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Sechstes Kapitel.

Schleppt aber schmachvoll man dich dann
Zu jenem Baum der Schande fort,
So steht bei dir ein treuer Freund,
Dein graus Geschick zu theilen dort.

Shenstone.

Vertieft in die traurigen Betrachtungen, die natürlich durch seine unerfreuliche Lectüre und trostlose Lage erweckt werden mußten, fühlte sich Bertram zum ersten Mal in seinem Leben kleinmüthig. »Ich habe mich in noch schlechtern Lagen befunden,« sagte er – »in gefährlichern auch, denn hier ist keine Gefahr; schlechtere Aussichten hatt' ich, denn meine gegenwärtige Gefangenschaft kann nur kurz sein; auch unbequemer befand ich mich, denn hier hab' ich doch Feuer, Nahrung, Obdach. Jedoch, indem ich die blutigen Geschichten von Verbrechen und Elend lese, an einem Orte, der mit den durch sie erweckten Gedanken so sehr übereinstimmt, und indem ich jenen traurigen Tönen lausche, fühle ich mich stärker zur Schwermuth geneigt, denn je zuvor in meinem Leben. Aber ich will dieser Neigung nicht nachgeben – fort, du Gedenkbuch von Schuld und Schande!« sagte er, indem er das Buch auf das Bett warf; »ein schottisches Gefängniß soll, zumal am ersten Tage, den Muth noch nicht beugen, welcher der Sonne des Aequators trotzte, und Mangel, Elend, Krankheit und Gefangenschaft in fremden Landen ertrug. Ich habe manchen harten Kampf mit der Dame Fortuna bestanden, und sie soll mich auch jetzt nicht schlagen, wo ich mir noch helfen kann.«

Indem er nun seinen Muth zusammennahm, bemühte er sich, seine Lage im günstigsten Lichte zu erblicken. Delaserre mußte bald ankommen; ja, und sollte er sich auch zuerst an Mannering wenden, wer konnte sagen, ob die Folge nicht eine Versöhnung zwischen ihnen sein werde? Er hatte oft bemerkt, und erinnerte sich dessen nun, daß, wenn sein ehmaliger Oberst die Partei Jemands nahm, dies nie halb geschah, und daß er die Personen am meisten zu lieben schien, denen er Verbindlichkeiten aufgelegt hatte. Von diesen Gedanken kam er natürlich auf Julie; und ohne genau die Kluft zu erwägen, die sich zwischen einem Glücksritter, der durch ihres Vaters Zeugniß aus dem Gefängniß zu kommen wünschte, und zwischen ihr dehnte, welche die Erbin der Reichthümer und Aussichten dieses Vaters war: baute er das hübscheste Schloß in die Wolken, und schmückte es mit all den Farben eines sommerabendlichen Himmels, als seine Arbeit durch ein lautes Klopfen an das äußere Thor unterbrochen ward, worauf das Bellen jenes großen Kettenhundes antwortete, welcher im Hofe als Zugabe der Garnison einquartirt war. Nach mancherlei Vorsichtsmaßregeln ward das Thor geöffnet und eine Person eingelassen. Nunmehr ward die Hausthür entriegelt, aufgeschlossen und entkettet, die Füße eines Hundes tappten eilig die Treppe empor und das Thier ließ sich nun kratzend und winselnd an der Thür des Zimmers hören. Darauf ließ sich ein schwerer Tritt vernehmen und Mac-Guffogs Stimme rief, den Weg weisend: »hierher, hierher! verfehlt die Stufen nicht; das ist das Zimmer.« – Bertrams Thür ward geöffnet, und zu seiner Ueberraschung und Freude fuhr Wasp, sein Dachs, in's Gemach, der ihn vor Entzücken aufzufressen drohte, und hinterdrein kam die kräftige Gestalt seines Freundes von Charlieshope.

