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Viertes Kapitel.

– – – Die Beleidigung
Ging von ihm aus, doch kehrte sie zurück,
Der schlecht entzündeten Petarde gleich,
Die nach dem Busen des Entzünders fliegt.
Doch hoff' ich, daß die Wunde nicht gefährlich,
Er kann genesen.

Das schöne Wirthshausmädchen.

Der Gefangene ward nun vor die beiden würdigen Gerichtsbeamten geführt. Glossin, theils von einigen Gewissensregungen ergriffen, und theils auch weil er entschlossen war, dem adeligen Amtsgenossen die sichtbare Leitung der Untersuchung zu überlassen, blickte nieder auf den Tisch, eifrig beschäftigt, die Schriften, welche auf das Geschäft Bezug hatten, zu lesen und zu ordnen, und warf nur von Zeit zu Zeit als Einhelfer ein geschicktes Stichwort hin, wenn er sah, daß der Vorgesetzte, der scheinbar am thätigsten bei der Sache war, einen Wink nöthig hatte. Was Sir Robert Hazlewood betrifft, so suchte er den strengen Ernst des Richters mit der persönlichen Würde, die dem Baronet einer alten Familie zukam, zu vereinigen.

»Laßt ihn dort an das untere Ende des Tisches treten, Constables. – Seid so gut und seht mir in das Gesicht, Sir, und beantwortet mit lauter Stimme die Fragen, die ich Euch vorlegen werde.«

»Darf ich vor allen Dingen um Auskunft bitten, Sir, wer es ist, der sich bemüht, mir Fragen vorzulegen?« sagte der Gefangene; »denn den wackern Herrn, die mich hieher brachten, war es nicht gefällig, mir irgend eine Nachricht über diesen Punkt zu geben.«

»Erlaubt, Sir,« antwortete Sir Robert, »was hat mein Name und mein Rang mit den Fragen zu thun, die ich an Euch zu richten gedenke?«

»Vielleicht nichts, Sir,« antwortete Bertram; »bedeutenden Einfluß aber wird es auf meine Neigung, jene Fragen zu beantworten, haben.«

»Nun gut, Sir, so mögt Ihr denn wissen, daß Ihr vor Sir Robert Hazlewood von Hazlewood steht, und vor einem zweiten Friedensrichter dieser Grafschaft – das ist Alles.«

Da diese Nachricht eine minder gewaltige Wirkung auf den Gefangenen hervorbrachte, als der Redner vorausgesetzt hatte, so setzte Sir Robert sein Verhör mit wachsendem Mißfallen an dem Gegenstande desselben fort.

»Ist Euer Name Vanbeest Brown, Sir?«

»Er ist's,« antwortete der Gefangene.

»Richtig also; – und wie haben wir Euch weiter zu nennen, Sir?« fragte der Friedensrichter.

»Capitain in Sr. Majestät – – Cavallerieregiment,« antwortete Bertram.

Der Baronet hörte diese Aussage mit Staunen; aber sein Muth stärkte sich neu durch einen zweifelvollen Blick Glossins, welcher zugleich einen leisen, pfeifenden Ton hören ließ, der Ueberraschung und Verachtung ausdrückte. »Ich glaube, mein Freund,« sagte Sir Robert, »wir werden, ehe wir uns trennen, einen bescheidenern Titel für Euch ausfindig machen.«

»Wenn Sie das thun, Sir,« erwiederte der Gefangene, »so werde ich mich willig jeder Strafe unterwerfen, welche solch' ein Betrug nur immer verdienen mag.«

»Gut, Sir, wir werden sehn,« fuhr Sir Robert fort. »Kennt Ihr den jungen Hazlewood von Hazlewood?«

»Ich sah diesen Herrn, der, wie ich hörte, diesen Namen führt, nur ein einziges Mal, und ich bedauere, daß dies unter sehr unerfreulichen Umständen geschah.«

