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Dreizehntes Kapitel.

Als die Thüren des Gefängnisses geöffnet waren, zeigte sich einer jener Kerker, welcher damals seine Opfer ohne Hoffnung der Flucht umschloß, worin jedoch der sinnreiche Spitzbube neuerer Zeiten kaum einige Stunden zu verweilen gewürdigt haben würde. Die großen Ringe, womit die Fesseln verbunden und an den menschlichen Körper geheftet waren, zeigten bei der näheren Untersuchung eine so dünne Vernietung, daß sie mit einer ätzenden Säure befeuchtet, oder gegen ein Stück Sandstein mit Geduld gerieben, sich leicht auseinander reißen ließen, wodurch ihr Zweck sich gänzlich vereiteln ließ. Auch die großen und offenbar sehr starken Schlösser waren so plump gearbeitet, daß ein Künstler von einiger Erfindsamkeit sehr leicht auf ein Verfahren kommen konnte, ihre nach derselben Art wie die Fesseln verfertigte Verschließung zu überwältigen. Das Tageslicht fand seinen Weg in das unterirdische Gefängniß nur um Mittag und durch einen absichtlich mit Windungen hergestellten Eingang, so daß die Sonnenstrahlen dadurch ausgeschlossen wurden, während sich kein Hinderniß für das Eindringen des Windes oder des Regens vorfand. Die Lehre, daß ein Gefangener für unschuldig gelten müsse, so lange er von Seinesgleichen nicht für schuldig erkannt werde, wurde in jenen Zeiten roher Gewalt nicht verstanden; der Gefangene erhielt nur eine Lampe, oder eine andere Milderung seines Elendes, wenn sein Betragen ruhig war, und wenn er geneigt schien, seinen Gefangenwärter durch Versuche der Flucht nicht zu ärgern. Eine solche Zelle war die von Bertram, dessen Mäßigung und Geduld ihm diejenigen Milderungen seines Schicksals verschafft hatten, welche der Gefangenwärter gewähren konnte. Man hatte ihm erlaubt, das alte Buch in seine Zelle zu tragen, dessen Lesung seine Einsamkeit neben dem Gebrauch von Schreibmaterialien und anderer Hülfsmittel zum Zeitvertreib erheiterte, welche bei seinem Aufenthalt im Innern des Felsens und bei dem Grade seiner Kenntnisse möglich waren, in deren Besitz ihn sein Gewerbe als Sänger gesetzt hatte. Er erhob seinen Kopf vom Tische, als die Ritter eintraten, während der Gouverneur gegen den jungen Ritter bemerkte:

»Da Ihr das Geheimniß dieses Gefangenen zu kennen scheint, so überlasse ich es Euch, Sir Aymer de Valence, es in solcher Weise aufzuklären, wie Ihr es am meisten für zweckmäßig haltet. Wenn der Mann oder sein Sohn unnöthiges Drangsal erlitten hat, so wird es meine Pflicht sein, ihn zu entschädigen, welches nach meiner Meinung keine Sache von Bedeutung sein kann.«

Bertram blickte auf und heftete seine Augen fest auf den Gouverneur, las aber nichts in seinen Blicken, welches angezeigt hätte, daß er besser wie früher mit dem Geheimniß seiner Gefangenschaft bekannt sei; als er aber seine Augen auf Sir Aymer wandte, wurde sein Antlitz offenbar erheitert, und der von Beiden gewechselte Blick war der des gegenseitigen Einverständnisses.

»Ihr kennt also mein Geheimnis,« sagte er, »und Ihr wißt, wer die Augustin genannte Person ist?«

Sir Aymer tauschte mit ihm einen Blick der Bejahung aus, während die Augen des Gouverneurs sich mit heftigem Ausdruck von dem Gefangenen sich zum Ritter von Valence richteten.

