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Siebentes Kapitel.

Als Treiber weithin aus sich dehnten,
Den Hirsch empor zu scheuchen,
Erprobten Schützen ihre Sehnen,
Ob weit die Pfeile reichen.

Es lief das Wild erschreckt im Wald,
An jeder Seit' umgeben,
Als das Gebell der Hunde schallt',
Die Hirsche zu erlegen.

Ballade der Chevy-Jagd.

Der festgesetzte Morgen war kalt und rauh, nach Art des schottischen Märzwetters; die Hunde kläfften, gähnten und zitterten; die Jäger, obgleich abgehärtet und voll freudiger Erwartung hinsichtlich der Jagd des Tages, zogen ihre niederländischen Mäntel dicht an den Hals zusammen und schauten mit einiger Furcht auf die Nebel, welche am Horizont schwebten, um bald auf die Gipfel und Rücken der vorragenden Berge zu sinken, bald aber unter dem Einfluß ungewisser Winde, die durch das Thal wehend, abwechselnd höher und niedriger blieben, ihre Lage an den Bergseiten zu verändern.

Dennoch bot das Aussehen des Ganzen, wie es bei allen Theilen der Jagd gewöhnlich ist, ein heiteres und vergnügtes Schauspiel. Ein kurzer Waffenstillstand schien zwischen den Völkern stattzufinden; es schien eher, als ob das schottische Volk die Jagd seiner Berge in freundschaftlicher Weise den englischen, für die damalige Zeit hochgebildeten Rittern und den muthigen Bogenschützen Alt-Englands zu zeigen sich bemühe, als ob es einen Lehendienst, welcher weder leicht, noch ehrenvoll war, auf Befehl der mit Gewalt herrschenden Nachbarn zu vollbringen habe. Die Gestalten der Reiter, bald zur Hälfte erblickt, bald vollkommen sichtbar, und in starker Körper-Anstrengung dem Charakter des gefährlichen und zerklüfteten Bodens gemäß sich zeigend, zogen die Aufmerksamkeit der Fußgänger auf sich, welche, die Hunde leitend, oder das Dickicht durchschreitend, die Gegenstände der Jagd aufscheuchten, die sie in den Schluchten vorfanden und ihr Auge auf die Jäger hefteten, welche sowohl als beritten, wie durch die Schnelligkeit, wozu sie ihre Pferde antrieben, mehr ins Auge fallen mußten; diese Jäger nämlich kümmerten sich um etwaige Unglücksfälle dort eben so wenig, wie die Jäger der Gegenwart auf Melton Mowbray, oder einem andern berühmten Jagdfelde.

Die Grundsätze, nach welchen neuere und ältere Jagden ausgeführt wurden, waren aber, so weit es überhaupt nur möglich ist, von einander verschieden. Ein Fuchs oder ein Hase gilt in unsern Tagen als ein genügender Rechtfertigungsgrund, um 40 bis 50 Hunde und beinahe eben so viel Menschen und Pferde auf einen Tag lang in Bewegung zu erhalten; die alte Jagd aber, wenn sie auch nicht, wie dieß häufig der Fall war, mit einem Kampfe endigte, hatte einen wichtigeren Zweck, und erweckte eine weit größere Aufregung. Läßt sich wirklich eine Art Körperübung als allgemein erheiternd und jede Thätigkeit in Anspruch nehmend, vor allen andern bezeichnen, so ist dieß sicherlich die Jagd. Der arme, überarbeitete Taglöhner, welcher sein ganzes Lebenlang gedient und alle seine Kräfte als Untergeordneter von Nebenmenschen aufgerieben hat, welcher viele Jahre lang der Sclav des Ackerbaues, oder, was noch schlimmer ist, der Fabriken war, welcher von Jahr zu Jahr sich nur damit beschäftigt, eine Metze Getraide zu ziehen, oder welcher jeden Tag die einförmige Arbeit an einem Stehpulte vollbringt – ein solcher kann kaum für das allgemeine Glück unempfindlich bleiben, wann die Jagd mit Hunden und Hörnern an ihm vorüber fährt, und muß auf einen Augenblick alles Entzücken des stolzesten Cavalieres empfinden, der am Vergnügen Antheil nimmt. Ein jeder, welcher Zeuge eines solchen Anblicks war, mag sich die Kraft und die lebhafte Theilnahme in's Gedächtniß zurückrufen, die man einem ganzen Dorfe, mit Einschluß der ältesten und schwächsten Einwohner, bei solchen Gelegenheiten eingeflößt sieht. Nach den Worten von Wordsworth läßt sich alsdann sagen:

Auf, Timothy, sei mit dem Stabe bereit!
Keine Seele verbleibt in dem Dorfe heut!
Von Hamilton's Gut ist der Hase verscheucht,
Skiddon ist erfreut, weil Gebell es erreicht.

