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Vierzehntes Kapitel.

Lang ist der Weg, ihr Kinder, lang und rauh,
Oed ist das Moor und finster ist der Wald.
Wer von der Wiege bis zum Grabe schleicht,
Nur für des Glückes Sammet-Pfad geeignet,
Hat nie der edlen Herzen Zucht erfahren.

Altes Schauspiel.

Es war früh am Tage, als die Garnison von Douglas, nachdem der Gouverneur und de Valence Bertram wieder in ihren Rath berufen hatten, gemustert, und kleine Abtheilungen zu den nach Hazelside schon ausgesandten, abgeschickt wurden, um die Wälder zur Verfolgung der Flüchtlinge zu durchsuchen. Diese Abtheilungen hatten den strengen Befehl erhalten, die Letzteren, wenn dieselben eingeholt würden, mit der äußersten Achtung zu behandeln, und ihren Befehlen zu gehorchen, jedoch den Ort, wo sie Zuflucht nehmen könnten, im Auge zu behalten. Um dies Ergebniß zu erleichtern, wurde einigen Leuten von Umsicht das Geheimniß anvertraut, wer der vorgebliche Pilgrim und die flüchtige Nonne in Wirklichkeit waren. Die ganze Gegend, sowohl Wälder wie Moore wurden auf die Entfernung mehrerer Meilen hin von Truppen bedeckt und durchzogen, deren Eifer, die Flüchtlinge zu entdecken, der freigebig von Walton und de Valence angebotenen Belohnung für die sichere Einlieferung gleich kam; zugleich wurden auch nach allen Richtungen hin Nachforschungen angestellt, wodurch sich Entwürfe der schottischen Insurgenten in diesen wilden Distrikten entdecken ließen; wie wir schon sagten, hegte de Valence besonders einen starken Verdacht, daß dergleichen vorhanden seien. Die Anweisungen gingen dahin, daß solche Personen, wenn man sie anträfe, durch Verhaftung und anderes Verfahren nach den Befehlen behandelt würden, welche de Walton selbst zur Zeit erlassen hatte, als der schwarze Douglas und dessen Mitschuldige der Hauptgegenstand seines wachsenden Argwohns gewesen waren.

Diese verschiedenen Abtheilungen verminderten sehr die Stärke der Besatzung; obgleich dieselben jedoch zahlreich, wachsam und nach jeder Richtung hin ausgeschickt waren, hatten sie nicht das Glück, die Spuren der Lady Berkeley aufzufinden, oder irgend einer Abtheilung der aufständischen Schotten zu begegnen.

Mittlerweile waren die Flüchtlinge, wie wir gesehen haben, aus dem Kloster der St. Bride unter der Leitung eines Ritters ausgebrochen, von welchem Lady Augusta nichts Weiteres wußte, als daß er ihre Schritte nach einer Richtung leiten würde, in welcher sie der Gefahr der Einholung nicht ausgesetzt wäre; endlich begann Lady Margareth Hautlieu selbst sich über den Gegenstand zu äußern.

»Ihr habt,« sagte sie, »Euch noch nicht erkundigt, wohin wir reisen, oder unter wessen Schutz wir uns befinden, Lady Augusta, obgleich es mich däucht, daß Euch sehr viel daran gelegen sein muß, dies zu wissen.«

»Ist es nicht für mich genug,« erwiederte Lady Augusta, »daß ich jetzt weiß, gütige Schwester, daß ich unter dem Schutz eines Mannes reise, dem ihr als einem Freunde vertraut; warum sollte ich weitere Angst hinsichtlich meiner Sicherheit hegen?«

»Bloß deßhalb,« sagte Margareth Hautlieu, »weil die Personen, mit denen ich wegen der Verhältnisse meines Vaterlandes und meiner eigenen Person in Verbindung stehe, vielleicht nicht gerade die Beschützer sind, denen Ihr Euch, Dame, mit vollkommener Sicherheit vertrauen könnt.«

»Was meint Ihr mit diesen Worten?« fragte Lady Augusta.