»Ei! Ei!« rief der ehrliche Pächter, als er einen Blick auf seines Freundes elende Wohnung, und jämmerliche Einrichtung warf – »Was ist das? was ist das?«

»Nur ein Schicksalsstreich, mein guter Freund,« sagte Bertram aufstehend und ihm herzlich die Hand schüttelnd, »weiter ist's nichts.«

»Aber was soll daraus werden? – oder was kann daraus werden?« sagte der wackere Dandie – »ist's wegen Schulden, oder weßhalb sonst?«

»Ei, 's ist nicht wegen Schulden,« antwortete Bertram; »und wenn Ihr Zeit habt, Euch niederzusetzen, so will ich Euch erzählen, was ich selber von der Sache weiß.«

»Wenn ich Zeit habe?« sagte Dandie, mit einem Accent auf dem Worte, daß es wie Hohngelächter klang – »o! weßhalb, zum Henker! bin ich denn gekommen, Mann, als um zu sehen, was es gibt? aber Ihr werdet wohl etwas essen, hoff' ich? 's ist schon spät – ich sagte den Leuten im Wirthshaus, wo ich meinen Gaul ließ, sie sollten mir die Mahlzeit hierher schicken, und der Mac-Guffog ist so gut, es einzulassen – das hab' ich schon ausgemacht. – Und nun laßt Eure Geschichte hören – Still, Wasp, Kerl! aber er ist gar zu froh, Euch zu sehen, das arme Vieh!«

Bertrams Erzählung, die sich auf das Ereigniß mit Hazlewood beschränkte, und auf die Verwechselung seiner eignen Person mit einem von den Schmugglern, der beim Angriffe auf Woodbourne thätig gewesen und zufällig denselben Namen führte, war bald erzählt. Dinmont lauschte sehr aufmerksam. »Nun ja,« sagte er, »das ist denn doch in der That noch keine so verzweifelte Sache; der Bursche ist ja schon wieder auf dem Wege der Besserung, und was wollen ein paar Schrotkörner in der Schulter viel sagen? hätt' er ein Auge verloren, das wär' eine andere Sache. Ja, früher war hier der alte Sheriff Pleydell! – das war ein Mann für solche Sachen, und er wußte immer am besten zu reden, daß sein Wort durchging!«

»Aber nun sagt mir, mein trefflicher Freund, wie Ihr mich hier ausgefunden habt?«

»Ei, das ging närrisch genug zu,« sagte Dandie; »aber das will ich Euch erzählen, wenn wir gegessen haben, denn es läßt sich darüber nicht so gut reden, so lange das langbeinige Weibsbild noch immer ab und zu geht.«

Bertrams Neugier beruhigte sich ein wenig beim Erscheinen des Abendessens, welches sein Freund bestellt hatte, und das, obwohl sehr bescheiden, doch die appetitliche Reinlichkeit hatte, welche der Kochkunst der Mrs. Mac-Guffog so sehr fehlte. Auch Dinmont, welcher versicherte, er sei den ganzen Tag seit dem Frühstück geritten, ohne etwas zu essen, »was der Rede werth sei,« – und dies Unbedeutende hatte in drei Pfund kalter Hammelkeule bestanden, die er unterwegs zu Mittag eingenommen, – auch Dinmont, sag' ich, fiel rüstig über das gute Mahl her und sprach, gleich Homers Helden, nur wenig, so im Guten wie im Bösen, bis die Wuth des Hungers und Durstes gestillt war. Endlich, nach einem tüchtigen Trunk guten Bieres, sagte er, »nun ja, das Huhn,« (dabei blickte er auf die kläglichen Ueberreste dessen, was einst ein großer Vogel gewesen war) »das war nicht schlecht, wenn man annimmt, daß es in der Stadt erzogen war; aber unser Landfedervieh in Charlieshope ist mir denn doch lieber – und ich bin froh, daß Ihr nicht schon früher um den Appetit gekommen waret, Capitain.«

»Nun wirklich, mein Mittagmahl war nicht so trefflich, Mr. Dinmont, daß es mir das Abendessen hätte verleiden können.«

»Das will ich wohl glauben,« sagte Dinmont; – »aber nun, mein Schatz, da Ihr uns den Branntwein gebracht habt und das heiße Wasser und den Zucker, und da alles in Ordnung ist, so könnt Ihr die Thür suchen, denn seht, wir haben jetzt mit einander allein zu reden.« Dem zu Folge zog sich das Mädchen zurück, und schloß die Thür des Gemachs, vor welche sie von außen einen großen Riegel vorsichtig schob.

