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Zehntes Kapitel.

Ich biete eurer Ausforderung Trotz; wenn ihr so gröblich
redet, werde ich meine Thore gegen euch befestigen – Seht
ihr jenes Fenster? Sturm, – darum kümmere ich mich nicht,
da ich dem guten Herzog von Norfolk diene.

Der lustige Teufel von Edmonton.

Julie Mannering an Matilde Marchmont.

»Ich stehe vom Krankenbett auf, theuerste Matilde, um dir die seltsamen und schrecklichen Auftritte zu schildern, welche sich soeben ereignet haben. Ach! wir sollten doch nicht über die Zukunft scherzen! Fröhlichen Muthes schloß ich meinen letzten Brief an dich, und dachte nicht daran, daß ich in wenigen Tagen, nachdem ich deinen Geschmack am Düsterromantischen geschildert, solche Ereignisse zu erzählen haben wurde. Und es ist etwas ganz anderes, theuerste Matilde, Zeuge von Schreckensscenen zu sein oder sie in der Beschreibung zu betrachten: eben so verschieden, als wenn man, am Rande eines Abgrundes schwebend, sich an einem fast entwurzelten Strauche hielte, oder denselben Abgrund nur in der Landschaft eines Salvator betrachtete. Aber ich will meiner Erzählung nicht vorgreifen.

»Der erste Theil meiner Geschichte ist schrecklich genug, obwohl er nichts hat, was mein Gefühl anspricht. Du mußt wissen, daß diese Gegend sehr günstig für den Verkehr einer Schaar verzweifelter Menschen von der Insel Man ist, welche dieser Küste fast gegenüber liegt. Diese Schleichhändler sind zahlreich, entschlossen und furchtbar, und sind zu verschiedenen Malen das Schrecken der Nachbarschaft geworden, wenn sich Jemand in ihren verbotenen Handel gemischt hatte. Die Ortsobrigkeiten scheuen sich, theils aus Furchtsamkeit, theils aus schlechtern Beweggründen, gegen sie aufzutreten, und so hat sie Straflosigkeit nur noch kühner und verzweifelter gemacht. Mit all' dem hat mein Vater, ein Fremder und mit keiner amtlichen Würde versehen, wie man denken sollte nichts zu thun. Aber man muß bedenken, daß er, nach seinem eigenen Ausdrucke, geboren ist, während der Mars regierte, und daß Kampf und Blutvergießen ihn selbst in den ruhigsten und abgeschiedensten Lagen aufzufinden wissen.

»Um elf Uhr am letzten Dienstag, Morgens, während Hazlewood und mein Vater im Begriff waren, nach einem anderthalb Stunden entfernten kleinen See zu spazieren, um wilde Enten zu schießen, und während Lucy und ich eben unsern Plan für die Arbeiten und Studien des Tages ordneten, wurden wir durch Pferdegetrappel beunruhigt, welches sich sehr schnell näherte. Der Boden war hart vom strengen Froste, wodurch der Hufschlag lauter und schärfer wurde. Im Augenblick nachher erschienen einige Männer, bewaffnet und beritten, deren jeder ein bepacktes Handpferd führte, auf dem freien Raume vor dem Hause, und ohne auf dem Wege zu bleiben, der eine kleine Biegung macht, stürzten sie gerade nach der Pforte des Hauses zu. Ihr Aeußeres war im höchsten Grade verwirrt und in Unordnung und sie blickten häufig zurück, gleich Menschen, die eine nahe und tödtliche Verfolgung fürchten. Mein Vater und Hazlewood eilten nach der Thüre, um zu fragen, wer sie wären und was sie beabsichtigten. Sie erklärten sich für Zollbeamte, welche diese Pferde, beladen mit konterbanden Gegenständen auf einem etwa anderthalb Stunden entfernten Orte aufgegriffen hätten. Die Schmuggler hatten aber Verstärkung erhalten und verfolgten sie nun mit dem Vorsatze, die Güter zu befreien und die Beamten, die ihre Amtspflicht geübt hatten, zu tödten. Die Männer berichteten, daß sie, da ihre Pferde beladen waren und die Verfolger ihnen immer näher kamen, nach Woodbourne geflüchtet seien, weil sie vermuthen könnten, daß mein Vater, der dem König gedient habe, den Dienern der Regierung seinen Schutz nicht versagen würde, sobald diese bei Verrichtung ihrer Amtspflicht mit Ermordung bedroht wären.

