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Siebentes Kapitel.

– – – – Sagt, von wem
Habt ihr die wunderbare Kunde? Was
Hemmt unsern Weg ihr hier auf öder Haide
Mit so prophet'schem Gruß? – –
Sprecht, sag' ich euch.

Macbeth.

Am Abend des Tages, an welchem Bertrams Verhör stattgefunden hatte, langte Oberst Mannering von Edinburg wieder in Woodbourne an. Seine Familie fand er in der gewöhnlichen Stimmung, was wahrscheinlich, hinsichtlich Juliens zum wenigsten, nicht der Fall gewesen sein würde, wenn ihr die Kunde von Bertrams Verhaftung geworden wäre. Da aber, während des Obersten Abwesenheit, die jungen Damen sehr eingezogen lebten, so hatte die Nachricht von jenem Ereigniß zum Glück Woodbourne nicht erreicht. Ein Brief hatte Miß Bertram bereits mit der Vereitelung jener Erwartungen bekannt gemacht, die man auf den Nachlaß ihrer Verwandten gehegt hatte. Welche Hoffnungen diese Nachricht auch immer vernichtet haben mochte, so hinderte sie die Enttäuschung doch nicht, im Verein mit ihrer Freundin den Obersten fröhlich zu empfangen, dem sie auf diese Weise die Erkenntniß seiner väterlichen Liebe an den Tag zu legen bemüht war. Sie äußerte ihr Bedauern, daß er in einer solchen Jahreszeit ihretwegen eine so fruchtlose Reise gemacht habe.

»Für Sie war sie freilich fruchtlos, meine Theure,« sagte der Oberst, »und das beklag' ich am meisten; ich meinerseits habe aber einige schätzenswerthe Bekanntschaften gemacht und meine Zeit in Edinburg so angenehm verlebt, daß in dieser Hinsicht gar nichts zu bedauern ist. Selbst unser Freund Simson ist als ein ganz andrer Mann zurückgekehrt, weil er seinen Witz im Streite mit den tüchtigsten Geistern der nordischen Hauptstadt geschärft hat.«

»Allerdings,« sagte Simson sehr selbstgefällig, »ich kämpfte und ward nicht überwunden, wiewohl mein Gegner äußerst erfahren in seiner Kunst war.«

»Wahrscheinlich,« sagte Miß Mannering, »war der Streit etwas ermüdend, Mr. Simson?«

»Sehr ermüdend, Lady – wiewohl ich meine Lenden gürtete und gegen ihn stritt.«

»Ich kann das bezeugen,« sagte der Oberst; »ich sah nie einen besser durchgefochtenen Kampf. Der Feind glich der Mahrattareiterei, er griff auf allen Seiten an und die Artillerie konnte wenig gegen ihn ausrichten; aber trotzdem blieb Mr. Simson bei seinem Geschütze und feuerte wacker, bald auf den Feind, bald auf den Staub, den jener erregt hatte. Aber wir dürfen über unsern Schlachten nicht die Nacht einbrechen lassen; morgen werden wir alles beim Frühstück haben.«

Am nächsten Morgen erschien jedoch Simson nicht beim Frühstück. Er war, wie ein Diener sagte, schon sehr früh ausgegangen. Man war so gewohnt an ihm, daß er seine Mahlzeiten vergaß, daß seine Abwesenheit die Familie nicht beunruhigte. Die Haushälterin, eine ehrbare Presbyterianerin aus der guten alten Zeit, welche die größte Achtung vor Simsons geistlichem Stande hegte, nahm es bei solchen Gelegenheiten auf sich, dafür zu sorgen, daß er keinen Schaden von seiner Geistesabwesenheit hätte, und daher erwartete sie ihn gewöhnlich bei seiner Rückkehr, um ihn an die irdischen Bedürfnisse zu erinnern. Selten versäumte er jedoch zwei Mahlzeiten hintereinander, wie es diesmal der Fall war. Wir müssen den Grund dieses ungewöhnlichen Umstandes erklären.