Sobald sie gegangen war, untersuchte Dinmont Alles genau, sah durch das Schlüsselloch, und nachdem er sich überzeugt hatte, daß kein Lauscher vorhanden war, kam er zum Tische zurück; er ordnete Alles auf's Beste, schürte das Feuer und begann sodann seine Erzählung in einem leisen, ernsten und wichtigen Tone, der ihm sonst nicht gewöhnlich war.

»Seht, Capitain, ich war vor ein paar Tagen in Edinburg, wohnte da dem Begräbniß einer Verwandten bei, die wir verloren hatten, und hätte auch eigentlich etwas für meinen Ritt haben sollen; aber daraus wurde ganz und gar nichts, und wer kann da helfen? Ich hatte auch noch einen kleinen Rechtshandel außerdem, aber das gehört weiter nicht zu unserer Sache. Kurz ich hatte meine Sachen in Ordnung gebracht und kam heim; am Morgen ging ich dann hinaus, um zu sehen, wie's um die Heerden stände, und ich wollte zugleich auch nach der Höhe gehen, wo Jock von Dawston und ich den Gränzstreit haben. – Als ich nun hinauskam, sah ich einen Mann, von dem ich wußte, daß er nicht zu unsern Heerden gehörte, und es fällt immer auf, wenn man da einen andern trifft. Wie ich zu ihm kam, sah ich, daß es Gabriel, der Fuchsjäger, war. Ein wenig erstaunt redete ich ihn nun an: Was thut Ihr hier, ohne Eure Hunde, Mann? Sucht Ihr den Fuchs ohne die Hunde?« – »Nein, Freund,« sagte er, »aber ich wollte eben Euch sehen.«

»Nun,« sagt' ich, »Ihr werdet wohl jetzt etwas nöthig haben, für den Winter etwa?«

»Nein, nein,« sprach er, »deßwegen such' ich Euch nicht; aber Ihr nahmt doch viel Antheil an dem Capitain Brown, der hier bei Euch war, nicht?«

»O, gewiß, Gabriel,« sagt' ich, »und was gibt's mit ihm, Freund?«

Er sagte, »es interessiren sich noch mehr Andre außer Euch für ihn, und zwar Leute, denen ich zu gehorchen habe; und es ist nicht mein eigner Wille, daß ich jetzt hier bin, um Euch etwas von ihm zu sagen, was Euch nicht gefallen wird.«

»Wahrhaftig,« sagt' ich, »nichts wird mir gefallen, was ihm nicht gefällt.«

»Nun,« sagt' er weiter, »dann werdet Ihr es gar nicht gern hören, daß er gleich in's Gefängniß nach Portanferry wird spazieren müssen, wenn er sich nicht in Acht nimmt, denn es ist ein Verhaftsbefehl ausgefertigt, damit er gleich ergriffen werden kann, sobald er über's Wasser von Allonby kommt. Und nun, wenn Ihr es gut mit ihm meint, so reitet hinab nach Portanferry, und laßt dabei auf des Kleppers Hufen kein Gras wachsen; und wenn Ihr ihn im Gefängniß findet, so bleibt Tag und Nacht bei ihm, einige Tage lang, denn er wird Freunde brauchen, die Herz und Hand haben; und wenn Ihr das versäumt, so werdet Ihr's nur einmal zu bereuen haben, denn die Gelegenheit kommt Euch im Leben nicht wieder.«

»Aber, der Himmel behüt' uns, Mann,« sagt' ich, »woher wißt Ihr das? Es ist ein hübscher Weg zwischen hier und Portanferry.«

