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Drittes Kapitel.

Heut' ist die Nacht ein krankes Tageslicht,
Ein wenig blasser nur; sie gleicht dem Tage,
An welchem sich der Sonne Licht verbarg.

Kaufmann von Venedig.

Um die baldige Zurücklegung des Weges nach Douglas-Castle zu bewirken, bot der Ritter von Valence dem Sänger den Gebrauch eines Pferdes an, welches derselbe in Betracht seiner Mühseligkeiten am vergangenen Tage auch sehr bereitwillig annahm. Jeder, welcher mit dem Reiten bekannt ist, muß bemerkt haben, daß kein Stärkungsmittel das Gefühl der Ermüdung von angestrengtem Gehen so leicht beseitigt, wie ein Ritt, welcher andere Muskeln in Anspruch nimmt, und denjenigen, die zu sehr angestrengt waren, eine Gelegenheit gewährt, durch die Veränderung der Bewegung vollkommener auszuruhen, als wie es bei unbedingter Ruhe möglich wäre. Sir Aymer de Valence trug seine Rüstung und ritt sein Schlachtpferd, zwei Armbrustschützen, ein Stallknecht niederen Ranges und ein Knappe, welcher die Ehre der Ritterschaft in Aussicht hatte, bildeten die Abtheilung, welche geeignet schien, den Sänger ebenso an der Flucht zu verhindern, wie ihn gegen Gewaltthätigkeit zu schützen. »Es ist zwar gewöhnlich für Reisende in diesem Lande,« sagte der junge Ritter, »eben so wenig Gefahr vorhanden, wie in den ruhigsten Gegenden Englands, allein wie Ihr gehört haben werdet, sind vergangenes Jahr einige Unruhen ausgebrochen, und haben uns veranlaßt, das Schloß Douglas genauer zu bewachen. Reiten wir jedoch weiter, denn das Wetter entspricht dem ursprünglichen Namen des Landes und der Beschreibung der Häuptlinge, denen es gehörte; diese wurden dunkelgrau – Sholto Dhu Glas – genannt, und dunkelgrau ist heute unser Marsch, obgleich er glücklicher Weise nicht lange dauern wird.«

Der Morgen war allerdings solcher Art, wie der erwähnte galische Ausdruck bezeichnete. Das Wetter war feucht, dunkel und neblicht; der Nebel hatte sich auf die Höhen niedergelassen, und wallte über Bäche, Bergwiesen und Moräste; der Frühlingswind war nicht stark genug, um den Schleier zu erheben, obgleich man nach den gelegentlich auf den Bergrücken und in den Thälern vernommenen wilden Tönen hätte glauben sollen, daß er über das Gefühl seiner Unfähigkeit klage. Der Weg der Reisenden war durch den Lauf des Stromes im Thale bedingt; die Ufer desselben zeigten im Allgemeinen das dunkelgraue Aussehen, welches Sir Aymer de Valence als die vorherrschende Färbung des Landes bezeichnet hatte. Einige unwirksame Kämpfe der Sonnenstrahlen mit dem Nebel ließen bisweilen einige Strahlen durchdringen, um die Höhen der Hügel zu begrüßen, jedoch konnten dieselben die Düsterkeit eines Morgens im März und in so früher Stunde nicht überwinden, so daß eher eine Mannigfaltigkeit von Schatten wie ein Glanz der Helle am östlichen Horizont zum Vorschein kam. Der Anblick der Gegend war einförmig und niederschlagend; der junge Ritter Aymer suchte offenbar einiges Vergnügen im Gespräch mit Bertram, welcher, wie es bei Leuten seines Gewerbes gewöhnlich war, viele Kenntniß und Gewandtheit im Gespräche besaß, so daß er der geeignete Mann war, um die Zeit an einem trüben Morgen durch Gespräch zu vertreiben. Der Sänger zog auch gern einige Kunde über den gegenwärtigen Zustand des Landes ein und benutzte jede Gelegenheit, um das Gespräch zu unterhalten.

