Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehntes Kapitel.

»Weh' den Besiegten!« der wilde Brennus spricht,
Als Rom, das stolze, durch Galliens Muth besiegt;
»Weh' den Besiegten!« als seines Schwert's Gewicht
Die Schale hebt, in der die Lösung liegt.
Und auf dem Felde jeder Schlacht,
Des Siegers Wille die Gesetze macht.

Die Galliade.

 

Ich war ängstlich bemüht, Dougal unter den Siegern zu entdecken. Ich zweifelte kaum, daß er seine Rolle absichtlich gespielt hatte, um den englischen Offizier in das Defilée zu locken, und ich mußte die Gewandtheit bewundern, mit welcher der unwissende und halb rohe Wilde seine Absicht zu verbergen wußte, so wie den erkünstelten Widerwillen, mit dem er sich die falsche Nachricht hatte abnöthigen lassen, deren Mittheilung von Anfang an sein Vorsatz gewesen sein mußte. Ich sah vorher, daß wir uns den Ueberwindern in der ersten Aufwallung ihres Sieges, der von Grausamkeit befleckt wurde, nicht ohne Gefahr nähern könnten, denn einige Soldaten, die so schwer verwundet waren, daß sie nicht aufstehen konnten, wurden von den Siegern, oder vielmehr von einigen zerlumpten hochländischen Buben, die sich unter sie gemischt hatten, niedergestochen. Ich hielt es daher für unsicher, uns ohne Vermittler zu zeigen, und da ich Campbell, den ich mit dem berüchtigten Freibeuter, Robin der Rothe, für eine und dieselbe Person halten mußte, nirgends sah, wollte ich den Schutz seines Kundschafters Dougal in Anspruch nehmen.

Nachdem ich überall vergebens umhergeblickt hatte, kehrte ich endlich zurück, um zu sehen, was ich meinem unglücklichen Freunde allein für Beistand leisten könnte; da fand ich ihn zu meiner großen Freude aus seinem schwebenden Zustande erlöset, und, obgleich sehr schwarz im Gesicht und verstört im Anzuge, unverletzt unter dem Felsen sitzend, vor welchem er so eben in der Luft geschwebt hatte. Ich eilte auf ihn zu und wünschte ihm Glück, was er aber Anfangs keineswegs so herzlich aufnahm, wie es gemeint war. Ein heftiger Anfall von Husten ließ ihm kaum so viel Athem, die Zweifel auszusprechen, die er gegen meine Aufrichtigkeit hegte.

»Uh! Uh! Uh! Man sagt ein Freund – Uh! Uh! Ein Freund hält fester an uns, als ein Bruder! Uh! Uh! Uh! – Wenn ich hierherkam, Mr. Osbaldistone, in dieß Land, das von Gott und Menschen verflucht ist, – Gott verzeih' mir's Fluchen! – nur in Euren Angelegenheiten, glaubt Ihr, es wäre fein – Uh! Uh! – mich zu verlassen, erstlich, in der Gefahr zwischen rothbeinigen Hochländern und Rothröcken erschossen oder ertränkt zu werden, und dann aufgehangen, wie eine alte Kartoffelscheuche, ohne nur zu versuchen – nur zu versuchen, mir zu helfen?«

Ich machte tausend Entschuldigungen, und bemühte mich so sehr, ihm zu zeigen, wie unmöglich es mir gewesen war, ihm ohne weitern Beistand zu helfen, daß es mir endlich gelang, und der Stadtvoigt, der eben so versöhnlich als aufbrausend war, mir seine Gunst wieder zuwendete. Ich fragte ihn dann, wie es ihm gelungen sei, sich loszumachen.

»Mich loszumachen? Bis zum jüngsten Tage hätt' ich da hängen können, wenn ich mir selbst hätte helfen sollen, wie ich da hing, mit dem Kopf auf der einen Seite und mit den Beinen auf der andern, wie 'ne Garnwage. Die Creatur, der Dougal, hat mir wieder beigestanden, wie gestern! Er schnitt die Schöße von meinem Rocke mit seinem Dolche ab, und er und ein anderer Bursche halfen mir so geschickt wieder auf die Beine, als wenn ich immer darauf gestanden hätte. Aber da kann man sehen, was ein gutes, festes Tuch ist. Trug ich einen Rock von Eurem morschen Französischen Camelot oder Drap de Berry, er würde bei einem Gewicht, wie ich habe, zerrissen sein wie ein alter Fetzen. Wohl ergeh's dem Weber, der das Tuch gewebt hat! – Ich schaukelte und schwankte da so sicher wie 'n Boot, das an einem dreifachen Taue vor Anker liegt.«

Ich fragte nun, was aus seinem Vetter geworden sei.

