Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.

Rosalinde: So, dies ist also der Ardenner Wald!
Prüfstein: Wir sind also jetzt im Ardenner Walde? um so größer ist meine Thorheit. – Als ich zu Hause war, befand ich mich an einem weit besseren Orte, aber Reisende müssen zufrieden sein.
Rosalinde: So sei es, guter Prüfstein; seht Ihr, wer kömmt dort? ein junger Mann und ein alter, und zwar im feierlichen Gespräch.

Wie es Euch gefällt. Act II., Scene 4.

Als die Reisenden zusammen sich unterredeten, erreichten sie eine Wendung des Weges, welche eine ausgedehntere Aussicht darbot, als die zerklüftete Oberfläche des Landes ihnen bisher gezeigt hatte. Ein Thal, durch welches ein kleiner Nebenstrom sich wand, eröffnete ihnen den wilden aber nicht unangenehmen Anblick einer Bergwiese, auf welcher hier und da Gruppen von Erlen, Haselsträuchen und niedrigen Eichen standen, die in den Thalschluchten noch geblieben, obgleich von den höheren und dem Blick sich mehr darbietenden Seiten der Höhen verschwunden waren. Die Pachterswohnung, oder das Haus des Grundbesitzers (nach Größe und Aussehen konnte es beides sein) war ein großer aber niedriger Bau, und die Mauern der Nebengebäude waren stark genug, um einer jeden Schaar von Räubern Widerstand zu leisten.

Es fand sich jedoch keine Vorrichtung zur wirksamen Vertheidigung gegen eine größere Streitkraft, denn in einem durch Krieg verwüsteten Lande war der Landwirth damals wie jetzt genöthigt, den großen Uebelständen sich zu fügen, die mit einem solchen Zustand der Dinge verknüpft sind; sein niemals sehr wünschenswerther Zustand wurde durch die Unsicherheit noch gesteigert, welche bei jenen Umständen nicht ausbleiben konnte. Ungefähr in der Entfernung einer halben Meile erblickte man einen gothischen Bau von kleiner Ausdehnung, mit einer halb niedergerissenen Kapelle, welche der Sänger als die Abtei St. Bride bezeichnete.

»Wie ich höre,« sagte er, »hat man den Ort stehen lassen, da zwei oder drei alte Mönche und eben so viel Nonnen, die dort wohnen, von den Engländern die Erlaubniß erhalten haben, in ihrem Kloster dem Herrn zu dienen, und bisweilen schottischen Reisenden Unterstützung zu reichen; sie haben demgemäß dem Sir John de Walton gehuldigt, und als ihren Vorgesetzten einen Geistlichen angenommen, auf welchen derselbe sich verlassen zu können glaubt. Wenn aber die Gäste dieses Klosters einige Geheimnisse zu enthüllen haben, so glaubt man, daß die Bewohner desselben auf irgend eine Weise dem englischen Gouverneur die Anzeige machen. Wenn deßhalb Eure Ladyschaft kernen bestimmten Befehl hierüber ertheilt, so hielte ich es für das Beste, daß wir uns ihrer Gastfreundschaft nicht anvertrauen.«

»Gewiß nicht,« sagte die Dame, »wenn du uns nämlich ein Quartier verschaffen kannst, wo wir einen mehr verschwiegenen Wirth haben.«

In diesem Augenblick wurden zwei Personen erblickt, welche in einer den Reisenden entgegengesetzten Richtung auf das Pachthaus zugingen und so laut in einem Streit andeutenden Tone mit einander redeten, daß der Sänger und sein Gefährte die Stimmen, ungeachtet der beträchtlichen Entfernung, unterscheiden konnten. Bertram hielt seine Hand einige Minuten lang, um besser sehen zu können, wie einen Schirm an die Stirne, und rief zuletzt aus: »Bei der Mutter Gottes, es ist mein alter Freund, Tom Dickson! Was bringt ihn in solchen Aerger gegen den jungen Mann dort, welcher, wie ich glaube, der kleine wilde Bursch, sein Sohn Carl ist, der vor einigen zwanzig Jahren herumzulaufen und Binsen zu flechten pflegte. Es ist jedoch unser Glück, daß wir unsere Freunde noch auf den Beinen antreffen, denn ich wette, Tom hat ein herzhaftes Stück Rindfleisch im Topfe, ehe er zu Bett geht, und er müßte seine Gewohnheit gänzlich verändert haben, wenn ein alter Freund nicht seinen Antheil bekäme. Wer aber weiß, wenn wir später gekommen wären, zu welcher Stunde er es für passend halten würde, die Thürklinke aufzudrücken und den Riegel wegzuschieben, weil eine feindliche Besatzung sich in der Nähe befindet? Nennen wir nämlich die Dinge bei ihrem wahren Namen, so ist das der passende Ausdruck für eine englische Besatzung im Schlosse eines schottischen Edelmannes.«

»Alberner Mann,« erwiderte die Dame, »du urtheilst über Sir John de Walton, als wäre derselbe ein grober Bauer, dem die Gelegenheit, nach Belieben zu handeln, eine Versuchung zur Ausgelassenheit ist, um Grausamkeit und Unterdrückung zu üben. Ich aber könnte Euch mein Wort geben, daß Ihr, abgesehen von dem Streit um die Königreiche, welcher natürlich im ritterlichen Kampf von beiden Seiten entschieden werden wird, in diesem Gebiete finden werdet, wie Engländer und Schotten unter dem Bereich der Herrschaft von Sir John de Walton zusammen als eine Heerde von Schafen und Ziegen unter einem Schäferhunde leben. Er mag ein Feind sein, vor welchem die Schotten bei gewissen Gelegenheiten fliehen, sie werden sich aber nichts desto weniger eifrig um ihn als ihren Beschützer sammeln, sobald irgend ein Wolf sich zeigen sollte.«

