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Siebenzehntes Kapitel.

– – Gleich dem boshaften Affen,
Der grinsend sich bei seinem Raub entdeckt sieht,
Erscheint der schlaue Mann, deß Schurkerei
Nun offen liegt am Tag! –

Graf Basil.

Früh am folgenden Morgen war in Woodbourne Alles in Bewegung, um dem Verhör in Kippletringan beizuwohnen. Mr. Pleydell ward, theils weil er schon früher hinsichtlich Kennedy's Ermordung Nachforschungen angestellt, theils aus Achtung vor seiner vorzüglichen Gewandtheit, von Mr. Mac-Morlan, Sir Robert Hazlewood und einem andern anwesenden Friedensrichter eingeladen, das Amt eines Präsidenten zu übernehmen und das Verhör zu leiten. Auch Oberst Mannering war zur Theilnahme aufgefordert worden.

Pleydell vernahm und befragte die frühern Zeugen noch einmal. Sodann hörte er die Berichte des Geistlichen und des Wundarztes hinsichtlich der Erklärung der sterbenden Meg Merrilies. Sie erklärten, daß sie sich bestimmt, ausdrücklich und wiederholt als Augenzeugin beim Tode Kennedy's durch Hatteraick's und einiger seiner Gefährten Hände, erklärt habe; daß ihre Gegenwart zufällig stattgefunden; daß sie glaubte, es habe jene Männer, als sie Kennedy begegneten, ihre Rachlust zum Vollbringen des Verbrechens vermocht, weil sie durch seine Vermittelung ihr Fahrzeug verloren hatten; daß sie sagte, es sei noch ein Zeuge des Mordes, der jedoch seine Theilnahme verweigert habe, am Leben, – ihr Neffe nämlich, Gabriel Faa; und sie hatte auch noch eine Person, die nach, nicht vor der That hinzukam, nennen wollen, als ihre Kraft sie verlassen hatte. Sie vergaßen auch nicht Meg Merrilies' Erklärung zu erwähnen, daß sie das Kind gerettet habe, bis es ihr von den Schmugglern entrissen worden sei, um es nach Holland zu führen. – All' diese Einzelheiten wurden sorgfältig zu Papiere gebracht.

Darauf ward Dirk Hatteraick in Fesseln hereingeführt; man hatte ihn, seiner früheren Flucht wegen, um so sicherer und strenger bewacht. Er ward nach seinem Namen befragt; er antwortete nicht; – nach seinem Gewerbe; er blieb schweigend; verschiedene andere Fragen legte man ihm vor, aber auf keine derselben erwiederte er etwas. Pleydell wischte die Gläser seiner Brille und betrachtete den Gefangenen sehr aufmerksam. »Der Kerl sieht trotzig genug aus,« flüsterte er Mannering zu; »aber, um mit Dogberry zu reden, ich will ihn schon weidlich bearbeiten. – Ruft Soles herein – Soles den Schuhmacher. – Soles, erinnert Ihr Euch, einige Fußtapfen, im Warrochholze in den Schlamm gedrückt, am 17. Nov. 17 – auf meinen Befehl gemessen zu haben?« Soles erinnerte sich des Umstandes vollkommen. »Seht dies Papier an, ist dies Eure Bemerkung des Maaßes?« – Soles erkannte die Aechtheit der Aufzeichnung. – »Nun, hier stehn ein Paar Schuh auf dem Tische; meßt sie, und seht, ob sie mit einer der hier von Euch aufgezeichneten Spuren übereinstimmen.« Der Schuhmacher gehorchte und erklärte, »daß sie genau den größten jener Fußtapfen entsprächen.«

»Wir werden sehn,« sagte der Advokat leise zu Mannering, »daß diese Schuh, die wir in den Ruinen von Derncleugh fanden, Brown gehörten, jenem Kerl, den sie bei Woodbourne erschossen. – Nun, Soles, meßt dieses Gefangenen Füße auf das Genaueste.«

Mannering beobachtete Hatteraick scharf und bemerkte ein sichtbares Zittern. »Entspricht dieses Maaß einer der Fußspuren?«

Der Mann sah auf das Papier, dann auf sein genommenes Maaß, und erkannte das frühere in dem gegenwärtig erhaltenen. »Es stimmt,« sagte er, »um ein Haar breit mit einer jener Fußspuren überein.«

Hier verließ Hatteraick seine Besonnenheit – »der Teufel!« rief er, »wie konnten dort Spuren auf dem Boden sein, es war ja ein Frost, so hart wie nur einer sein kann.«

»Am Abend allerdings, Capitain Hatteraick,« sagte Pleydell, »aber nicht am Vormittag – wollt Ihr so gut sein, mir zu sagen, wo Ihr Euch an jenem Tage befandet, dessen Ihr Euch so genau erinnert?«

Hatteraick fühlte sein Versehen und beharrte wieder in hartnäckigem Schweigen. – »Aber seine Bemerkung darf nicht vergessen werden,« sagte Pleydell zum Schreiber.