»Mein Vater, für welchen, bei seiner Begeisterung für militärische Diensttreue, selbst ein Hund von Wichtigkeit sein würde, sobald er im Namen des Königs käme, gab alsbald Befehl, die Güter im Hause in Sicherheit zu bringen, die Diener zu bewaffnen und das Haus im Falle der Nothwendigkeit zu vertheidigen. Hazlewood stand ihm mit großem Eifer bei, und selbst das wunderliche Geschöpf, welches sie Simson nennen, stolperte aus seiner Höhle hervor und ergriff eine Jagdflinte, die mein Vater bei Seite gelegt und mit einer gezogenen Büchse vertauscht hatte, womit man in Indien Tiger und andere reißende Thiere schießt. Die Flinte ging in der ungeschickten Hand des Gelehrten los und es fehlte wenig, so wäre einer von den Zollbeamten getroffen worden. Bei dieser unerwarteten und unwillkürlichen Explosion rief Simson sein »Wunderbar!« aus, welches der gewöhnliche Laut des Staunens bei ihm ist. Aber er ließ sich durch Niemand bewegen, die losgegangene Flinte abzugeben, und man überließ sie ihm endlich, jedoch ohne ihn mit Schießmaterial zu versorgen. Dies Alles (mit Ausnahme des Lärmens bei dieser Gelegenheit,) entging mir damals, wie du leicht glauben wirst; aber als uns Hazlewood später den Auftritt schilderte, belustigte er uns nicht wenig mit des Gelehrten ungeschickter, wenn auch eifriger, Tapferkeit.

»Als mein Vater Alles gehörig in Vertheidigungsstand gesetzt, und seine Leute mit ihren Feuergewehren an den Fenstern aufgestellt hatte, wollte er uns in Sicherheit bringen, (in den Keller, glaub' ich;) aber wir gingen nicht von der Stelle. Obwohl auf den Tod erschreckt, hatte ich doch zu viel von meines Vaters Muth, als daß ich der uns drohenden Gefahr nicht lieber offen ins Auge blicken wollte, statt nur von fern ihre Wuth zu hören, ohne ihre Beschaffenheit und ihre Fortschritte zu kennen. Lucy heftete, bleich wie ein Marmorbild, ihre Blicke auf Hazlewood, und schien ihn kaum zu hören, als er sie bat, wenigstens die Vorderseite des Hauses zu meiden. Allerdings war, so lange die Pforte nicht erstürmt wurde, die Gefahr für uns nur gering; die Fenster waren mit Kissen und Polstern fast ganz verstopft und auch, was Simson höchlich beklagte, mit Foliobänden, die man eilig aus der Bibliothek gebracht hatte, indem man nur so viel Raum offen ließ, damit die Vertheidiger auf die Angreifenden feuern konnten.

»Mein Vater war nun mit seinen Anordnungen zu Stande, und wir saßen in athemloser Erwartung in dem verdunkelten Zimmer, während die Männer alle schweigend auf ihrem Posten blieben, wahrscheinlich ängstlich die nahende Gefahr erwägend. Mein Vater, der in solch einer Scene ganz heimisch war, ging von einem zum andern und wiederholte seine Befehle, daß nämlich keiner eher feuern solle, als bis er das Zeichen dazu gäbe. Hazlewood, welcher Muth aus seinem Auge zu schöpfen schien, machte seinen Adjutanten und entfaltete die größte Gewandtheit, indem er bald hier bald dort war, um die Anordnungen des Befehlshabers zur Ausführung zu bringen. Unsre Macht mochte, mit Einschluß der Fremden, etwa zwölf Mann stark sein.