»Eurer Ladyschaft wage ich nicht meine Meinung darüber zu sagen,« erwiderte Bertram, »der junge Ritter jedoch in seine Rüstung gehüllt, ist ein ganz anderes Wesen wie derjenige, der in der Halle sich unter das Gedränge der Damen mischt. Derjenige, welcher sich am Kamine eines wackern Mannes nährt, besonders aber wenn der Gutsherr von allen Menschen in der Welt der schwarze Douglas ist, hat Grund genug, mit seinen Augen scharf um sich zu blicken, wenn er sein Mahl einnimmt. – Es ist jedoch besser, daß ich mich nach unserer eigenen Abenderfrischung umsehe, als daß ich hier müßig verweile und über die Angelegenheiten anderer Menschen schwatze.«

Mit den Worten rief er mit donnernder Stimme aus: »Dickson! Holla, Thomas Dickson! wollt Ihr nicht einen alten Freund erkennen, der Eurer Gastfreundschaft sein Abendessen und sein Nachtquartier anvertraut?«

Der Schotte, durch den Ruf aufmerksam gemacht, schaute über die Ufer des Stromes, alsdann über die nackte Seite der Anhöhe, und richtete zuletzt seinen Blick auf die zwei Gestalten, welche von derselben hinabstiegen.

Der Pächter aus Douglasdale, welcher eine größere Abendkälte empfand, als er aus dem vor Winden mehr geschützten Theile des Thales herauskam, hüllte sich, um dem Fremden entgegen zu gehen, enger in seinen rauhen Mantel, der bei den Schäfern des südlichen Schottlands von frühester Zeit an gewöhnlich den Landleuten und Bürgern ein romantisches Aeußere ertheilt – ein Kleidungsstück, welches, obgleich an Farbe weniger glänzend und in seinem Faltenwurf weniger prunkend, ebenso malerisch ist, wie der mehr militärische Mantel der Hochländer. Als beide einander nahe kamen, konnte die Dame beobachten, daß dieser Freund ihres Führers ein derber kräftiger Mann war, welcher schon über die mittleren Lebensjahre etwas hinausgekommen, einige Spuren von der Annäherung des Greisenalters, aber nicht von dessen Schwächen auf einem Antlitz zeigte, das manchem Sturme ausgesetzt gewesen war. Scharfe Augen und ein Blick schneller Beobachtung deuteten auf die einem Manne zur Gewohnheit gewordene Wachsamkeit, welcher lange Zeit in einem Lande gewohnt hatte, wo er fortwährend Gelegenheit erhielt, mit Vorsicht um sich zu blicken. Seine Züge waren noch von Aerger angeschwollen, und der hübsche ihn begleitende junge Mann schien unzufrieden, als habe er keine sanften Zeichen von seines Vaters Unwillen erfahren; durch den finstern Gesichtsausdruck, welcher sich mit einem Anschein von Schaam vermischte, war es offenbar, daß er sowohl Aerger wie Selbstvorwürfe empfand.

»Erinnert Ihr Euch meiner nicht, alter Freund,« sagte Bertram, als beide nahe genug gekommen waren, um mit einander zu reden, »oder haben zwanzig Jahre, welche über unsere Häupter hinweggingen, alle Erinnerung an Bertram, den englischen Spielmann und Sänger, mit sich fortgenommen?«

»Wahrlich,« erwiderte der Schotte, »es fehlt nicht an Euren Landsleuten, um mich an Euch zu erinnern, und kaum habe ich einen von ihnen pfeifen hören:

Auf, auf, die Sonne steigt empor!

so erinnerte ich mich auch an Eure heitere Geige; aber doch sind wir solche Thiere, daß ich das Gesicht meines alten Freundes vergaß, und ihn kaum in einiger Entfernung erkannte. Wir haben aber kürzlich viele Unruhe hier gehabt. Tausend von Euren Landsleuten halten Besatzung in dem gefährlichen Schlosse Douglas dort, sowie an andern Plätzen im Thale, und das ist ein trauriger Anblick für einen wahren Schotten. Sogar mein eigenes armes Haus ist der Würde nicht entgangen, eine Besatzung von einem Schwerbewaffneten nebst zwei oder drei Bogenschützen, und außerdem noch von einem Paar unartigen und muthwilligen Knaben, Pagen genannt, u. s. w. zu bekommen, welche einem Manne nicht gestatten, an seinem Herde zu sagen: dies ist mein Eigenthum. Hegt deßhalb von mir keine üble Meinung, alter Kamerad, wenn ich Euch einen etwas kälteren Willkommen biete, wie Ihr von einem alten Freunde erwarten könnt, denn bei St. Bride am Douglas, mir ist kaum etwas übrig geblieben, womit ich Euch willkommen heißen kann.«

»Ein geringes Willkommen genügt,« sagte Bertram; »mein Sohn, mache dem alten Freunde deines Vaters eine Verbeugung. Augustin erlernt mein heiteres Gewerbe, es wird aber noch manche Uebung erforderlich sein, bis er dessen Mühseligkeiten ertragen kann. Wenn Ihr ihm etwas Nahrung und ein ruhiges Bett für die Nacht geben wollt, so braucht man nicht zu fürchten, daß es uns beiden nicht gut genug geht; ich kann Euch sagen, daß Ihr, wenn Ihr mit meinem Freunde Carl dort reisen solltet, – ich glaube nämlich, daß jener schlanke junge Mann mein alter Bekannter Carl ist – so werdet Ihr stets Euch behaglich finden, wenn für seine Bedürfnisse gut gesorgt ist.«

»Der böse Feind hole mich, wenn das der Fall sein wird,« erwiderte der schottische Landmann, »ich weiß nicht, aus welchem Stoff die heutigen Bursche geschaffen sind, sicherlich aber nicht aus demselben wie ihre Väter. Sie sind nicht wie Heidekraut, welches weder Regen noch Wind fürchtet, sondern von einer zarten Pflanze fremder Lande entsprungen, welche nicht gedeihen will, wenn sie nicht unter Glas gezogen wird. Der Henker mag sie holen! Der gute Lord von Douglas – ich bin sein Leibdiener gewesen, und kann es verbürgen – wünschte als Page nicht solche Nahrung und Wohnung, wie sie gegenwärtig solch einen Burschen wie Euren Freund Carl kaum zufrieden stellt.«

»Nun,« sagte Bertram, »mein Augustin ist nicht besonders wählerisch, wegen anderer Gründe aber muß ich Euch um ein besonderes Bett für ihn ersuchen; er ist kürzlich unwohl gewesen.«

»Ha, ich verstehe,« sagte Dickson, »Euer Sohn hat etwas von der Krankheit gehabt, die so häufig mit dem schwarzen Tode endet, an welchem Eure Engländer so häufig sterben. Wir hören, die Krankheit hat im Süden große Verheerung angerichtet. Kömmt sie auch hieher?«

Bertram nickte.