»Ich möchte mich gern mit dir unterreden, Herr Sänger,« sagte der junge Ritter, »wenn du nicht die Luft dieses Morgens zu rauh für deine Sprache findest, so wünsche ich von Herzen, daß du mir sagst, wodurch du offenbar, ein Mann von Verstand, bewogen wurdest, zu solcher Zeit dich in ein so wildes Land zu begeben, und ihr, meine Leute (er wandte sich an die Armbrustschützen und die übrige Abtheilung), mich däucht, es werde passend und geziemend sein, daß ihr eure Thiere etwa auf eine Pferdelänge zurückhaltet, denn nach meiner Meinung könnt ihr ohne den Zeitvertreib der Dichtkunst euren Weg zurücklegen.«

Die Armbrustschützen folgten dem Winke und hielten sich in einiger Entfernung, wie aber ihre murrenden Bemerkungen bezeugten, waren sie darüber sehr mißvergnügt, daß sie keine Gelegenheit hatten, das Gespräch mit anzuhören, welches der junge Ritter und der Sänger führten. Dasselbe hatte seinen Fortgang in folgender Weise:

»Ich habe also zu bedenken, guter Sänger,« sagte der Ritter, »daß Ihr, der Ihr zu Eurer Zeit Waffen truget, und sogar dem rothen Kreuze St. Georgs nach dem heiligen Grabe folgtet, der Gefahren unseres Berufes so wenig müde seid, daß Ihr Euch nutzloser Weise nach Gegenden hingezogen fühlt, wo das Schwert, auf immer lose in der Scheide, bei der geringsten Veranlassung gezogen werden kann?«

»Es wäre schwer,« erwiderte der Sänger etwas derb, »eine solche Frage bejahend zu beantworten; wenn Ihr jedoch beachtet, wie das Gewerbe dessen, welcher Waffenthaten feiert, demjenigen des Ritters nahe verwandt ist, welcher dieselben vollbringt, so wird Euer Gnaden es für rathsam halten, daß ein Sänger, welcher seine Pflicht zu thun wünscht, wie ein junger Ritter die Wahrheit von Abenteuern an Orten aufsucht, wo sie zu finden ist, und daß er eher Gegenden, wo die Kenntniß von hohen und edlen Thaten bewahrt wird, wie solche träge und ruhige Reiche durchreist, worin die Menschen in Faulheit leben und auf unedle Weise in Frieden oder durch den Spruch des Gesetzes sterben. Ihr selbst, Herr, und Euresgleichen, die Ihr das Leben, mit Ruhm verglichen, gering schätzt, leitet Eure Bahn durch diese Welt nach demselben Grundsatz, welcher Euren armen reimenden Diener Bertram aus einer fernen Provinz des fröhlichen Englands in diese finstere Gegend des rauhen Schottlands, genannt Douglasdale, herbeiführt. Ihr wünscht Abenteuer, die der Kunde werth sind, zu erfahren, und ich, wenn es mir erlaubt ist, uns Beide in demselben Athemzuge zu nennen, suche einen kärglichen und ungewissen, aber nicht unehrenwerthen Lebensunterhalt, indem ich, so gut ich kann, die Einzelnheiten solcher Thaten, besonders aber die Namen derer, welche sie vollbrachten, der Unsterblichkeit zu überliefern trachte. Ein jeder deßhalb arbeitet in seinem Berufe, auch darf man sich über den Einen nicht mit mehr Recht, als über den Andern wundern, denn es liegt nur der Unterschied in den Graden der Gefahr, denen der Held und der Dichter sich aussetzt; der Muth, die Kraft, die Waffen und die Gewandtheit des tapferen Ritters geben ihm größere Sicherheit, wenn er sich in Gefahren begibt, als eine solche dem armen Manne des Reimes zu Theil wird.«