»Endlich wurde das Schweigen dieser fürchterlichen Periode der Erwartung durch ein Geräusch unterbrochen, welches aus der Ferne dem Rauschen eines Stromes glich; als es jedoch näher kam, unterschieden wir das Getrappel einer Anzahl sehr schnell heranspringender Pferde. Ich hatte mir ein Loch zum Durchschauen gemacht, von wo ich den nahenden Feind beobachten konnte. Der Lärm wuchs und kam näher, und endlich sprengten dreißig oder noch mehr Reiter auf einmal auf den Platz vor dem Hause. Noch nie sah ich so schreckliche Räubergesichter! Trotz der strengen Kälte waren die meisten bald nackt; sie hatten seidene Tücher um den Kopf gewunden und waren mit Stutzbüchsen, Pistolen und kurzen Säbeln bewaffnet. Nie in meinem Leben war ich, eines Kriegers Tochter und seit meiner Kindheit an den Anblick des Krieges gewöhnt, so erschrocken, als bei dem Anblick dieser fürchterlichen Menschen. Ihre Pferde dampften von dem schnellen Ritte. Ein wüthendes Geschrei erhob sich, als sie sahen, daß ihnen ihre Beute entrissen war. Eine kurze Stille folgte darauf, und als sie die Vorbereitungen zu ihrem Empfange bemerkten, schienen sie Rath zu halten. Endlich kam einer, der das Gesicht mit Pulver geschwärzt hatte, näher, steckte ein weißes Tuch auf seine Büchse, und verlangte mit dem Oberst Mannering zu sprechen. Mein Vater öffnete, zu meinem größten Schrecken, ein Fenster, in dessen Nähe er stand, und erkundigte sich nach ihrem Begehren. »Wir begehren unsre Güter, die uns jene Schurken geraubt haben,« sagte der Kerl; »und unser Leutnant läßt durch mich sagen, wenn die Güter ausgeliefert werden, so wollen wir abziehen und den Schuften nichts zu Leide thun, die sie genommen haben; aber wo nicht, so wollen wir das Haus anzünden, und das Herzblut Aller vergießen, die darin sind« – eine Drohung, die er mehrmals wiederholte, begleitet mit einer Menge von Betheuerungen und Flüchen, wie sie die Grausamkeit nur ersinnen mochte.

»Und wer ist euer Leutnant?« fragte mein Vater.

»Jener Gentleman auf dem Grauschimmel,« sagte das Ungeheuer, »der das rothe Tuch um den Kopf trägt.«

»Dann seid so gut, dem Gentleman zu sagen, daß, wenn er und die Schurken, die bei ihm sind, nicht im Augenblicke von dem Platze reiten, ich ohne Umstände unter sie feuern werde.« So sagend schloß mein Vater das Fenster und brach die Conferenz kurz ab.