»Wohlan, meines Vaters Haus,« fuhr der Pächter fort, »hat mehr Zimmer wie eines, und Euer Sohn soll ein luftiges und bequemes erhalten; was das Abendessen betrifft, so sollt ihr einen Theil von dem bekommen, was für eure Landsleute zubereitet wurde, obgleich ich lieber an ihrer Stelle sein möchte, denn ihre Gesellschaft gefällt mir nicht. Da ich ein Dutzend von ihnen füttern muß, so werden sie nicht einem so geschickten Spielmann wie Ihr die Gastfreundschaft einer Nacht verweigern. Ich schäme mich, sagen zu müssen, daß ich ihre Gebote in meinem eigenen Hause ausführen muß. Ha, wenn mein guter Lord nur sein Eigenthum besäße, so habe ich auch Herz und Hand genug, um das ganze Gesindel aus meinem Hause zu schmeißen, wie –«

»Um deutlich zu reden,« fiel Bertram ein, »wie ein Gesindel südlicher Landstreicher aus Redesdale; ich sah ja, wie Ihr diese Leute wie einen Schwarm junger und blinder Hunde aus Eurem Hause warfet und wie keiner der Leute hinter sich zu blicken wagte, um zu sehen, wer ihnen die Höflichkeit erwiesen habe, als bis sie die Hälfte des Weges bis zu dem Cairntablegebirg zurückgelegt hatten.«

»Ja,« antwortete der Schotte, indem er sich wenigstens um sechs Zoll höher aufrichtete, »damals hatte ich mein eigen Haus und eine Sache zu vertreten und einen Arm dazu. Jetzt bin ich – was ist daran gelegen was ich bin? – der edelste Lord in Schottland findet sich in wenig besserer Lage.«

»Wahrlich Freund,« sagte Bertram, »jetzt betrachtest du die Sache in vernünftiger Weise. Ich will nicht sagen, daß der weiseste, reichste und stärkste Mann in dieser Welt irgend ein Recht besitzt, seinen Nebenmenschen zu tyrannisiren, weil derselbe schwächer, unwissender und ärmer ist; wenn er sich aber in solchen Streit einläßt, so muß er sich dem Lauf der Natur unterwerfen, und dieser ertheilt im Kriege den Vortheil dem Reichthum, der Kraft und der Gesundheit.«

»Mit Eurer Erlaubniß jedoch,« antwortete Dickson, »kann der schwächere Theil, wenn er seine Fähigkeiten bis zum Aeußersten anstrengt, am Ende Rache am Urheber seiner Leiden erlangen, welche ihm wenigstens einige Ausgleichung für seine augenblickliche Unterwerfung gewährt, und Jeder handelt einfältig als ein Mann, und höchst thöricht als ein Schotte, welcher sowohl dies Unrecht mit der Unempfindlichkeit eines Blödsinnigen erträgt, als auch dasselbe voreilig zu rächen sucht, bevor die vom Himmel dafür eingesetzte Zeit eingetroffen ist. Wenn ich aber so rede, so werde ich Euch, wie schon viele Eurer Landsleute, verscheuchen, so daß Ihr keine Speise und kein Nachtlager in einem Hause annehmt, in welchem Ihr am Morgen zu einer blutigen Entscheidung unseres Nationalkampfes berufen sein könntet.«

»Besorgt das nicht,« sagte Bertram, »wir sind von Alters her bekannt mit einander, und ich besorge eben so wenig, von Euch eine ungütige Aufnahme zu erlangen, als Ihr erwartet, ich sei gekommen, um zu den Beleidigungen, worüber Ihr Euch beklagt, neue hinzuzufügen.«

»So sei es,« sagte Dickson, »und Ihr, mein alter Freund, seid in meiner Wohnung eben so willkommen, als zu der Zeit, wo nur Gäste, die ich selbst eingeladen hatte, hier sich einfanden. Ihr, mein junger Freund, Herr Augustin, sollt eine eben so gute Pflege erhalten, als kämet Ihr mit heiterer Stirn und rother Wange, wie es der Gay Science geziemt.«

»Und weßhalb, wenn ich fragen darf,« sagte Bertram, »waret Ihr jetzt über meinen jungen Freund Carl so ärgerlich?«

Der junge Mann erwiderte, bevor sein Vater Zeit zum Reden hatte, »mein Vater, guter Herr, mag die Sache darstellen, wie er will, so zeigt es sich, daß kluge und schlaue Leute während dieser unruhigen Zeiten im Kopfe schwach werden. Er sah, wie zwei oder drei Wölfe drei unserer besten Widder holten, und weil ich rief, um der englischen Garnison das Allarmzeichen zu geben, wurde er so zornig, daß er mich hätte morden können, und zwar für weiter nichts, als um die Schafe aus den Rachen zu retten, welche sie sonst würden verschlungen haben.«

»Das ist ein sonderbarer Bericht über dich, alter Freund,« sagte Bertram, »bist du mit den Wölfen einverstanden, daß sie deine eigene Heerde bestehlen?«

»Laß uns nicht weiter davon reden, wenn du mich lieb hast; Carl könnte dir etwas Näheres darüber sagen; für jetzt aber schweigen wir von der Sache.«

Der Sänger, als er sah, daß der Landmann sich ärgerte und in Verlegenheit kam, drängte ihn nicht weiter.