»Ihr redet verständig,« erwiderte der Krieger, »und obgleich es für mich etwas Neues ist, Euer Gewerbe auf gleicher Stufe mit meiner eigenen Lebensweise gestellt zu sehen, so wäre es dennoch eine Schmach, zu sagen, daß der Sänger, welcher so sehr sich bemüht, die Thaten tapferer Ritter im Gedächtniß zu halten, nicht selbst den Ruhm seinem Dasein und eine einzige tapfere That einem ganzen Leben ohne Namen vorziehen sollte, oder zu behaupten, daß er ein niedriges und unwürdiges Gewerbe betreibe.«

»Euer Gnaden wird also anerkennen,« sagte der Sänger, »daß es bei mir, der ich, so schlicht ich auch bin, meine regelmäßigen Grade von den Lehrern der Gay Science zu Aiguesmortes erhalten habe, ein gerechtfertigter Zweck ist, wenn ich in diese nördliche Gegend mich wage; ich bin überzeugt, daß viele Dinge sich hier ereignet haben, welche von Dichtern großen Namens in alten Tagen zur Harfe gesetzt und der Gegenstand von Liedern wurden, die in der Bibliothek von Castle Douglas niedergelegt worden sind. Wenn sie dort Niemand abschreibt, welcher die alte britische Schrift und Sprache versteht, so müssen sie mit allem Inhalt, mag derselbe zur Erbauung oder zur Unterhaltung dienen, sehr bald für die Nachwelt verloren gehen. Werden diese verborgenen Schätze aufbewahrt und durch meine und anderer Sänger Kunst verbreitet, so kann das wohl das Wagniß eines Schwertstreiches oder eines Pfeils ausgleichen, die ich erhalten könnte, wenn ich mich mit der Einsammlung beschäftige. Ich wäre unwürdig des Namens von einem Manne und noch mehr von einem Finder Finder, Trouverre im Nordfranzösischen und Trobador im Provenzalischen, der Name für Dichter., ich würde dies Leben, ein stets ungewisses Gut, zu verlieren verdienen, wenn ich es nicht gegen die Möglichkeit jener Unsterblichkeit einzusetzen bereit wäre, welche in meinem Liede leben wird, wenn meine gebrochene Stimme und meine zertrümmerte Harfe nicht länger mehr ein Lied zu singen oder zu begleiten vermag.«

»Gewiß,« sagte Sir Aymer, »habt Ihr ein unzweifelhaftes Recht, solch einen Beweggrund auszusprechen, da Ihr ein Herz besitzt, welches solche Empfindungen hegt; auch wäre ich gar nicht geneigt gewesen, diese Fragen zu stellen, hätte ich gefunden, daß viele Spielleute und Sänger, wie Ihr, den Ruhm ihrem Leben vorzögen, welches die Mehrzahl der Menschen für weit wichtiger hält.«

»Allerdings gibt es, edler Herr, viele Sänger,« erwiderte Bertram, »und mit Eurer Erlaubniß auch sogar manche mit dem Schwert umgürtete Ritter, welche denjenigen Ruhm nicht genügend schätzen, der mit dem Wagniß des Lebens erworben wird. Solchen unedlen Leuten überlasse man ihre Belohnung; man lasse ihnen die Erde und die Dinge der Erde, da sie nach dem Ruhm nicht streben können, worin die Belohnung Anderer besteht.«

Der Spielmann sprach die letzten Worte mit solcher Begeisterung, daß der Ritter den Zaum anzog und Bertram mit einem Gesichtsausdruck anblickte, welcher seine Gemüthsbewegung bezeugte; dann sagte er nach kurzem Zwischenraum mit gleicher Lebhaftigkeit: »Glücklich sei dein Trotz, fröhlicher Genoß! ich freue mich, noch so viel Begeisterung in der Welt zu finden. Du hast den Sängerlohn mit Recht gewonnen, und bezahle ich ihn dir nicht, meinen Ansichten über dein Verdienst gemäß, so ist das die Schuld der Fortuna, die mir meine Arbeiten in diesem schottischen Kriege mit dem knickerigen Solde schottischen Geldes belohnte. Ein Goldstück oder zwei müssen noch vom Lösegeld eines französischen Ritters übrig sein, der das Glück in meine Hand gab; dieser Lohn, mein Freund, wird sicherlich dein Eigenthum werden und höre mich an: ich Aymer de Valence, der ich jetzt mit dir rede, stamme aus dem edlen Hause von Pembroke und werde, obgleich jetzt ohne Land, durch die Gnade der Jungfrau Schloß und Ländereien dereinst besitzen, worin ein Sänger und Spielmann wie du, genug Platz finden wird, wenn deine Talente in jener Zeit nicht einen besseren Beschützer finden sollten.«