»Die Creatur,« so fuhr er den Hochländer zu nennen fort, »gab mir zu verstehen, es sei gefährlich, wenn ich zur Lady gehen wollte, eh' er wieder käme, und hieß mich hier warten. Ich glaub', er sucht Euch,« fuhr Jarvie fort – »er ist eine bedächtige Creatur, und meiner Treu, ich wollte schwören, er hat mit der Lady, wie er sie nennt, auch recht. Helene Campbell war keines der sanftesten Mädchen, und ist auch nicht die holdseligste Frau, und die Leute sagen, Robin selbst scheue sich vor ihr. Ich zweifle, daß sie mich kennt, denn wir haben uns seit vielen Jahren nicht gesehen; ich stimme deßhalb dafür, auf die Dougal-Creatur zu warten, ehe wir uns ihr nahen.«

Ich stimmte seiner Ansicht bei, aber das Schicksal wollte nicht, daß Jarvie's Vorsicht an diesem Tage ihm oder sonst Jemand nützen sollte.

Andrew hatte zwar aufgehört, auf der Felsenspitze Luftsprünge zu machen, sobald das Feuern eingestellt wurde, welches diese seltsame Uebung veranlaßte, allein er blieb auf jenem Gipfel ein zu auffallender Gegenstand, als daß er den scharfen Blicken der Hochländer hätte entgehen können, sobald sie Zeit gewannen, sich ein wenig umzusehen. Ein wildes, lautes Geschrei der Sieger verkündete uns, daß man ihn entdeckt hatte, und sogleich eilten Mehrere in das Gebüsch und erstiegen die felsige Seite des Hügels nach dem Orte zu, wo sie die seltsame Erscheinung wahrgenommen hatten, in verschiedenen Richtungen.

Die, welche sich dem armen Andrew zuerst auf Schußweite näherten, nahmen sich nicht die Mühe, ihm in seiner bedenklichen Lage Beistand anzubieten, sondern legten ihre langen Gewehre an, und gaben ihm durch unzweideutige Zeichen zu verstehen, daß er suchen sollte, herab zu kommen, und sich ihnen auf Gnade und Ungnade ergeben müsse, wenn er nicht eine Zielscheibe für ihre Gewehre werden wollte. Bei einem so fürchterlichen Winke konnte Andrew nicht säumen, das Wagstück zu unternehmen. Die größere Gefahr machte ihn unempfindlich gegen die scheinbar geringere, und er begann von dem Felsen hinabzusteigen, indem er Epheu, Eichenstubben und vorragende Felsstücke mit beinahe fieberhafter Angst ergriff. So oft er eine Hand frei hatte, streckte er sie gegen die unten Stehenden aus, als ob er sie bitten wollte, die angelegten Gewehre nicht loszudrücken. Die Ungeschicklichkeit, mit der Andrew herabstieg, ergötzte die Hochländer sehr, und sie feuerten während dessen einige Male, wie ich glaube, nur um den Spaß zu vermehren, den ihnen seine gewaltige Angst und seine nach jedem Schusse erhöhte Behendigkeit machte.

Endlich gelangte er auf festern und ebenern Boden, oder richtiger ausgedrückt, sein Fuß glitt auf dem letzten Felsenabsatze aus, und er fiel der Länge nach auf die Erde, wo ihm die Hochländer behülflich waren, und ihm, eh' er wieder auf den Beinen stand, nicht nur den ganzen Inhalt seiner Taschen raubten, sondern ihm auch mit so bewundernswerther Schnelligkeit Perücke, Hut, Rock, Weste, Strümpfe und Schuhe abnahmen, daß der arme Schelm, der als wohlgekleideter und anständig aussehender Diener auf den Rücken gefallen war, ausgeschält, kahlköpfig, einer Vogelscheuche gleich, wieder aufstand. Ohne Rücksicht auf seine bloßen Füße, welche an den scharfen Felsstücken verletzt wurden, schleppten sie ihn dann durch alle Hindernisse dem Wege zu.