Als sie in diesem Augenblick die Schwelle von Dicksons Hause überschritten, wurden sie mit den Stimmen von zwei englischen Soldaten im Hause begrüßt; »Still, Anthony,« sagte eine Stimme, »still, Mann, des gesunden Menschenverstandes, wo nicht der guten Manieren wegen; Robin Hood selbst hat sich nie an den Tisch gesetzt, bevor der Braten fertig war.«

»Fertig,« rief eine andere rauhe Stimme, »das heißt, einen elenden Braten richten, und gering wäre des Schurken Dickson Antheil sogar an diesem elenden Braten, wäre es nicht der ausdrückliche Befehl des würdigen Sir John de Walton, daß die Soldaten, die auf den Vorposten liegen, den Einwohnern diejenigen Vorräthe liefern, die von ihrem engeren Lebensunterhalte übrig bleiben.«

»Still, Anthony, still, schäme dich!« erwiderte der Kamerad des Soldaten, »hörte ich jemals den Schritt unseres Wirthes, so höre ich ihn jetzt; drum laß dein Knurren, da unser Hauptmann, wie wir Alle wissen, bei strenger Bestrafung allen Zank zwischen seinen Leuten und den Bewohnern dieses Landes verboten hat.«

»Ich habe sicherlich Keinem die Gelegenheit zum Zank gegeben,« erwiderte Anthony, »ich wünschte aber nur, daß ich ebenso von der guten Gesinnung dieses finsterblickenden Thomas Dickson gegen die englischen Soldaten überzeugt wäre; denn ich gehe selten in seinem Loche zu Bett, ohne daß ich daran denke, mein Hals werde, bevor ich erwache, so weit wie eine durstige Auster klaffen. Hier kömmt er jedoch,« fügte Anthony hinzu, indem seine scharfen Töne etwas leiser wurden, »und ich will in den Kirchenbann gethan werden, wenn er nicht das tolle Thier, seinen Sohn Carl und sogar andere Fremde mit sich bringt; ich schwöre darauf, alle die sind hungrig genug, um uns das ganze Abendessen zu verzehren, wenn sie uns keinen andern Schaden thun sollten.«

»Schäme dich, Anthony,« erwiderte sein Kamerad, »du bist ein so guter Armbrustschutze, wie ein solcher jemals einen grünen Rock trug, und dennoch thust du, als erschräckest du vor zwei müden Reisenden und fürchtetest dich vor den Verheerungen, die vielleicht ihr Hunger in unserem Abendessen anrichtet. Wir sind unserer vier oder fünf, wir haben unsere Armbrüste und unsere Partisanen bei der Hand und verachten jede Besorgniß, daß wir von unserem Abendessen vertrieben oder um unsern Antheil daran von einem Dutzend Schotten geprellt würden, mögen sie ansässig oder Landstreicher sein. Was sagst du dazu (er wandte sich zu Dickson), was sagt Ihr, Quartiermeister? Es ist Euch kein Geheimniß, daß wir nach den unserem Posten gegebenen Anweisungen uns nach den Beschäftigunqen solcher Gäste erkundigen müssen, die Ihr, mit Ausnahme unserer selbst, Eurer ungebetenen Gäste, in Eurem Hause aufnehmt. Ihr seid, wie ich glaube, zum Abendessen eben so bereit, wie das Abendessen für Euch; ich will Euch und meinen Freund Anthony, der furchtbar ungeduldig ist, nur so lange aufhalten, als bis Ihr mir zwei oder drei Fragen über das, was Ihr wißt, beantwortet habt.«

»Bogenspanner,« erwiderte Dickson, »du bist ein höflicher Gesell, und obgleich es hart ist, daß man von seinen Freunden Rechenschaft ablegen muß, weil man sie eine oder zwei Nächte im Hause aufnimmt, so unterwerfe ich mich doch den Zeitumständen und leiste keinen eigentlichen Widerstand. Ihr mögt doch in Eurem Brevier dort niederschreiben, daß Thomas Dickson am vierzehnten Tage vor Palmsonntag nach seinem Hause am Hazelside, worin ihr auf Befehl des englischen Gouverneurs, Sir John de Walton, als Besatzung liegt, zwei Fremde brachte, denen besagter Thomas Dickson Erfrischungen und ein Bett für die Nacht versprochen hat, wenn es ihm zu dieser Zeit und an diesem Ort erlaubt war.«

»Aber wer sind diese Fremden?« fragte Anthony etwas scharf.

»Eine schöne Welt,« murmelte Thomas Dickson, »worin man gezwungen ist, die Fragen eines jeden niedrigen Gesellen zu beantworten –« dann aber milderte er seine Stimme und sagte weiter, »der älteste meiner Gäste ist Bertram, ein englischer Sänger und Spielmann, welcher in seinen Angelegenheiten nach Schloß Douglas geht und dem Sir John de Walton selbst mittheilen wird, was er ihm zu sagen hat; ich habe ihn zwanzig Jahre lang gekannt und hörte nie etwas Anderes von ihm, als daß er ein guter und braver Mann war; der jüngere Fremde ist sein Sohn: er ist von der englischen Krankheit, welche in Cumberland und Westmoreland so sehr gewüthet hat, gegenwärtig in der Genesung begriffen.«

»Sage mir,« sagte der Bogenspanner, »ob derselbe Bertram dort nicht vor einem Jahre im Dienste einer edlen Dame in unserem Vaterlande stand.«

»Ich hörte das,« sagte Dickson.

