »Du bist ein wackrer Bursche!« rief der König: »ich liebe das schottische Volk, die Schotten sind kühn und ehrlich, wenn auch mürrisch und dickköpfig. Mir seid Ihr vielleicht zu einigem Dank verpflichtet, denn ich bin immer bestrebt gewesen, mir unabhängige Freunde zu verschaffen, während frühere Könige Englands sich nur trotzige Vasallen erzwangen.« – »Alles dies,« versetzte Ritter Kenneth, sich verbeugend, »habt Ihr vollzogen durch fürstlichen Vertrag mit unserem Herrscher zu Canterbury. Darum sind Euch viele schottische Männer in den Krieg gegen die Ungläubigen gefolgt, während sie sonst vielleicht die Grenzen Englands verheert hätten.« – »Das gebe ich zu,« sagte der König; »Doch laßt mir als Hauptglied des christlichen Bundes die Gerechtigkeit widerfahren, mir mitzuteilen, was ich zu wissen berechtigt bin, und was ich offenbar, sicherer von Euch als irgend einem andern erfahre.« »Mein gnädigster König,« entgegnete der Schotte, »vernehmen also Ew. Majestät, daß ich durch den Einsiedler von Engaddi, einen heiligen, von Saladin selbst geehrten und beschirmten Mann, den Auftrag empfing, Vorschläge zur...« – »Zur, Verlängerung des Waffenstillstandes zu machen« unterbrach ihn Richard schnell; »nicht wahr?« – »Nein, beim, heiligen Andreas! sondern zu einem dauerhaften Frieden, und Bedingungen festzustellen über den Abzug unserer Heere aus Palästina.«

»Heiliger Georg!'« rief Richard erstaunt; »nie hätte ich mir träumen lassen, daß sie sich so tief erniedrigen würden. – Wie nahmt Ihr eine solche Botschaft auf, Ritter?« – »Sie war mir willkommen, mein König,« entgegnete Kenneth, »weil wir unseres edlen Anführers verlustig gingen, unter dessen Leitung ich allein auf Sieg hoffte« – »Und auf welche Bedingungen hin sollte dieser Friede geschlossen werden?« fuhr Richard fort, kaum imstande, den Unmut zu unterdrücken, der ihm fast die Brust sprengte. – »Ich übergab sie versiegelt dem Einsiedler.« – »Und für wen haltet Ihr diesen Einsiedler?« fragte Richard. »Für einen Narren, Tollhäusler, Verräter oder Heiligen?« – »Nach meinem Dafürhalten, Sir,« entgegnete der schlaue Schotte, »ist seine Narrheit bloße Maske, um sich in Gunst und Ehrfurcht bei den Heiden zu setzen, denn sie halten Wahnsinnige für gottbegnadete Personen.« – »Und was hältst Du von seinen Kasteiungen?« fragte der Monarch, sich wieder auf sein Lager zurückwerfend, von dem er sich leicht erhoben hatte. – »Seine Bußübungen,« erwiderte Kenneth, »haben mir den Eindruck der Aufrichtigkeit gemacht – sie rühren wohl her aus Gewissensbissen über ein furchtbares Verbrechen, das ihn in ewige Verdammnis, wenigstens nach seiner Anschauung, gestürzt hat.« – »Und wie denkt er über die politische Lage?« fragte Richard. – »Mich dünkt, er zweifelt an der Sicherheit Palästinas ebenso wie an seiner eigenen Seligkeit, wenn nicht ein Wunder geschieht – wenigstens seit Richards Arm aufgehört hat, für dies Land zu kämpfen.« – »Und darum deckt sich die feige Politik dieses Eremiten mit jener dieser kläglichen Fürsten, die ihr Rittertum und ihre Treue vergessen konnten und nur Entschlossenheit entwickeln, wenn es den Rückzug gilt.« – »Verzeiht mir, gnädigster König,« sagte der schottische Ritter, »diese Unterredung setzt Euch wieder in Fieber; und aus Eurer Krankheit erwächst der Christenheit größerer Schaden als aus den Scharen der Heiden.« – »Ihr versteht zu schmeicheln, Ritter,« sagte Richard, »aber Ihr entschlüpft mir nicht. Ich muß noch mehr von Euch erfahren. Sahet Ihr meine königliche Gemahlin zu Engaddi?« – »Meines Wissens nicht,« entgegnete Kenneth bestürzt; denn ihm fiel die mitternächtliche Prozession in der Felsenkapelle ein – »Ich frage Euch,« fuhr der König ernster fort, »ob Ihr nicht in der Kapelle der Karmeliter-Nonnen zu Engaddi waret und dort Berengaria sahet, die Königin von England, nebst ihren Hofdamen, die dorthin wallfahrteten?« – »Gnädigster König,« antwortete Ritter Kenneth, »ich will die Wahrheit sprechen, wie im Beichtstuhle. In einer unterirdischen Kapelle, zu der mich der Anachoret führte, sah ich einen Chor von Damen einer heiligen Reliquie ihre Verehrung erweisen. Allein, da ich ihr Antlitz nicht sah und ihre Stimmen nicht hörte, außer in den Hymnen, die sie sangen, kann ich nicht sagen, ob die Königin von England sich in ihrer Mitte befand.« – »Kanntet Ihr keine dieser Damen?« fragte Richard . . . Kenneth schwieg. – »Ich frage Euch,« fuhr der König fort, sich auf den Ellbogen stützend, »als Ritter und Edelmann, – und Eure Antwort soll mich lehren, wie Ihr beides schätzt, – kanntet Ihr eine Dame unter dieser andächtigen Versammlung?« – »Ich möchte nicht Nein sagen,« sagte Kenneth in großer Verlegenheit. – »Auch ich kann nur mutmaßen,« unterbrach ihn Richard, finster die Stirne runzelnd. »Doch genug davon. Als Leopard, Herr Ritter, hütet Euch, den Leu zu reizen, versteht Ihr? Sich in den Mond zu verlieben, wäre nur Torheit; aber von der Zinne eines hohen Turmes zu springen, in der ungereimten Hoffnung, zu ihm hinauf zu gelangen, wäre Selbstmord.«