»Ich meine,« erwiederte Margareth von Hautlieu, »daß der Bruce, Douglas, Malcolm, Fleming und andere dieser Partei, zwar unfähig sind, solchen Vortheil zu unehrenhaften Zwecken zu gebrauchen, daß sie dennoch aber in starke Versuchung kommen könnten, Euch als eine von der Vorsehung zugesandte Geißel zu betrachten, durch welche sie möglicherweise einen Vortheil für ihre zerstreute und entmuthigte Partei erlangen könnten.«

»Sie könnten mich,« antwortete Lady Augusta, »wenn ich todt wäre, zum Gegenstande eines solchen Vertrages machen, glaubt mir aber, niemals, so lange ich lebend Athem besitze. Glaubt mir auch, daß ich zwar mit großem Kummer, Schmerz und Gram mich der Gewalt des de Walton überliefern würde, daß ich mich aber eher seinen Händen – was sage ich, seinen Händen! – ja, daß ich mich lieber dem niedrigsten Armbrustschützen meines Vaterlandes ergeben möchte, als daß ich mich mit den Feinden desselben vereinigen würde, um ein Unglück dem fröhlichen England zu veranlassen – meinem England, dem Lande, welches von jedem anderen Lande beneidet wird, und der Stolz Aller ist, welche sich dessen Eingeborene nennen dürfen.«

»Ich dachte, daß dieß Eure Wahl sein würde,« sagte Lady Margareth; »da Ihr mich nun mit Eurem Vertrauen beehrt habt, so möchte ich gern für Eure Freiheit dadurch sorgen, daß ich Euch der von Euch gewünschten Lage so nahe bringe, wie es mir meine unbedeutenden Mittel gestatten. In einer halben Stunde werden wir uns in Gefahr befinden, in die Hände der englischen Abtheilungen zu fallen, welche, um uns aufzusuchen, nach jeder Richtung hin ohne Zweifel augenblicklich zerstreut werden. Nun merkt Euch, Dame, ich kenne einen Ort, wo ich eine Zuflucht bei meinen Freunden und Landsleuten, jenen tapferen Schotten finden kann, welche niemals, sogar in dieser entehrten Zeit, dem Baal ihr Knie gebeugt haben; für ihre Ehre hätte ich in andern Tagen mit meiner eigenen einstehen können, es ist jedoch meine Pflicht Euch zu sagen, daß sie seit Kurzem Prüfungen ausgesetzt wurden, wodurch die großmüthigsten Neigungen verbittert und zu einer Art Wahnsinn getrieben werden können, welcher um so wilder geworden ist, weil er ursprünglich auf dem edelsten Gefühle beruhte. Ein Mann, welcher seines natürlichen Geburtsrechtes beraubt, geächtet, der Gütereinziehung und dem Tode ausgesetzt wurde, weil er die Rechte seines Königs, die Sache seines Vaterlandes vertritt, bleibt seinerseits nicht länger genau abwägend in der Bestimmung desjenigen Grades der Wiedervergeltung, welche er wegen des ihm erwiesenen Unrechts gesetzlich ausüben darf. Glaubt mir, ich würde es bitter beklagen, Euch in eine Lage gebracht zu haben, die Ihr für betrübend oder entwürdigend halten würdet.«

»Sagt mit kurzen Worten,« erwiederte die englische Dame, »was ich von den Händen Eurer Freunde wahrscheinlich besorgen muß, hinsichtlich deren Ihr mich entschuldigen müßt, wenn ich sie mit dem Namen Rebellen bezeichne.«