»Demnach erkennt Ihr an,« sagte der Baronet, »daß Ihr dem jungen Hazlewood von Hazlewood die Wunde beibrachtet, die sein Leben in Gefahr setzte, das Schlüsselbein seiner rechten Schulter bedeutend verletzte und auch das Schulterblatt gefährlich berührte, wie der Hauswundarzt erklärt?«

»Nun, Sir,« erwiederte Bertram; »ich kann nur sagen, daß ich nicht weiß, wie groß der Schaden war, der dem jungen Herrn zugefügt ward, daß ich aber jedenfalls sehr bekümmert darum bin. Ich begegnete ihm auf einem schmalen Pfade, wo er mit zwei Damen und einem Diener ging; und ehe ich noch vorübergehen oder sie anreden konnte, nahm der junge Mann seinem Diener die Flinte weg, legte auf mich an und gebot mir mit dem hochfahrendsten Tone, mich sofort zu entfernen. Ich war eben so wenig geneigt, seinem Befehle zu gehorchen, als ihn im Besitze eines Gewehrs zu lassen, dessen er sich so unvorsichtig bedienen zu wollen schien. Ich rang mit ihm, um ihn zu entwaffnen, und es war mir beinahe gelungen, als die Flinte losging und zu meinem größten Leidwesen dem jungen Manne eine härtere Züchtigung gab, als ich wünschte; aber es freut mich nun, zu hören, daß die Folgen nicht schlimmer sind, als es seine grundlose und thörichte Uebereilung verdiente.«

»Und also, Sir,« sagte der Baronet mit dem Zorne der beleidigten Würde im Gesicht, – »Ihr, Sir, Ihr gebt also zu, daß es Euer Vorsatz war, Sir, und Eure Absicht, Sir, und der wahrhafte Zweck Eures Angriffs, Sir, dem jungen Hazlewood von Hazlewood sein Gewehr abzunehmen, Sir, oder seine Vogelflinte, oder seine Büchse, wie es immer heißen mochte, und das auf Sr. Majestät offener Straße, Sir? – das reicht, denk' ich, hin, mein würdiger Nachbar! ich denke, er muß alsbald verhaftet werden?«

»Sie wissen am besten zu urtheilen, Sir Robert,« sagte Glossin in seinem gefälligen Tone; »aber, wenn ich mir eine Andeutung erlauben darf, es war auch noch etwas hinsichtlich der Schmuggler im Spiele.«

»Sehr wahr, guter Sir. – Ueberdies, Sir, seid Ihr, der Ihr Euch Capitain in Sr. Majestät Diensten nennt, nichts mehr und nichts weniger als ein schuftiger Genosse einer Schmugglerbande!«

»Wirklich, Sir,« sagte Bertram, »Sie sind ein alter Herr und in einer sehr seltsamen Täuschung befangen, – außerdem würde ich meinem Unwillen gegen Sie freien Lauf lassen.«

»Alter Herr, Sir! seltsame Täuschung, Sir!« sagte Sir Robert, vor Zorn die Farbe wechselnd. »Ich versichere und erkläre – – Ei, Sir, habt Ihr Briefe oder Papiere, die Euren vorgeblichen Stand, Rang und Beruf beweisen können?«

»Gegenwärtig keine, Sir,« antwortete Bertram; »aber nach einigen Posttagen« –

»Und wie kommt es, Sir,« fuhr der Baronet fort, »wie kommt es, wenn ihr Capitain in Sr. Majestät Dienst seid, daß ihr ohne Empfehlungsbriefe hier in Schottland reist? ohne Gepäck, ohne irgend etwas, was Euren vorgeblichen Rang, Stand und Beruf bezeichnen könnte, wie ich schon vorher sagte?«

»Sir,« erwiederte der Gefangene, »ich hatte das Unglück, meiner Kleider und meines Gepäckes beraubt zu werden.«

»Oho! dann seid Ihr der Herr, der eine Postchaise von – – nach Kippletringan nahm, den Postknecht auf offner Straße halten ließ, und zwei seiner Kameraden sandte, um jenen zu prügeln und das Gepäck fortzuschaffen?«