Man vergleiche aber diese aufregenden Töne mit dem Getümmel einer ganzen feudalen Bevölkerung, welche an der Jagd Theil nimmt und deren Leben statt bei der einförmigen Arbeit neuerer Berufsgeschäfte zu vergehen, durch die Wagnisse des Krieges und der Jagd, dem Bilde desselben, bewegt wurde; alsdann muß man nothwendig voraussetzen, daß die Aufregung sich schnell wie ein Feuer verbreitete, welches über eine dürre Haide hinfährt. Um uns eines gewöhnlichen Ausdrucks zu bedienen, den wir einem andern Vergnügen entlehnen, so wird das Netz alsdann bei solchen Gelegenheiten schnell mit Fischen angefüllt. Eine alte Jagd war, mit Ausnahme der Natur des Gemetzels, einer neueren Schlacht beinahe gleich, wenn der Kampf auf einer mannigfach gestalteten und ungleichen Oberfläche stattfindet.

Eine ganze Gegend ergoß alsdann ihre Einwohner, welche einen Ring von großer Ausdehnung bildeten, allmälig vordrangen und ihren Kreis verengten und so die erschreckten Thiere jeder Art vor sich hertrieben; dieselben waren sämmtlich in Rudeln oder vereinzelt, wenn sie aus dem Dickicht oder Moor hervordrangen, das Ziel des Bogens, des Wurfspießes oder anderer geschleuderter Waffen, welche die Jäger besaßen; andere dagegen wurden niedergerannt und durch große Jagdhunde zerrissen oder noch häufiger zum Stehen gebracht, worauf dann die angesehensten gegenwärtigen Personen für sich das Vergnügen in Anspruch nahmen, sie mit ritterlicher Hand zu erlegen, wobei ein Jeder sich einer solchen Gefahr aussetzte, wie man sie bei einem tödtlichen Kampfe, sogar von einem furchtsamen Rehbock erwarten kann, wenn demselben keine Wahl bleibt, als sein Leben herzugeben, oder sich mit seinem Geweih und mit allem Muthe der Verzweiflung zur Wehre zu setzen.

Die Masse des damals in Douglasdale befindlichen Wildes war sehr beträchtlich, denn wie schon angegeben wurde, hatte eine große Jagd schon lange nicht mehr unter den Douglas stattgefunden, deren Unglück seit mehreren Jahren mit dem ihres Landes begonnen hatte. Die englische Garnison hatte sich vorher nicht für stark und zahlreich genug zu Ausübung dieses hochgeschätzten Feudalvorrechtes gehalten. Somit hatte sich das Wild beträchtlich vermehrt. Rothwild, wildes Rindvieh und wilde Schweine verweilten nahe am Fuß der Gebirge und drangen häufig in den niederen Theil des Thales, welcher in Douglasdale keine geringe Aehnlichkeit mit einer Oase bietet, denn er ist von dichten Wäldern, von Moorland mit Teichen, gelegentlich auch von felsigem Boden umringt, so daß große Strecken öden Gebietes vorhanden sind, in welche das Wild von der Nähe des Menschen gedrängt, sich gerne zu verstecken pflegt.

Als die Jäger die Orte durchzogen, welche das Feld vom Walde trennten, herrschte unter ihnen die aufregende Ungewißheit, welche Art Wild zuerst sich finden werde. Der Jäger mit gespannter Armbrust oder mit zum Wurf bereitem Speere, beobachtete sorgfältig, während sein gutes mit Gebiß wohl versehenes Pferd zum Sprung bereit gehalten wurde, welche Thiere aus dem Dickicht hervordringen würden, so daß er bereit war, mogten Hirsche, Eber, Wölfe, wildes Rindvieh oder andere Arten von Wild ihm in den Wurf kommen.

