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Fünfzehntes Kapitel.

Leb wohl, du Land! in dem die Wolken ruh'n mit Lust,
Dem Todtentuche gleich an Berges kalter Brust,
Wo des Adlers Ruf Antwort gibt dem Wasserfall,
Wo der See ertönt von des Echo's Wiederhall.

 

Unser Weg führte durch eine wüste, aber dennoch romantische Gegend, die ich indeß in dem Kummer meiner Seele nicht genauer betrachtete. Der hohe Gipfel des Ben Lomond, hier der hervorragende Herrscher der Gebirge, lag uns zur Rechten, und diente zum auffallenden Grenzzeichen. Ich wurde nicht eher aus meiner Unempfindlichkeit gegen Alles erweckt, als bis wir nach einer langen, beschwerlichen Wanderung aus einer Bergschlucht traten und der Loch Lomond vor uns lag. Ich will nicht zu beschreiben suchen, was sich kaum vorstellen läßt, ohne es gesehen zu haben. In der That gewährt dieser herrliche See einen der überraschendsten, schönsten und erhabensten Anblicke in der Natur. Zahllose reizende Eilande von jeder Form und Gestalt umschließt er, indem er sich gegen Norden verengt, bis er unter dunkeln, entlegenen Bergen verschwindet, während er nach Süden zu sich nach und nach ausbreitet, und die Buchten und Vorgebirge eines anmuthigen, fruchtbaren Erdreichs bespült. Das östliche, besonders rauhe und wilde Ufer war damals der Hauptsitz von Mac-Gregor und seinem Clan, zu dessen Zügelung zwischen Loch Lomond und einem andern See eine kleine Abtheilung ihren Stand erhalten hatte. Jedoch das Land war von Natur so befestigt, es enthielt so zahlreiche Engpässe, Moräste, Höhlen und andere Orte zum Versteck oder zur Vertheidigung, daß jenes kleine Fort die Gefahr eher andeutete, als dagegen Sicherung gewährte. Bei mehr als einer Gelegenheit, außer der, wovon ich Zeuge war, hatte die Besatzung den verwegenen Muth des Geächteten und seiner Anhänger empfunden. – Diese Vortheile wurden nie durch Grausamkeit befleckt, wenn er selbst anführte, denn eben so gutmüthig, als verständig, sah er wohl ein, wie gefährlich es war, sich ohne Noth verhaßt zu machen. Mit Vergnügen hörte ich, daß er die Gefangenen des vorigen Tages sicher entlassen hatte; und viele ähnliche Züge von Milde und selbst Großmuth werden von diesem merkwürdigen Manne erzählt.

Unter einem hohen Felsen in einer Bucht erwartete uns ein Boot, das mit vier muntern hochländischen Ruderern bemannt war, und unser Wirth nahm mit großer Herzlichkeit, ja selbst Zuneigung, von uns Abschied. Zwischen ihm und dem Stadtvoigt schien eine gegenseitige Achtung zu bestehen, die zu ihren verschiedenen Beschäftigungen und Gewohnheiten einen starken Contrast bildete. Nachdem sie sich sehr liebreich geküßt hatten, und eben scheiden wollten, versicherte Jarvie seinen Vetter in der Fülle seines Herzens und mit zitternder Stimme, wenn ihm oder den Seinigen je 100 oder auch 600 Pfd. zu einer festen Einrichtung dienlich sein könnten, so brauche er nur eine Zeile nach Glasgow zu senden. Robin faßte dagegen mit der einen Hand den Griff seines Schwertes, und mit der andern Jarvie's Hand herzlich schüttelnd, betheuerte er, wenn irgend Jemand seinen Vetter kränkte, und dieser ihm Botschaft sendete, so werd' er dem Beleidiger, und wär' es der erste Mann in Glasgow, die Ohren abhauen.

Mit diesen Versicherungen gegenseitiger Hülfe und fortgesetzter Freundschaft, stießen wir vom Ufer, und steuerten nach der südwestlichen Ecke des See's, wo ihm der Fluß Leven entströmt. Robin der Rothe blieb noch einige Zeit an dem Felsen stehen, von dem unser Boot abgestoßen war, in der Ferne an seinem langen Gewehre erkenntlich, dem wehenden, bunten Gewande, und der einzelnen Feder auf der Mütze, durch die sich in jenen Zeiten der hochländische Gentleman und Krieger auszeichnete. Endlich sahen wir ihn langsam den Berg hinanschreiten, begleitet von den Männern, die seine Leibwache bildeten.