»Allerdings Sir, befand ich mich in einer solchen Postchaise; mußte aber aussteigen, da ich mich verirrt hatte, und verlor den Weg vollends, während ich mich die Straße nach Kippletringan zu entdecken bemühte. Die Wirthin im Gasthofe wird bestätigen, daß bei meiner Ankunft am nächsten Tage meine erste Frage den Postknecht betraf.«

»Dann erlaubt mir, zu fragen, wo Ihr die Nacht zubrachtet, – vermuthlich nicht im Schnee? Ihr glaubt doch nicht, daß man das glauben, gelten lassen und annehmen würde?«

»Ich bitte,« antwortete Bertram, indem sich seine Gedanken auf die Zigeunerin wandten und auf das Versprechen, das er ihr gegeben hatte, »ich bitte, mir die Beantwortung dieser Frage zu erlassen.«

»Das läßt sich denken,« sagte Sir Robert. – »Waret Ihr nicht während jener Nacht in den Ruinen von Derncleugh? – in den Ruinen von Derncleugh, Sir?«

»Ich hab' Ihnen gesagt, daß ich diese Frage nicht zu beantworten gedenke;« erwiederte Bertram.

»Gut, Herr, so müßt Ihr in Verhaft bleiben, Sir,« sagte Sir Robert, »und werdet in's Gefängniß geschickt werden, das ist Alles, Sir. – Habt die Güte, diese Papiere anzusehn; seid Ihr der Vanbeest Brown, welcher hier erwähnt wird?«

Es muß bemerkt werden, daß Glossin unter die Papiere einige Schreiben gemischt hatte, welche wirklich Bertram gehörten und welche die Gerichtsdiener in dem alten Gewölbe, wo sein Mantelsack geplündert worden war, gefunden hatten.

»Einige von diesen Papieren,« sagte Bertram, indem er sie durchsah, »gehören mein und befanden sich in meiner Brieftasche, als diese aus dem Postwagen gestohlen ward. Ihr Inhalt ist von geringem Werth, und wie ich sehe, hat man sie sorgfältig als solche ausgewählt, die über meinen Stand und Charakter nichts beweisen, während viele andere dies zur Genüge gethan haben würden. Sie sind mit Schiffs-Rechnungen und andern Papieren gemischt, welche wahrscheinlich einer Person gleichen Namens gehören.«

»Und willst du mich zu überreden suchen, Freund,« sagte Sir Robert, »daß zwei Personen zu gleicher Zeit in dieser Gegend sein sollen, die beide den ganz ungewöhnlichen und häßlich klingenden Namen führen?«

»Ich sehe in der That nicht ein, Sir, warum es nicht, so gut es da einen jungen und einen alten Hazlewood gibt, auch einen alten und einen jungen Vanbeest Brown geben sollte. Und, um ernstlich zu reden, ich ward in Holland erzogen, und ich weiß, daß dieser Name, wie übel er auch immer englischen Ohren« – –

Glossin, welcher merkte, daß der Gefangene jetzt im Begriff war, auf gefährlichen Boden zu kommen, fiel in die Rede, wiewohl die Unterbrechung ganz unnöthig war, um nur die Aufmerksamkeit Sir Robert Hazlewoods anderswohin zu lenken; der letztere saß sprachlos und regungslos vor Empörung über die vermessene Vergleichung, welche Bertrams letzte Worte enthielten. Wirklich waren die Adern seines Gesichts geschwollen, als ob sie bersten wollten, und er saß da mit der zornigen und betroffenen Miene eines Mannes, dem eine tödtliche Beleidigung zugefügt ward, und zwar von einer Seite, welche er keiner Erwiederung würdig halten darf und kann. Während er mit gerunzelter Stirn und zornsprühendem Blicke seinen Athem feierlich und langsam einzog und ebenso wieder mit tiefer und feierlicher Anstrengung von sich hauchte, kam ihm Glossin zu Hilfe. »Ich sollte mit aller Unterthänigkeit dafür halten, Sir Robert, daß diese Sache nun als geschlossen gelten könnte. Einer der Gerichtsdiener erbietet sich, (abgesehn von den bereits vorhandenen, entscheidenden Beweisen) einen Eid abzulegen, daß das Schwert, dessen der Gefangene diesen Morgen beraubt ward, (beiläufig, weil er es brauchte, um sich einer richterlichen Vollmacht zu widersetzen) daß dies eine Waffe sei, die ihm in einem Kampf zwischen Gerichtsdienern und Schmugglern abgenommen ward, und zwar kurz vor dem letztern Angriff auf Woodbourne. – Und dennoch,« setzte er hinzu, »möchte ich nicht, daß Sie in dieser Hinsicht allzu rasch urtheilten; vielleicht kann uns der junge Mann erklären, wie er zu der Waffe kam.«