Die Unterredung zwischen Mr. Pleydell und Mr. Mannering, betreffend den Verlust Henry Bertrams, hatte all' die quälenden Empfindungen wieder erweckt, welche das Ereigniß in Simsons Gemüth einst veranlaßte. Das zärtliche Herz des armen Mannes hatte ihm stets vorgeworfen, daß seine Nachlässigkeit, indem er das Kind der Obhut Frank Kennedy's überließ, die nächste Ursache zur Ermordung des einen und zum Verluste des andern, so wie zum Tode der Mrs. Bertram und zum Ruin der Familie seines Wohlthäters gewesen sei. Es war dies ein Gegenstand, den er nie im Gespräche berührte, (wenn seine Weise zu reden überhaupt jemals Gespräch heißen konnte) woran er aber sehr oft im Stillen dachte. Jene Hoffnung, welche in Mrs. Bertram's letztem Willen so sehr bestätigt und bestärkt wurde, hatte in Simsons Busen ein ähnliches Gefühl erweckt, welches durch die Verachtung, womit Pleydell darüber sprach, zu einer Art krankhafter Aengstlichkeit aufgereizt ward. – Gewiß, dachte Simson im Stillen, ist er ein gelehrter Mann und in wichtigen Gegenständen des Rechts wohl erfahren; aber eben so besitzt er auch eine humoristische Leichtfertigkeit, während er im Gespräch nicht ernst genug ist; und warum sollte er nun so entscheidend über die Hoffnung absprechen können, welche die würdige Margarete Bertram von Singleside ausgedrückt hat? –

Alles dies, sag' ich, dachte Simson im Stillen; denn hätte er das Ganze nur zur Hälfte aussprechen sollen, so würde er in Folge einer so ungewöhnlichen fortgesetzten Anstrengung einen ganzen Monat lang außer Athem gewesen sein. Das Resultat jener Gedanken war der Entschluß, den Schauplatz des Trauerspiels an der Warrochspitze zu besuchen, wo er seit Jahren nicht gewesen war – das heißt, seit sich das verhängnißvolle Ereigniß zugetragen hatte. Der Weg war lang, denn die Warrochspitze lag am entferntesten Ende des Gebietes von Ellangowan, welches selbst zwischen jenem Punkte und Woodbourne gelegen war. Ueberdieß verlief sich der gelehrte Mann mehr als einmal und kam zu Bächen, welche das Schneewasser zu reißenden Bergströmen angeschwellt hatte, deren sich der wackere Simson nur als kleiner rieselnder Bächlein aus der Zeit des Sommers erinnerte.

Endlich erreichte er indeß die Waldung, die er zum Ziel seiner Excursion erwählt hatte, und durchstrich sie mit Sorgfalt, indem er sein verwirrtes Gemüth mit unnützen Anstrengungen, sich jedes Umstandes der Katastrophe zu erinnern, betäubte. Man wird leicht einsehn, daß der Einfluß der Oertlichkeit und der damit verbundenen Gedanken nicht im Stande war, andere Folgerungen zu erwecken, als jene, welche unter dem Drange der Ereignisse selbst entstanden waren. »Mit manchem schweren Seufzer und manchem Ach« trat der arme Dominie daher den Rückweg seiner Pilgerschaft an und wandelte nach Woodbourne hin. Dabei plagte sich zuweilen sein angegriffener Geist mit einer Frage, die ihm durch einen ungewöhnlich starken Hunger aufgedrängt wurde, nämlich, ob er diesen Morgen gefrühstückt habe, oder nicht? – In diesem wunderlichen Gemüthszustande, wo er bald an den Verlust des Kindes dachte, bald wieder unwillkürlich genöthigt war, über Braten, Brod und Butter nachzusinnen, – während dieses Zustandes geschah es, daß ihn sein Weg, welcher verschieden von jenem war, den er am Morgen genommen, bei dem kleinen verfallenen Thurme, oder vielmehr bei der Spur eines verfallenen Thurmes vorbeiführte, welchen die Landleute Kaim von Derncleugh nannten.