In diesem Augenblick öffnete sich die Thür, und zum Staunen der meisten Anwesenden trat Glossin herein. Dieser würdige Gentleman hatte, mittelst eines sorgfältigen Forschens, in Erfahrung gebracht, sein Name sei bei den Eröffnungen der sterbenden Meg Merrilies nicht genannt worden, gewiß nicht, weil sie ihm geneigt war, sondern weil keine regelmäßige Untersuchung stattfand und sie vom Tod übereilt wurde. Er hielt sich daher vor jeder Aussage sicher, außer vor einer solchen, die von Hatteraick ausgehen möchte; um dies zu verhindern, beschloß er, ein kühnes Gesicht zu zeigen und sich beim Verhör zu seinen gerichtlichen Amtsbrüdern zu gesellen. – Ich werde, dachte er, im Stande sein, dem Schurken fühlbar zu machen, daß seine Sicherheit dadurch bedingt ist, daß er mein Bestes so gut wie das seine im Auge behält; und meine Gegenwart wird überhaupt ein Beweis meines guten Gewissens sein. Sollte ich das Gut verlieren müssen, nun, dann müßt' ich's freilich – aber ich hoffe, es soll besser kommen.

Er trat ein mit einer tiefen Verbeugung vor Sir Robert Hazlewood. Sir Robert, welcher schon den Argwohn gefaßt hatte, er sei von seinem plebejischen Nachbar genarrt worden, dankte bloß mit einem steifen Kopfnicken, nahm eine Priese Tabak und sah nach einer andern Richtung.

»Mr. Corsand,« sagte Glossin zu dem andern Friedensrichter, »Ihr ergebener Diener.«

»Ergebener Diener, Mr. Glossin,« antwortete Mr. Corsand trocken, indem er seine Mienen regis ad exemplar, das heißt, nach der Weise des Baronets, richtete.

»Mac-Morlan, meine würdiger Freund,« fuhr Glossin fort, »wie geht's Ihnen – immer beschäftigt?«

»Hm,« sagte der ehrliche Mac-Morlan, die Begrüßung sehr gleichgiltig aufnehmend. – »Oberst Mannering« (mit tiefer Verbeugung, die nur nachlässig erwiedert ward) »und Mr. Pleydell,« (eine zweite tiefe Verbeugung) »ich wagte Ihren Beistand kaum für Herren auf dem Lande zu dieser Zeit der Sitzungen zu hoffen.«

Pleydell nahm eine Priese und sah ihn mit eben so schlauem als sarkastischem Blicke an – »Ich will ihn,« sagte er leise zu Mannering, »den Werth jener alten Regel lehren, Ne accesseris in consilium antequam voceris.«

»Aber vielleicht komm' ich ungelegen, meine Herren?« sagte Glossin, dem der kalte Empfang natürlich nicht entgehen konnte. – »Ist es eine öffentliche Sitzung?«

»Ich meinerseits,« sagte Mr. Pleydell, »bin so weit entfernt, Ihr Erscheinen für ungelegen zu halten, Mr. Glossin, daß ich vielmehr erfreuter denn jemals bin, Sie zu sehen; zumal da ich denke, wir würden im Laufe des Tages noch Gelegenheit gehabt haben, Sie um Ihre Gegenwart zu bitten.«

»Gut, meine Herrn,« sagte Glossin, indem er seinen Stuhl an den Tisch zog und unter den Papieren umher zu stöbern begann – »Wo sind wir? wie weit sind wir gekommen? wo sind die Aussagen?«

»Gebt mir all' diese Papiere,« sagte Mr. Pleydell zum Schreiber; – »ich habe so meine eigensinnige Weise, meine Documente zu ordnen, Mr. Glossin; wenn sie Jemand anders in die Hände nimmt, verwirren sie sich für mich – aber ich werde Anlaß haben, Ihren Beistand in Anspruch zu nehmen.«

Glossin, auf diese Weise zur Unthätigkeit verwiesen, warf einen heimlichen Blick auf Hatteraick, konnte aber in diesem düstern Gesicht weiter nichts lesen, als Bosheit und Haß gegen alle Anwesenden. »Aber, meine Herrn,« sagte Glossin, »ist es auch billig, diesen armen Mann so mit Eisen belastet zu halten, da er doch bloß zum Verhör gestellt worden ist?«

Dies sollte eine Art von freundschaftlichem Wink für den Gefangenen sein.