»Für den Fall glaube ich, ist uns wenig Gefahr geboten, wenn wir diesen alten Mann und seinen Sohn in's Schloß gehen lassen.«

»Ihr seid älter und mein Vorgesetzter,« erwiderte Anthony, »ich muß Euch aber daran erinnern, daß wir nicht so unbedingt einen freien Eingang in eine Garnison von tausend Mann jeden Ranges einem jungen Manne gewähren dürfen, welcher erst kürzlich an einer ansteckenden Krankheit gelitten hat. Es ist die Frage, ob unser Befehlshaber nicht lieber hören möchte, daß der schwarze Douglas mit tausend Teufeln, so schwarz wie er selbst, da das seine Farbe ist, den Vorposten Hazelside mit Schwert und Streitaxt genommen hat, als daß diese einzige Person mit einer so unheilvollen Krankheit friedlich und durch die geöffnete Pforte in das Schloß gelangt ist.«

»In dem, was du sagst, ist etwas Wahres, Anthony,« erwiderte sein Kamerad; »in Betracht nun, daß unser Gouverneur einer der vorsichtigsten und argwöhnischsten Leute in der Welt geworden ist, seitdem er die mit vieler Unruhe verknüpfte Aufgabe übernommen hat, ein Schloß zu halten, welches für gefährlicher wie irgend ein anderes in Schottland gilt, so ist es nach meiner Meinung am besten, daß wir ihn von den Umständen benachrichtigen, und seine Befehle entgegennehmen, wie wir mit dem Gelbschnabel verfahren sollen.«

»Damit bin ich zufrieden,« sagte der Armbrustschütze. »Zuerst nun, glaube ich, ist es gut, dem Gelbschnabel da einige Fragen vorzulegen, wie lang er krank gewesen ist, welcher Arzt ihn behandelt hat, welche Zeugnisse er von seiner Heilung besitzt u. s. w.; wir müssen doch zeigen, daß wir etwas davon wissen, was für einen solchen Fall geziemt.«

»Du hast Recht, Bruder,« sagte der mit dem Namen Bogenspanner bezeichnete Soldat. »Du hörst, Spielmann, daß wir deinem Sohn einige Fragen vorlegen wollen, wo ist er hingekommen? er war doch so eben im Zimmer.«

»So ist es,« antwortete Bertram; »er ist aber hinausgegangen, Herr Thomas Dickson hat ihn auf meine Bitte, so wie auch aus achtungsvoller Rücksicht für Euer Gnaden Gesundheit ohne Verzug hinausgebracht, denn er glaubte, das Schlafgemach sei der geeignetste Platz für einen jungen Mann, der erst von einer schweren Krankheit genesen ist und eine Tagereise von nicht geringen Mühen zurückgelegt hat.«

»Wohlan denn,« erwiderte der ältere Armbrustschütze, »obgleich es ungewöhnlich ist, daß Leute wie wir, die von der Bogensehne und dem Köcher leben, sich mit Fragen und Untersuchungen befassen, so müssen wir doch bei der Beschaffenheit des Falles einige Fragen über Euren Sohn thun, ehe wir ihm erlauben, nach Schloß Douglas aufzubrechen, wo er, wie Ihr sagt, eine Botschaft abzustatten hat.«

»Ich habe eher die Botschaft abzugeben, edler Herr,« sagte der Sänger, »wie jener junge Mann dort.«

»Ist das der Fall,« erwiderte Bogenspanner, »so genügen wir unserer Pflicht, wenn wir Euch beim ersten Grau der Morgendämmerung in's Schloß schicken, und Euren Sohn im Bett lassen, welches sicherlich der geeignetste Ort für ihn ist, bis wir Befehl von Sir John de Walton empfangen, ob er in's Schloß gebracht werden soll oder nicht.«

»Und wir können ebensowohl,« sagte Anthony, »da wir dieses Mannes Gesellschaft zum Abendessen haben werden, ihn mit den Regeln unserer Besatzung bekannt machen, die auf diesem Vorposten für jetzt aufgestellt sind.« Mit den Worten zog er eine Pergamentrolle aus seinem ledernen Beutel und fragte: »Spielmann, kannst du lesen?«

»Das erfordert mein Gewerbe,« sagte der Sänger. »Es hat jedoch mit meinem nichts zu schaffen,« bemerkte der Armbrustschütze, »deshalb lese diese Vorschriften mit lauter Stimme; denn da ich diese Zeichen mit den Augen nicht verstehe, so verliere ich keine Gelegenheit, sie mir laut vorlesen zu lassen, so oft es möglich ist, damit ich ihren Sinn in mein Gedächtniß einpräge; drum nimm dich in Acht, daß du die Worte herliesest, so wie ein Buchstabe nach dem andern gesetzt ist. Du thust es auf deine Gefahr, Spielmann, wenn du nicht wie ein wahrhaftiger Mann ablesen wirst.«

»Ich gebe Euch mein Wort als Sänger,« sagte Bertram, und begann sehr langsam zu lesen, denn er wünschte einige Zeit zur Ueberlegung zu gewinnen, da er voraussah, er werde sich von seiner Gebieterin trennen müssen, die alsdann viele Angst und Kummer erleiden müsse. Er begann deshalb: »Vorposten von Hazelside auf der Waldwiese des Bauern Thomas Dickson – Thomas wird dein Haus so genannt?«

»Es ist der alte Name,« sagte der Schotte. »Denn es war von einem Haselgebüsch umringt.«

»Haltet Euer schwatzendes Maul, Spielmann,« sagte Anthony, »und leset weiter, wenn Ihr Eure Zunge oder Eure Ohren behalten wollt, welche letztere zu gebrauchen Ihr weit weniger geneigt scheint, wie erstere.«

»Die Besatzung,« fuhr der Sänger lesend fort, »besteht aus einer Lanze mit Zubehör – also eine Lanze oder mit andern Worten, ein mit dem Schwert umgürteter Ritter befehligt diese Abtheilung?«

»Das geht dich nichts an,« sagte der Bogenschütze.

