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Sechstes Kapitel.

Einst hat die Freundschaft sie umschlungen,
Doch Gift erzeugten andre Zungen;
Gar selten ist Beständigkeit,
Die Jugend eitel, so ist das Leben,
Wenn statt der Liebe Zorn sich beut,
Wird Wahnsinn das Gehirn durchbeben –
– – – – – – – –
Hohn wird dem Trotz zurückgegeben,
Das Herz des Bruders zu verwunden,
Ein Mittler auch ward nie gefunden,
Um Haß und Aerger zu zerstieben;
Sie schienen fremd, die Wunden blieben,
Gleich Felsen, die zerklüftet waren,
Von wilder Meeresfluth durchflossen,
Sind beide jetzt: Wird man gewahren,
Daß an dem Bund, der sie umschlossen,
Sich dunkle Spuren nicht bewahren?

Coleridge.

In Verfolgung des Zweckes, welcher bei kühlerem Blut dem Sir John de Walton am zweckmäßigsten schien, beschloß derselbe die äußerste, nur mögliche Nachsicht gegen seinen Lieutenant und seine jüngeren Offiziere zu üben, ihnen jede Art von Vergnügung zu gewähren, welche der Platz gestattete, und dadurch, daß er sie mit Höflichkeit überlud, Scham über ihre Unzufriedenheit zu erwecken. Das erste Mal deßhalb, daß er Sir Aymer de Valence nach seiner Rückkehr zum Schlosse sah, redete er ihn in heiterer Laune an, mochte dieselbe wirklich oder erzwungen sein.

»Was hältst du davon, junger Freund,« sagte de Walton, »wenn wir hier in den Wäldern einige Jagden versuchen, welche diesem Lande eigenthümlich sind? In unserer Nähe gibt es noch einige Heerden des kaledonischen wilden Rindviehs, welches sonst nicht mehr zu finden ist, als hier in dem Moorlande an der kahlen und zerklüfteten Grenze des Landes, welches im Alterthum das Königreich von Strathclyde genannt wurde. Es gibt auch noch einige Jäger, welche an diese Jagd gewöhnt sind und einen Eid darauf ablegen, daß diese Thiere die wildesten und kühnsten Gegenstände der Jagd auf der ganzen britischen Insel sind.«

»Thut, was Euch beliebt,« erwiderte Sir Aymer mit Kälte, »ich jedoch pflege nicht, Sir John, wegen einer Jagd Euch anzuempfehlen, daß Ihr die ganze Garnison in Gefahr bringt; Ihr kennet am besten Eure Verantwortlichkeit wegen Eures Amtes, und müßt dieselbe sorgfältig überlegt haben, bevor Ihr einen Vorschlag solch einer Art macht.«

»Ich kenne allerdings meine Pflicht,« sagte Sir Walton seinerseits ärgerlich, »und darf auch wohl an die Eure denken, ohne mehr wie meine gewöhnliche Verantwortlichkeit auf mich zu nehmen; es scheint mir jedoch, als ob der Befehlshaber dieses gefährlichen Schlosses unter anderem Mißgeschick, wie die alten Leute des Landes sagen, auch einem Zauber unterworfen sei, wodurch es ihm unmöglich werde, sein Betragen so einzurichten, daß er denjenigen, die er sich am meisten zu verpflichten wünscht, irgend ein Vergnügen gewähre. Noch vor wenigen Wochen würden die Augen des Sir Aymer bei dem Vorschlage einer allgemeinen Jagd nach einem neuen Wilde gefunkelt haben; und was ist jetzt, da ich solche Jagd vorschlage, sein Benehmen, und zwar bloß, wie ich glaube, um meine Absicht, ihm einen Gefallen zu erweisen, zu vereiteln? – eine kalte Einwilligung fällt halb erfroren von seinen Lippen, und er macht den Vorschlag zum Aufbruch, damit man die wilden Stiere aufscheuche, mit einer so ernsten Miene, als unternehme er eine Pilgerfahrt nach dem Grabe eines Märtyrers.«