Der Leser wird sich der früher gegebenen Schilderung dieser Ruine erinnern, als des Gewölbes, wo der junge Bertram unter den Auspicien der Meg Merrilies Zeuge des Todes von Hatteraicks Leutnant war. Die Landessage fügte dem natürlichen Grauen, welches die Lage dieses Orts ohnehin erweckte, noch gespenstische Schrecknisse bei, welche von den Zigeunern, die so lange in der Nähe wohnten, wahrscheinlich erfunden waren, oder zum wenigsten zu ihrem eigenen Vortheil benutzt wurden. Es ward erzählt, daß zu der Zeit der schottischen Unabhängigkeit ein gewisser Hanlon Mac-Dingawaie, Bruder des regierenden Häuptlings, Knarth Mac-Dingawaie, seinen Bruder und Fürsten ermordet habe, um die Herrscherwürde seines unmündigen Neffen zu usurpiren; daß er aber, verfolgt von den treuen Verbündeten und Anhängern des Hauses, welche sich der Sache ihres rechtmäßigen Erben annahmen, genöthigt worden sei, sich mit wenigen Genossen, die er in sein Verbrechen verwickelt hatte, in den unbezwinglichen Kaim von Derncleugh zurückzuziehen, wo er sich vertheidigte, bis fast alle vom Hunger aufgerieben waren; sie hatten alsdann Feuer angelegt, so daß er und der kleine Rest der Besatzung durch ihre eignen Schwerter fielen, um nur nicht in die Hände ihrer erbitterten Feinde zu gerathen. Diese Trauersage, die hinsichtlich der rohen Zeiten, in welche sie fiel, wohl einen wahren Grund haben konnte, war noch mit vielen abergläubischen und diabolischen Märchen bereichert, so daß die meisten Bauern der Umgegend, wenn sie von der Nacht überfallen wurden, gewiß lieber noch einen weiten Umweg machten, ehe sie an diesen unheimlichen Mauern vorübergingen. Das Licht, welches man oft um den Thurm bemerkte, wenn ihn jene gesetzlosen Charaktere, die ihn häufig besuchten, zu einem Rendezvous benutzten, ward unter Autorität jener Hexengeschichten auf eine Weise erklärt, die eben so passend für die geheimen Besucher, als befriedigend für das Publikum war.

Man muß gestehen, daß unser Freund Simson, obwohl ein tiefer Gelehrter und Naturkundiger, es doch nicht so weit in der Philosophie gebracht hatte, um an Hexerei oder Gespenstern zu zweifeln. Geboren zu einer Zeit, wo ein Zweifel an dem Vorhandensein der Hexen schon für eine Billigung ihrer höllischen Künste angesehn wurde, war dem guten Simson der Glaube an solche Märchen geradezu als ein Artikel seines religiösen Glaubens eingeprägt worden, und es wäre vielleicht mit gleicher Schwierigkeit verbunden gewesen, ihn zum Zweifel an dem einen, wie an dem andern zu verleiten. Mit solchen Gefühlen und an einem trüben, nebligen Tage, der sich bereits zu neigen begann, ging Simson am Derncleughthurme nicht ohne Empfindungen heimlichen Schauders vorüber.

Wie groß war dann sein Staunen, als, wie er an der Thür vorüberging, – derselben Thür, die der Sage nach einer der frühern Lairds von Ellangowan hatte anlegen lassen, um verwegene Fremde von den Gefahren des unheimlichen Gewölbes abzuhalten, – derselben Thür, von welcher man glaubte, sie sei stets geschlossen, und deren Schlüssel stets im Pfarrhause niedergelegt sein sollte, – als sich diese nämliche Thür plötzlich öffnete und Meg Merrilies' Gestalt, die wohlbekannte, wiewohl seit vielen Jahren nicht gesehene, mit einemmal vor den Augen des erstarrten Dominie stand! Sie stand unmittelbar vor ihm im Pfade, den sie ihm so durchaus vertrat, daß er ihr unmöglich ausweichen konnte, außer wenn er ihr den Rücken zuwenden wollte, woran ihn freilich seine Mannheit nicht einmal denken ließ.

