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Sechzehntes Kapitel.

»Seid mir gegrüßt, meine tapferen Freunde,« sagte der Ritter des Grabes zu seinen Gefährten, welche ihn mit dem Eifer von Männern zu begrüßen schienen, die sich in dieselbe gefährliche Unternehmung eingelassen hatten, »der Winter ist vorüber; heute ist das Fest des Palmsonntages und so gewiß von dem Eis und Schnee dieser Jahreszeit im nächsten Sommer die Erde nicht erstarren wird, so gewiß werden wir in wenigen Stunden unser Wort den Prahlern des Südens halten, welche der Meinung sind, ihre Sprache des Uebermuthes, Stolzes und der Bosheit übe eben so viele Gewalt auf unsere schottischen Herzen, wie der Nachtreif über die Früchte des Herbstes; das ist nicht der Fall. So lange wir verborgen bleiben wollen, werden sie ebenso vergeblich uns zu entdecken suchen, wie eine Hausfrau eine verlorne Nadel unter dem abgefallenen Laube einer riesenhaften Eiche zu finden vermag. Nach wenigen Stunden soll die verlorne Nadel zum Vertilgungsschwerte Schottlands werden, um zehntausend begangene Gewaltthaten und besonders das Leben des tapferen Lord Douglas zu rächen, welcher in grausamer Weise den Tod in der Verbannung aus seinem Vaterlande erlitt.«

Ein Ausruf wie ein Geheul und Geseufze brach unter den versammelten Anhängern des Douglas aus, als dieselben an den kürzlichen Tod ihres Häuptlings erinnert wurden; zugleich schienen sie aber die Nothwendigkeit zu begreifen, daß sie so wenig Geräusch wie möglich machen müßten, um nicht die zahlreichen englischen Abtheilungen, welche die verschiedenen Theile des Waldes durchzogen, in Allarm zu setzen. Der so vorsichtig ausgestoßene Ausruf war kaum verhallt, als der Ritter des Grabes oder Sir James Douglas, um ihm seinen Namen zu ertheilen, die kleine Schaar seiner treuen Anhänger wiederum anredete.

»Eine Anstrengung, meine Freunde, muß noch gemacht werden, um unsern Kampf mit den Südländern ohne Blutvergießen zu beendigen. Das Schicksal hat vor wenigen Stunden die junge Erbin von Berkeley in meine Gewalt gebracht, dieselbe Dame, um derenwillen Sir John de Walton, wie man sagt, mein Familienschloß mit solcher Hartnäckigkeit hält. Gibt es Einen unter Euch, der als Ehrengeleit der Augusta de Berkeley einen Brief überbringen will, welcher die Bedingungen enthält, unter denen ich die Dame ihrem Geliebten, der Freiheit und ihren englischen Besitzungen zurückgeben will?«

»Wenn kein Anderer da ist,« sagte ein großer, als Jäger gekleideter Mann, welcher in Wirklichkeit Niemand anders als derselbe Michael Turnbull war, der schon einen so außerordentlichen Beweis unerschrockener Mannheit gegeben hatte, »so werde ich gerne die Person sein, welche die Stelle eines Bedienten der Dame übernimmt.«

»Du fehlst niemals,« sagte Douglas, »sobald eine männliche That zu vollbringen ist; bedenke jedoch, daß diese Dame ihr Wort durch einen Eid verpfänden muß, sie werde sich als unsere treue Gefangene betrachten; mag sie ausgelöst werden oder nicht, sie dient als Pfand für das Leben, die Freiheit und die gute Behandlung des Michael Turnbull; will Sir John de Walton meine Bedingungen nicht eingehen, so muß sie sich verpflichten, mit Turnbull zu uns zurückzukehren, damit wir über sie nach unserem Belieben verfügen können.«

Unter diesen Bedingungen fand sich Manches, was die Lady Augusta mit natürlichem Zweifel und Schrecken erfüllte; andererseits ertheilte aber die Erklärung des Douglas, so sonderbar es auch scheinen mag, ihrer Lage eine Entscheidung, welche sonst nicht erreicht werden konnte. Wegen der hohen Meinung, welche sie von der Ritterlichkeit des Douglas hegte, vermochte sie nichts Anderes zu denken, als daß jeder Theil der Rolle, die er jetzt in dem sich nahenden Drama spielen werde, durchaus dem Verfahren entsprechen müßte, welches ein vollkommen guter Ritter unter allen Umständen gegen seinen Feind zu beobachten habe. Sogar mit Rücksicht auf de Walton empfand sie jetzt, daß sie aus einer peinlichen Lage gerettet werde. Der Gedanke, daß sie vom Ritter selbst in männlicher Kleidung entdeckt würde, hatte sie bisher fortwährend gequält; sie hegte ein Gefühl, als habe sie die Gesetze der Weiblichkeit dadurch verletzt, daß sie ihre Entwürfe hinsichtlich seiner, über die jungfräulichen Gränzen hinaus, ausdehnte – ein Schritt, welcher sie in den Augen ihres Geliebten herabsetzen konnte, für welchen sie so viel gewagt hatte.

Es wird die Maid gering man achten,
Die man zu leicht gewann,
Und lange wird am Grame schmachten
Ein herzlos leichter Mann.

Andererseits war der Umstand, ihm als eine Gefangene vorgeführt zu werden, in gleicher Weise dazu geeignet, Verlegenheit und Unbehagen zu erwecken; allein derselbe war nicht mehr von ihrem Willen abhängig, und der Douglas, in dessen Hände sie gefallen war, schien ihr gleichsam wie eine Gottheit im Schauspiele, deren Erscheinung genügt, um alle Verlegenheiten desselben zum Schluß zu bringen; sie unterzog sich deßhalb nicht ungern dem Eide und gab die Versprechungen, welche die Männer verlangten, in deren Gewalt sie sich befand. Somit übernahm sie die Verpflichtungen einer Gefangenen, von welcher Art auch die Folgen sein mochten. Inzwischen befolgte sie genau die Vorschriften derjenigen, welche über ihr Verfahren zu verfügen hatten, und flehete nur den Himmel an, daß die an sich so unglücklichen Umstände zusammen wirken möchten, um sowohl die Sicherheit ihres Geliebten, wie ihre eigene Freiheit zu veranlassen.

Es folgte eine Pause, während welcher eine leichte Mahlzeit der Lady Augusta vorgesetzt wurde, welche von den Mühen der Reise beinahe erschöpft war.

Douglas und seine Anhänger flüsterten mittlerweile zusammen, als wollten sie vermeiden, daß ihr Gespräch von ihr vernommen würde; auch vermied sie sorgfältig jeden Anschein, als suche sie zu lauschen, um womöglich die Geneigtheit derselben sich zu erhalten.

Nach einigem Gespräche sagte Turnbull, welcher die Dame als seiner Sorgfalt vorzugsweise übergeben betrachtete, zu ihr mit rauher Stimme: »Seid unbesorgt, Dame, es soll Euch nichts Uebles angethan werden; nichts destoweniger müßt Ihr Euch auf einige Zeit die Augen verbinden lassen.«

Sie unterwarf sich dem Befehle schweigend und erschreckt; der Kriegsmann wickelte einen Theil seines Mantels ihr um den Kopf, führte aber nicht ihren Zelter, damit sie denselben besteige, herbei, sondern reichte ihr seinen Arm, daß er ihr in diesem geblendeten Zustand zur Stütze diene.



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