Der Wolf, welcher durch seine Räubereien das gefährlichste der wilden Thiere war, gewährte jedoch nicht die von seinem Namen zu erwartende Unterhaltung; er floh gewöhnlich auf große Entfernung, bisweilen auf mehrere Meilen, ehe er Muth genug faßte, sich seinem Feinde zu stellen, obgleich er in solchen Augenblicken furchtbarer war, und sowohl Hunde wie Menschen durch seinen furchtbaren Biß häufig tödtete, so wird er dagegen zu andern Malen wegen seiner Feigheit verachtet. Der Eber war andererseits ein weit zornigeres und muthigeres Thier.

Das wilde Rindvieh Diese Stiere werden von Hector Boëthius in folgender Weise geschildert: »In diesem caledonischen Walde sieht man bisweilen wilde Stiere mit krausen und lockigen Mähnen, gleich trotzigen Löwen; obgleich sie sanft und zahm in der übrigen Gestalt ihrer Körper scheinen, waren sie wilder als andere Thiere, und hegten solchen Haß gegen die Gesellschaft des Menschen, daß sie niemals in die Wälder oder auf die Wiesen kamen, wo sie die Spur eines Fußes oder einer Hand fanden, und daß sie viele Tage nachher keine Kräuter fraßen, welche von Menschen berührt worden waren. Diese Stiere waren so wild, daß man sie nur mit großer List fangen konnte, und so unzähmbar, daß sie einige Tage nach ihrem Einfangen an unerträglichen Schmerzen starben; sobald ein Mensch diese Stiere angriff, stürzten sie mit so gewaltigem Andrang auf ihn ein, daß sie ihn zu Boden warfen; sie fürchteten sich dabei weder vor Hunden, noch scharfen Lanzen, noch andern Waffen der tödtlichsten Art.« ( Boëthius, Chronicon Scotorum. Vol. I.)
Das wilde Rindvieh dieser Rasse, welches man jetzt nur noch auf einem Gute in England, dem Chillingham-Castle in Northumberland antrifft, fand sich, soweit Menschen sich jetzt noch erinnern können, auch auf drei Plätzen, in Schottland, Drumlanrig, Cumbernauld und dem oberen Parke von Hamilton Palace; an diesen Orten sind die Thiere jedoch, wie ich glaube mit Ausnahme des letzteren, wegen ihrer Wildheit ausgerottet worden. Obgleich dieses wilde Rindvieh der Neuzeit, sich durch weiße Farbe und schwarze Schnauze auszeichnet, und auch noch die schwarze, drei oder vier Zoll lange Mähne zeigt, wodurch die Stiere sich besonders auszeichnen, kommen sie durchaus nicht der furchtbaren Beschreibung alter Schriftsteller gleich; einige Naturforscher sind deshalb auf den Gedanken gekommen, daß diese Thiere wahrscheinlich einer verschiedenen Unterart angehören, obgleich sie dieselben Gewohnheiten besitzen und zu derselben Species gehören. Die Knochen, die man in den schottischen Torfmooren oft entdeckt, gehören auch sicherlich zu einer größeren Rasse wie der von Chillingham, welche selten schwerer wie 18 Stone (je 14 Pf.) sind, indem das allgemeine Gewicht von 60 bis 80 Stone ist. Das Fleisch dieses Rindviehs hat einen ausgezeichneten Geschmack und ist in schöner Weise mit Fett durchzogen.