»Ich wußte, daß Ihr hier sein würdet,« sagte sie mit ihrer rauhen und hohlen Stimme; »ich weiß, was Ihr sucht; aber Ihr sollt meinem Geheiße folgen.«

»Hebe dich von mir,« sagte der entsetzte Dominie – »Entweich! – Conjuro te, scelestissima – nequissima – spurcissima – iniquissima – atque miserrima – conjuro te!!!« –

Meg behauptete ihren Stand trotz dieser schrecklichen Ladung von Superlativen, welche Simson aus tiefster Kehle heraufholte und mit Donnerstimme gegen sie schleuderte. »Ist der Kerl taub,« sagte sie, »mit seinem Geschrei?«

» Conjuro,« fuhr der Dominie fort, » abjuro, contestor, atque viriliter impero tibi!«

»Was in's Teufels Namen, fürchtet Ihr denn, mit Eurem wälschen Geschnatter, das einen Hund toll machen könnte? Hört, Ihr Narr, was ich Euch sagen will, oder Ihr werdet es bereuen, so lang' ein Knochen in Euch noch an dem andern hängt! – Sagt dem Oberst Mannering, daß ich weiß, er suche mich. Er weiß, und ich weiß, daß das Blut abgewischt und der Verlorne gefunden wird, und

Daß Bertram's Recht und Bertram's Macht
Neu auf Ellangowans Höh' erwacht.

Hier, da ist ein Brief für ihn; ich wollt' ihn auf anderm Wege schicken – ich selber kann nicht schreiben; aber ich hab' ihrer mehr, die für mich lesen und schreiben, reiten und laufen werden. Sagt ihm, es sei jetzt die Zeit gekommen, und alles ist erlitten, und das Rad dreht sich. Heißt ihn nach den Sternen sehn, wie er vordem nach ihnen sah. – Wollt Ihr das Alles?«

»Allerdings,« sagte der Dominie; – »bin ich zweifelhaft – denn, Weib, deine Worte machen mich bestürzt und mein Fleisch erbebt, wenn ich dich höre.«

»Meine Worte thun dir nichts Uebels, aber sie können viel Gutes thun.«

»Entweich! ich will nichts Gutes, das durch unrechte Mittel kommt.«

»Narr der du bist –« sagte Meg, mit unwilligem Zürnen gegen ihn tretend, wobei ihre dunkeln Augen gleich Flammen unter den gesenkten Braunen hervorleuchteten, – »Narr! wenn ich Euch ein Leid thun wollte, könnt' ich Euch nicht über die Klippe stürzen, und würden die Menschen mehr von Eurem Ende wissen, als von dem Frank Kennedy's? Hört Ihr mich wohl, Ihr Thor?«

»Im Namen aller guten Geister,« sagte der Dominie, seinen langen, großknöpfigen Spazierstock wie einen Spieß gegen die vermeinte Hexe richtend, – »im Namen aller guten Geister, bleibe mir ferne! Greif' mich nicht an, Weib, steh' ferne – auf deine eigne Gefahr – steh' ab, sag' ich – ich bin stark, sieh, ich will Widerstand leisten!« – Hier ward seine Rede schnell abgebrochen, denn Meg, mit übernatürlicher Stärke gerüstet, (so versicherte Simson) ergriff ihn, als er wieder eine Bewegung mit dem Stock gegen sie machte, und zog ihn in das Gewölbe, »so leicht,« sagte er, »als ich einen Folianten tragen kann.«

»Niedergesetzt,« sagte sie, den halberwürgten Redner auf einen zerbrochnen Stuhl niederdrückend, – »Niedergesetzt hier, und sammelt Eure Geister und Euren Verstand, Ihr schwarzer Kirchenpopanz – seid Ihr satt oder hungrig?«