»Er ist zuvor einmal entflohen,« sagte Mac-Morlan trocken und Glossin schwieg.

Jetzt ward Bertram eingeführt und zu Glossin's großer Verwirrung von allen Anwesenden auf die freundlichste Weise gegrüßt, sogar von Sir Robert Hazlewood. Er berichtete seine Jugenderinnerungen so aufrichtig und mit so gewähltem Ausdrucke, daß dies schon für die Wahrheit des Gesagten sprach. »Dies scheint keine Criminaluntersuchung zu sein,« sagte Glossin, aufstehend; »und da Ihnen bekannt sein muß, meine Herrn, welchen Einfluß dieses jungen Mannes vorgebliche Verwandtschaft auf mein Vermögen haben kann, so bitte ich, mich entfernen zu dürfen.«

»Nein, mein guter Sir,« sagte Mr. Pleydell, »wir können Sie keineswegs entbehren. Aber warum nennen Sie dieses jungen Mannes Ansprüche vorgeblich? Ich will Ihre Gegengründe nicht ausforschen, wenn Sie dergleichen haben, aber« –

»Mr. Pleydell,« erwiederte Glossin, »ich bin stets geneigt, offen zu handeln, und diese Sache glaube ich schnell erläutern zu können. – Dieser junge Mensch, den ich für einen natürlichen Sohn des verstorbenen Ellangowan halte, ging vor einigen Wochen unter verschiedenen Namen im Lande umher und stand dabei im Verkehr mit einem schlechten, alten tollen Weibe, – die, wie ich höre, jetzt in einem Kampf erschossen ward, und mit andern Kesselflickern, Zigeunern und ähnlichen Personen, so wie mit einem großen rohen Pächter aus Liddesdale; mit diesem Gesindel hetzte er die Unterthanen gegen ihre Gutsherren, und, wie Sir Robert Hazlewood von Hazlewood weiß –«

»Ich muß Sie unterbrechen, Mr. Glossin,« sagte Pleydell, – »wofür hielten Sie diesen jungen Mann?«

»Ei, ich sage,« erwiederte Glossin, »und ich glaube dieser Herr (auf Hatteraick blickend) weiß es, daß der junge Mann ein natürlicher Sohn des verstorbenen Ellangowan ist, geboren von einer Dirne Namens Janet Lightoheel, die später an den Schiffsbauer Hewit, der in der Nähe von Annan lebte, verheirathet ward. Sein Name ist Godfrey Bertram Hewit, und unter diesem Namen kam er auf das königliche Zollschiff Caroline.«

»So?« sagte Pleydell, »diese Geschichte klingt sehr wahrscheinlich! – aber, um uns nicht bei einer Verschiedenheit der Augen, der Gesichtsfarbe u. s. w. aufzuhalten, – seid so gut und tretet vor, Freund.« – Ein junger Seemann trat vor. – – »Hier,« fuhr der Rechtsgelehrte fort, »hier ist der Wahre! hier ist Godfrey Bertram Hewit, gestern Abend von Antigua, via Liverpool, angelangt, Unterschiffer auf einem Westindienfahrer, und auf gutem Weg, glücklich durch die Welt zu kommen, obwohl er etwas unregelmäßig hineinkam.«

Während die andern Richter einige Worte mit diesem jungen Manne sprachen, nahm Pleydell unter den Papieren Hatteraick's alte Brieftasche hervor. Ein eigenthümlicher Blick von des Schmugglers Auge flößte dem schlauen Juristen den Gedanken ein, daß hier etwas Interessantes zu finden sein müsse. Er fuhr daher fort, die Papiere zu untersuchen, wobei er die Brieftasche wieder auf den Tisch legte, sogleich aber bemerkte, daß dieser Umstand des Gefangenen Interesse an der Forschung sinken ließ. Es muß noch irgend etwas in dem Buche sein, dachte Pleydell; er griff wieder nach der Brieftasche, und entdeckte bei genauer Untersuchung einen Schlitz zwischen Pappe und Leder, aus welchem er drei Papierstreifen zog. Pleydell wandte sich nun an Glossin und bat ihn, zu sagen, ob er zugegen gewesen sei, als man Kennedy's Körper und das Kind seines Gebieters suchte, an dem Tage, wo beide verschwanden.

»Ich war nicht – das heißt – ich war« – antwortete der vom Gewissen getroffene Glossin.