Sir Walter Scott erhielt über dies Rindvieh folgende Mittheilungen: »Will man ein Thier in Chillingham tödten, so begibt sich der Wildhüter zu Pferd unter die Heerde, welche auf diese Weise zugänglich ist, sucht sich ein Opfer aus, legt mit einer großen Büchse an und verfehlt selten sein Ziel. Wann das arme Thier in seinem Todeskampfe viel brüllt, und besonders wenn der Boden mit seinem Blute befleckt ist, gerathen die übrigen in heftige Wuth und nehmen, wie ich glaube, an seinem Tode großen Antheil; alsdann fliehen sie in einen entlegeneren Theil des Parkes, und der Leichnam wird auf einer Schleife fortgebracht. Lord Tankerville, der Eigenthümer des Gutes, hält sehr auf die Erhaltung dieser merkwürdigen Thiere. Er gibt um keinen Preis ein lebendiges Exemplar ab, und gestattet kaum die Tödtung einer erforderlichen Anzahl, damit für die Anderen genügende Waide bleibt.
Vor einigen Jahren besuchte eine Gesellschaft das Schloß, worunter sich auch einige Offiziere befanden, die auf Büffeljagden in fremden Ländern gewesen waren. Nachdem diese Erlaubniß erhalten hatten, das Werk des Wildhüters zu vollbringen und eines dieser Thiere zu erschießen, ritten sie für die Jagd ausgerüstet, zu Pferde aus, und griffen einen Stier an. Das arme Thier erhielt mehrere Wunden, da aber keine derselben tödtlich war, zog es sich vor seinen Verfolgern zurück, wobei es aus Schmerz und Wuth brüllte, bis es sich gegen die Parkmauer oder gegen einen Baum stellend, seinen Feinden sich stellte, und ihnen eine trotzige Stirne bot. Als es in dieser Stellung sich befand, ritt der jugendliche Erbe des Schlosses, Lord Ossulston herbei, um ihm den Todesschuß zu geben. Obgleich man ihn gewarnt hatte, dem wüthenden Thiere nicht zu nahe zu kommen, und besonders nicht zu feuern, ohne zuerst den Kopf des Pferdes nach einer Richtung gewandt zu haben, worin dasselbe zur Flucht bereit war, feuerte er sein Gewehr ab; ehe er jedoch sein Pferd zur Flucht umwenden konnte, hatte das wüthende Thier seine gewaltigen Hörner in die Seiten desselben getaucht. Das Pferd wankte und war dem Falle nahe, machte sich aber durch heftigste Anstrengungen von seinem wüthenden Verfolger frei, indem es mit aller Schnelligkeit, welche seine verschwindende Kraft ihm noch ertheilte, davoneilte, während seine Eingeweide auf dem Boden einhergeschleift wurden, bis es zuletzt stürzte und sogleich starb. Das Thier war jetzt dicht hinter dem jungen Lord und derselbe würde ohne Zweifel das Schicksal seines unglücklichen Rosses getheilt haben, wenn nicht der Wildhüter, der es für hohe Zeit hielt, das sogenannte Jagdvergnügen zu beschließen, in dem Augenblick sein Gewehr abgefeuert hätte. Sein Schuß warf das Thier zu Boden, und er beendete dessen Dasein, nachdem er mit seinem Hirschfänger herbeigeeilt war. Diesem Auftritt wurde von einem Thürmchen im Schloß durch Lady Tankerville und deren weibliche Gäste zugesehen. Die Lage der Mutter des jungen Lords war sicherlich nicht beneidenswerth.
, das furchtbarste aller Bewohner des alten caledonischen Waldes, war übrigens für die englischen Ritter der interessanteste Gegenstand ihrer Verfolgung. Der Schall der Hörner, das Gestampf der Pferdehufe, das Brüllen des wüthenden wilden Rindviehs, das Gestöhn der von erwürgenden Hunden zerfleischten Hirsche, der wilde Jubel der Männer bildete einen Chor, welcher sich weit über die Gegend, worin er entstand, ausdehnte, und die Einwohner des Thales in ihren verborgensten Schlupfwinkeln zu bedrohen schien.