»Sir Aymer,« rief er aus, »so wahr Ihr zum Ritter geschlagen und Christ seid, so wahr Ihr auf Erden Eure Ehre zu bewahren habt, und nach dem Tode auf Erlösung hofft, sagt mir den Sinn dieses Geheimnisses! Vielleicht glaubt Ihr mit Recht, daß Ihr Ursache zur Klage gegen mich habt. Ist das der Fall, so will ich Euch Genugthuung geben, die ein Ritter geben kann.«

Der Sänger sprach in demselben Augenblick.

»Ich erlasse an diesen Ritter,« sagte er, »bei seinem Gelübde des Ritterthums die Aufforderung, daß er kein Geheimniß einer Person von Ruf und Ehre entdeckt, wenn er nicht bestimmte Versicherung hat, daß es gänzlich mit Einwilligung derselben geschieht.«

»Dies Schreiben wird Eure Bedenklichkeit beseitigen,« sagte Sir Aymer, indem er die Pergamentrolle dem Sänger übergab. »Was Euch, Sir John de Walton betrifft, so bin ich weit entfernt, das geringste Gefühl eines Mißverständnisses länger zu hegen, welches vielleicht zwischen uns stattgefunden hat; ich bin vielmehr geneigt, dasselbe in Vergessenheit zu begraben, da es von einer Reihe von Mißverständnissen entsprang, welche kein Sterblicher begreifen konnte. Seid nicht beleidigt, theurer Sir John, wenn ich mit meinem ritterlichen Worte Euch die Versicherung gebe, daß ich Euch wegen der Schmerzen bemitleide, welche dieses Schreiben wahrscheinlich bei Euch erregen wird, und daß ich, im Fall meine äußersten Anstrengungen Euch den geringsten Dienst erweisen können, um diesen verwickelten Strang zu entwirren, ich darauf mit solcher Ernstlichkeit hinwirken werde, wie es mir jemals sonst in meinem Leben möglich war. Dieser treue Sänger wird jetzt erkennen, daß er ohne Schwierigkeit ein Geheimniß erklären kann, welches er sicherlich ohne das jetzt von mir ihm überreichte Schreiben mit unerschütterlicher Treue bewahrt haben würde.«

Sir Aymer überreichte jetzt de Walton ein Schreiben, worin er, bevor er von St. Bride's Kloster aufbrach, seine eigene Auslegung des Geheimnisses dargelegt hatte. Der Gouverneur hatte kaum den darin enthaltenen Namen gelesen, als derselbe Name auch zugleich von Bertram ausgesprochen wurde, welcher in demselben Augenblick dem Gouverneur das Schreiben der Dame einhändigte, das er von Sir Aymer erhalten hatte.

Die weiße Feder, welche über der Sturmhaube des Ritters, einer Kopfbedeckung, die er im Schlosse trug, wehte, war nicht blässerer Farbe, wie der Ritter selbst, als er die überraschende und erstaunende Kunde erhielt, die Dame, welche nach der damaligen Ausdrucksweise die Kaiserin seiner Gedanken und die Befehlshaberin seiner Handlungen war, und gegen welche er auch in einer weniger phantastischen Zeit die tiefste Dankbarkeit wegen der großmüthigen zu seinen Gunsten getroffenen Wahl hätte hegen müssen, sei dieselbe Person, die er mit persönlicher Gewaltthätigkeit bedroht und einer so harten und beschimpfenden Behandlung unterworfen hatte, wie er eine solche sogar gegen die niedrigste ihres Geschlechtes nicht freiwillig geübt haben würde.

Sir John de Walton schien jedoch zuerst die zahlreichen üblen Folgen kaum zu begreifen, welche sich aus dieser unglücklichen Verwicklung von Verirrungen als wahrscheinliche Folge ergeben konnten. Er nahm das Schreiben dem Sänger aus der Hand, und als sein Auge beim Lampenschein über die Buchstaben hinflog, ohne daß irgend ein bestimmter Eindruck in seiner Vorstellung hervorgerufen wurde, besorgte sogar de Valence, daß er im Begriff stehe, sein Geistesvermögen zu verlieren.