Wir setzten unsere Fahrt schweigend fort, außer dem gaelischen Gesange, den Einer von den Ruderern in leiser und unregelmäßiger Weise anstimmte, und der sich dann zu einem wilden Chor erhob, in welchen die Andern einfielen.

Meine Seele war mit Trauer erfüllt; dennoch gewährte mir der Anblick der prächtigen Landschaft, die uns umgab, einige Linderung, und in der Schwärmerei des Augenblickes dachte ich, daß ich, wenn ich zur römischen Kirche gehört hätte, gern auf einem der anmuthigen Eilande, zwischen welchen unser Boot dahin glitt, als Einsiedler leben und sterben würde.

Auch der Stadtvoigt hing seinen Betrachtungen nach, die aber von den meinigen ziemlich verschieden waren, wie ich bemerkte, als er nach einem langen Stillschweigen, während dessen er bei sich die gehörigen Berechnungen gemacht hatte, zu beweisen versuchte, daß es möglich sei, den See auszutrocknen, und für Pflug und Egge viele hundert, ja viele tausend Morgen Landes zu gewinnen, von denen man jetzt keinen Ertrag hätte, als dann und wann ein Gericht Fische. Von seiner langen Erörterung, die er gegen mich auskramte, erinnere ich mich nur noch, daß es zu seinem Entwurfe gehörte, einen Theil des See's zu erhalten, tief und breit genug zu einer Wasserstraße, so daß Kohlenschiffe und Waarenbarken eben so leicht von Dumbarton nach Glenfalloch, als von Glasgow nach Greenock kommen könnten.

Endlich näherten wir uns dem Landungsplatze, nicht weit von den Trümmern einer alten Veste, bei welcher der See in den Leven abfließt. Hier trafen wir Dougal mit den Pferden.

Jarvie hatte sowohl hinsichtlich der Creatur, als der Austrocknung des See's seinen Plan gemacht, und vielleicht in beiden Fällen mehr auf die Nützlichkeit als die wahrscheinliche Möglichkeit der Ausführung geachtet. »Dougal,« sagte er, »Ihr seid eine gute Creatur und fühlt, was Vornehmern gebührt. Ihr thut mir leid, Dougal, denn das Leben, das Ihr führt, muß früher oder später ein schlechtes Ende nehmen. Ich hoffe, in Betracht meiner Dienste, als obrigkeitliche Person, und der meines Vaters, des Vorstehers, bei den Rathsherren genug Einfluß zu haben, um sie zu bewegen, durch die Finger zu sehen, auch bei schlimmern Dingen, als Ihr gethan habt. Wenn Ihr daher mit nach Glasgow gehen wollt, so könntet Ihr, da Ihr eine breitschultrige Creatur seid, einstweilen in meinem Waarenlager helfen, bis sich etwas Besseres fände.«

Dougal dankte, versicherte aber, er werde nie wieder nach Glasgow kommen, wenn man ihn nicht, wie vorher, mit Stricken dahin zöge. Wie ich später erfuhr, war er wirklich ursprünglich wegen der Theilnahme an einer Räuberei als Gefangener nach Glasgow gebracht worden, wo er aber so viel Gnade vor den Augen des Kerkermeisters fand, daß er von ihm als Schließer in Dienst genommen wurde, welches Amt er auch, so viel man weiß, treulich verwaltete, bis er bei der unerwarteten Erscheinung seines vorigen Häuptlings angestammten Vorurtheilen unterlag.

Verwundert über Dougals abschlägliche Antwort auf ein so vortheilhaftes Anerbieten, bemerkte der Stadtvoigt gegen mich, daß die Creatur ein geborner Dummkopf sei. Ich bezeugte meine Dankbarkeit auf eine Art, welche für Dougal weit mehr Sinn hatte, indem ich nämlich ein paar Goldstücke in seine Hand gleiten ließ. Kaum fühlte er die Berührung des Goldes, so machte er mit großer Behendigkeit einige Bockssprünge, und warf die Beine, daß es einen französischen Tanzmeister in Erstaunen gesetzt haben würde. Er lief zu den Ruderern, ihnen die Beute zu zeigen, und ein kleines Geschenk machte, daß diese sein Entzücken theilten. Dann ging er seines Weges, und ich sah ihn nicht wieder.