»Wenn,« sagte Margareth de Hautlieu, »Eure Freunde, die ich als Unterdrücker und Tyrannen bezeichnen möchte, uns Land und Leben nehmen, unsere Schlösser besetzen, und unser Eigenthum einziehen, so müßt Ihr eingestehen, daß die rohen Gesetze des Krieges den Meinigen das Vorrecht der Wiedervergeltung ertheilen; es ist nicht zu befürchten, daß solche Männer jemals Grausamkeit oder Beschimpfung einer Dame Eures Ranges anthun werden, von welcher Art auch die Umstände sein mögen, es ist aber ganz Etwas anderes, wollte man sich darauf verlassen, daß sie es unterlassen werden, solche Vortheile aus Eurer Gefangenschaft zu ziehen, welche gewöhnlich im Kriege sind. Ihr werdet sicherlich nicht den Wunsch hegen, man möge Euch den Engländern unter der Bedingung ausliefern, daß Sir John de Walton das Schloß Douglas seinem natürlichen Herrn übergebe; befindet Ihr Euch aber in der Gewalt des Bruce oder Douglas, so muß ich eingestehen, obgleich sie Euch mit aller möglichen Achtung behandeln würden, daß sie dennoch, wie es gar nicht unwahrscheinlich ist, ein solches Lösegeld für Euch ansetzen könnten.«

»Eher würde ich sterben,« sagte die Lady Berkeley, »als daß ich meinen Namen zu einem so schmachvollen Vertrag gebrauchen ließe; auch bin ich überzeugt, de Waltons Antwort würde darin bestehen, daß er den Boten enthaupten und den Kopf aus dem höchsten Thurm von Douglas-Castle schleudern würde.«

»Wohin Dame, wollt Ihr Euch denn begeben,« fragte Margareth de Hautlieu, »stände Euch jetzt noch die Wahl frei?«

»In mein eigenes Schloß,« erwiederte Lady Augusta, »wo ich im Nothfall selbst gegen den König vertheidigt werden könnte, bis ich wenigstens meine Person unter den Schutz der Kirche gestellt haben würde.«

»In dem Fall,« erwiederte Margareth de Hautlieu, »ist meine Macht, Euch Beistand zu erweisen, sehr beschränkt; sie enthält jedoch eine Wahl, die ich Eurer Entscheidung sehr gern unterwerfe, obgleich ich dadurch die Geheimnißplane meiner Freunde einiger Gefahr der Entdeckung und Vereitlung aussetze. Das von Euch mir erwiesene Vertrauen versetzt mich aber in die Nothwendigkeit, ein ähnliches Vertrauen auf Euch zu übertragen. Es ist Eurer Wahl anheimgestellt, ob Ihr mit mir zum geheimen Sammelplatz des Douglas und seiner Freunde Euch begeben wollt, den ich vielleicht nicht ganz mit Recht bekannt mache, und ob Ihr Euch der dortigen Aufnahme auszusetzen gesonnen seid, während ich Euch nichts als eine ehrenvolle Behandlung hinsichtlich Eurer Person verbürgen kann; oder ob Ihr nicht lieber, wenn Ihr dies Verfahren für sehr gewagt haltet, sogleich die Richtung nach der Gränze hin einzuschlagen gedenkt. In letzterem Fall will ich Euch, soweit es mir möglich ist, nach der englischen Gränzlinie hinbegleiten und Euch dort verlassen, damit Ihr Eure Reise fortsetzen und eine Wache so wie einen Führer unter Euren Landsleuten erlangen könnt. Mittlerweile ist es mein Glück, wenn ich einer Gefangennehmung entkomme, denn der Abt wird kein Bedenken tragen, über mich die Todesstrafe zu verhängen, welche einer abtrünnigen Nonne gebührt.«

»Solche Grausamkeit, meine Schwester, kann nicht über Euch verhängt werden, denn Ihr habt ja niemals ein Klostergelübde abgelegt, und besitzt nach den Gesetzen der Kirche noch ein Recht, die Wahl zwischen der Welt und dem Schleier.«

»Eine solche Wahl, wie sie die Engländer ihren Opfern gestatteten,« sagte Lady Margareth, »welche in ihre Hände während dieser erbarmungslosen Kriege fielen, – eine Wahl, wie sie dem Wallace, dem Kämpfer für Schottland, gestatteten – wie sie dem Hay, dem Edlen und Freien, eine darboten, – dem Sommerville, der Blüthe der Ritterschaft – und dem Athol, dem Blutsverwandten von König Edward selbst – sie Alle waren eben so wenig Verräther, unter welchem Namen sie hingerichtet wurden, als Margareth de Hautlieu eine abtrünnige Nonne und der Regel des Klosters unterworfen ist.«

Sie sprach mit einiger Heftigkeit, denn es schien ihr, als ob die englische Dame ihr mehr Kälte zuschreibe, als sie in so zweifelhaften Umständen zu äußern sich bewußt war.