»Nicht so, Sir John,« erwiderte der junge Ritter, »in unserer gegenwärtigen Lage haben wir Beide zusammen mehr Aufträge, wie Einen, und obgleich die größere Verantwortlichkeit der Herrschaft Euch, als dem älteren und fähigeren Ritter, aufgebürdet ist, so empfinde ich doch, daß auch mein Antheil kein geringer ist. Ich vertraue deßhalb, daß Ihr mit Nachsicht meine Meinung anhört und ertragen werdet, wenn es auch scheinen sollte, daß dieselbe sich auf denjenigen Theil unserer gemeinschaftlichen Pflicht bezieht, welcher hauptsächlich Eurer Sorgfalt anvertraut ist. Die Würde der Ritterschaft, welche ich mit Euch zu theilen die Ehre habe, sowie der vom königlichen Plantagenet mir ertheilte Ritterschlag geben mir, wie mich däucht, Ansprüche auf diese Gnade.«

»Ich bitte Euch um Verzeihung,« sagte der ältere Ritter, »ich vergesse, welch eine wichtige Person ich vor mir habe, welche vom König Edward selbst zum Ritter geschlagen wurde, der doch ohne Zweifel seine besonderen Gründe haben mußte, um Euch die Ehre so früh zu übertragen. Auch fühle ich sicherlich, daß ich meine Pflicht überschreite, wenn ich etwas wie eitles Vergnügen einer Person von so großer Bedeutung vorschlage.«

»Sir John de Walton,« erwiderte de Valence, »dergleichen Reden sind schon zu oft vorgekommen, schweigen wir hier. Ich will nur sagen, daß ich bei dieser Bewachung von Castle Douglas meine Einwilligung nicht ertheilen werde, wenn irgend eine Vergnügung, welche eine Nachlassung der Disciplin bestimmt in sich begreift, unnöthig eingegangen wird, und besonders eine solche, welche uns zwingt, zu unserem Beistande eine Anzahl von Schotten aufzubieten, deren üble Gesinnung gegen uns wir sämmtlich kennen; auch will ich nicht leiden, obgleich meine Jahre solchem Verdachte mich ausgesetzt haben, daß Etwas der Art mir vorgeworfen wird. Wenn wir unglücklicherweise die Bande der Freundschaft beseitigen sollten, welche uns früher verbunden haben, obgleich ich sicherlich nicht weiß, weßhalb dieß geschehen sollte, so sehe ich dennoch keinen Grund, weßhalb wir nicht in unseren gegenseitigen Mittheilungen wie Ritter und Edelleute verfahren, und die beste Auslegung bei unseren Beweggründen gegenseitig anwenden könnten, da doch kein Grund vorhanden sein kann, um das Schlimmste irgend einer Handlung von uns irgend zum Vorwurf zu machen.«

»Ihr habt vielleicht Recht, Sir Aymer de Valence,« sagte de Walton mit einer steifen Verbeugung; »da Ihr sagt, daß wir nicht länger mit einander als Freunde verbunden sind, so könnt Ihr dennoch die Ueberzeugung hegen, daß ich niemals einem feindlichen Gefühle, dessen Gegenstand Ihr sein könntet, Raum in meiner Brust gestatten würde. Ihr seid lange Zeit, und ich hoffe, nicht nutzlos, mein Schüler in den Pflichten des Ritterthums gewesen, Ihr seid ein naher Verwandter des Grafen von Pembroke, meines gütigen und beharrlichen Beschützers, und werden diese Umstände wohl erwogen, so bilden sie eine Kette, die ich wenigstens nicht so leicht zerbrechen könnte; seid Ihr nach Eurem Gefühle, wie Ihr anzudeuten scheint, weniger fest durch frühere Verbindlichkeit gebunden, so müßt Ihr Eure Wahl treffen, um unsere Beziehungen gegen einander zu bestimmen.«

»Ich kann nur sagen,« erwiderte de Valence, »daß mein Verfahren natürlich durch das Eurige bedingt werden wird. Ihr, Sir John, könnt nicht aufrichtiger, als ich, die Hoffnung hegen, daß unsere militärischen Pflichten nach Gebühr vollbracht werden, ohne daß sie unserem freundschaftlichen Verkehre Eintrag thun.«