Bei dem Herabsteigen der Hochländer entdeckten die Luxaugen derselben Mr. Jarvie und mich, und sogleich umringte uns ein halbes Dutzend von ihnen, drohte mit Dolch und Schwert, und richtete die Pistolen auf uns. Widerstand würde Wahnsinn gewesen sein, besonders da wir keine Waffen hatten, um einen solchen Versuch wagen zu können. Wir ergaben uns daher in unser Schicksal, und mit großer Rohheit von Seiten derer, welche bei unserer Toilette Beistand leisteten, sollten wir (um mich eines Ausdruckes des König Lear zu bedienen) in den Zustand des federlosen zweibeinigen Thieres, Andrew, versetzt werden, der, vor Furcht und Kälte zitternd, in einiger Entfernung stand. Zum Glück wurden wir indeß von diesem Elend errettet, denn als man mir eben meine mit Spitzen besetzte Halsbinde und dem Stadtvoigt den Ueberrest seines Reitrockes abgenommen hatte, erschien Dougal, und die Scene änderte sich. Mit strengem, verweisendem Tone, unter Flüchen und Drohungen, wie ich aus der Heftigkeit seiner Geberden schloß, nöthigte er die Plünderer, nicht allein von fernerem Raube abzustehen, sondern auch die bereits gemachte Beute wieder zurückzugeben. Er entriß meine Halsbinde dem Menschen, der sie genommen hatte, und knüpfte sie mir in seinem Eifer mit so erstickender Gewalt um den Hals, daß ich glauben konnte, er sei während seines Aufenthaltes in Glasgow nicht nur ein Gehülfe des Kerkermeisters gewesen, sondern auch bei dem Henker in die Lehre gegangen. Er warf dem Stadtvoigt die zerfetzten Ueberreste seines Rockes über die Schultern, und da sich nun mehrere Hochländer um uns versammelten, ging er den Weg hinab, und wies die Andern an, uns, und namentlich Jarvie, den nöthigen Beistand beim Heruntersteigen zu leisten. Vergebens aber strengte Andrew seine Lunge an, um Dougals Schutz zu gewinnen, oder wenigstens durch dessen Vermittlung wieder zu seinen Schuhen zu gelangen.

»Nein, nein,« antwortete Dougal; »der ist sicher nichts Vornehmes; seine Vorfahren sind auch barfuß gegangen, oder ich müßte mich sehr irren.« Und indem er es Andrew überließ, uns nach seinem Gefallen zu folgen, oder vielmehr nach dem Gefallen derer, die ihn umgaben, zog er uns den Fußpfad entlang, auf dem das Gefecht stattgefunden hatte, und eilte, uns als neue Gefangene vor die Anführerin seiner Schaar zu bringen.

Wir wurden also vor sie geschleppt, und Dougal schrie und stritt dabei, als wenn er das größte Unrecht zu besorgen gehabt hätte, und wies mit Drohung und Gewalt alle Die zurück, die sich einen nähern Antheil an unserer Gefangenschaft anmaßten, als er selbst zu wollen schien. Endlich standen wir vor der Heldin des Tages, deren Aeußeres, die Wahrheit zu gestehen, mir eben so viel Besorgniß verursachte, als die wilden, rauhen, und kriegerischen Gestalten, die uns umringten. Ich weiß nicht, ob Helene Mac-Gregor thätigen Antheil an dem Streite genommen hatte; aber die Blutflecken auf ihrer Stirn, ihren Händen und nackten Armen, das blutige Schwert, das sie in der Hand hielt – die Röthe ihrer Wangen und die zerstörten Rabenlocken, die unter ihrer rothen Mütze hervorquollen, Alles schien anzudeuten, daß sie wirklich mit im Kampfe gewesen war. In ihren scharfen dunkeln Augen und Zügen lag der Ausdruck einer von dem Stolze befriedigender Rache und dem Triumphe des Sieges entzündeten Einbildungskraft. Dennoch war ihr Betragen nicht entschieden blutdürstig oder grausam, und als die erste Regung der Unruhe vorüber war, erinnerte sie mich an die begeisterten Heldinnen, die ich in den katholischen Kirchen in Frankreich gesehen hatte. Für eine Judith war sie freilich nicht schön genug, auch hatte sie in ihren Zügen nicht den beseelten Ausdruck, welchen die Maler einer Debora gaben, oder dem Weibe Hebers des Keniters, zu dessen Füßen der gewaltige Unterdrücker Israels, der da wohnete zu Haroscheth, im Lande der Heiden, sich niederbeugte, sank und starb. Dessen ungeachtet gab die Begeisterung, von der sie bewegt war, ihrem Gesichte und ihrem Benehmen, die an und für sich schon von einer wilden Erhabenheit waren, viel Aehnlichkeit mit den Bildern jener wundervollen Künstler, welche die Heldinnen der heiligen Schrift darstellen.