»Das braucht Euch nicht zu kümmern,« sagte er; »die uns die Neuigkeit brachten, mußten Tag und Nacht reiten, und Ihr mögt nur sogleich aufsitzen, wenn Ihr ein gutes Werk thun wollt. Weiter hab' ich Euch nichts zu sagen.« – Damit setzte er sich nieder und rutschte in die Thalschlucht hinunter, womit ich ihm mit dem Pferd nicht folgen konnte; ich ging heim nach Charlieshope, um meinem Weibe Alles zu sagen, denn ich war ungewiß, was zu thun sei. Es würde doch dumm sein, dacht' ich, wenn ich mich von solch einem Landstreicher bei der Nase führen ließ. Aber, Himmel! was das gute Weib darum lamentirte: eine Schande, sagte sie, würd' es sein, wenn Euch ein Leid widerführe, während ich Euch helfen könnte; und dann kam auch noch Euer Brief, der Alles bestätigte. So ging ich nun zu meinem Kasten, und nahm so viel Banknoten heraus, als etwa nöthig sein könnten und alle die Jungens liefen mit einander hin, um den Gaul zu satteln. Zum Glück hatt' ich nach Edinburg das andre Vieh geritten, und so war der Gaul Dumple frisch wie eine Rose. So ging's fort, und Wasp mit mir, denn es war wirklich, als wüßt' er, wohin es gehen sollte, das arme Vieh; und da bin ich nun, nachdem ich einen fast dreißigstündigen Weg gemacht habe. Aber die Hälfte davon ist Wasp vor mir auf dem Sattel geritten, und das arme Vieh hielt sich selber fest, mocht' es im Trab oder Gallop gehen.«

Bertram erkannte aus dieser seltsamen Geschichte, vorausgesetzt, daß die Warnung Grund hatte, daß größere und drohendere Gefahr vorhanden war, als aus der Gefangenschaft von wenigen Tagen entstehen konnte. Ebenso war es auch augenscheinlich, daß ein unbekannter Freund zu seinem Besten thätig sei. »Sagtet Ihr nicht,« fragte er Dinmont, »daß jener Gabriel ein Zigeuner sei?«

»Man glaubte das,« sagte Dinmont, »und diese Sache machte es allerdings wahrscheinlich; denn sie kennen all' ihre Schliche unter einander und wissen jeden zu finden; und so können sie auch ihre Neuigkeiten blitzschnell durch's Land gehen lassen. Ich vergaß, Euch zu sagen, daß nach dem alten Weibe Nachfrage geschehen ist, die wir in Newcastle sahen; der Sheriff hat nach allen Richtungen Leute nach ihr ausgeschickt und einen Lohn versprochen, wenn sie gebracht wird, fünfzig Pfund, glaub' ich; aber wenn man auch, wie ich hörte, Verhaftsbefehle nach ihr durch's ganze Land ausgeschickt hat, so wird man sie trotz all' dem doch nicht fangen, so lange sie selber keine Lust hat.«

»Und wie kommt das?« sagte Bertram.

»O, das weiß ich nicht; – 's ist wahrscheinlich nur dummes Zeug, aber man sagt, sie habe den Farnsamen welcher der Sage nach unsichtbar macht. gesammelt, und könne beliebig durch jede Thür gehen, wie Jock der Riesentödter in dem alten Liede, mit seinem Rocke der Finsterniß und seinen Schuhen der Schnelle. Sie ist unter den Zigeunern eine Art Königin; sie ist über hundert Jahr alt, wie die Leute sagen, und erinnert sich noch recht gut der unruhigen Zeiten, wo die Stuarts verjagt wurden. Wenn sie sich selber nicht verstecken kann, so kennt sie doch diejenigen, die sie gut genug verstecken können, das könnt Ihr glauben. Ja, hätt' ich gewußt, es sei Meg Merrilies, die wir jene Nacht in der Schenke trafen, ich hätte ihr doch etwas zukommen lassen.«

Mit großer Aufmerksamkeit lauschte Bertram diesem Berichte, der in einigen Punkten so sehr mit dem übereinstimmte, was er selber von der Zigeunersibylle gesehen hatte. Nach einiger Ueberlegung kam er zu der Meinung, es könne kein Treubruch sein, wenn er von dem, was er zu Derncleugh sah, gegen eine Person etwas erwähnte, welche, wie Dinmont, so große Ehrfurcht vor Meg an den Tag legte. Er erzählte daher seine Geschichte, wobei er oft durch Ausrufungen unterbrochen ward, wie: »ja, da seht Ihr's ja!« oder, »nun, zum Henker, da habt Ihr's!«