»Aber merkwürdig ist es,« sagte der Advokat, »daß Sie, der mit der Familie Ellangowan in so genauer Verbindung stand, meines Wissens nicht vernommen wurden, ja, nicht einmal vor mir erschienen, als die Untersuchung stattfand.«

»Ein wichtiges Geschäft,« antwortete Glossin, »rief mich am Morgen nach dem traurigen Ereigniß nach London.«

»Diese Antwort ist genau aufzuzeichnen,« sagte Pleydell zum Schreiber. – »Ich vermuthe, jenes Geschäft bestand darin, Mr. Glossin, diese drei Wechsel zu verkaufen, gezogen von Ihnen auf die Herren Vanbeest und Vanbruggen und acceptirt von einem gewissen Dirk Hatteraick, in jener Namen, gerade am Tage des Mordes. Ich wünsche Ihnen Glück, daß sie in Ordnung gegangen sind, wie ich vermuthe. Ich glaube, es war wenig Aussicht dazu vorhanden.« Glossin verlor die Fassung. »Diese Documente,« fuhr Mr. Pleydell fort, »bestätigen die Nachricht, die über Ihr Benehmen bei jener Gelegenheit ein Mann, Namens Gabriel Faa, gab, den wir jetzt in Gewahrsam haben, und welcher Zeuge von Allem war, was zwischen Ihnen und diesem würdigen Gefangenen vorging – haben Sie irgend eine Erklärung zu geben?«

»Mr. Pleydell,« sagte Glossin, indem er sich schnell faßte, »ich vermuthe, daß Sie, wenn Sie mein Rathgeber wären, mir nicht rathen würden, im Drange des Augenblicks auf eine Anklage zu antworten, welche der schlechteste von allen Menschen durch einen Meineid bestätigen zu wollen scheint.«

»Mein Rath,« sagte der Advokat, »würde durch meine Meinung von Ihrer Schuld oder Unschuld bestimmt werden. In Ihrem Falle glaube ich an das Rathsamste zu denken; aber Sie sehen wohl selbst ein, daß Sie verhaftet werden müssen?«

»Verhaftet? weßhalb, Sir?« erwiederte Glossin. »Auf die Beschuldigung eines Mordes?«

»Nein; blos als Rathgeber und Theilnehmer bei Entführung eines Kindes.«

»Das ist ein bürgschaftsfähiges Vergehn.«

»Entschuldigen Sie,« sagte Pleydell, »es ist ein plagium und plagium ist ein schweres Verbrechen.«

»Verzeihen Sie, Mr. Pleydell; es ist nur ein Fall da, ich meine den mit Torrence und Waldie. Diese waren, wie Sie wissen, Leichenräuberinnen, die einigen jungen Aerzten den Körper eines Kindes versprochen hatten. Um jenen Herren ihr Wort zu halten und deren Abendvorlesung für die Studenten nicht zu hindern, stahlen sie ein lebendig Kind, mordeten es, und verkauften den Körper für drei Schilling und sechs Pence. Sie wurden gehängt, aber nur des Mordes wegen, nicht wegen des plagium. – Sie sind hier ein wenig zu weit gegangen.«

»Wohl, Sir; inzwischen muß Sie Mr. Mac-Morlan dem Landgefängniß übergeben, falls dieser junge Mann dieselbe Geschichte wiederholt. Gerichtsdiener, führt Mr. Glossin und Hatteraick ab, und bewahrt sie in verschiedenen Gemächern.«