Ich war zweifelhaft, wie ich eine so ungewöhnliche Frau anreden sollte, als Mr. Jarvie nach einem vorbereitenden Husten (denn die Eile, mit der er vor sie geschleppt worden war, hatte ihm abermals den Athem geraubt) das Eis brach und also zu ihr sprach: »Ich bin sehr glücklich, daß ich diese frohe Gelegenheit habe (ein Zittern seiner Stimme widersprach dem Nachdrucke, den er absichtlich auf das Wort frohe legte), diese frohe Gelegenheit,« wiederholte er, und suchte dem Beiworte einen angemessenen Ton zu geben, »meines Vetters Frau einen guten Morgen zu wünschen. Wie geht's Euch?« (Er hatte sich jetzt in seine gewöhnliche Weise hineingeschwatzt, die ein Gemisch von Vertraulichkeit und Eigenliebe zeigte.) – »Wie ist's Euch die lange Zeit her gegangen? – Ihr werdet mich vergessen haben, Mrs. Mac-Gregor Campbell, als Euren Vetter – hm, hm, – aber Ihr erinnert Euch doch meines Vaters, des Vorstehers Nicol Jarvie auf dem Salzmarkte in Glasgow? Er war ein ehrlicher Mann und zuverlässig, und achtete Euch und die Eurigen. – Wie ich sagte, es freut mich sehr, Euch Mrs. Mac-Gregor Campbell, als meines Vetters Weib zu sehen. Ich würde mir die Freiheit eines Verwandten nehmen, und Euch umarmen, wenn Eure Leute mir nicht die Arme so festhielten, und um als obrigkeitliche Person die Wahrheit zu sagen, so thätet Ihr nicht übel daran, wenn Ihr ein wenig Wasser nähmet, eh' Ihr Eure Freunde bewillkommnet.«

Es lag in dem vertraulichen Tone dieser Begrüßung Etwas, das wenig zu dem aufgeregten Gemüthszustande der Frau paßte, an die sie gerichtet war, die, noch heiß von dem Siege in einem gefahrvollen Kampfe, beschäftigt war, Todesloose auszutheilen.

»Wer seid Ihr,« rief sie, »daß Ihr's wagt, auf die Verwandtschaft mit Mac-Gregor Anspruch zu machen, und weder seine Kleidung traget, noch seine Sprache redet? Wer seid Ihr, der Ihr die Zunge und die Gewohnheiten des Hundes habt, und Euch doch niederlegen wollt zu dem Hirsche?«

»Ich weiß nicht,« antwortete der unverzagte Jarvie, »ob man Euch die Verwandtschaft je gehörig erklärt hat, aber sie ist richtig und kann bewiesen werden. Meine Mutter, Elspeth Mac-Farlane, wurde die Frau meines Vaters, des Vorstehers Nicol Jarvie – Friede sei mit Beiden! – Und Elspeth war die Tochter des Parlane Mac-Farlane. Dieser Mac-Farlane nun stand, wie dessen überlebende Tochter, Maggy Mac-Farlane, die den Duncan Mac-Nab in Stuckavrallachan heirathete, bezeugen kann, mit Eurem Manne, Robin Mac-Gregor, im vierten Grade der Verwandtschaft, denn« –

Die Heldin beschnitt den Stammbaum, indem sie die stolze Frage aufwarf: Ob ein rauschender Strom irgend eine Verwandtschaft mit dem Wasser anerkenne, welches die Uferbewohner zu geringem häuslichem Gebrauch davon ableiteten?

»Sehr wahr, Base,« sagte Jarvie, »aber dennoch würde der Fluß recht froh sein, wenn er den Mühlgraben im Sommer wieder hätte, wo seine Kieselsteine von der Sonne weiß sind. Ich weiß wohl, ihr Hochländer achtet uns Leute in Glasgow wegen unserer Sprache und unserer Tracht gering, aber Jeder spricht, wie er's als Kind gelernt hat, und es müßte sich närrisch ausnehmen, wenn ich meinen fetten Bauch in einen kurzen hochländischen Schurz stecken, und meine kurzen Beine unter dem Knie gürten wollte, wie Eure langbeinigen Bursche. – Doch beiher gesagt, Base,« fuhr er fort, ungeachtet ihm Dougals Winke Stillschweigen anzurathen schienen, und die Amazone Zeichen von Ungeduld über seine Geschwätzigkeit gab, »ich wollt' Euch zu erwägen geben, daß des Königs Botschaft zuweilen in des Krämers Haus kommt, und daß, so hoch Ihr Euren Mann halten möget, wie's recht ist, daß jede Frau ihren Mann ehrt – was auch die heilige Schrift befiehlt – dennoch, so hoch Ihr ihn halten möget, wie gesagt, bin ich wohl eher schon dienstfertig gegen Robin gewesen. Nebenbei hab' ich Euch eine Schnur Perlen geschickt, als Ihr Euch verheirathen wolltet, und als Robin noch ein ehrlicher Viehhändler war, und nicht dieß gesetzlose Wesen mit streiten und fechten trieb, den Landfrieden störend und des Königs Soldaten entwaffnend.«

Er hatte hier offenbar eine Saite berührt, die seine Verwandte nicht ertragen konnte. Sie richtete sich hoch empor, und verrieth die Heftigkeit ihrer Gefühle durch ein Lachen, in dem sich Hohn und Erbitterung aussprachen.