Als unser Liddesdaler Freund das Ganze bis zu Ende gehört hatte, schüttelte er seinen großen schwarzen Kopf – »Ja, es gibt Böse und Gute unter den Zigeunern, und wenn sie mit dem Teufel Verkehr haben, so ist das ihre Sache, nicht die unsre. – Ich weiß recht gut, was es mit dem Leichname für eine Bewandtniß hatte. Wenn einer von diesen Schmugglerteufeln im Gefechte geblieben ist, so schicken sie nach einem Weibe wie Meg, und wäre sie noch so fern, um den Leichnam zu schmücken; und das ist Alles, was sie von Begräbnißgebräuchen wissen. Denn hernach senken sie die Leiche in die Erde, wie einen Hund. Aber darauf sehen sie, daß sie gerade gestreckt werden, und daß ein altes Weib, wenn sie sterben, dabei ist, um Gebete zu sagen, oder Lieder und Zaubersprüche, wie sie's nennen; darauf halten sie, aber sie denken nicht daran, einen Priester kommen zu lassen und mit dem zu beten. So halten sie es, von Alters her; und ich glaube, der todte Mann wird wohl einer von den Leuten gewesen sein, die erschossen wurden, als sie Woodbourne verbrannten.«

»Aber, mein guter Freund, Woodbourne ist nicht niedergebrannt,« sagte Bertram.

»Nun, desto besser für die, die darin wohnen,« antwortete der Pächter. »Aber man hat es bei uns erzählt, daß dort kein Stein auf dem andern geblieben sei. Gefochten hat man dort ganz gewiß; es mochte wohl gut drunter und drüber gegangen sein. Ihr könnt es glauben, wie ich schon sagte, daß einer von den Leuten dort getödtet worden ist, und daß es auch die Zigeuner waren, die Euer Felleisen nahmen, als sie den Wagen im Schnee steckend fanden – dergleichen lassen sie sich nicht entgehen, und sie schaffen es gern bei Seite, eh' einer die Hand umdreht.«

»Aber wenn das Weib als Fürstin unter ihnen gilt, warum gab sie mir dann nicht offenen Schutz und erstattete mir mein Eigenthum zurück?«

»Ja, wer weiß das? Sie hat viel unter ihnen zu sagen, aber dafür wollen die andern auch einmal ihren eigenen Willen haben, wenn die Versuchung so groß ist. Sodann sind auch die Schmuggler zu berücksichtigen, die immer bei ihnen sind, diese kann Meg nicht so im Zaume halten; sie halten immer zusammen; ich habe gehört, die Zigeuner wüßten besser, wann die Schmuggler kommen und wo sie landen, als die Kaufleute, die mit ihnen Verkehr haben. Und zu alledem kommt auch noch der Umstand, daß sie manchmal ein wenig wirr im Kopfe ist, sie hat einen überzähligen Sparren darin; auch sagt man, sie glaube steif und fest an ihre Voraussagungen und Wahrsagereien, mögen sie nun wahr oder falsch sein, und richte sich selber oft nach ihren Prophezeihungen. So geht sie z. B. nie den geraden Weg nach dem Brunnen. – Aber zum Teufel mit solchen Geschichten, wie die Eure ist, mit todten Leuten, Verirren, und wer weiß was Alles noch dabei war; ich habe dergleichen immer nur aus Märchenbüchern gehört. Doch still, ich höre den Aufseher kommen.«

Wirklich unterbrach Mac-Guffog ihr Gespräch durch das rauhe Gerassel der Riegel und Eisenstangen und zeigte sein aufgedunsenes Gesicht in der offenen Thür. »Kommt, Mr. Dinmont, wir haben Euch zu Gefallen den Aufschluß eine Stunde verschoben; Ihr müßt nach Eurem Quartier.«

»Quartier, Mann? Ich will heut Nacht hier schlafen. Hier ist noch ein Bett in des Capitains Zimmer.«

»'s ist unmöglich,« antwortete der Kerkermeister.