»Diese Frage, Sir,« sagte Bertram, »werde ich ebenfalls unbeantwortet lassen.«

»Noch ein anderer Umstand verdient erörtert zu werden, wofern es nämlich Sir Robert gestatten will,« bemerkte Glossin. »Dieser Gefangene legte in die Hände der Mrs. Mac-Candlish ein Päckchen nieder, welches verschiedene Goldmünzen und andere werthvolle Gegenstände enthält. Vielleicht, Sir Robert, halten Sie für gut, zu fragen, wie er zu einem Eigenthum so seltener Art kam?«

»Nun, Sir, Vanbeest Brown, Sir, Ihr hört die Frage, Sir, die Euch dieser Herr vorlegt?«

»Ich habe besondere Gründe, die Beantwortung dieser Frage abzulehnen,« antwortete Bertram.

»Dann fürchte ich, Sir,« sagte Glossin, welcher die Sache nun zu dem Punkte geführt hatte, den er zu erreichen wünschte, »daß uns unsere Pflicht in die Nothwendigkeit versetzt, einen Verhaftsbefehl gegen Euch auszufertigen.«

»Nach Belieben, Sir,« sagte Bertram; »bedenkt indeß wohl, was Ihr thut. Erinnert Euch, daß ich mich als Capitain in Sr. Majestät – – Regiment nannte, daß ich so eben aus Indien zurückgekehrt bin, und also unmöglich in Verbindung mit jenen Schleichhändlern stehn kann, von denen Ihr sprecht; ferner, daß mein Oberstlieutenant jetzt in Nottingham ist, und der Major, sammt den Offizieren meines Corps, zu Kingston an der Themse. Ich erkläre vor Ihnen beiden, mich jeder Schmach zu unterwerfen, wofern ich bis zur Rückkehr der Posten von Nottingham und Kingston nicht im Stande bin, das Gesagte zu beweisen. Oder Ihr könnt an den Geschäftsführer des Regiments schreiben, wenn es Euch gefällig ist, und« – –

»Das ist Alles recht gut, Sir,« sagte Glossin, der zu fürchten begann, daß die fest und bestimmt ausgesprochene Forderung Bertram's einigen Eindruck auf Sir Robert machen möchte, der sich zu Tode geschämt haben würde, wenn er die Unschicklichkeit, einen Reitercapitain in's Gefängniß zu schicken, begangen hätte – »Dies ist Alles recht gut, Sir; aber befindet sich nicht in der Nähe eine Person, auf die Ihr Euch berufen könntet?«

»Es sind blos zwei Personen in dieser Gegend, die etwas von mir wissen,« erwiederte der Gefangene. »Die eine ist ein schlichter Landmann in Liddesdale, Namens Dinmont von Charlieshope; aber er weiß nichts weiter von mir, als was ich ihm sagte, und was ich jetzt Euch sage.«

»Ei, das ist nicht übel, Sir Robert!« sagte Glossin. »Ich glaube, er würde diesen dickköpfigen Burschen herbeibringen, um seine Leichtgläubigkeit zu beschwören, Sir Robert, haha ha!«

»Und wer ist Euer anderer Zeuge, Freund?« sagte der Baronet.