»Hungrig – nach Allem, außer der Sünde,« antwortete der Dominie, der jetzt seine Stimme wieder gewann, jedoch, da er fand, daß alle seine Beschwörungsformeln nur dazu dienten, die unbeugsame Hexe noch mehr zu reizen, es für das Beste hielt, sich gefällig und unterwürfig zu zeigen, und die heilsamen Beschwörungen nur im Innern zu wiederholen, die er nicht mehr laut auszusprechen wagte. Da aber des Gelehrten Kopf nicht im Stande war, zwei Gedankenreihen auf einmal zu fassen, so geschah es, daß zuweilen ein Ton aus dem geistigen Selbstgespräche laut zum Vorschein kam und sich mit den ausgesprochenen Worten auf eine recht lustige Weise mischte, vorzüglich, weil der arme Mann nach jedem entschlüpften Laute der Art ängstlich zusammenfuhr, da er vor der Wirkung zitterte, die derselbe auf die reizbaren Gefühle der Hexe hervorbringen möchte.

Meg ging unterdessen zu einem großen schwarzen Kessel, der auf dem Boden über einem Feuer kochte, und als sie den Deckel hob, ergoß sich ein Duft durch das Gewölbe, der, wenn man den Dünsten eines Hexenkessels überhaupt trauen durfte, weit bessere Dinge versprach, als das Höllengebräu, welches man solchen Gefäßen gewöhnlich zuschreibt. Es war in der That der angenehme Geruch eines Gemenges von Rebhühnern, Hasen, und verschiedenem wilden Geflügel, die in einer Masse von Kartoffeln mit Zwiebeln und Knoblauch schmorten; und nach der Größe des Kessels zu schließen, schien das Gericht für wenigstens ein Dutzend Leute berechnet zu sein. »Ihr habt also heute noch nichts gegessen?« sagte Meg, während sie eine reichliche Portion jener Masse auf einen braunen Teller that und das Gericht reichlich mit Pfeffer und Salz bestreute.

»Nichts,« antwortete der Gelehrte, »– scelestissima! – das heißt – Frau Wirthin!«

»Nun,« sagte sie, ihm den Teller vorsetzend, »hier ist etwas, was Euer Herz erwärmen wird.«

»Mich hungert nicht, – malefica – das heißt – Mrs. Merrilies!« Denn er sagte im Stillen: »es duftet süß, ist aber von einer Canidia oder Ericthoe gekocht worden.«

»Wenn Ihr nicht den Augenblick eßt und vernünftig werdet, bei dem Brod und dem Salz! so will ich's Euch mit dem Löffel hinunterstopfen, so schartig er ist, Ihr mögt wollen oder nicht. Beiß zu, Sünder, und verschling's!«

Simson hatte, in der Furcht vor Eidechsenaugen, Froschzehen, Tigereingeweiden und dergleichen Leckerbissen, beschlossen, sich nicht daran zu wagen; aber der Duft des Gerichts besiegte schnell seine Hartnäckigkeit, denn der Mund begann ihm schon zu wässern und die Drohungen der Hexe entschieden ihn vollends, zuzulangen. Hunger und Furcht sind treffliche Casuisten.

»Saul,« sagte der Hunger, »speiste mit der Hexe von Endor.« – »Und das Salz,« setzte die Furcht hinzu, »welches sie auf das Essen streute, zeigte deutlich, daß es kein schwarzkünstlerisches Mahl ist, wobei diese Würze nie vorkommt.« – »Und überdies,« sagte der Hunger, nachdem der erste Löffel hinab war, »überdieß ist es nahrhaftes und erquickendes Fleisch.«

»Das Essen schmeckt Euch?« sagte die Wirthin.

»Ja,« antwortete Simson, »und ich danke dir – sceleratissima – das heißt – Mrs. Margaret.«

»Gut, eßt Euch satt; aber wenn Ihr wüßtet, woher wir's haben, so würd' es Euch nicht so gut schmecken.« Simson ließ den Löffel sinken, als er ihn eben mit voller Ladung zum Munde führen wollte. »Es hat so manche Wache bei Mondenlicht gekostet, um den ganzen Kram zusammen zu bringen,« fuhr Meg fort, – »die Leute, die das Mahl essen sollen, dachten wenig an Eure Jagdgesetze.«

»Ist das Alles?« dachte Simson, den Löffel wieder aufhebend und wacker drauf los arbeitend; »aus diesem Grunde will ich nicht um das Essen kommen.«