»Ja,« rief sie, »Ihr und Euresgleichen konntet Euch eine Verwandtschaft mit uns anmaßen, da wir uns herabließen, gleich Elenden unter Eurer Herrschaft zu leben, als Eure Holzhauer und Wasserträger, um Vieh zu finden für Eure Gastmahle, und Leute, die von Euren Gesetzen unterdrückt und mit Füßen getreten wurden. – Aber nun sind wir frei – frei durch eben die That, die uns weder Haus noch Herd ließ, weder Nahrung noch Kleidung, die mir Alles raubte – Alles – und mich seufzen läßt, wenn ich daran denke, daß ich der Welt noch für andere Zwecke zur Last sein muß, als für die Rache. Und ich will das Werk, das dieser Tag so gut begonnen hat, durch eine That fortsetzen, die jedes Band zwischen Mac-Gregor und den Tölpeln im Niederlande zerreißen soll. Herbei, Allan! Dougal! Bindet diese Sachsen zusammen, und werft sie in den hochländischen See, damit sie dort ihre hochländischen Verwandten suchen.«

Der Stadtvoigt wollte, erschrocken über diesen Befehl, eine Auseinandersetzung beginnen, welche wahrscheinlich die heftige Leidenschaft der Person, an die sie gerichtet wurde, nur noch mehr entflammt hätte, als Dougal sich zwischen Beide warf, und in seiner Muttersprache, die er mit einer Schnelligkeit und Geläufigkeit redete, welche sehr gegen die langsame, unvollkommene und pinselhafte Weise abstach, wie er sich im Englischen ausdrückte, unsere Vertheidigung, wie ich nicht bezweifeln kann, sehr warm führte.

Seine Gebieterin unterbrach diese Vorstellungen in englischer Sprache, als wenn sie uns die Bitterkeit des Todes im Voraus fühlen lassen wolle: »Elender Hund und Sohn eines Hundes, bestreitest du meine Befehle? Sollt' ich dir gebieten, ihnen die Zungen auszuschneiden, und sie in des Andern Hals zu setzen, um zu versuchen, wer damit am besten sächsisch spreche, oder ihnen die Herzen auszureißen und sie in des Andern Brust zu setzen, um zu sehen, wer am besten verrätherische Anschläge gegen Mac-Gregor erfinden könnte – und dergleichen geschah vor Alters in den Tagen der Rache, wenn unsere Väter Unrecht zu vergelten hatten. – Sollt' ich dir so etwas gebieten, würd' es dir zukommen, meine Befehle zu bestreiten?«

»Gewiß, gewiß, Euer Wille sollte geschehen,« erwiderte er, »das wäre nur natürlich. – Aber wenn's wäre – und man sollte meinen, wenn Ihr einen Hauptmann von den Rothröcken und seinen Korporal und noch sonst ein paar Rothröcke in den See werfen ließt, würd' es Euch weit mehr Genugthuung geben, als wenn Ihr zwei wackern, höflichen Herren Leides zufügtet, die noch dazu Freunde von Gregarach sind, und auf des Häuptlings Einladung hierher gekommen, und nicht, um Verrath zu üben, wie Ihr selbst bezeugen könnt.«

Die Lady wollte eben antworten, als einige wilde Töne einer Sackpfeife von der Straße nach Aberfoil her schallten, wahrscheinlich dieselben, welche Thorntons Nachhut gehört hatte, und die ihn bestimmten, sich lieber den Weg vorwärts zu erzwingen, als zum Dorfe zurückzukehren. Das Gefecht war von so kurzer Dauer gewesen, daß die Bewaffneten, welche diesen kriegerischen Tönen folgten, nicht zeitig genug eintrafen, um an dem Kampfe Theil zu nehmen, obgleich sie ihre Schritte beschleunigten, als sie das Schießen hörten. Der Sieg wurde also ohne sie errungen, und sie kamen jetzt nur, den Triumph ihrer Landsleute zu theilen.