Während des Verlaufs der Jagd kam oft ein wilder Stier, wenn man einen Hirsch oder Eber erwartete, aus dem Gebüsch hervor, riß die jungen Bäume nieder, zerbrach beim Hindurchlaufen die Zweige und vereitelte gewöhnlich jeden Widerstand, der ihm von den Jägern geboten wurde. Sir John de Walton war der einzige Ritter, dem es gelang, eines dieser gewaltigen Thiere zu überwältigen; wie ein spanischer Stierkämpfer warf er nieder und tödtete mit der Lanze einen gewaltigen Stier; zwei Rinder und drei Kühe wurden ebenfalls getödtet, weil sie die Menge der Pfeile, Wurfspeere und anderer Geschoße nicht aushalten konnten, welche die Armbrustschützen und die Treiber gegen sie richteten; viele Andere entwichen ungeachtet aller Bemühungen sie aufzufangen, in die finstersten Schlupfwinkel der entlegenen Waldungen des Cairntablegebirges, nachdem ihre Häute mit allen Zeichen menschlicher Feindschaft befiedert waren.

Ein großer Theil des Morgens war in dieser Weise verbracht, bis das Jagdhorn des Jagdmeisters verkündete, daß er die verständige Gewohnheit der Mahlzeit nicht vergessen habe, welche bei solchen Gelegenheiten im Verhältniß zur Menge zugerichtet wurde, die zur Theilnahme an der Jagd zusammengekommen war.

Das der Zeit eigenthümliche Signal versammelte die ganze Gesellschaft auf eine Waldwiese, wo deren Zahl Platz genug vorfand um sich auf dem grünen Rasen niederzulassen; das erschlagene Wild gewährte genügenden Vorrath zum Rösten und Braten, eine Beschäftigung, zu welcher sich sogleich die unteren Volksklassen wandten, während Fässer bereit gehalten und kundig eröffnet den Wein der Gascogne und starkes Bier zum Vergnügen derjenigen hergaben, welche sich zum Genuß desselben zu wenden Lust hatten.

Die Ritter, deren Rang sie vom geselligen Verkehr mit Andern abschloß, saßen besonders und wurden von ihren Knappen und Pagen bedient, für welche diese niederen Dienstleistungen nicht als schimpflich, sondern im Gegentheil als eine Stufe ihrer Erziehung galten. Die Zahl dieser ausgezeichneten Personen, welche bei dieser Gelegenheit an dem sogenannten Tisch mit dem Thronhimmel saßen, welcher mit einer aus grünen Zweigen gebildeten Decke überschattet war, begriff den Sir John de Walton, den Sir Aymer de Valence und einige ehrwürdige, dem Dienst der St. Bride geweihte Mönche, welche, wenn auch schottische Geistliche, von den englischen Soldaten mit geziemender Achtung behandelt wurden. Einige schottische Afterlehnsleute, welche vielleicht der Klugheit wegen, den englischen Rittern gehörige Achtung zollten, saßen am unteren Theil des Tisches und eben so viele englische Armbrustschützen, welche besonders von ihren Vorgesetzten geehrt wurden, waren nach der neueren Phrase zu den Ehren der Versammlung zugelassen worden.

Sir John de Walton saß oben am Tische; sein Auge schien zwar keinen bestimmten Gegenstand zu haben, blieb aber keinen Augenblick ruhig, sondern blickte von einem Gesicht zum andern im Kreise seiner Gäste, denn dies waren ohne Zweifel alle Anwesende, obgleich er selbst kaum hätte angeben können, nach welchem Grundsatz er seine Einladungen erlassen habe; offenbar konnte er sogar sich nicht denken, wodurch die Gegenwart von Einem oder Zwei veranlaßt war.

Eine Person besonders zog de Waltons Blick auf sich, denn dieselbe hatte das Aussehen eines gefürchteten Kriegers, obgleich ihm das Glück bei kürzlichen Unternehmungen nicht gelächelt zu haben schien; es war ein großer derber Mann, von außerordentlich rauhen Gesichtszügen; seine Haut, welche durch manches Loch seiner Kleidung zum Vorschein kam, zeigte eine Farbe, welche alle Wechsel eines geächteten Lebens durchgemacht haben mußte; dieselbe schien einem Manne anzugehören, welcher mit Robert Bruce das Schwert gezogen, oder in anderen Worten, mit ihm als Aufständischer in den Sümpfen gelebt haben mußte. Eine solche Vorstellung kam auch de Walton in den Sinn.

Die offenbare Kälte, und die Abwesenheit jeder Furcht, während der Fremde am Tisch des englischen Offiziers saß, und sich somit gänzlich in dessen Gewalt begeben hatte, war aber mit einer solchen Voraussetzung gänzlich unverträglich. De Walton und mehrere seiner Umgebung hatten im Laufe des Tages beobachtet, daß dieser in Lumpen gekleidete Cavalier, bei welchem der auffallendste Theil der Kleidung in einem alten Stahlrock und einer verrosteten aber gewaltigen Partisane von acht Fuß Länge bestand, durch überlegene Gewandtheit in der Kunst der Jagd alle andern in der zahlreichen Gesellschaft übertraf. Als der Gouverneur auf diese verdächtige Gestalt geblickt hatte, bis der Fremde die besondere von ihm erregte Aufmerksamkeit merkte, füllte er zuletzt einen Becher mit vorzüglichem Wein und ersuchte ihn als einen der besten Zöglinge des Sanct Hubertus, unter Allen, welche an der Jagd des Tages Theil genommen hatten, ihm in einem bessern Wein Bescheid zu thun, als die übrige Gesellschaft trank.