»Um des Himmels willen, Herr,« sagte er, »seid ein Mann und ertragt mit männlicher Festigkeit diese unerwarteten Vorfälle, welche kein Verstand des Menschen hätte verhindern können, und von denen ich gerne glaube, daß sie keine weiteren üblen Folgen haben werden. Diese schöne Dame kann, wie ich hoffe, durch eine Reihe von Umständen nicht sehr verletzt oder gekränkt sein, welche sich als natürliche Folge Eures Eifers ergeben, um Euch vollkommen einer Pflicht zu entledigen, von deren Erfüllung alle Hoffnungen abhängig sind, die sie Euch zu nähren gestattet hat. In Gottes Namen, Herr, rafft Euch auf, damit man nicht von Euch sage, die Furcht vor einem finstern Blick einer schönen Dame habe in solchem Grade den Muth des kühnsten Ritters in England geschwächt. Seid derselbe Mann, welchem man den Namen Walton des Unerschütterlichen ertheilte; in des Himmels Namen laßt uns erst erkennen, ob die Dame wirklich beleidigt ist, bevor wir den Schluß ziehen, sie sei unversöhnlich. Welchen Fehlern müssen wir jetzt die Quelle aller dieser Irrthümer zuschreiben? Mit aller schuldigen Achtung sei es gesagt, sicherlich nur dem Eigensinne der Dame selbst, welche eine solche Verschlingung von Verirrungen erzeugt hat. Denkt daran als ein Mann und als Soldat. Denkt Euch, daß Ihr selbst oder ich, um die Treue Eurer Schildwachen zu erproben, oder aus anderem guten oder schlechten Grunde versucht hättet, dies gefährliche Schloß Douglas zu betreten, ohne das Losungswort den Wächtern zu sagen; besäßen wir dann ein Recht, die dienstthuenden Leute zu tadeln, wenn sie, unbekannt mit unseren Personen, uns den Eintritt verweigert, uns zu Gefangenen gemacht und mißhandelt hätten, indem sie den von uns selbst ertheilten Befehlen gemäß unserm Versuche Widerstand entgegen setzten? Was ist hier der Unterschied zwischen einer solchen Schildwache und Euch, de Walton, in dieser sonderbaren Angelegenheit, welche beim Himmel eher einen heiteren Gegenstand für ein Lied dieses ausgezeichneten Sängers, als den Stoff für ein schwermüthiges Gedicht darbieten könnte? Kommt, zeigt nicht ein solches Aussehen, Sir John de Walton, seid zornig, wenn Ihr wollt, über die Dame, welche eine solche Thorheit begangen hat, oder über mich, der ich die ganze Nacht für nichts und wieder nichts auf und ab ritt und mein bestes Pferd verdarb, ob ich mich gleich in vollkommener Ungewißheit befinde, wie ich ein anderes bekommen werde, bis mein Oheim Pembroke und ich wieder ausgesöhnt sind. Oder endlich, wenn Ihr gänzlich abgeschmackt in Eurem Grimme sein wollt, so richtet denselben gegen diesen würdigen Sänger wegen seiner seltenen Treue und bestraft ihn für sein Verfahren, wofür er besser eine goldene Kette verdient; gebt der Leidenschaft Raum, wenn Ihr wollt, verscheucht aber diese finstere Niedergeschlagenheit von der Stirne eines Mannes und eines mit dem Schwert umgürteten Ritters.«

Sir John de Walton machte eine Anstrengung zu sprechen, und es gelang ihm nur mit einiger Schwierigkeit.

»Aymer de Valence,« sagte er, »Ihr spielt mit Eurem Leben, wenn Ihr einen Wahnsinnigen aufreizt,« alsdann schwieg er wieder.