Die neuen Ankömmlinge unterschieden sich auffallend und sehr zu ihrem Vortheile von denen, die unsere Bedeckung überwunden hatten. Unter den Hochländern, welche die Gebieterin umringten, befanden sich ganz alte Greise, Knaben, kaum fähig, Waffen zu tragen, und selbst Weiber, kurz Menschen, welche nur die dringendste Noth bewaffnet hatte, und die Niedergeschlagenheit, die Thorntons männliche Züge umwölkte, wurde durch bittere Scham erhöht, als er fand, daß es einem sonst so verächtlichen Feinde nur durch Anzahl und Stellung gelungen war, seine tapfern Veteranen zu besiegen. Die dreißig bis vierzig Hochländer, die jetzt zu den Andern stießen, waren aber Alle rüstige, wohlgebildete Leute, in der Blüthe der Jugend oder des männlichen Alters, und ihre kurzen Strümpfe und gewürfelten Plaids hoben ihre nervigen Glieder auf das Vortheilhafteste hervor. In ihren Waffen waren sie dem ersten Haufen eben so überlegen, als in Kleidung und Ansehen. Die Begleiter der Anführerin trugen Aexte, Sensen und andere Geräthschaften neben ihren Gewehren, und Einige blos Keulen, Dolche und lange Messer. Die Andern aber führten meistens Pistolen im Gürtel, und fast Alle hatten Dolche neben den Taschen, die sie vorne trugen. Jeder hatte ein gutes Gewehr in der Hand und ein Schwert an der Seite, außer einer starken runden Tartsche von leichtem Holz, mit Leder überzogen, zierlich mit kupfernen Buckeln beschlagen, und mit einer eingeschraubten stählernen Spitze in der Mitte. Diesen Schild trugen sie unterwegs, oder im Feuern gegen den Feind, auf dem Rücken; am linken Arme aber, sobald sie mit dem Schwerte angriffen.

Aber man konnte leicht bemerken, daß diese auserlesene Schaar nicht von einem solchen Siege kam, wie ihre schlecht ausgerüsteten Gefährten erfochten hatten. Die Sackpfeife ließ von Zeit zu Zeit einige klagende Töne hören, die ein ganz anderes Gefühl ausdrückten, als Triumph, und schweigend, mit gesenktem, traurigem Blick erschienen sie vor der Frau ihres Häuptlings. Sie blieben stehen, und die Pfeifen ließen von Neuem dieselben wilden und traurigen Töne erschallen.

Helene schritt auf sie zu, und ihr Gesicht drückte Unwillen und Besorgniß aus: »Was bedeutet das, Allaster?« fragte sie den Spielmann. »Warum eine Klage in dem Augenblicke des Sieges? – Robert! Hamish! Wo ist Mac-Gregor? Wo ist euer Vater?«

Ihre Söhne, die den Trupp anführten, näherten sich ihr mit langsamen ungewissen Schritten, und murmelten einige gaelische Worte, worauf sie ein Geschrei ausstieß, daß die Felsen erbebten. Alle Frauen und Knaben stimmten dann in das Geschrei ein, indem sie in die Hände schlugen und heulten, als ob ihr Leben in dem Tone hätte enden sollen. Der Wiederhall des Berges, der seit dem Ende des Kampfes geschwiegen hatte, antwortete nun auf dieses wahnsinnige, mißtönende Jammergeschrei, das selbst die Nachtvögel aus ihren Felsen trieb, als ob sie über ein Geheul erschrocken wären, das greulicher und von böserer Vorbedeutung, als ihr eigenes, sich am hellen Tage hören ließ.

»Ergriffen!« wiederholte Helene, als das Geschrei nachgelassen hatte. »Ergriffen! – Gefangen! – Und ihr lebt, das zu sagen? Feige Hunde! Hab' ich euch darum gesäugt, daß ihr euer Blut gegen eures Vaters Feinde schonen sollt? Oder daß ihr ihn gefangen sehen und zurückkommen sollt, es mir zu sagen?«

Mac-Gregors Söhne, welchen dieser Verweis galt, waren Jünglinge, von denen der älteste kaum sein zwanzigstes Jahr erreicht hatte. Hamish, oder Jacob, der ältere der beiden Jünglinge, war um einen Kopf größer, und viel hübscher, wie sein Bruder; sein hellblaues Auge und eine Fülle blonden Haares, welche unter seiner blauen Mütze hervorquoll, machten seine ganze Erscheinung zu einem höchst vortheilhaften Muster eines Hochlandjünglings. Der jüngere Bruder hieß Robert; doch um ihn von seinem Vater zu unterscheiden, setzten die Hochländer: Oig oder der Kleine, hinzu. Dunkles Haar und düstere Züge, mit der Glut frischer Gesundheit und Lebendigkeit, und eine Gestalt, über seine Jahre hinaus kräftig und untersetzt, vollendeten das Bild eines jungen Gebirgländers.