»Es geht mich an,« erwiderte der Sänger, »wir besitzen ein Recht, von der hier befindlichen Person höchsten Ranges befragt zu werden.«

»Ich will dir zeigen, Schuft,« sagte der Armbrustschütze, indem er aufsprang, »daß ich für dich vornehm genug bin, und ich will dir den Kopf zerschlagen, wenn du nur Ein Wort mehr sagst.«

»Still, Bruder Anthony,« sagte sein Gefährte; »es ist uns vorgeschrieben, Reisende höflich zu behandeln, und mit Eurer Erlaubniß vorzugsweise diejenigen Reisenden, welche aus unserem Vaterlande kommen.«

»So steht auch hier geschrieben,« sagte der Sänger und fuhr fort zu lesen. »Die Wache an diesem Vorposten von Hazelside soll alle Fremden anhalten und befragen, welche bei dem besagten Posten vorüberkommen; sie soll dieselben nach der Stadt Douglas oder Douglas-Castle passiren lassen, nachdem sie dieselben mit Höflichkeit befragt hat, und soll diejenigen zurückhalten und zurückschicken, bei welchen Verdacht vorhanden ist; in jeder Hinsicht aber soll sie sich höflich und artig gegen die Bewohner des Landes und gegen Reisende benehmen. Ihr seht also, höchst ausgezeichneter und tapferer Armbrustschütze,« fügte Bertram als Erklärer des Befehls hinzu, »daß Höflichkeit und Artigkeit vor Allem Eurer Gnaden in Eurem Benehmen gegen Einwohner und Reisende vorgeschrieben ist, die in solchen Angelegenheiten wie wir jetzt in die Ausführung Eurer Vorschriften gerathen.«

»Man braucht mir nicht zu sagen,« bemerkte der Armbrustschütze, »wie ich mich in Ausführung meines Dienstes zu benehmen habe; laßt Euch den Rath geben, Herr Spielmann, daß Ihr freimüthig und offen unsere Fragen beantwortet; dann sollt Ihr keine Ursache zur Klage haben.«

»Ich hoffe jedenfalls,« sagte der Spielmann, daß Ihr meinen Sohn berücksichtigt; er ist ein guter Bursch und nicht gewohnt, eine Rolle unter den Menschenhaufen zu spielen, welche diese wilden Wälder bewohnen.«

»Wohlan,« fuhr der ältere und höflichere der Bogenschützen fort, »ist dein Sohn ein Neuling auf dieser irdischen Fahrt, so schließe ich aus deinem Blick und deiner Redeweise, Freund, daß du Geschicklichkeit genug besitzest, um einen Compaß zu gebrauchen; um dich zu trösten, sage ich dir, daß du vielleicht, obgleich du selbst die Fragen des Gouverneurs oder des Lieutenant-Gouverneurs beantworten mußt, damit diese sehen, es sei an dir nichts Arges, vielleicht nach meiner Meinung für deinen Sohn Erlaubniß erhältst, in dem Kloster hier in der Nähe zu bleiben, bis du dein Geschäft in Douglas Castle beendigt hast, und wieder bereit bist, die Reise anzutreten. Beiläufig gesagt, sind die Nonnen in dem Kloster dort eben so alt wie die Mönche und haben beinahe eben so lange Bärte; somit kannst du über die Moral deines Sohnes beruhigt sein.«

»Wenn ich diese Erlaubniß,« sagte der Sänger, »erlangen kann, so wäre es mir lieber, ihn in der Abtei zu lassen und vorher selbst wegzugehen, um die Befehle des kommandirenden Offiziers einzuholen.«

»Sicherlich,« erwiderte der Bogenschütze, »ist dies das sicherste und beste Verfahren. Mit einem oder zwei Goldstücken kannst du dir den Schutz des Abtes verschaffen.«

»Du redest weise,« erwiderte der Sänger; »ich kenne das Leben und bin mit jedem Abhang, Schlucht, Fußweg und Paß in der Wildniß unserer Bahn schon zwanzig Jahre lang vertraut; wer seinen Lauf nicht wie ein geschickter Seemann hindurchzusteuern vermag, nachdem er solche Lehrjahre durchgemacht hat, wird schwerlich jemals etwas lernen, würde ihm dazu auch ein Jahrhundert gestattet.«

»Da du ein so geschickter Seefahrer bist,« antwortete der Armbrustschütze Anthony, »so ist dir sicherlich auch auf deinen Wanderungen ein Trank, Morgenschluck genannt, vorgekommen, welchen diejenigen, die durch andere auf Bahnen geführt werden, wo sie selbst keine Erfahrung besitzen, denen zu geben pflegen, welche die Rolle eines Führers bei der Gelegenheit übernehmen.«

»Ich verstehe Euch, Herr,« sagte der Sänger; »und obgleich Geld oder Trinkgeld, wie die Flamländer das nennen, etwas Seltenes in der Börse eines Mannes von meinem Berufe ist, so sollst du dennoch meiner schwachen Fähigkeit gemäß keine Ursache zur Klage haben, daß deine Augen oder die deiner Kameraden durch einen schottischen Nebel Schaden litten, so lange wir noch ein englisches Geldstück zur Bezahlung des guten Getränkes finden können, womit dieselben des besseren Gesichtes wegen auszuwaschen sind.«

»Damit bin ich zufrieden,« sagte der Armbrustschütze; »wir verstehen jetzt einander; sollten Schwierigkeiten auch unterwegs entstehen, so sollst du die Unterstützung Anthony's nicht entbehren, um siegreich hindurch zu segeln. Du handelst aber zweckmäßig, wenn du deinen Sohn bald von dem Besuche in Kenntniß setzest, den er dem Abte Morgen früh erstatten muß. Denn du kannst dir wohl denken, daß wir unsern Gang nach dem Kloster keine Minute verzögern dürfen, sobald der Himmel sich morgen geröthet hat. Junge Leute haben ja oft neben andern Schwächen eine Neigung zur Faulheit und Liebe zur Bequemlichkeit.«