In diesem Augenblicke ward Geräusch im äußeren Gemache laut, und der König, schnell wieder seine gewöhnliche Weise annehmend, sagte: »Genug davon. Eilt zu Thomas von Vaux und schickt ihn her mit dem arabischen Arzte. Ich stehe mit meinem Leben für des Sultans Redlichkeit. Wollte er nur seinen falschen Glauben abschwören, so hülfe ich ihm mit meinem Schwerte diesen Abschaum von Franzosen und Österreichern aus seinem Gebiete vertreiben.«

Der Ritter vom Leoparden entfernte sich, und gleich darauf wurden durch die Kämmerer Abgesandte der Ratsversammlung angemeldet, die dem Könige ihre Aufwartung machen wollten.

»Gut, daß sie wenigstens meinen, ich sei noch am Leben,« war seine Antwort. »Wer sind die Abgesandten?« – »Der Großmeister des Templerordens und der Marquis von Montserrat.«. – »Unser Bruder von Frankreich liebt keine Krankenbetten,« sagte Richard; »und gleichwohl, wäre Philipp krank gewesen, ich hätte schon längst an seinem Lager gestanden. – Jocelyn, bring das Bett in Ordnung; es ist zusammengeschüttelt, wie von stürmischer See. Kämme mir auch Haar und Bart, die einer Löwenmähne tatsächlich ähnlicher sehen als Christenlocken. Gib mir auch Wasser!« – »Majestät,« sagte der Kämmerling zitternd, »die Aerzte sagen, kaltes Wasser sei gefährlich.« – »Hol sie der Teufel, diese Aerzte!« entgegnete Richard. »Wenn sie mich nicht kurieren können, will ich mich auch nicht von ihnen schinden lassen. So!« fuhr er fort, nachdem er sich gewaschen hatte, »jetzt laß die würdigen Gesandten herein!«

Der Großmeister der Tempelherren war ein langer, hagerer Mann mit müdem, doch durchdringendem Auge, und einer Stirn, der tausend schwarze Intriguen ihren Stempel aufgeprägt hatten. Er stand an der Spitze jenes seltsamen Ordens, dem die Körperschaft alles, das Individuum aber nichts galt. Er trug das lange, weiße Feiertagsgewand und den Abacus, jenen geheimnisvollen Amtsstab, dessen eigentümliche Form zu dem Argwohne führte, daß diese Brüderschaft christlicher Ritter sich unter den ärgsten Symbolen des Heidentums verbunden habe.