Beide standen jetzt vor ihrer Mutter, kummer- und schamumwölkten Angesichtes, und hörten mit der ehrerbietigsten Unterwürfigkeit die Vorwürfe an, mit denen Jene sie überhäufte. Als ihr Unwille sich endlich etwas zu mildern schien, versuchte der Aelteste in englischer Sprache, wahrscheinlich um nicht von ihren Begleitern verstanden zu werden, sich und seinen Bruder gegen die Vorwürfe der Mutter zu rechtfertigen. Ich stand ihm so nahe, daß ich viel von dem verstehen konnte, was er sagte, und da es mir sehr wichtig war, von dem Ereignisse unterrichtet zu werden, lauschte ich mit der größten Aufmerksamkeit.

Mac-Gregor war, nach der Aussage seines Sohnes, zu einer Zusammenkunft mit einem Niederländer aufgefordert worden, der ein Zeichen brachte, von – der Name wurde sehr leise gesprochen, aber ich glaubte meinen zu hören – Mac-Gregor nahm die Einladung an, befahl aber, den Sachsen, der die Botschaft gebracht hatte, als Geißel zu behalten, daß man redlich gegen ihn verfahre. Darauf begab er sich zu dem Orte der Zusammenkunft – der einen wilden, hochländischen Namen hatte, welchen ich vergessen habe – nur von Angus Brek und Klein Rory begleitet, indem er befahl, daß Niemand ihm folgen sollte. Nach einer halben Stunde kam Angus Brek mit der kläglichen Nachricht zurück, Mac-Gregor sei von einer Abtheilung der Lennox-Miliz unter Galbraith Garschattachin überfallen und gefangen genommen worden. Als er bei seiner Verhaftung gegen Galbraith mit der Wiedervergeltung an dem Bürgen drohte, hatte es dieser mit Verachtung aufgenommen, und erwidert: »Mag Jeder seinen Mann hängen; wir hängen den Dieb, und Eure Leute hängen den Zöllner, und das Land wird zwei verwünschte Dinge auf einmal los: einen wilden Hochländer und einen Zollbeamten.« Angus Brek, der weniger streng bewacht wurde, als sein Herr, war es gelungen, den Händen seiner Hüter zu entspringen, nachdem er lange genug in ihrer Haft gewesen war, um ihre Reden zu hören, und diese Nachrichten zu überbringen.

»Und das erfuhrst du, falschherziger Verräther,« sagte Mac-Gregors Gattin, »und eiltest nicht sogleich deinem Vater zu Hülfe, ihn frei zu machen, oder dein Leben auf dem Platze zu lassen?«

Der junge Mac-Gregor sprach bescheiden von der überlegenen Macht des Feindes, und setzte hinzu, da die Feinde keine Anstalten machten, das Land zu verlassen, so sei er im Thale hinaufgezogen, um eine Macht zu sammeln, welche mit einiger Hoffnung eines glücklichen Erfolges eine Befreiung versuchen konnte. Die Soldaten wollten, wie er gehört hätte, in einem alten Schlosse am See liegen bleiben, das zwar fest und haltbar sei, aber doch überrumpelt werden könnte, wenn man nur genug Mannschaft zusammenzubringen vermochte.

Ich erfuhr nachher, daß die übrigen Anhänger des Freibeuters in zwei starke Haufen getheilt waren, von welchen sich der eine der Besatzung von Inversnaid, die den Hauptmann Thornton abgesendet hatte, und der andere den hochländischen Clans entgegenstellen wollte, die sich mit den regelmäßigen Truppen und den Niederländern zu einem feindlichen Einfall in das wüste Gebirgland zwischen den See'n Lomond, Katrine und Ard vereinigt hatten, das man damals insgemein Robins Land nannte. Es wurden eiligst Boten abgeschickt, wie ich vermuthe, um ihre Kriegsmacht zusammenzuziehen, und die Niederschotten anzugreifen; und die Traurigkeit und Verzweiflung, die sich anfangs auf allen Gesichtern zeigte, wich jetzt der Hoffnung, ihren Anführer zu befreien, so wie dem Durst nach Rache. Unter dem glühenden Einflusse dieser letzten Leidenschaft ließ Mac-Gregors Gattin den Mann vor sich bringen, der als Geißel zurückgeblieben war. Ich glaube, ihre Söhne hatten den Unglücklichen ihrem Anblicke entzogen, weil sie die Folgen fürchteten, doch wenn dem so war, konnte ihre menschenfreundliche Absicht sein Schicksal nur verzögern. Auf ihr Gebot wurde ein armer Tropf herbeigeschleppt, der vor Schrecken schon halb todt war, und in welchem ich mit Erstaunen und Entsetzen meinen alten Bekannten Morris erblickte.