»Indeß, davon abgesehen,« fuhr sie fort, »was habt Ihr, Lady Augusta de Berkeley, zu erleiden, wenn Ihr Eurem Liebhaber in die Hände fallt? Welcher furchtbaren Gefahr seid Ihr dann ausgesetzt? Ihr braucht, wie ich glaube, nicht zu besorgen, daß man Euch in vier Wänden mit einem Laib Brod und einem Krug Wasser einmauert, worin, wenn ich eingeholt werde, die einzige Nahrung bestehen wird, welche mir alsdann für meine kurze Lebenszeit noch gestattet ist. Wenn Ihr sogar die rebellischen Schotten, wie Ihr sie nennt, verrathen würdet, so wäre eine Gefangenschaft in den Bergen, durch die Hoffnung der Befreiung versüßt, und durch alle Milderungen erträglich, welche die Umstände derer, die Euch gefangen nahmen, Euch darzubieten gestatten, wie ich glaube, ein nicht zu beklagendes herbes Loos.«

»Dennoch,« erwiederte die Lady von Berkeley, »mußte es mir furchtbar genug erscheinen, da ich mich, um jenen zu entfliehen, Eurer Führung anheim gab.«

»Was Ihr auch denken oder beargwohnen mögt,« erwiederte die Vorige, »so bin ich Euch so treu, wie jemals ein Mädchen einer Andern war; so wahr, wie Schwester Ursula jemals ihr Gelübde hielt, obgleich dasselbe niemals vollständig abgelegt wurde, werde ich Eurem Geheimniß, sogar auf die Gefahr hin, treu sein, das Meinige zu verrathen. Horcht, Dame,« sagte sie, plötzlich schweigend, »hört Ihr das?«

Der Schall, worauf sie sie aufmerksam machte, war dieselbe Nachahmung eines Eulengeschrei's, welches die Dame vorher unter den Mauern des Klosters vernommen hatte.

»Diese Töne,« sagte Margareth de Hautlieu, »verkünden mir, daß Jemand sich in der Nähe befindet, welcher es besser vermag, als ich, uns in dieser Angelegenheit zu leiten. Ich muß voran gehen, um mit ihm zu reden; dieser Mann, unser Führer, wird eine kurze Zeit bei Euch bleiben; wenn er Euren Zügel fahren läßt, braucht Ihr nicht ein anderes Signal zu erwarten, sondern reitet dann nur weiter auf dem Waldwege und gehorcht dem Rath und den Angaben, die er Euch ertheilt.«

»Bleibt, bleibt,« rief die Lady de Berkeley, »verlaßt mich nicht in diesem Augenblick der Ungewißheit und der Noth!«

»Es muß geschehen um unserer beiden willen,« erwiederte Margareth de Hautlieu; »auch ich befinde mich in Ungewißheit, auch ich befinde mich in Noth; Geduld und Gehorsam sind die einzigen Tugenden, welche uns beide zu retten vermögen.«