Konrad von Montserrat dagegen zeigte ein viel gefälligeres Aeußere als jener finstere, geistliche Krieger, der sich in seiner Begleitung befand. Er war ein schöner Mann im mittleren Alter, kühn in der Schlacht, einsichtsvoll im Rat, fröhlich bei Festlichkeiten: doch zeihte man ihn einer veränderlichen Sinnesart, der Engherzigkeit, Selbstsucht und Ehrsucht.

Nach den üblichen gegenseitigen Begrüßungen erging sich der Marquis in der Auseinandersetzung der Gründe ihres Besuches.. »Erkundigung einzuziehen über das Befinden ihres hohen Bundesgenossen, des tapferen Königs von England,« sagte er, »ist der Hauptzweck, der die hohen Fürsten vom Rate der Kreuzfahrer bestimmte, uns zu entsenden...« – »Wir wissen, welchen Wert die Fürsten auf unsere Gesundheit legen,« erwiderte der König; »aber wäre es Euch gefällig, Ihr Herren, Euch in das anstoßende Zelt zu verfügen? Ihr sollt dort auf der Stelle sehen, wie wir das Wohlwollen und die Fürsorge unserer fürstlichen Bundesgenossen zu schätzen wissen.«

Kaum standen sie in dem Außenzelte, als El Hakim, der morgenländische Arzt, in Begleitung des Barons von Gilsland und Kenneths eintrat. Der Arzt verneigte sich vor dem Marquis und dem Großmeister nach orientalischer Sitte. Der Großmeister erwiderte seinen Gruß mit Kälte, der Marquis dagegen mit freundlicher Höflichkeit. Es entstand eine Pause, in welcher der Großmeister den Muselman fragte: »Ungläubiger, Du hast den Mut, Deine Kunst an der Person eines gesalbten Fürsten der Christenheit zu versuchen?« – »Die Sonne Allahs,« antwortete der Weise, »leuchtet für den Nazarener wie für den wahrhaft Gläubigen, und sein Diener macht keinen Unterschied zwischen ihnen, wenn er zur Ausübung seiner Heilkunde gerufen wird.« – »Irrgläubiger Hakim,« sagte der Großmeister, »weißt Du, daß Du von wilden Pferden zerrissen wirst, wenn König Richard unter Deiner Behandlung stirbt?« – »Das wäre harte Rechtspflege,« antwortete der Arzt, »insofern ich nur menschliche Mittel gebrauchen kann, und der Ausgang im Buche des Lichts geschrieben steht.« – »Ehrwürdiger Großmeister,« sagte der Marquis von Montserrat, »bedenkt, daß dieser gelehrte Mann nicht bekannt ist mit unserer christlichen Vorschrift, die in der Furcht Gottes und zum Heil seines Gesalbten dekretiert wurde. Wisse denn, ehrwürdiger Arzt, daß Du am besten tust, Dich vor den hohen Rat unseres heiligen Bundes zu stellen, und in Gegenwart christlicher Gelehrten Rechenschaft zu legen über die Mittel, die Du zur Kur solches erlauchten Kranken anzuwenden gedenkst. Auf diese Art entgehst Du aller Gefahr, durch zu rasche Bereitwilligkeit Dich in schwere Verantwortung zu stürzen.«