Der Stadtvoigt und ich bestiegen unsere Pferde und ritten die Straße nach Glasgow. Als wir den See mit seinem prächtigen Amphitheater von Bergen aus dem Gesichte verloren, konnte ich nicht unterlassen, mit Begeisterung von dessen Naturschönheiten zu sprechen, obgleich ich wußte, daß Jarvie keineswegs eine gleichgestimmte Seele war, der man sich über einen solchen Gegenstand mittheilen konnte.

»Ihr seid ein junger Mann und ein Engländer,« erwiderte er, »und das Alles kann Euch recht hübsch vorkommen; aber ich, der ich ein schlichter Mann bin, und Einiges von dem verschiedenen Werth der Ländereien verstehe, gebe gern die schönste Aussicht, die wir im Hochlande gesehen haben, für den ersten Anblick der Dächer von Glasgow. Und bin ich nur einmal da, dann will ich nicht um jedes Narren willen – nichts für ungut, Mr. Frank – die Stadt wieder verlassen.«

Der wackere Mann erreichte seinen Wunsch, denn nach einem fortgesetzten Ritte hielten wir in der Nacht, oder vielmehr am folgenden Morgen, vor seinem Hause. Nachdem ich meinen wackern Reisegefährten sicher der Sorgfalt seiner bedachtsamen und dienstfertigen Mathilde überliefert hatte, begab ich mich nach meinem Wirthshause, wo ich selbst zu dieser ungewöhnlichen Stunde noch Licht fand. Die Thür öffnete Niemand Geringeres, als Andrew Fairservice, welcher beim ersten Laut meiner Stimme ein Freudengeschrei ausstieß, und ohne ein Wort zu sagen, die Treppe hinauf nach dem Zimmer im zweiten Stock lief, aus dessen Fenstern das Licht schimmerte. Ich vermuthete mit Recht, daß er meine Ankunft dem bekümmerten Owen anzeigen wollte, und folgte ihm daher auf dem Fuße nach. Owen war nicht allein, – es war noch ein Anderer im Zimmer – mein Vater.

Seine erste Regung war, die Würde seines gewöhnlichen Gleichmuths zu behaupten. »Frank, es freut mich, dich zu sehen« – die nächste war, mich zärtlich zu umarmen – indem er ausrief: »Mein theurer, – theurer Sohn!« Owen umfaßte meine Hände, die er mit Thränen benetzte, während er mir zu meiner Rückkehr Glück wünschte. Solche Scenen sind mehr für Auge und Herz, als für das Ohr. – Meine alten Wimpern werden bei der Erinnerung an diese Scene noch immer feucht.

Nachdem die erste Aufwallung unserer Freude vorüber war, erfuhr ich, daß mein Vater kurz nachher, als sich Owen nach Schottland auf den Weg gemacht hatte, aus Holland zurückgekehrt war. Entschlossen und rasch in allen seinen Handlungen, verweilte er nur so lange, als nöthig war, um die Mittel herbeizuschaffen, die Verbindlichkeiten seines Hauses zu erfüllen. Mit seinen ausgebreiteten Hülfsmitteln, und vermehrtem Capital und befestigtem Credit durch den glücklichen Erfolg seines Geschäfts auf dem festen Lande, gelang ihm leicht, was vielleicht nur seine Abwesenheit schwierig gemacht hatte, und er reiste nach Schottland, um Rashleigh zur Rechenschaft zu ziehen, und zugleich seine Angelegenheiten in jenem Lande in Ordnung zu bringen. Die Ankunft meines Vaters, mit vollem Credit, und mit reichlichen Mitteln versehen, seine Verpflichtungen ehrenvoll zu erfüllen, und auch seinen Handelsfreunden in Zukunft nützen zu können, war ein Donnerschlag für Mac-Vittie und Compagnie, die geglaubt hatten, sein Stern sei für immer untergegangen. Höchst aufgebracht über die Behandlung, welche sein vertrauter Buchhalter erfahren hatte, wies mein Vater alle Entschuldigungen und gütliche Vergleiche zurück, und nachdem er die laufende Rechnung berichtigt hatte, erklärte er ihnen, daß dieser Theil ihres Handelsbuchs, mit allen Vortheilen, die er geboten hatte, auf immer geschlossen sei.