»Es ist mir lieb, daß Ihr wenigstens so viel sagen könnt,« erwiederte sein Freund, »denn ich scherzte nicht, als ich sagte, ich wolle lieber, daß Ihr mit mir im Streit wäret, als daß Ihr die Schuld Euch allein zuschriebt. Nach meiner Meinung ist es der Höflichkeit angemessen, daß Ihr diesen Sänger sogleich in Freiheit setzt. Mittlerweile will ich ihn wegen seiner Dame in allen Ehren ersuchen, unser Gast zu sein, bis Lady Augusta de Berkeley uns dieselbe Ehre erweist, und uns in unseren Nachforschungen nach ihrem Zufluchtsort zu unterstützen.«

»Ihr scheint, Herr Ritter,« erwiederte der Sänger, »weniger das Recht in's Auge zu fassen, das zu thun, was Ihr solltet, als die Macht zu besitzen, Euren Willen auszuführen. Ich muß mich sicherlich durch Euren Rath leiten lassen, denn Ihr besitzt ja die Gewalt, denselben zum Befehle zu machen.«

»Und ich hoffe,« fuhr de Valence fort, »daß wir, sobald Ihr mit Eurer Herrin wieder zusammenkommt, uns die Wohlthat Eurer Vermittlung in Allem angedeihen lassen werdet, was ihr mißfallen haben kann, denn es ist zu bedenken, daß die Absicht unserer Handlungen gerade das Gegentheil war.«

»Laßt mich,« sagte Sir John de Walton, »ein einziges Wort sagen. Zum Zeichen meines Bedauerns, daß du verurtheilt wurdest, so Unwürdiges zu leiden, sollst du eine Kette von Gold haben, schwerer als die eiserne, welche dich fesselt.«

»Genug gesagt, Sir John,« bemerkte de Valence. »Versprechen wir nicht mehr, bis dieser gute Sänger ein Zeichen von dem, was wir vollbringen wollen, sehen wird. Folge mir jetzt in ein besonderes Gemach; dort will ich dir im Geheimen andere Zeitungen hinterbringen, deren Kenntniß für dich von Wichtigkeit ist.«

Mit den Worten zog er de Walton aus dem Gefängnisse, ließ den schon erwähnten alten Ritter Sir Philipp de Montenay holen, welcher die Stelle eines Seneschal im Schlosse versah, und befahl, daß der Sänger aus dem Gefängniß entlassen werden solle, daß man ferner in jeder andern Hinsicht gut für ihn sorge, obgleich ihm übrigens noch immer mit größter Höflichkeit bedeutet werden müsse, es sei ihm verboten, das Schloß ohne einen zuverlässigen Begleiter zu verlassen.

»Und jetzt, Sir John de Walton, sagte er, »glaube ich, Ihr seid etwas unartig, weil Ihr für mich kein Frühstück bestellt, nachdem ich die ganze Nacht in Euren Angelegenheiten beschäftigt war; ein Becher Muskatwein würde nach meiner Meinung keine üble Einleitung für eine vollkommene Betrachtung dieser verwirrten Angelegenheit bilden.«

»Du weißt,« erwiederte de Walton, »daß du Alles von mir verlangen kannst, was du willst, vorausgesetzt, du sagst mir ohne Zeitverlust, was dir über den Willen dieser Dame bekannt ist, gegen welche wir uns so schwer versündigt haben; vorzugsweise habe ich mich in solcher Art vergangen, daß ich auf keine Verzeihung hoffen darf.«

»Wie ich hoffe, seid Ihr überzeugt,« sagte der Ritter de Valence, »daß die gute Dame gegen mich keine Bosheit hegt, wie sie auch ausdrücklich auf jeden Aerger hinsichtlich meiner verzichtet hat. Die Worte sind, wie Ihr seht, so deutlich, wie Ihr lesen könnt. ›Die Dame verzeiht sehr gern dem Aymer de Valence den Umstand, daß er in ein Versehen verwickelt wurde, wozu sie selbst die Veranlassung gab; sie selbst wird mit ihm zu jeder Zeit sehr gern als mit einem Bekannten zusammentreffen, und nicht weiter an die Geschichte dieser wenigen Tage denken, außer etwa, um darüber zu scherzen und zu lachen.‹ So ist es ausdrücklich niedergeschrieben.«

»Ja,« erwiederte Sir John de Walton, »aber seht Ihr nicht, daß ihr Liebhaber wegen seines Vergehens ausdrücklich von der Verzeihung ausgeschlossen ist, welche dem weniger Schuldigen gewährt wurde? Hört doch den Schlußsatz.«