Mit den Worten schlug sie ihr Pferd mit der Reitgerte und verschwand schnell vorwärts reitend unter den Zweigen eines dichten Waldes. Die Lady de Berkeley wäre ihrer Gefährtin gefolgt, allein der Ritter, welcher beide geleitet hatte, ergriff den Zaum ihres Zelters mit einem Blicke, welcher deutlich zu verstehen gab, er werde ihr nicht gestatten, in jener Richtung weiter zu reiten. Die Lady Berkeley, dadurch erschreckt, obgleich sie den Grund dafür nicht klar sich angeben konnte, hielt ihre Blicke auf das Dickicht geheftet, indem sie gleichsam instinktartig erwartete, eine Schaar englischer Bogenschützen oder rauher schottischer Aufständischen aus dem Dickicht hervorkommen zu sehen, wobei es zweifelhaft hätte sein müssen, welche von Beiden ihr den meisten Schrecken erregt haben würden. In der Noth ihrer Ungewißheit versuchte sie wieder vorwärts zu reiten, allein ein starker Ruck womit ihr Begleiter den Zügel wieder anzog, bewies zur Genüge, daß der Fremde in Verhinderung ihrer Wünsche wahrscheinlich nicht die Kraft sparen würde, in deren Besitz er sicherlich sich befand. Zuletzt ließ der Ritter nach Verlauf einiger Minuten ihren Zügel fahren, wies mit seiner Lanze nach dem Dickicht, durch welches sich ein enger, kaum sichtbarer Pfad wand, und schien dadurch der Dame anzudeuten, ihr Weg liege in dieser Richtung und er wolle sie nicht länger daran verhindern, denselben einzuschlagen.

»Wollt Ihr mich nicht begleiten?« fragte die Dame, welche an dieses Mannes Gesellschaft, seit sie das Kloster verlassen hatte, gewöhnt, allmählig ihn als eine Art Beschützer zu betrachten begonnen hatte. Er schüttelte jedoch mit Ernst sein Haupt, als wolle er sich wegen der Verweigerung ihrer Bitte entschuldigen, deren Gewährung nicht in seiner Macht liege; er wandte sein Roß nach einer verschiedenen Richtung und ritt in einem Schritte fort, der ihn bald ihrem Blicke entzog. Ihr blieb nichts Anderes übrig, als den Weg in's Dickicht einzuschlagen, auf welchem Margareth de Hautlieu fortgeritten war; auch war sie demselben nur kurze Zeit gefolgt, als sie ein sonderbares Schauspiel erblickte.

Die Bäume standen immer weiter auseinander auf dem Pfade, auf welchem die Dame vorwärts ritt; und als sie eine Strecke zurückgelegt hatte, bemerkte sie, daß im Innern ein von dichtem Waldwuchs umringter Raum nur wenige prächtige Bäume trug, welche die Ahnen des Waldes gewesen zu sein schienen, und welche, obgleich gering an Zahl, den ganzen von Bäumen freien Raum durch die große Ausdehnung ihrer verwickelten Zweige beschatteten. Unter einem derselben lag Etwas von grauer Farbe ausgestreckt, welches bei größerer Annäherung die Gestalt eines in Rüstung gehüllten Mannes zeigte, jedoch mit sonderbarer und so auffallender Verzierung, daß dadurch sich einige der phantastischen Einfälle der Ritter jener Zeit offenbarten. Seine Rüstung war sinnreich in solcher Weise bemalt, daß sie ein Gerippe darstellte, indem der Brustharnisch und dessen Rückenstück die Rippen darstellte. Der Schild stellte eine Eule mit ausgebreiteten Flügeln dar – ein Sinnbild, welches sich auf dem Helm wiederholte; dieser schien von dem Bilde dieses Vogels böser Vorbedeutung gänzlich bedeckt zu sein. Am meisten aber war die große Höhe und Magerkeit der Gestalt geeignet Ueberraschung zu erregen. Als dieselbe sich vom Boden erhob und eine aufrechte Stellung annahm, schien sie eher ein aus dem Grabe sich erhebendes Gespenst, als ein gewöhnlicher, aufstehender Mann. Das Pferd, worauf die Dame ritt, fuhr schnaubend zurück, entweder wegen der plötzlichen Veränderung der Stellung dieses schauderhaften Aeußeren, oder weil es durch einen Geruch, welcher von der Gestalt ausging, einen unangenehmen Eindruck erhielt. Die Dame selbst zeigte einigen Schrecken, denn obgleich sie nicht durchaus glaubte, sich in Gegenwart eines übernatürlichen Wesens zu befinden, so war doch unter allen sonderbaren, halb wahnsinnigen Vermummungen der Ritterschaft dieß sicherlich die wunderlichste, welche sie jemals gesehen hatte; in Betracht, daß die Ritter der Zeit ihre traumartigen Phantasien bis zur Gränze der Verrücktheit trieben, schien es wenigstens kein sehr sicheres Unternehmen zu sein, einem Manne, welcher sich mit den Sinnbildern des Todes umgeben hatte, in einem Walde zu begegnen. Von welcher Art aber auch der Charakter und die Absichten des Ritters sein mochten, beschloß sie ihn in der Sprache und in dem Wesen, welches die Erzählungen der Sänger bei solchen Gelegenheiten beobachteten, in der Hoffnung anzureden, daß er, wenn er selbst verrückt wäre, sich als ein friedlicher und der Höflichkeit zugänglicher Mann erweisen könne.