»Ein Herr, den ich aus gewissen Privatgründen nur sehr ungern nennen kann, unter dessen Befehl ich jedoch einige Zeit in Indien diente, und der auch zu sehr Mann von Ehre ist, als daß er meinem Charakter als Soldat und Gentleman sein Zeugniß verweigern könnte.«

»Und wer ist dieser mannhafte Zeuge, bitte, Sir?« sagte Sir Robert, »– ein Wachtmeister auf halbem Sold oder ein Feldwebel, vermuthlich?«

»Oberst Guy Mannering, früher beim – – Regiment, in welchem ich, wie ich sagte, Capitain bin.«

Oberst Guy Mannering! dachte Glossin, – wer Teufel konnte das errathen?

»Oberst Guy Mannering!« wiederholte der Baronet, beträchtlich in seiner Meinung erschüttert. – »Mein guter Sir,« (leise zu Glossin) – »der junge Mann mit dem schrecklich gemeinen Namen und so sehr bescheidenen Betragen hat trotzdem etwas von dem Tone, den Manieren und dem Gefühl eines Gentleman, zum wenigsten Eines, der in guter Gesellschaft gelebt hat – man vergibt in Indien die Stellen leichthin, sorglos und unakkurat – ich dächte, wir ließen die Sachen lieber ruhn, bis Oberst Mannering zurückkommt; er ist, glaub' ich, jetzt in Edinburg.«

»Sie haben in jeder Hinsicht das beste Urtheil, Sir Robert,« antwortete Glossin, »in jeder möglichen Hinsicht. Ich wünschte Ihnen nur bemerklich zu machen, daß wir schwerlich berechtigt sind, diesen Mann auf eine Versicherung hin zu entlassen, die er nicht beweisen kann, und daß wir uns schwerer Verantwortlichkeit aussetzen, wenn wir ihn in Privatgewahrsam behalten, ohne ihn dem öffentlichen Gefängniß zu übergeben. Indeß wissen Sie unstreitig am besten zu urtheilen, Sir Robert; – und ich wollte nur meinerseits bemerken, daß mir noch kürzlich strenger Tadel ward, als ich eine Person an einem Orte bewahrte, der mir völlig sicher schien und überdies von den Gerichtsdienern bewacht wurde. Der Mann entsprang, und ich zweifle nicht, daß mein eigener Ruf hinsichtlich der Aufmerksamkeit und Umsicht als Magistratsperson einigermaßen gelitten hat. Ich deute dies nur an – ich werde Ihnen in Allem gehorchen, Sir Robert, was Sie für rathsam halten.« Glossin wußte aber recht gut, daß dieser Wink völlig hinreichend sein werde, um das Verfahren seines selbstgenügsamen, aber nicht selbstständigen Collegen zu entscheiden. Der Baronet Robert Hazlewood schloß daher die Sache mit folgender Rede, die theils von der Voraussetzung, daß der Gefangene wirklich ein Gentleman, theils von dem entgegengesetzten Glauben, daß er ein Schurke und Menschenmörder sei, ausging.

»Sir, Mr. Vanbeest Brown – ich würde Euch Capitain Brown nennen, wenn irgend ein Grund, eine Ursache oder Veranlassung vorhanden wäre, zu der Voraussetzung, daß Ihr Capitain seid, oder in dem höchst achtbaren Regimente, welches Ihr nanntet, oder in irgend einem andern königlichen Regimente, eine Offiziersstelle besitzt, worüber ich bis jetzt freilich keine bestimmte, feste und unveränderliche Erklärung oder Meinung habe abgeben wollen. Ich sage daher, Sir Brown, wir haben beschlossen, daß in Erwägung der mißlichen Verhältnisse, worin Ihr Euch zur Zeit befindet, da Ihr beraubt worden seid, wie Ihr sagt, eine Behauptung, worüber ich für jetzt meine Meinung noch nicht erklären will, und da Ihr im Besitze eines Schatzes von beträchtlichem Werthe seid, so wie eines Säbels mit messingenem Griffe, und über die Erwerbung dieser genannten Gegenstände keine Erklärung habt abgeben wollen – wir haben, sag' ich, entschieden, beschlossen und festgesetzt, Euch in's Gefängniß zu schicken, oder vielmehr Euch ein Gemach daselbst anzuweisen, damit Ihr nach der Rückkehr des Obersten Guy Mannering von Edinburg alsbald wieder zu erscheinen bereit seid.«