»Ich danke Euch, edler Ritter,« sagte der Sänger, »ebenso für Eure jetzige Absicht, wie ich auch hoffe, daß ich Euch dereinst für Eure zukünftigen Gaben danken werde: ich kann aber mit Wahrheit sagen, daß ich nicht die schmutzigen Neigungen vieler meiner Brüder theile.«

»Wer den wahren Durst nach edlem Ruhm empfindet,« sagte der Ritter, »kann in seinem Herzen wenig Raum für die Liebe zum Golde haben; du hast mir aber noch nicht gesagt, Freund Sänger, von welcher Art die besondern Beweggründe sind, die deine wandernden Schritte in dies wilde Land geführt haben.«

»Würde ich dieß thun,« erwiderte Bertram, indem er die Frage zu umgehen wünschte, die in mancher Hinsicht zu nahe an seine geheimen Zwecke streifte, »so würde das wie eine studierte Lobrede deiner eigenen kühnen Thaten, Herr Ritter, und derjenigen deiner Waffengefährten klingen, und solche Schmeichelei hasse ich, obgleich nur ein Spielmann, wie einen leeren Becher an den Lippen eines Gefährten. Ich kann Euch aber in wenig Worten sagen, daß Castle Douglas und die tapferen Thaten, welche dasselbe erblickte, weit in England ertönten; auch gibt es keinen tapferen Ritter, oder einen Sänger, welcher des Vertrauens würdig wäre, dessen Herz nicht bei dem Namen der Feste höher klopfte, die früher niemals von dem Fuße eines Engländers, mit Ausnahme einer gastlichen Aufnahme, betreten wurde. Es liegt ein Zauber in dem Namen von Sir John de Walton und Sir Aymer de Valence, den tapfern Vertheidigern einer Feste, die so oft von ihren alten Herrn und unter solchen Umständen von Tapferkeit und Grausamkeit wieder erobert wurde, daß dieselbe in England den Namen des gefährlichen Schlosses führt.«

»Ich möchte gern,« erwiderte der Ritter, »Euren eigenen Bericht von den Sagen hören, welche Euch bewogen haben, zur Vergnügung späterer Zeiten ein Land zu besuchen, welches jetzt so unruhig und gefährlich ist.«

»Wenn Ihr nicht bei der Erzählung eines Sängers die Geduld verliert,« sagte Bertram, »so finde ich stets Vergnügen an der Uebung meines Berufes und habe nichts dagegen, Euch meine Geschichte zu erzählen, vorausgesetzt, daß ich an Euch einen geduldigen Zuhörer finde.«

»Was das betrifft,« sagte der junge Ritter, »so sollst du an mir einen aufmerksamen Zuhörer haben, und ist auch meine Belohnung nicht groß, so wird meine Aufmerksamkeit wenigstens ausgezeichnet sein.«

»Und der,« sagte der Sänger, »ist ein elender Fiedler, welcher sich damit nicht für besser bezahlt hält, als mit Gold und Silber, wären auch die Stücke englische Rosenobles. Auf die Bedingung hin beginne ich eine lange Geschichte, welche vielleicht in ein oder zwei Einzelnheiten besseren Dichtern, wie ich, zum Stoffe dienen und von Hunderten solcher Krieger, wie Ihr, angehört werden kann.«



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