»Ich hoffe, Herr,« sagte de Walton, »Ihr werdet nichts dagegen haben, meiner Aufforderung zu einem Becher zu entsprechen und denselben im Weine der Gascogne zu leeren, der auf des Königs eigenen Landgütern wuchs, für dessen Lippen gekeltert wurde und deshalb am meisten dazu geeignet ist, auf die Gesundheit und das Glück Sr. Majestät geleert zu werden.«

»Eine Hälfte der brittischen Inseln,« sagte der Jäger mit großer Fassung, »wird derselben Meinung wie Euer Gnaden sein; da ich aber zur andern Hälfte gehöre, so kann sogar der ausgesuchteste Wein der Gascogne diese Gesundheit mir nicht annehmbar machen.«

Ein Gemurmel der Mißbilligung lief durch die gegenwärtigen Krieger; die Priester ließen ihre Köpfe hängen, wurden todtenbleich und murmelten ihr Pater noster.

»Ihr seht, Fremder,« sagte de Walton mit finsterem Tone, »daß Eure Worte die Gesellschaft aus der Fassung bringen.«

»Das mag sein,« erwiderte der Mann im selben derben Tone, »und vielleicht auch liegt dennoch nichts Böses in meiner Rede.«

»Bedenkt Ihr, daß Ihr dies in meiner Gegenwart sagt?« entgegnete de Walton.

»Ja, Herr Gouverneur.«

»Und habt Ihr die nothwendige Folge bedacht?« fuhr de Walton fort.

»Ich kann so ungefähr errathen,« erwiderte der Fremde, »was ich vielleicht zu fürchten hätte, wenn Euer sicheres Geleit und Ehrenwort, als Ihr mich zu dieser Jagd einludet, weniger zuverlässig wäre, wie ich vollkommen weiß, daß das Gegentheil der Fall ist. Ich bin Euer Gast; Euer Fleisch ging durch meine Kehle; Euer Becher mit gutem Wein gefüllt, ist von mir geleert worden, ich würde nicht den niedrigsten Ungläubigen fürchten, wenn ich zu ihm in solchem Verhältniß stände, viel weniger einen englischen Ritter. Ich sage Euch außerdem, Herr Ritter, Ihr schätzt den Wein zu gering, den Ihr geleert habet. Der Wohlgeschmack und der Wohlgeruch Eures Bechers, mag er wachsen wo er will, ertheilen mir den Muth, Euch einen oder zwei Umstände zu sagen, welche die vorsichtige Nüchternheit in einem Augenblicke wie diesem ungesagt lassen würde. Ihr wünscht ohne Zweifel zu wissen, wer ich bin. Mein Taufname ist Michael, mein Familienname ist Turnbull; es ist ein gefürchteter Clan, dessen Ehren ich sowohl in der Jagd wie im Kampfe etwas vermehrt habe. Meine Wohnung ist unter dem Berge am Rubieslaw, an den schönen Strömen des Teviot. Ihr erstaunt, daß ich die Jagd des wilden Rindviehs kenne, ich, der ich von Kindheit an in den einsamen Forsten von Jed und Southdean daran Vergnügen fand und mehr von jenen wilden Thieren erlegte, wie Ihr oder irgend ein anderer Engländer in Eurem Heere jemals gesehen habt, sogar wenn Ihr die wackeren Thaten dieses Tages mit einbegreift.«

Der kühne Gränzbewohner machte seine Erklärung mit demselben herausfordernden Grad von Kälte, welcher in seinem ganzen Wesen nur herrschte und wirklich auch sein hauptsächlichster Charakterzug war. Seine Keckheit unterließ es nicht, auf Sir John de Walton einzuwirken, welcher sogleich ausrief: »zu den Waffen, ergreift den Spion und Verräther! Holla; Pagen und Kriegsleute – William, Anthony, Bogenspanner und Greenleaf, ergreift den Verräther und bindet ihn mit Bogensehnen und Hundeleinen! bindet ihn, sogleich, bis das Blut unter seinen Nägeln hervorschießt!«

»Eine schöne Aufforderung,« sagte Turnbull mit rauhem Gelächter; »wüßte ich gewiß, daß zwanzig Leute, die ich nennen könnte, mir antworten würden, so herrschte wenig Zweifel am Ausgange dieses Tages.«

Die Armbrustschützen drängten sich um den Jäger, legten aber nicht Hand an ihn, denn keiner wollte der Erste sein, um den bei dieser Gelegenheit herrschenden Frieden zu brechen.