»Der Kerl war kaum wieder zu seiner Schaar gelangt, als sie mit einem lauten Hurrah, oder vielmehr mit einem kannibalischen Geschrei, gegen unsre Besatzung feuerten. Alle Fensterscheiben flogen klirrend umher, aber die getroffenen Vorsichtsmaßregeln schützten die Besatzung. Drei Ladungen wurden von dem Feinde abgefeuert, ohne daß ein Schuß aus dem Hause fiel. Als nun mein Vater bemerkte, daß die Männer Aexte und Brecheisen zur Hand nahmen, wahrscheinlich um die Hausthüre zu erstürmen, rief er laut: »Niemand soll feuern, außer Hazlewood und ich – Hazlewood, zielen Sie auf den Abgesandten.« Er selbst zielte nach dem Mann auf dem Grauschimmel, welcher alsbald fiel. Hazlewood war eben so glücklich. Er traf den Sprecher, welcher abgestiegen war und sich mit einer Axt in der Hand näherte. Der Fall dieser beiden entmuthigte die Uebrigen, die schnell zu ihren Pferden eilten; und als noch einigemal auf sie geschossen war, machten sie sich davon und nahmen ihre getödteten oder verwundeten Gefährten mit sich. Wir konnten nicht bemerken, ob sie noch weitern Verlust erlitten. Gleich nach ihrer Flucht erschien zu meiner großen Freude ein Haufen Soldaten, die auf die erste Nachricht von dem vorgefallenen Gefechte herbeigeeilt waren und in die benachbarten Dörfer gelegt wurden. Einige von ihnen geleiteten die erschrockenen Zollbeamten mit den weggenommenen Gütern zu einem benachbarten Hafen, als einem Orte der Sicherheit, und auf mein dringendes Bitten blieb eine Abtheilung derselben diesen und den folgenden Tag bei uns, um das Haus vor der Rache jener Räuber zu schützen.

»Von der Art, theuerste Matilde, war meine erste Beängstigung. Ich darf nicht vergessen, hinzuzufügen, daß die Räuber den Kerl mit dem geschwärzten Gesichte in einer Hütte an der Landstraße zurückließen, wahrscheinlich, weil er nicht weiter fortgeschafft werden konnte. Eine halbe Stunde nachher starb er. Bei der angestellten Untersuchung hat sich ergeben, daß es ein Landmann aus der Gegend war, ein berüchtigter Schmuggler. Wir empfingen viele Glückwünsche von den benachbarten Familien, und man war allgemein der Meinung, daß wenige Beispiele eines ähnlichen muthigen Widerstandes die Verwegenheit jener Bösewichter dämpfen würden. Mein Vater theilte Belohnungen unter seine Dienstleute aus, und erhob Hazlewoods Muth und Kaltblütigkeit ungemein. Auch Lucy und ich erhielten unser Lob, weil wir uns standhaft bewiesen und ihn nicht durch Geschrei und Widerspruch gestört hätten. Was Simson betrifft, so ergriff mein Vater hier die Gelegenheit, ihn um den Austausch ihrer Tabaksdosen zu bitten. Der gute Mann war sehr erfreut über diesen Antrag und pries die Schönheit seiner neuen Dose höchlich. Sie sähe aus, sagte er, wie ächtes Gold aus Ophir. – In der That wär' es sonderbar, wenn sie nicht so ausgesehen hätte, denn sie war von Gold. Aber, um gerecht gegen den wackern Mann zu sein, ich glaube, er würde, wenn er ihren wirklichen Werth gekannt hätte, meines Vaters Güte nicht dankbarer empfunden haben, als jetzt, wo er sie nur für vergoldet hält. Es hat ihm viele Mühe gekostet, die Folianten, die man zu Bollwerken gebraucht hatte, wieder in Ordnung zu bringen, Brüche und Ohren gleich zu machen und andere, bei der Belagerung verursachte Beschädigungen wieder zu heilen. Er legte uns einige Kugeln vor, die er aus den Büchern gezogen hatte, und wenn mir wohler zu Muthe wäre, so könnt' ich dir eine lustige Beschreibung von seinem Staunen über die Gleichgiltigkeit geben, mit welcher wir von den Wunden und Beschädigungen erzählen hörten, welche Thomas von Aquino und der ehrwürdige Chrysostomus erlitten hatte. Aber ich bin jetzt nicht in dieser Laune, und habe auch noch einen andern und mehr interessanten Vorfall mitzutheilen. Ich fühle mich indeß so erschöpft von meiner gegenwärtigen Anstrengung, daß ich die Feder bis morgen ruhen lassen muß. Dennoch will ich diesen Brief noch zurückhalten, damit du nicht etwa Besorgniß empfindest in Bezug auf deine

»Julie Mannering.«



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