»Du sollst keine Ursache haben, das zu glauben,« erwiderte der Sänger; »nicht die Lerche selbst, wenn der erste durch die Wolken blickende Strahl sie erweckt, schwingt sich leichter zum Himmel empor, wie mein Augustin morgen derselben Aufforderung entsprechen wird, und da wir einander verstehen, so möchte ich Euch nur noch bitten, alle leichten Reden zu unterlassen, so lange mein Sohn sich in Eurer Gesellschaft befindet; er ist ein Knabe von unschuldigem Lebenswandel und furchtsam im Gespräche.«

»Munterer Spielmann,« sagte der ältere Bogenschütze; »du gibst uns hier ein zu plumpes Beispiel vom Satan, welcher die Sünde tadelt; hast du zwanzig Jahre lang die Gewerbe betrieben, wie du vorgibst, so muß dein Sohn, der doch seit der Kindheit dir Gesellschaft leistete, jetzt eine Schule eröffnen können, um dort sogar die Ausübung der sieben Todsünden zu lehren, deren Wesen Niemand besser, wie die Leute kennt, welche die Gay Science betreiben.«

»Wahrlich, Kamerad, du sagst die Wahrheit,« erwiderte Bertram, »und ich muß anerkennen, daß wir Spielleute in dieser Hinsicht sehr zu tadeln sind. Dennoch ist der Fehler wahrlich nicht einer derjenigen, deren ich besonders mich schuldig gemacht habe; im Gegentheil bin ich der Meinung, daß der Mann, welcher sein eigenes Haar geehrt zu sehen wünscht, wenn die Zeit dasselbe mit Silber bestreut hat, seine Munterkeit in Gegenwart von jungen Leuten zügeln muß, so daß er dadurch die der Unschuld zu erweisende Achtung zeigt. Ich werde deshalb, wenn Ihr es erlaubt, ein Wort mit Augustin reden, daß wir morgen in der Frühe auf sein müssen.«

»Das thue, Freund,« sagte der englische Soldat, »und zwar um so schneller, da unser ärmliches Abendessen warten muß, bis du bereit bist, daran Theil zu nehmen.«

»Hiezu, ich verspreche es dir,« antwortete Bertram, »will ich durchaus meiner Neigung gemäß keine Verzögerung bieten.«

»So folge mir,« sagte Dickson; »ich will dir zeigen, wo dieser dein junger Vogel sein Nest hat.«

Ihr Wirth stieg demgemäß eine hölzerne Treppe hinauf und klopfte an eine Thür, welche er dadurch als die seines jungen Gastes anzeigte.

»Euer Vater,« sagte er, als die Thür sich öffnete, »will mit Euch sprechen, junger Herr Augustin.«

»Entschuldigt mich, Wirth,« erwiderte Augustin; »weil dies Zimmer gerade über Eurem Speisezimmer liegt, und da der Fußboden nicht im besten Zustande sich befindet, wurde ich zum unanständigen Verfahren des Horchens gezwungen. Kein Wort ist mir entgangen von demjenigen, welches über meine beabsichtigte Wohnung in der Abtei, über die morgige Reise und die etwas frühe Stunde gesagt wurde, worin ich den Schlaf abschütteln oder nach deinem Ausdruck von der Hühnerstange fliegen muß.«

»Und wie gefällt dir,« sagte Dickson, »die Aussicht, daß du bei dem Abte in St. Bride's kleiner Heerde bleiben sollst?«

»Gut genug,« sagte der Jüngling; »wenn der Abt ein achtbarer Mann ist, wie es seinem Berufe geziemt, und keiner von jenen prahlenden Geistlichen, welche mit dem Schwert einherstolziren und sich wie rohe Soldaten in diesen unruhigen Zeiten benehmen.«

»Was das betrifft, junger Herr,« sagte Dickson, »so wird er schwerlich über irgend Etwas Händel anfangen, wenn Ihr ihm erlaubt, die Hand tief genug in Euren Beutel zu stecken.«

»Dann will ich ihn meinem Vater überlassen,« erwiderte Augustin, »der ihm keine vernünftige Forderung abschlagen wird.«

»In dem Fall,« erwiderte der Schotte, »könnt Ihr Euch auf unsern Abt hinsichtlich guter Bewirthung verlassen, und somit werden beide Theile zufrieden sein.«

»Gut, mein Sohn,« sagte Bertram, der jetzt dem Gespräch sich anschloß, »und damit du morgen zur frühen Reise bereit bist, will ich unsern Wirth bitten, dir einige Nahrung zu schicken; nach dem Essen solltest du zu Bett gehen, um nach den Mühen des Tages zu schlafen; morgen wird neue Arbeit kommen.«

»Und was dein Versprechen betrifft, welches du diesem ehrlichen Armbrustschützen gegeben hast,« erwiderte Augustin, »so hoffe ich, du werdest so viel geben, daß unsere Führer zufrieden sind, wenn sie höfliche und treue Leute sein wollen.«

»Gott segne dich, mein Kind,« erwiderte Bertram. »Du weißt schon, was alle englischen Armbrustschützen hinter dir herziehen würde, welche sich auf dieser Seite des Solway befinden. Du brauchst keinen befiederten Schaft zu fürchten, wenn du ein Reveillez demjenigen ähnlich singst, welches so eben aus jenem seidenen Netz von Goldfinken erklang.«

»Wißt mich also in Bereitschaft,« sagte der angebliche Jüngling, »wenn Ihr morgen früh fort wollt. Wie ich glaube, kann ich die Glocken der St. Bride Kapelle vernehmen, und besorge nicht ungeachtet durch meine Faulheit Euch und Eure Gesellschaft warten zu lassen.«

»Gute Nacht, Gott segne dich, Kind,« sagte der Sänger. »Bedenke, daß dein Vater in der Nähe schläft und beim geringsten Zeichen bei dir sein wird; ich brauche dich kaum zu ermahnen, daß du dich mittlerweile dem großen Wesen empfiehlst, welches unser aller Freund und Vater ist.«

Der Pilger dankte seinem vermeintlichen Vater für seinen Abendsegen und die Andern entfernten sich ohne weitere Worte, indem sie die junge Dame den ängstlichen Besorgnissen überließen, welche bei der Neuheit ihrer Lage und der natürlichen Zartheit ihres Geschlechtes auf sie eindrangen.