Er nahm die Pergamentrolle mit zitternder Hand und las die Schlußworte mit verstörter Stimme. »Es steht dort: ›Alle frühere Verbindung muß von jetzt an zwischen ihm und dem angeblichen Augustin beendet werden.‹ Erklärt mir, wie das Lesen dieser Zeilen auf etwas Anderes sich zurückführen läßt, als auf die Verurtheilung und die Aufhebung des Contraktes, in welcher die Vernichtung der Hoffnungen von Sir John de Walton einbegriffen ist.«

»Ihr seid etwas älter, wie ich, Herr Ritter,« erwiederte de Valence, »und ich gestehe auch ein, daß Ihr weit mehr Weisheit und Erfahrung besitzt; ich will es jedoch vertreten, daß kein Grund für die Annahme der Auslegung vorhanden ist, die Ihr, Euren Ansichten gemäß, auf diesen Brief anwendet, ohne daß Ihr an den vorhergehenden Umstand denkt, die schöne Schreiberin sei in ihrem Verstande verstört gewesen – halt, fahrt nicht auf, werft mir keine leidenschaftlichen Blicke zu, oder legt nur nicht die Hand an Euer Schwert. Ich habe nicht behauptet, daß dies der Fall ist. Ich sage wiederum, daß kein Weib, so lange ihr Verstand nicht verstört ist, einem gewöhnlichen Bekannten verziehen haben würde, wenn er gegen sie mit unabsichtlicher Mißachtung und Unart während des Verlaufs einer gewissen Maskerade verfuhr, und daß sie zugleich mit finsterem Ausdruck und unwiderruflich mit dem Liebhaber brechen könnte, dem sie ihr Wort verpfändet hatte, obgleich sein Irrthum an der Theilnahme des Vergehens weder gröber war, noch länger dauerte, als derjenige, den die hinsichtlich der Liebe ihr gleichgiltige Person beging.«

»Lästert nicht,« sagte Sir John de Walton, »und vergebt mir, wenn ich, um der Wahrheit und einem Engel Gerechtigkeit zu erweisen, den ich für immer verwirkt zu haben fürchte, Euch auf den Unterschied aufmerksam mache, den ein Mädchen von Würde und Gefühl zwischen einer ihr erwiesenen Beleidigung von Seiten eines gewöhnlichen Bekannten und einer andern von genau derselben Art aufstellen muß, die ihr von einem Manne angethan wurde, welcher durch unverdienten Vorzug, durch die großmüthigsten Wohlthaten und durch Alles, wodurch menschliches Gefühl bestimmt werden kann, zum Nachdenken und zur Ueberlegung gezwungen ist, bevor er als handelnd in irgend einem Falle auftritt, woran sie in irgend einer Weise betheiligt sein kann.«

»Bei meiner Ehre,« sagte Sir Aymer de Valence, »ich vernehme mit großem Vergnügen, daß Ihr endlich einen Versuch zur Ueberlegung macht, mag auch dieselbe unvernünftig genug sein, da jener dahin geht, alle Eure Hoffnungen zu zerstören, und Eure Aussichten auf Glück Euch hinwegzuläugnen; habe ich aber im Verlauf dieser Angelegenheit mich bisweilen gegen Euch so benommen, daß ich nicht allein dem Gouverneur, sondern sogar dem Freunde einige Ursache zur Unzufriedenheit gab, so will ich dies jetzt, John de Walton, durch den Versuch ausgleichen, die richtige Ueberzeugung, ungeachtet Eurer eigenen verkehrten Logik, in Euch zu erwecken. Hier aber kömmt der Muskatwein und das Frühstück; willst du einige Erfrischungen nehmen, oder sollen wir ohne den Geist des Weines fortfahren?«

»Um des Himmels willen,« rief de Walton, »thue wie du willst, verschone mich aber mit deinem gut gemeinten Geschwätz.«