Er fiel vor der Anführerin nieder, um ihre Kniee zu umfassen, allein sie wich zurück, als ob seine Berührung eine Entweihung für sie gewesen wäre, und er konnte, als ein Zeichen der tiefsten Erniedrigung, nur den Saum ihres Plaids küssen. Nie habe ich eine Bitte um die Schonung des Lebens mit solcher Seelenangst aussprechen hören. Seine Furcht war so heftig, daß sie ihn sogar beredt machte, statt, wie gewöhnlich, die Zunge zu lähmen, und mit todtenbleichen Wangen, mit krampfhaft zusammengefalteten Händen, und mit Blicken, die sich zum letzten Male auf irdische Dinge zu heften schienen, betheuerte er unter hohen Schwüren, er wisse durchaus nichts von irgend einem Anschlage gegen Robin, welchen er wie seine eigene Seele liebe und achte. – In der Verworrenheit seiner Angst sagte er, daß er nur das Werkzeug Anderer sei, und murmelte Rashleighs Namen. – Nur um sein Leben bat er – für sein Leben wollte er Alles geben, was er in der Welt besäße – nur sein Leben verlangte er, wenn es auch unter Qualen und Entbehrungen verlängert werden sollte; nur den Athem begehrte er, und sollte er ihn in den Dünsten der tiefsten Berghöhle schöpfen müssen.

Es ist unmöglich, den Hohn, den Widerwillen und die Verachtung zu beschreiben, womit Mac-Gregors Weib den Flehenden anblickte, der nichts als das armselige Dasein begehrte.

»Ich hätte dir befehlen können, zu leben,« sagte sie, »wenn das Leben für dich eine eben so schwere, drückende Bürde wäre, wie für mich – und für jede edle und großmüthige Seele. – Aber du, Elender! Du könntest durch die Welt kriechen, ungerührt von ihrer Schande, ihrem unaussprechlichen Elend, ihren sich immer mehr häufenden Massen von Laster und Trübsal. – Du könntest leben und genießen, während der Edelgesinnte verrathen wird, während Schurken ohne Namen und Herkunft dem Tapfern und Ahnenreichen auf den Nacken treten. – Du könntest genießen, wie ein Fleischerhund, der in den Eingeweiden wühlt, während die Starken umher geschlachtet werden! Diesen Genuß sollst du nicht erleben; du sollst sterben, gemeiner Hund, und das, ehe die Wolke dort vor der Sonne vorübergezogen ist.«

Sie gab ihren Begleitern einen kurzen Befehl in gaelischer Sprache. Zwei Männer ergriffen den knieend Flehenden, und führten ihn schnell an den Rand einer Klippe, die über den See hing. Er stieß das durchdringendste, fürchterlichste Geschrei aus, das je die Angst auspreßte – ich kann es wohl gräßlich nennen, denn es störte noch Jahre lang nachher meinen Schlaf. Als die Mörder, oder die Henker, wie man sie nennen will, ihn fortzogen, erkannte er mich, selbst in diesem Augenblicke des Entsetzens, und rief mir mit den letzten deutlichen Worten, die ich von ihm hörte, zu: »O, Mr. Osbaldistone, rettet mich! rettet mich!«

Ich war von diesem gräßlichen Schauspiele so erschüttert, daß ich, obgleich in beständiger Erwartung, sein Schicksal zu theilen, für ihn zu sprechen versuchte, aber meine Fürbitte wurde zornig zurückgewiesen, wie sich dieß erwarten ließ. Das Opfer wurde von Einigen festgehalten, während Andere einen schweren Stein in einen Plaid banden, und diesen um seinen Nacken schlangen, indem wieder Andere ihn gierig eines Theiles seiner Kleider beraubten. Halb nackt, und so gefesselt, stürzten sie ihn in den See, der hier zwölf Fuß tief war, und übertäubten seinen letzten Angstruf mit einem lauten Freudengeschrei der befriedigten Rache, durch das man dennoch den Schrei der Todesangst deutlich vernehmen konnte. Die schwere Last sank in die dunkelblauen Fluten des See's, und die Hochländer mit den Streitäxten und Schwertern wachten einige Augenblicke, ob der Unglückliche sich von seiner Last befreien, und das Ufer wieder zu erreichen suchen würde. Aber der Knoten war fest geschürzt gewesen; das Schlachtopfer sank ohne Widerstand; die Wellen, die sein Fall gestört hatte, flossen ruhig darüber hin, und das Leben, für dessen Schonung er so eifrig gebeten, war für immer der Summe menschlicher Existenz entrissen.


 << zurück weiter >>