Während er dieses Sieges über falsche Freunde genoß, war er meinetwegen nicht wenig in Sorgen. Der gute Owen hatte es nicht für möglich gehalten, daß eine Reise von fünfzig bis sechzig Meilen, die von London aus in jeder Richtung so leicht und so sicher gemacht wurde, mit irgend einer Gefahr verbunden sein könnte. Aber er gerieth mit meinem Vater, der das Land und den gesetzlosen Charakter der Bewohner besser kannte, in Unruhe. Diese Besorgnisse stiegen zur höchsten Angst, als wenige Stunden vor meiner Ankunft Andrew erschien, und eine furchtbare und übertriebene Schilderung von der bedenklichen Lage machte, in der er mich zurückgelassen hatte. Der Edelmann, bei dessen Reiterei er eine Art von Gefangener gewesen war, hatte ihn nach einem Verhöre nicht nur sogleich freigelassen, sondern auch in den Stand gesetzt, schnell nach Glasgow zu eilen, um meinen Freunden Nachricht von meiner mißlichen Lage zu geben.

Andrew gehörte zu den Leuten, die keine Abneigung gegen die vorübergehende Aufmerksamkeit und jämmerliche Bedeutung haben, welche dem Ueberbringer schlimmer Botschaften zu Theil werden, und hatte seine Erzählung daher keineswegs gemildert, zumal da der reiche Londoner Kaufmann unerwartet selbst sein Zuhörer war. Er sprach sehr weitläufig von den Gefahren, welchen ich entronnen war, und zwar, wie er zu verstehen gab, vorzüglich durch seine Erfahrung, Thätigkeit und Klugheit. Was nun aus mir geworden sei, nachdem man ihn, meinen Schutzengel, von meiner Seite gerissen, das sei eine Veranlassung trauriger Vermuthungen. Der Stadtvoigt sei in schwierigen Fällen so gut wie Niemand, oder noch schlimmer, er bilde sich viel ein, und er, Andrew, hasse den Dünkel. – Aber gewiß werd' es dem jungen Herrn zwischen den Pistolen und Flinten der Reiter, den Dolchen und Schwertern der Hochländer, und den tiefen Fluten und Wellen des Stromes, übel genug gegangen sein.

Diese Aussage würde Owen zur Verzweiflung getrieben haben, wenn er allein und ohne Beistand gewesen wäre; mein Vater aber wurde durch seine Menschenkenntniß leicht in den Stand gesetzt, die Sinnesart des Erzählers und den wahren Verlauf seiner Nachrichten zu würdigen. Dennoch waren diese auch ohne alle Uebertreibung beunruhigend genug. Er beschloß, sich selbst auf den Weg zu machen, um durch Lösegeld oder Unterhandlung meine Freiheit zu bewirken, und war mit Owen noch spät in der Nacht beschäftigt, nothwendige Briefe durchzugehen und ihm einige Geschäfte aufzutragen, die während seiner Abwesenheit vollendet werden sollten; und so traf es sich, daß ich sie noch wachend fand.

Es war spät, als wir uns trennten, und zu ungeduldig, um die Ruhe lange zu genießen, stand ich früh wieder auf. Andrew zeigte sich pflichtmäßig, um seinen Dienst zu versehen, und statt der Feldscheuchengestalt, in welche die Hochländer ihn versetzt hatten, erschien er jetzt in tiefer Trauer. Erst nach einigen Fragen, die der Schelm so lange als möglich mißverstehen wollte, brachte ich heraus, daß er es für anständig gehalten hätte, meinetwegen Trauer anzulegen, und da der Trödler, in dessen Bude er sich ausgestattet, den Anzug nicht wieder nehmen wollte, und er in meinen Diensten um seine eigenen Kleider gekommen sei, so würden ich und mein Vater, den die Vorsehung gesegnet hätte, gewiß nicht zugeben, daß ein armer Bursche den Verlust trüge, besonders ein alter und treuer Diener des Hauses. Da seine Beschwerde über erlittenen Verlust in meinem Dienst allerdings gegründet war, so gelang ihm seine List, und er kam zu einem guten Traueranzuge, als äußeres Zeichen des Leidwesens um seinen Herrn, der gesund und munter war.