Die Ritter trennten sich nach diesem Gespräch, welches ein- oder zweimal beinahe mit einer vollkommenen und herzlichen Erklärung hätte enden können; es fehlte aber von beiden Seiten ein freundschaftliches, herzliches Wort, um gleichsam das Eis zu brechen, welches in ihren Unterredungen schnell sich bildete; keiner wollte der Erste sein, um dem Andern mit genügender Herzlichkeit entgegen zu kommen, obgleich zu letzterem ein Jeder gern bereit gewesen wäre, hätte der Andere den Wunsch gezeigt, die Erklärungen mit demselben Eifer anzunehmen; der Stolz Beider war jedoch zu groß und verhinderte einen Jeden, dasjenige zu sagen, was ein offenes und männliches Verfahren hergestellt haben würde. Sie trennten sich deßhalb, ohne wieder auf den Gegenstand der beabsichtigten Vergnügung zurückzukommen, bis dieß nachher in einem förmlichen Schreiben geschah, welches Sir Aymer de Valence ersuchte, die Commandanten von Douglas-Castle auf eine feierliche Jagd zu begleiten, deren Gegenstand die wilden Stiere des benachbarten Thales sein sollten.

Die Zeit der Zusammenkunft war um 6 Uhr Morgens, außerhalb des Thores des äußeren Bollwerks festgesetzt, und die Jagd sollte am Nachmittag enden, wenn das Signal zur Heimkehr unter der großen Eiche, genannt Sholo's Keule, geblasen würde – ein Baum, der als ein in die Augen fallender Gegenstand auf dem Platze stand, wo Douglasdale durch mehrere zerstreute Baumgruppen, gewissermaßen die Ausläufer des gebirgigen Waldlandes, begrenzt war. Das gewöhnliche Aufgebot wurde an das niedere Volk oder an die Vasallen der Gegend gesandt, welches diese, ungeachtet ihrer Abneigung, im Allgemeinen mit Vergnügen nach dem großen epicuräischen Grundsatz carpe diem aufnahmen, d. h. verliere keine Gelegenheit zur Erholung, welche das Leben gewährt, unter welchen Umständen sich dieselbe auch darbieten mag. Eine Jagd hatte noch immer viel Anziehendes, sogar wenn ein englischer Ritter im Douglaswalde seinem Vergnügen nachging.

Es war ohne Zweifel betrübend für die treuen Vasallen, daß sie einen andern Herrn, wie den gefürchteten Douglas, anerkennen mußten, und im Wald, sowie am Strom auf den Befehl englischer Offiziere und in Gesellschaft ihrer Armbrustschützen, die sie für ihre natürlichen Feinde hielten, dem Treibjagen sich zu stellen gezwungen waren. Es war jedoch die einzige Vergnügung, die ihnen auf lange Zeit noch gestattet war, und sie waren nicht geneigt, die sich ihnen darbietende Gelegenheit vorübergehen zu lassen. Die Jagd des Wolfes, des wilden Ebers, oder sogar die des furchtsamen Hirsches erheischte eine Bewaffnung; bei dem wilden Rindvieh war die Ausrüstung von Armbrusten und Pfeilen, Eberspießen und scharfen Schwertern, sowie von anderen Jagdwaffen, die denen des wirklichen Krieges glichen, noch bei weitem mehr erforderlich. In Betracht dessen wurde den schottischen Einwohnern nur selten gestattet, der Jagd sich anzuschließen und auch alsdann wurden Anordnungen hinsichtlich ihrer Zahl und Waffen, und besonders letztere insoweit vorgeschrieben, daß ihnen von den Streitkräften der Engländer das Gleichgewicht gehalten wurde; Umstände, die den Schotten sehr anstößig waren. Der größere Theil der Besatzung wurde bei solchen Gelegenheiten dazu entboten und verschiedene Abtheilungen, nach den Bestimmungen des Gouverneurs gebildet, wurden, für den Fall eines plötzlich ausbrechenden Streites, auf verschiedenen Punkten aufgestellt.



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