»Nun, habt Ihr Lust zu einem Trunk?«

»Ich habe,« sagte Simson, – » conjuro te – das heißt, ich dank' Euch herzlich,« denn er dachte im Stillen, hab' ich A gesagt, kann ich auch B sagen; und so trank er der Hexe Gesundheit in einem Glas Branntwein. Als er auf diese Weise Meg's Mahlzeit die Krone aufgesetzt hatte, fühlte er sich, wie er sagte, »mächtig erhoben und fürchtete kein Uebel mehr, das ihn befallen könnte.«

»Werdet Ihr nun an meinen Auftrag denken?« sagte Meg Merrilies; »ich seh' es Euch an den Augen an, daß Ihr jetzt ein andrer Mann seid, denn da Ihr hereinkamt.«

»Ich will's, Mrs. Margaret,« antwortete Simson mit fester Stimme; »ich will ihm den versiegelten Brief bringen und will dazufügen, was Euch mündlich zu sagen beliebt.«

»Nun, dann will ich's kurz machen,« sagte Meg. »Sag' ihm, er solle gewißlich diese Nacht nach den Sternen sehn, und das thun, was ich in diesem Briefe begehre, so wahr als er wünscht,

Daß Bertrams Recht und Bertrams Macht
Neu auf Ellangowans Höh' erwacht.

»Ich hab' ihn zweimal gesehn, als er mich nicht sah; ich weiß, wann er zuerst in dies Land kam, und ich weiß, was ihn wieder zurück gebracht hat. Auf denn, zur Thür! Ihr seid schon zu lange hier – folgt mir!«

Simson folgte der Sibylle, die ihn wohl eine Viertelstunde weit durch den Wald führte, auf einem kürzern Wege, als er selbst gefunden haben würde; sodann kamen sie auf die Haide und Meg ging immer mit großen Schritten voran, bis sie den Gipfel eines kleinen Hügels erreichten, welcher sich oberhalb der Straße erhob.

»Hier,« sagte sie, »hier steht still. Seht, wie die sinkende Sonne durch jenes Gewölk bricht, was den Himmel den ganzen Tag lang dunkel machte. Seht, wohin der erste Strahl des Lichtes fällt – 's ist auf Donagilds runden Thurm, den ältesten Thurm, in Schloß Ellangowan – das geschieht nicht ohne Grund! – Seht, wie er seewärts fällt, nach jenem Schiff in der Bucht – das ist auch nicht ohne Grund! – Hier an diesem selbigen Orte stand ich,« sagte sie, sich aufrichtend und in ihrer ganzen ungewöhnlichen Länge zeigend, während sie zugleich den nervigen Arm mit geballter Faust ausstreckte, »hier stand ich, als ich dem letzten Laird von Ellangowan verkündete, was seinem Hause widerfahren werde – und ist dies zu Grunde gegangen? nein – es wird sich wieder erheben! – Und hier, wo ich den Friedenszweig über ihm zerbrach, steh' ich wieder, um Gottes Segen und Heil für den jungen Erben von Ellangowan zu erflehen, der bald wieder zu den Seinigen kommen wird; und der beste Laird wird er sein, den Ellangowan seit dreihundert Jahren gesehn hat. – Ich werde das vielleicht nicht erleben; aber manch' gesegnetes Auge wird es sehn, wenn das meine auch geschlossen ist. Und nun, Abel Simson, wenn Ihr je das Haus Ellangowan liebtet, eilt mit meiner Botschaft zu dem englischen Obersten, als wenn Leben und Tod von Eurer Eile abhinge!«

So sagend wandte sie plötzlich dem erstaunten Simson den Rücken und erreichte mit schnellen und langen Schritten das Dunkel des Waldes, aus welchem sie da gekommen war, wo er sich am weitesten auf diese Haide erstreckte. Simson starrte ihr einen Augenblick im größten Staunen nach; dann aber gehorchte er ihrer Weisung, in für ihn ungewöhnlich eiligem Schritte gen Woodbourne laufend, während er dreimal ausrief! »wunderbar! wunderbar! wun–der–bar!«



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