»Herr Ritter,« sagte sie in so festem Tone, als sie es fähig war, »es thut mir sehr leid, wenn ich durch hastige Annäherung Euer einsames Nachdenken gestört habe. Mein Pferd hatte, wie ich glaube, Eure Gegenwart geahnt und mich hieher getragen, ohne daß ich denken konnte, wen oder was ich hier antreffen würde.«

»Ich bin ein Jemand,« erwiederte der Fremde in feierlichem Tone, »dessen Begegnung nur wenige Menschen aufsuchen, bis die Zeit kömmt, worin sie mich nicht länger vermeiden können.«

»Ihr sprecht, Herr Ritter,« erwiderte die Lady de Berkeley, »dem grauenhaften Charakter gemäß, den es Euch als Abzeichen anzunehmen beliebte; darf ich mich an Jemanden von so furchtbarem Aeußeren mit der Bitte wenden, daß er mir eine Richtung durch diesen wilden Wald angebe? z. B. wie ist der Name des nächsten Schlosses, der nächsten Stadt oder Herberge, und auf welchem Wege kann ich dieselbe wahrscheinlich am Besten erreichen?«

»Es ist eine merkwürdige Verwegenheit,« erwiederte der Ritter des Grabes, »daß ihr Euch in ein Gespräch mit ihm einlassen wollt, welcher als der Unerbittliche, der niemals Verschonende, der Erbarmungslose bezeichnet wird, welchen sogar der Unglücklichste nicht um Hülfe anzurufen wagt, damit seine Wünsche nicht zu bald erhört werden.«

»Herr Ritter,« erwiederte die Lady Augusta, »der Charakter, den Ihr sicherlich aus guten Gründen angenommen habt, schreibt Euch eine gewisse Redeweise vor, obgleich aber Eure Rolle eine finstere ist, so zwingt sie, wie ich glauben sollte, Euch doch nicht, diejenigen Handlungen der Höflichkeit abzuschlagen, zu denen Ihr Euch verpflichtet habt, als Ihr das hohe Gelübde des Ritterthums ablegtet.«

»Wenn Ihr Euch meiner Leitung anvertrauen wollt,« erwiderte die grauenhafte Gestalt, »so kann ich nur auf eine Bedingung hin Euch die gewünschte Unterweisung ertheilen. Dieselbe aber besteht darin, daß Ihr meinen Fußtapfen folgt, ohne Fragen an mich über die Richtung unserer Reise zu richten.«