Das Stampfen von Pferdehufen wurde bald darauf im Hause von Hazelside vernommen, und der Reiter wurde von der Besatzung mit Zeichen der Achtung bewillkommt. Bertram bemerkte an dem Gespräche der Bogenschützen, daß der neue Ankömmling Aymer de Valence war, der Ritter, welcher die kleine Schaar befehligte, zu dessen Lanze, nach dem damaligen militärischen Ausdruck, die Armbrustschützen, womit wir bekannt geworden sind, ein oder zwei schwer Bewaffnete und eine verhältnißmäßige Anzahl von Pagen und Stallknechten gehörten. Kurz, er war der Befehlshaber der Besatzung in Thomas Dicksons Hause und seinem Range nach Gouverneur-Lieutenant von Douglas-Castle.

Um allen Verdacht hinsichtlich seiner und seines Gefährten so wie die Gefahr einer Unterbrechung der Ruhe des Letzteren zu vermeiden, stellte sich Bertram dem Ritter vor, dem gewaltigen Manne dieses kleinen Platzes. Er traf ihn an, wie er, mit so wenig Bedenklichkeit als bisher die Armbrustschützen, sein Abendessen an den Ueberbleibseln des Rinderbratens hielt.

Bertram mußte sich einer Befragung dieses jungen Ritters unterwerfen, während ein alter Soldat die Antworten des Befragten niederschrieb, sowohl in Bezug auf die Einzelnheiten seiner Reise und seines Geschäftes in Douglas-Castle, wie auch über seine Rückreise nach Beendigung dieses Geschäftes. Die Befragung war bei weitem genauer als diejenige von Seiten der Bogenschützen, und vielleicht auch ihm durchaus nicht angenehm, weil er wenigstens ein Geheimniß verschweigen mußte, was er auch sonst beabsichtigen mochte. Dieser neue Befrager zeigte übrigens durchaus keine Strenge oder finsteres Wesen in Blicken und Worten, dieselben waren mild, gütig »und süß wie ein Mädchen«; sein Wesen zeigte überhaupt das höfliche Verfahren, welches unser Dichtervater Chaucer jenem Muster der Ritterlichkeit zuschreibt, das er auf seiner Pilgerfahrt nach Canterbury uns schildert. Bei aller seiner Höflichkeit zeigte jedoch Valence einen bedeutenden Grad von Scharfsinn und Genauigkeit in seinen Fragen; Bertram war auch sehr damit zufrieden, daß der junge Ritter nicht darauf bestand, seinen angeblichen Sohn zu sehen, obgleich sein an Auskunftsmitteln reicher Kopf bereits beschlossen hatte, daß er wie ein Seefahrer im Sturme einen Theil opfern wolle, um den andern zu retten. Er wurde jedoch nicht zum Aeußersten getrieben, denn Sir Aymer behandelte ihn mit demjenigen Maß von Höflichkeit, zu welchem nach der damaligen herrschenden Meinung die Männer des Liedes berechtigt waren. Der Ritter gab höflich und gern seine Einwilligung, daß der junge Mann im Kloster, als einem passenden und ruhigen Wohnsitz für einen jungen und von einer Krankheit kaum genesenen Burschen, bleibe, bis Sir John de Walton seinen Willen hierüber aussprechen würde; Sir Aymer gab um so bereitwilliger seine Zustimmung, da hierdurch alle mögliche Gefahr abgewendet wurde, die englische Garnison mit einer Krankheit anzustecken.

Durch den Befehl des jungen Ritters wurden alle Anwesenden in Dicksons Hause früher als gewöhnlich zur Ruhe geschickt; das Morgengeläute in der nahen Kapelle sollte bei Tagesanbruch das Zeichen ihrer Wiedervereinigung sein. Sie versammelten sich demgemäß und begaben sich zum Kloster von St. Bride, wo der Sänger eine Unterredung mit dem Abt Hieronymus hielt. Der Letztere übernahm mit Erlaubniß von de Valence die Beherbergung von Augustin in seiner Abtei auf wenige Zeit, deren Dauer kürzer oder länger sein könne; dafür versprach Bertram eine Bezahlung in der Form von Almosen, womit Jener vollkommen zufrieden gestellt wurde.

»So sei es,« sagte Bertram, als er von seinem angeblichen Sohne Abschied nahm; »ich werde keinen Tag länger in Douglas-Castle verweilen, sobald ich mein Geschäft dort beendet habe, und dieses besteht darin, die alten Bücher, von denen Ihr gehört habt, nachzuschlagen; alsdann werde ich mich sogleich zur Abtei begeben, damit wir unsere Reise nach Hause antreten.«

»Vater,« erwiderte der Jüngling mit einem Lächeln, »ich besorge, daß Ihr, sobald Ihr Euch in Gedichten und Chroniken vertieft habt, Euren Augustin und dessen Angelegenheiten vergessen werdet.«

»Sei ohne Besorgniß, Augustin,« erwiderte der alte Mann mit einer Handbewegung, als ob er dem jungen Burschen einen Kuß zuwerfe. »Du bist gut und tugendhaft und der Himmel wird dich nicht vergessen, wäre dein Vater unnatürlich genug, deiner nicht zu gedenken. Glaube mir aber, alle alten Lieder seit den Tagen des Zauberers Merlin werden mich nicht dahin bringen, daß ich dich vergesse.«

Hierauf trennten sie sich; der Sänger begab sich mit dem englischen Ritter und dessen Gefolge nach dem Schlosse, und der Jüngling blieb mit pflichtgemäßen Achtungsbezeugungen bei dem ehrwürdigen Abte, welcher zu seinem Vergnügen bemerkte, daß die Gedanken seines Gastes sich eher auf geistliche Angelegenheiten als auf das Frühstück richteten, an dessen Nähe er selbst mit Sehnsucht zu denken nicht unterlassen konnte.



 << zurück weiter >>