»Sage mir,« sagte de Walton, »Verräther, weshalb bist du hier?«

»Nur deshalb,« sagte der Jäger, »damit ich dem Douglas das Schloß seiner Ahnen überliefern kann, sowie auch, damit ich dir, Herr Engländer, deine Verdienste dadurch bezahle, daß ich dir die Kehle abschneide, von welcher du einen so kreischenden Gebrauch machst.«

Zugleich wandte sich der Jäger, als er sah, daß die Kriegsleute sich hinter ihn drängten, um die Befehle ihres Herrn zu vollführen, sobald dieselben wiederholt wurden, nach denjenigen um, welche, wie es schien, im Begriff standen ihn zu ergreifen; als er sie durch die Plötzlichkeit seiner Handlung veranlaßt hatte, einen Schritt zurück zu treten, fuhr er fort: »Ja, John de Walton, es war vorhin meine Absicht, dich als den Mann zu tödten, welchen ich im Besitze jenes Schlosses und Gebietes finde, die meinem Herrn einem würdigeren Ritter wie du, angehören; ich weiß aber nicht, weshalb ich es unterließ – du hast mir Nahrung gegeben, als ich 24 Stunden gehungert hatte, und ich hegte deshalb nicht den Muth, dir nach deinem Verdienste zu zahlen. Gehe aus diesem Ort und aus diesem Lande und empfange die gutgemeinte Warnung eines Feindes; du hast dich zum tödtlichen Feinde dieses Volkes gemacht, und es gibt Leute unter denselben, denen man selten ungestraft eine Beleidigung oder einen Trotz bot; nimm dir nicht die Mühe mich aufsuchen zu lassen, es wird vergeblich sein, bis ich dir zu einer Zeit begegne, die nach meinem Belieben, nicht nach deinem angesetzt werden wird. Treibe deine Nachforschungen nicht bis zur Grausamkeit, um zu entdecken, mit welchen Mitteln ich dich betrogen habe, denn es ist für dich unmöglich dies zu erfahren. Nach diesem freundlichen Rath blicke mich an, und nimm deinen Abschied, denn obgleich wir uns eines Tages begegnen werden, so kann es vielleicht noch lange dauern, bis ich dich wieder sehe.«

De Walton schwieg, denn er hoffte, daß sein Gefangener, dessen Entkommen ihm unmöglich schien, in seiner Laune Mittheilungen zu geben, einige für ihn nützliche Aeußerungen um ihm Kundschaft zu ertheilen, machen werde; auch wünschte er nicht, den Lärm zu beschleunigen, womit der Auftritt allem Anschein nach schließen mußte, und merkte zugleich nicht den Vortheil, welchen er dem kühnen Jäger dadurch ertheilte.

Als Turnbull seine Rede schloß, machte er einen plötzlichen Sprung rückwärts, der ihn aus dem um ihn gezogenen Kreise führte, und bevor noch die Andern seine Absichten merkten, war er im Unterholze verschwunden.

»Ergreift ihn, ergreift ihn!« widerholte de Walton, »laßt ihn wenigstens in unserer Gewalt bleiben, wenn ihn nicht die Erde verschlingt.«

Dies schien wirklich nicht unwahrscheinlich, denn in der Nähe wo Turnbull seinen Sprung ausgeführt hatte, gähnte ein tiefer Abgrund, in welchen er sich hineinwarf, und durch Beistand von Gebüschen und Krüppelholz hinabstieg, bis er den Boden erreichte, wo er irgend einen Pfad nach dem Saume des Waldes fand; er entkam unter den Bäumen, während die erfahrensten Jäger unter den Verfolgern gänzlich ungewiß über seine Richtung waren und seine Spuren nicht zu finden vermochten.



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