»Mit aller Ergebenheit, Sir Robert,« sagte Glossin, »erlaube ich mir die Frage, ob Sie beabsichtigen, diesen jungen Herrn nach dem Landgefängniß zu senden? denn wofern dies nicht Ihre bestimmte Absicht ist, nehm' ich mir die Freiheit, anzudeuten, daß es minder hart sein würde, wenn man ihn nach dem Arbeitshaus bei Portanferry schickte, wo er, ohne den Blicken der Menge blosgestellt zu werden, doch sicher bewahrt wäre; und es ist diese Vermeidung der öffentlichen Schaustellung ein Umstand, der wohl zu berücksichtigen ist, für den Fall, daß seine Erzählung begründet wäre.«

»Ja, es ist eine Militärwache in Portanferry zur Beschützung der Güter im Zollhause; und überhaupt ist jener Ort verhältnißmäßig ziemlich bequem, so daß wir also, wenn wir alles erwogen haben, diese Person gefangen setzen – ich wollte vielmehr sagen, diese Person ermächtigen wollen, sich im Arbeitshaus zu Portanferry bewahren zu lassen.«

Demnach ward der Verhaftsbefehl ausgefertigt und dem Gefangenen angekündigt, daß er am nächsten Morgen nach jenem Gefängniß gebracht werden sollte; denn Sir Robert mochte den Deckmantel der Nacht, wo der Gefangene leicht entfliehen konnte, nicht dazu benutzen. Bis zur Zeit der Abfahrt sollte er im Schloß Hazlewood bewahrt werden.

Es kann nicht so hart sein, als meine Gefangenschaft bei den Luties in Indien, dachte Bertram; und auch so lange kann es nicht währen. Aber der Teufel hole den alten gravitätischen Burschen, sammt seinem schlauen Genossen, der ihm stets zu Gefallen spricht, – sie können nicht einmal eines schlichten Mannes Geschichte verstehen, wenn sie ihnen erzählt wird.

Inzwischen verabschiedete sich Glossin vom Baronet, indem er mit tausend ehrerbietigen Verbeugungen und Entschuldigungen die Einladung zum Mittagessen ablehnte und die Hoffnung wagte, es werde ihm bei einer künftigen Gelegenheit vergönnt sein, dem Baronet, der Lady Hazlewood und dem jungen Mr. Hazlewood seine Ehrfurcht zu beweisen.

»Gewiß, Sir,« sagte der Baronet sehr huldvoll. »Ich hoffe, unsre Familie setzte nie die Höflichkeit gegen unsre Nachbarn aus den Augen; und wenn ich beim Spazierritt dort vorüberkomme, lieber Mr. Glossin, so will ich Sie davon überzeugen, indem ich in Ihrem Hause so vertraut einspreche, als es gebührlich ist, das heißt, als gehofft oder erwartet werden kann.«

»Und nun,« sagte Glossin zu sich selbst, »ist Dirk Hatteraick und seine Leute aufzusuchen, – die Wache zum Zollhause zu entfernen – und dann der große Wurf zu wagen. Alles hängt von der Eile ab. Wie gut, daß sich Mannering nach Edinburg begeben hat! seine Bekanntschaft mit diesem jungen Manne müßte meine Gefahr ungemein steigern,« – hier ließ er sein Pferd langsamer gehen. – »Wie, wenn ich mich mit dem Erben zu vergleichen suchte? vielleicht ließe er sich mit einer runden Summe abfinden, und ich könnte Hatteraick aufgeben – Aber nein, nein, nein; zu viele Augen sind auf mich gerichtet, Hatteraick selbst, der Zigeunerseefahrer, die alte Hexe – nein, nein! ich muß bei meinem ursprünglichen Plane bleiben.« Mit diesem Entschlusse drückte er dem Pferde die Sporen in die Seite und ritt im scharfen Trabe vorwärts, um seine Pläne zur Ausführung zu bringen.



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