»Ihr Herren,« erwiderte El Hakim, »ich verstehe Euch wohl. Aber Sultan Saladin, mein gnädiger Fürst, hat mir befohlen, diesen Nazarener-König zu heilen, und mit dem Segen des Propheten werde ich diesem Befehle gehorchen. Gelingt mir es nicht, so biete ich meinen Leib Euren Schwertern dar. Aber Gespräche führen mit Ungläubigen über die Heilkraft von Arzneien, die ich durch die Gnade des Propheten kennen lernte, werde ich nun und nimmer. Darum haltet mich nicht länger auf.« – »Wer spricht von dergleichen?« sagte Thomas von Vaux, der jetzt ins Zelt eintrat. »Wir wurden schon zu lange aufgehalten. Ich grüße Euch, Marquis und Euch, Herr Großmeister; aber ich muß mich auf der Stelle mit diesem Arzte zum König verfügen.«

»Lord Gilsland,« sagte der Marquis in normannischem Französisch, »Ihr wißt doch, daß wir hier sind, um von seiten der Fürsten vorstellig zu werden, welche Gefahr die Gesundheit König Richards in den Händen eines heidnischen Arztes läuft?« – »Marquis,« versetzte der Engländer grob, »ich verstehe mich nicht auf viel Worte und höre auch nicht gern viel Worte. Aber ich glaube, was meine Augen gesehen, was meine Ohren gehört haben, und darum glaube ich, daß dieser Heide den König Richard zu heilen vermag, und glaube, daß er ihn auch heilen wird. Die Zeit ist kostbar; und somit Gott befohlen, Ihr Herren.« – »Nicht doch,« sagte Konrad von Montserrat, »der König selbst hat gewünscht, wir möchten bei der Behandlung zugegen sein.«

Thomas von Vaux besprach sich leise mit dem Kämmerer, dann sagte er: »Wenn Ihr Euch ruhig verhaltet, so seid willkommen, Ihr Herren; stört Ihr aber den Arzt in seiner Kur, so muß ich Euch ohne Rücksicht auf Euren hohen Rang aus Richards Zelt entfernen. Frisch vorwärts, El Hakim!«

Der Großmeister warf auf den unhöflichen Krieger einen grimmigen Blick; seine Stirn hellte sich aber auf, als sein Auge auf den Marquis fiel. Beide folgten dem Ritter und dem Araber in das königliche Zelt, wo Richard auf seinem Lager sie mit Ungeduld erwartete.

»Hoho!« rief er, »eine erlauchte Gesellschaft, die meinen Sprung ins dunkle Grab mit ansehen will. Seid gegrüßt als Stellvertreter unserer Bundesversammlung, Ihr Herren! Richard will wieder unter Euch der alte sein, oder Ihr sollt seine Ueberreste zu Grabe tragen. Wohlan, Herr Hakim, ans Werk!«

Der Arzt befühlte lange und aufmerksam den Puls, während alle in atemloser Erwartung umherstanden. Dann füllte er den Becher mit Quellwasser und tauchte den kleinen roten Beutel hinein, den er wie voriges mal aus seinem Busen nahm. Als er den Trank hierauf dem König reichen wollte, kam dieser ihm zuvor: »Einen Augenblick, Doktor! Du hast meinen Puls gefühlt, laß mich nun auch den Deinigen fühlen... Ich verstehe, wie es einem tüchtigen Ritter geziemt, auch einiges von Deiner Kunst.«

Der Araber reichte ihm die Hand ohne Bedenken, und einen Augenblick lang lagen seine langen, schmalen Finger in der großen Hand des Königs gleichsam begraben.

»Sein Blut geht ruhig,« sagte Richard. »So klopfen die Adern nicht bei einem Menschen, der einen König vergiften will. Thomas von Vaux, mag ich das Leben behalten oder sterben, so entlaß diesen Arzt in Ehren und Sicherheit. Empfiehl uns, Freund, dem edlen Saladin! bleibe ich am Leben, so werde ich ihm den Dienst danken, wie es sich einem Krieger gegenüber gebührt.«

Er richtete sich jetzt im Bette auf, nahm den Becher, leerte ihn bis auf den Boden, dann gab er ihn dem Araber zurück und sank erschöpft auf die Kissen. Der Arzt winkte den Rittern, sich zu entfernen; aber während die übrigen dem Winke folgten, ließ Thomas von Vaux sich durch keine Vorstellungen bewegen, das Zelt zu verlassen.


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