»Ich sag' aber, es ist möglich, und lasse mich nicht anders überreden – da, trinkt einmal.«

Mac-Guffog trank und wiederholte dann seine Gegenrede, »'s ist aber gegen die Regel, Sir; Ihr habt keine Uebelthat begangen.«

»Ich will Euch den Hals brechen,« sagte der rüstige Liddesdaler, »wenn Ihr noch ein Wort davon sagt, und das wird Uebelthat genug sein, um mich hier zu einem Nachtquartier bei Euch zu berechtigen.«

»Aber ich sag' Euch, Mr. Dinmont,« wiederholte der Kerkermeister, »es ist gegen die Regel und ich riskire meinen Posten zu verlieren.«

»Nun, Mac-Guffog,« sagte Dandie, »ich habe nur zwei Worte zu sagen. Ihr kennt mich gut genug, und Ihr wißt, daß ich keinen Gefangenen losmachen will.«

»Und wie kann ich das wissen?« antwortete der Kerkermeister.

»Gut, wenn Ihr das nicht wißt,« sagte der entschlossene Pächter, »so wißt Ihr was anderes; Ihr wißt, daß Euch oft Eure Geschäfte in unsre Gegend führen; laßt Ihr mich nun ruhig hier beim Capitain übernachten, so will ich Euch doppelte Gebühren für's Zimmer zahlen; und wenn Ihr nichts davon sagt, sollt Ihr den besten Schafpelz, den Ihr je in Eurem Leben getragen, bekommen, sobald Ihr das erste Mal wieder nach Liddesdale kommt.«

»Schon gut, Pächter,« sagte Mac-Guffog, »ein entschlossener Mann behauptet seinen Willen. Aber wenn mich die Gerichte deßwegen befragen, so weiß ich, wer für die Sache büßen wird;« diese Bemerkung bekräftigte er noch mit einigen schweren Flüchen, und begab sich sodann, nachdem er die Thore des Zuchthauses zuvor sorgfältig untersucht, zur Ruhe. Die Glocke auf dem Stadtthurm schlug neun, als jene Conferenz beendigt war.

»Obwohl es noch früh ist,« sagte der Pächter, der bemerkt hatte, daß sein Freund etwas ermüdet war, »so denk' ich doch, wir legen uns lieber nieder, Capitain, wofern Ihr nicht Lust habt, noch eins zu trinken. Ihr seid freilich kein Flaschenbrecher; aber ich bin's auch nicht, außer wenn ich mit den Nachbarn zusammenkomme, oder recht müde geworden bin.«

Bertram pflichtete dem Vorschlage seines treuen Freundes bereitwillig bei; als er aber das Bett betrachtete, empfand er einen Widerwillen, sich ausgekleidet auf Mrs. Mac-Guffogs saubere Ueberzüge zu legen.

»Ich bin wohl auch Eurer Meinung, Capitain,« sagte Dandie. »Dies Bett sieht wahrhaftig aus, als wären alle Steinkohlengräber von Sanquhar miteinander drin gewesen. Aber durch meinen dicken Rock kann wohl nichts dringen.« So sagend warf er sich mit einer Gewalt auf das zerbrechliche Bett, daß es in allen Fugen krachte, und nach wenigen Minuten ließ er hörbare Zeichen eines festen Schlafes vernehmen. Bertram warf Rock und Stiefeln ab und nahm das andre Bett ein. Das Seltsame seines Schicksals und die Geheimnisse, die ihn zu umhüllen schienen, indem er zugleich durch heimliche Feinde und Freunde verfolgt und beschützt sein mußte, welche beide einer Menschenklasse angehörten, mit welcher er früher in keinerlei Verbindung gestanden, – dies Alles beschäftigte seine Gedanken noch eine Zeitlang. Die Müdigkeit ließ indeß auch ihn bald in Schlummer sinken, und es währte nicht lange, so schlief er so fest wie sein Gefährte. In diesem behaglichen Zustande des Vergessens müssen wir ihn lassen, bis wir den Leser mit einigen andern Umständen, die zu gleicher Zeit eintraten, bekannt gemacht haben.



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