Sobald mein Vater aufgestanden war, besuchte er den Stadtvoigt, dessen Güte die höchste Dankbarkeit in ihm erregte, was er mit wenigen, aber männlichen und kräftigen Worten aussprach. Er äußerte sich über den veränderten Zustand seiner Angelegenheiten, und bot dem Stadtvoigt unter sehr vortheilhaften Bedingungen den Antheil an seinem Handelsgeschäfte an, welchen vorher Mac-Vittie gehabt hatte. Jarvie wünschte meinem Vater und Owen über die veränderte Lage der Dinge herzlich Glück, ohne auf gezwungene Weise zu läugnen, daß er sein Bestes gethan hätte, wie er selbst behandelt werden möchte; und die Erweiterung ihres Geschäftsverkehrs nahm er dankbar an. »Hätten die Mac-Vittie's sich als wackere Männer betragen,« sagte er, »so würde er ihnen nicht gern auf diese Weise den Rang abgelaufen haben, da aber die Sachen anders ständen, müßten sie nun den Schaden tragen.«

Jarvie zog mich dann in eine Ecke, und nach einem herzlichen Glückwunsche fügte er mit einiger Verlegenheit hinzu: »Ich wünsche sehr, Mr. Frank, daß so wenig als möglich von den seltsamen Dingen, die wir dort sahen, gesprochen werden möchte. Wenn man nicht vor Gericht befragt wird, thut's nicht gut, von dem schrecklichen Vorfall mit dem Morris zu reden, und die Rathsmitglieder würden's nicht für rühmlich halten, daß Einer aus ihrer Mitte mit Hochländern gefochten, und ihre Plaids verbrannt hätte. – Und vor Allem – obwohl ich ein verständiger, zuverlässiger Mann bin, wenn ich auf meinen Beinen stehe – so muß ich mich doch wunderlich ausgenommen haben, als ich ohne Hut und Perücke an dem Strauche hing. Stadtvoigt Grahame würde mir's wohlgedenken, wenn er die Geschichte wüßte.«

Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als ich mich an Jarvie's Zustand erinnerte, obwohl ich ihn damals gewiß nicht für lächerlich hielt. Der gutmüthige Mann wurde etwas verlegen, lächelte aber gleichfalls, indem er mit Kopfschütteln sagte: »Ich sehe, wie's steht – ich sehe, wie's steht. Aber sprecht nichts davon, und befehlt Eurem geschwätzigen, eingebildeten, anmaßenden Diener, auch nichts zu sagen. Ich möchte selbst nicht einmal, daß die Mathilde etwas davon erführe. Es würde des Geschwätzes darüber kein Ende sein.«

Seine Furcht, in einem lächerlichen Lichte zu erscheinen, wurde sichtlich gemildert, als ich ihm sagte, daß mein Vater und ich Glasgow sogleich zu verlassen beabsichtigten. Wir hatten auch keinen Grund zu längerem Bleiben, da die wichtigsten Papiere, welche Rashleigh entwendet hatte, wieder in unsern Händen waren. Was er bereits zu Gelde gemacht und zu eigenen oder politischen Zwecken verwendet hatte, konnte nur durch einen Rechtsstreit wieder erlangt werden, der auch nach der Versicherung unseres Anwalts ohne Zögern, und mit wohl überlegter Eile, begonnen und fortgesetzt werden sollte.

Wir brachten noch einen Tag bei dem gastfreien Jarvie zu, und nahmen darauf von ihm Abschied, wie diese Erzählung hier auch von ihm scheidet. Er nahm zu in Wohlstand und Ehre, und stieg endlich in seiner Vaterstadt zu den höchsten Würden. Ungefähr zwei Jahr nach der erwähnten Zeit, wurde er des Junggesellenlebens überdrüssig, und beförderte die sorgsame Mathilde von ihrem Platze am Küchenfeuer zu der Oberstelle an seiner Tafel, als Mrs. Jarvie. Die Mac-Vittie's und Andere, denn Jeder hat seine Feinde, suchten diese Veränderung lächerlich zu machen. »Doch laßt sie reden, was sie wollen,« sagte der Stadtvoigt, »ich kümmere mich nicht darum, und handle nicht weniger nach meinem eigenen Willen, und wenn auch neun Tage darüber geklatscht würde. Mein ehrenwerther Vater, der Vorsteher, hatt' ein Verslein:

Hohe Stirn und Lilienhaut,
Liebend Herz, und treue Braut,
Das ist nicht auf Sand gebaut.

Ueberdieß,« fügte er stets hinzu, »war Mathilde keine gewöhnliche Dienstmagd; sie ist mit dem Laird von Limmerfield verwandt.«

Ob es Folge ihrer Abkunft oder ihrer guten Eigenschaften war, wage ich nicht zu entscheiden; allein Mathilde betrug sich nach ihrer Erhöhung so gut, daß sie die Besorgnisse einiger Freunde des Stadtvoigts, welche seinen Versuch für etwas gewagt halten wollten, durchaus beschwichtigte.


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