»Du sollst mich durch Zank nicht um mein Vermögen einer klaren Darlegung bringen,« sagte de Valence lachend, indem er sich einen Becher Weins bis an den Rand anfüllte; »erkennst du dich für besiegt, so bin ich zufrieden, meinen Sieg der begeisternden Kraft dieses Getränkes der Geselligkeit zuzuschreiben.«

»Thue wie du willst,« sagte de Walton, »sprich aber nicht weiter über die Angelegenheit, die du nicht verstehst.«

»Ich läugne die Beschuldigung,« erwiederte der junge Ritter, als er nach der Leerung des Bechers sich die Lippen abwischte. »Höre mir zu, kriegerischer Walton, bei meiner Vorlesung über die Geschichte der Weiber, worin du ungeschickter bist, als ich es wünsche. Du kannst nicht läugnen, daß deine Lady Augusta, mag es Recht oder Unrecht sein, sich mehr wie gewöhnlich auf diesem Meer der Liebe eingelassen hat; sie machte dich kühn genug zum Ritter ihrer Wahl, während du ihr allein bekannt warst als die Blume der Ritterschaft – wahrlich ich achte sie wegen ihres Freimuthes, es war jedoch eine Wahl, welche die kälteren Weiber als unbesonnen und übereilt bezeichnen würden – still, ich bitte dich, werde nicht beleidigt – ich bin weit davon entfernt, dies zu denken oder dies zu sagen, im Gegentheil bin ich bereit, mit der Lanze ihre Wahl des John de Walton gegen die Günstlinge eines Hofes zu vertreten, daß dieselbe ebenso weise und großmüthig, wie ihr Betragen aufrichtig und edel ist. Allein wahrscheinlich besorgt sie selbst eine ungerechte Deutung, eine Furcht, wodurch sie allem Anschein nach verleitet wird, eine Gelegenheit zu benutzen, damit sie ihrem Liebhaber ungewöhnliche Strenge zeigen kann, weil dadurch gewissermaßen ihrem früheren Verfahren ein Gleichgewicht geboten wird, wodurch sie im Beginn ihres gegenseitigen Verkehres ihm einen ungewöhnlichen Grad von freimüthiger Ermuthigung darbot. Es mag sogar ihrem Liebhaber leicht sein, Partei gegen sich selbst zu nehmen, wenn derselbe, wie du es jetzt in deiner Bethörung thust, ihr allerlei Schwierigkeiten erweckt, so daß sie nicht von einem Verfahren ablassen kann, worin der Liebhaber selbst sie zu bestärken thöricht genug ist; so erhält sie vielleicht wie eine Jungfrau, welche zu bald bei ihrem ersten Nein gefangengenommen wurde, keine weitere Gelegenheit, ihrem wirklichen Gefühle gemäß zu verfahren, oder ein Urtheil zurückzunehmen, welches mit Einwilligung der Parthei gesprochen wurde, deren Hoffnungen dasselbe vernichtet.«

»Ich habe dich angehört, de Valence,« antwortete der Gouverneur von Douglasdale, »und ich kann ohne Schwierigkeit zugestehen, daß diese deine Lehren den Weg zur Erreichung und Eroberung manchen weiblichen Herzens zeigen können; für das der Augusta Berkeley sind sie aber nicht geeignet. Bei meinem Leben, ich würde mich eher des Verdienstes der wenigen Ritterthaten berauben lassen, welche, wie du sagst, mir eine so beneidenswerthe Auszeichnung verschaffen, als daß ich mit Berufung auf dieselben den Uebermuth hegen könnte, zu sagen, mein Platz im Herzen der Dame sei so fest eingenommen, daß er nicht durch den Erfolg eines würdigeren Mannes oder durch mein eigenes grobes Versehen erschüttert werden könnte, welches ich mir gegen den Gegenstand meiner Neigung zu Schulden kommen ließ. Nein, sie selbst allein soll Gewalt haben, mich zu überreden, daß sogar eine Herzensgüte, welche der einer zu meinen Gunsten einschreitenden Heiligen gleich käme, mir ihre Neigung zurückgeben soll, die ich unwürdigerweise mit einer Thorheit verscherzte, wie sie sich allein unvernünftigen Thieren zuschreiben läßt.«