Gabriel, der Zigeuner, ward hereingeführt, und gab eine genaue Schilderung seiner Flucht von Capitain Pritchard's Fahrzeug und wie er sich bei jenem Vorgange zu den Schmugglern gesellt habe; er berichtete umständlich, wie Dirk Hatteraick Feuer in seinem Schiff angelegt habe, als er es untauglich fand, und wie er unter der Rauchwolke mit seiner Mannschaft entkam; ferner, wie man noch so viel Güter als möglich in jene Höhle rettete, wo man bis zum Einbruch der Nacht zu liegen beschloß. Hatteraick selbst, sein Unterschiffer Vanbeest Brown und drei Andre, worunter auch der Berichterstatter, gingen nach der angränzenden Waldung, um sich mit einigen ihrer Freunde in der Nachbarschaft zu besprechen. Sie überfielen Kennedy plötzlich, und Hatteraick und Brown, ahnend daß er der Urheber ihres Unglücks war, beschlossen ihn zu morden. Er erklärte, daß er gesehn habe, wie sie gewaltsame Hand an den Zollbeamten legten, und ihn durch den Wald schleppten, er selber habe jedoch an dem Angriffe nicht Theil genommen, auch seinem Ende nicht beigewohnt. Auf einem andern Wege war er nach der Höhle zurückgekehrt, wo er wieder mit Hatteraick und seinen Genossen zusammentraf; der Capitain hatte eben die Erzählung begonnen, wie er und Brown ein großes Felsstück hinabgestürzt hatten, wo Kennedy stöhnend am Strande lag, als plötzlich Glossin unter ihnen erschien. Dem ganzen Vorgange, wo Hatteraick Glossin's Schweigen erkaufte, wohnte Gabriel bei. Was den jungen Bertram betraf, so waren seine Berichte vollständig, bis er nach Indien ging, wo er ihn aus dem Gesichte verlor, und erst im Liddesdale wieder unerwartet mit ihm zusammen kam. Gabriel Faa erklärte ferner, daß er von diesem Vorfalle sogleich seine Verwandte Meg Merrilies, und Dirk Hatteraick, den er an der Küste wußte, benachrichtigt habe; der Bericht an den letztern habe ihm jedoch das Mißfallen seiner Verwandten zugezogen. Er bemerkte noch, jene Frau habe sogleich erklärt, sie wolle Alles thun, was in ihrer Macht stände, um dem jungen Ellangowan zu seinem Rechte zu helfen, und sollte sie auch Hatteraick deßhalb anklagen; überdies hatten ihr viele ihrer Leute beigestanden, weil sie glaubten, sie erhalte übernatürliche Eingebungen. In gleicher Absicht gab sie, wie er meinte, Bertram den Schatz des Stammes, den sie in Verwahrung hatte. Drei oder vier Zigeuner mischten sich auf Meg Merrilies' ausdrücklichen Befehl unter die Menge, als das Zollhaus angegriffen ward, um Bertram zu befreien, was Gabriel selber vollbrachte. Die Achtung, welche Meg unter ihrem Stamme genoß, war, wie er sagte, so groß, daß Alle ihren Befehlen blindlings gehorchten. Auf weiteres Fragen setzte der Zeuge noch hinzu, seine Verwandte habe immer gesagt, Harry Bertram trage dasjenige an einer Schnur am Halse, was seine Geburt bestätige. Ein Zauber sei es, sagte sie, den ein Oxforder Gelehrter für ihn gemacht, und sie wußte den Schmugglern die Meinung einzuflößen, daß es den Untergang des Schiffs nach sich ziehen werde, wenn sie den Knaben dieses Amulets beraubten.

Bertram brachte hier einen kleinen Sammtbeutel zum Vorschein, den er von frühester Kindheit, nach seiner Erklärung, mit sich getragen hatte, und den er stets bewahrte, anfänglich aus abergläubischer Ehrfurcht und später in der Hoffnung, daß er einst dazu dienen möchte, seine Herkunft zu entdecken. Als man den Beutel öffnete, kam eine blauseidene Hülle zum Vorschein, aus welcher man ein Horoskop hervorzog. Als Oberst Mannering dies Papier betrachtete, gestand er sogleich daß es sein eignes Werk sei, und es gebe den kräftigsten und genügendsten Beweis, daß der Besitzer nothwendig der junge Erbe von Ellangowan sein müsse; Mannering berichtete, wie er in diesem Lande zuerst als Astrolog aufgetreten sei.

»Und nun,« sagte Pleydell, »sind Verhaftsbefehle für Glossin und Hatteraick auszufertigen, bis zur rechtlichen Erledigung. Doch,« sagte er, »ich bin besorgt um Glossin.«

»Nun, ich glaube,« sagte Mannering, »er verdient von den beiden bei weitem am wenigsten Mitleiden. Der andere ist ein kühner Mensch, obwohl hart wie ein Kiesel.«

»Sehr natürlich, Oberst,« sagte der Advokat, »daß Sie Ihre Theilnahme dem Räuber schenken und ich meine dem Schelm – das ist Geschmack des Berufs – aber ich kann Ihnen sagen, Glossin würde ein trefflicher Jurist geworden sein, hätte er nicht für die schurkische Seite des Berufs zu starke Neigung gehabt.«

»Die Lästerung würde sagen,« bemerkte Mannering, »deßwegen wär' er wohl kein schlechterer Jurist gewesen.«

»Die Lästerung würde dann lügen,« erwiederte Pleydell, »wie sie gewöhnlich thut. Das Recht gleicht dem Opium; es ist weit leichter, es als Quacksalber zu brauchen, als seine rechte Anwendung als Arzt kennen zu lernen.«



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