»Ist das Eure Ansicht,« sagte Sir Aymer de Valence, »so habe ich nur noch ein Wort hinzuzufügen – vergebt mir, wenn ich dasselbe bestimmt ausspreche – die Dame, wie Ihr sagt, und richtig sagt, muß die endliche Entscheidung jener Sache geben; meine Darlegung dehnt sich nicht dahin aus, daß Ihr darauf bestehen müßtet, ihre Hand in Anspruch zu nehmen, sie mag wollen oder nicht; um jedoch ihren Entschluß kennen zu lernen, müßt Ihr ausfindig machen, wo sie ist, ein Umstand, wovon ich Euch unglücklicherweise nicht in Kenntniß setzen kann.«

»Wie, was meint Ihr!« rief der Gouverneur aus, welcher erst jetzt die Ausdehnung seines Unglücks zu begreifen begann, »wohin ist sie, und mit wem geflohen?«

»Sie ist geflohen,« sagte de Valence, »vielleicht um einen mehr unternehmenden Geliebten zu suchen, der nicht jedes kalte Lüftchen als das Verderben aller seiner Hoffnungen betrachtet. Vielleicht sucht sie den schwarzen Douglas, oder einen andern Held der Distel auf, um mit ihren Gütern, ihren Schlössern und ihrer Schönheit die Tugenden der Unternehmung und des Muthes zu belohnen, welche man eines Tages bei Sir John de Walton voraussetzte. Jedoch, und in allem Ernst, sage ich dieß, in unserer Umgebung geschehen jetzt Ereignisse von höchster Wichtigkeit. Ich habe auf meinem Ritt nach St. Bride's Kloster gestern Abend genug gesehen, um Verdacht gegen Jedermann zu hegen. Ich schickte Euch als Gefangenen den alten Küster der Kirche Douglas; ich fand ihn widerspenstig bei einigen Fragen, die ich ihm vorzulegen für passend hielt; davon jedoch ein andermal. Die Flucht dieser Dame vermehrt sehr die Verwirrung, welche dieses bezauberte Schloß umringt.«

»Aymer de Valence,« erwiederte de Walton in feierlichem und lebhaftem Tone, »dies Schloß soll vertheidigt werden, wie wir es bisher mit Gottes Hülfe vertheidigen konnten, damit das Banner St. Georgs von den Zinnen wehe; von welcher Art auch mein Schicksal sein mag, so will ich als der treue Geliebte der Augusta de Berkeley sterben, sollte ich auch nicht länger als ihr erwählter Ritter leben. Es gibt Klöster und Einsiedeleien –«

»Ja, sicherlich genug,« erwiederte Sir Aymer; »außerdem auch Gürtel aus Hanf und Stricken, und Rosenkränze aus Eichenholz; alles dies aber wollen wir bei unserer Rechnung übergehen, bis wir entdeckt haben, wo die Lady Augusta ist, und was sie in dieser Angelegenheit thun will.«

»Ihr redet vernünftig,« antwortete de Walton; »halten wir Rath zusammen, durch welche Mittel wir den Aufenthalt der Dame aufzufinden vermögen, welche durch ihre übereilte Flucht mir ein großes Unrecht erwiesen hat. Ich meine, wenn sie wirklich glaubte, daß ihren Befehlen nicht von mir vollkommen gehorcht würde, hätte sie damit den Gouverneur von Douglas-Castle oder irgend Jemand, welcher unter seinem Befehle steht, beehrt.«

»Jetzt,« erwiederte de Valence, »sprecht Ihr wiederum wie ein wahrer Sohn des Ritterthums; mit Eurer Erlaubniß will ich diesen Sänger zu uns entbieten. Seine Treue gegen seine Herrin war beneidenswerth; wie die Sachen jetzt stehen, müssen wir augenblickliche Maßregeln ergreifen, um ihren Zufluchtsort ausfindig zu machen.«



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