»Ich glaube, daß ich mich Euren Bedingungen unterwerfen muß,« erwiderte sie, »wenn es Euch wirklich beliebt, die Aufgabe meiner Leitung zu übernehmen. In meinem Herzen erkenne ich, daß Ihr einer der unglücklichen Herren seid, welche jetzt in Waffen stehen, um, wie sie glauben, ihre Freiheit zu vertheidigen. Ein rasches Unternehmen hat mich in den Bereich Eures Einflusses gebracht, und jetzt besteht die einzige Gunst, die ich von Euch, dem ich nichts Böses that und thun wollte, zu erbitten habe, in der Weisung eines Weges nach den Gränzen Englands – ein Wunsch, den Ihr nach Eurer Kenntniß des Landes sehr leicht werdet erfüllen können. Glaubt mir, daß Alles, was ich von Eurem Aufenthalt und Eurem Treiben hier sehe, für mich so unsichtbare Dinge sein sollen, als wären sie wirklich im Grabe verborgen, von dessen König Ihr Eure Sinnbilder entlehnt habt. Wenn eine Geldsumme, welche für das Lösegeld eines reichen Grafen genügen würde, eine solche Gunst in der Noth zu erkaufen vermag, so wird sie alsbald und mit solcher Treue ausbezahlt werden, als würde sie von einem Kriegsgefangenen dem Ritter entrichtet, welcher Jenen gefangen nahm. Gebt mir keine abschlägige Antwort, fürstlicher Bruce, oder Douglas, wenn ich mich wirklich in dieser meiner Noth an Einen von Euch wende; man spricht von Euch als furchtbaren Feinden aber edelmüthigen Rittern und treuen Freunden. Laßt mich Euch ersuchen, zu bedenken, wie sehr Ihr wünschen würdet, daß Eure eigenen Freunde und Anhänger solches Mitleid unter ähnlichen Umständen von den Händen englischer Ritter erlangen.«

»Haben sie dieß erlangt?« erwiderte der Ritter mit einer noch finstereren Stimme als zuvor, »oder handelt Ihr weise, daß Ihr den Schutz eines Mannes erfleht, den Ihr für einen wahren schottischen Ritter, wegen keines anderen Grundes, als wegen des äußersten Elendes seiner Erscheinung, haltet – handelt Ihr weise, sage ich, daß Ihr ihn an die Art erinnert, womit die Lords von England die lieblichen Mädchen und die hochgebornen Damen Schottlands behandelten? Wurden nicht die Käfige, die zu ihren Gefängnissen dienten, an die Zinnen der Schlösser gehängt, damit ihre Gefangenschaft jedem niedrigen Bürger vor Augen gehalten werden könnte, welcher Lust besaß sich das Elend der edelsten Damen, sogar dasjenige der Königin von Schottland anzusehen Die Königin, Gemahlin von Robert Bruce, und die Gräfin von Buchan wurden auf die erwähnte Weise in Haft gehalten.? Ist dieß eine Erinnerung, welche einen schottischen Ritter mit Mitleid gegen eine englische Dame erfüllen kann? Oder ist es nicht ein Gedanke, welcher den geschwornen tiefen Haß gegen Edward Plantagenet, den Urheber dieser Uebel, anschwellen muß? Einen Haß, welcher in jedem Tropfen schottischen Blutes kocht, so lange dasselbe den Pulsschlag des Lebens empfindet? Nein – Ihr könnt allein erwarten, daß ich kalt und mitleidslos, wie das von mir dargestellte Grab, Euch ohne Beistand in dem hülflosen Zustand lasse, worin Ihr Euch Eurer Beschreibung nach befindet.«

»Ihr werdet nicht so unmenschlich sein,« erwiderte die Dame; »wenn Ihr das thut, müßt Ihr jedes Recht auf ehrlichen Ruhm aufgeben, den Ihr durch Schwert oder Lanze erlangt habt; Ihr müßt jedem Anspruch auf diejenige Gerechtigkeit entsagen, welche mit dem Verdienste des Schutzes der Schwachen gegen die Starken verknüpft ist. Ihr müßt es Euch zum Grundsatz machen, das Unrecht und die Tyrannei von Edward Plantagenet an den Frauen und Mädchen Englands zu rächen, die weder Zutritt zu seinem Rathe haben, noch vielleicht seine Kriege gegen Schottland billigen.«

»Ihr würdet also,« sagte der Ritter des Grabes, »Euch von Eurem Entschlusse nicht dadurch abbringen lassen, daß ich Euch all' das Uebel sage, dem Ihr Euch aussetzen müßt, wenn Ihr in die Hände der englischen Truppen fallt, während Ihr Euch unter einem so verhängnißvollen Schutze, wie dem meinigen befindet.«

»Seid überzeugt,« sagte die Dame, »daß die Betrachtung eines solchen Ereignisses nicht im Geringsten meinen Entschluß oder Wunsch, Eurem Schutze zu vertrauen, erschüttert. Ihr wißt wahrscheinlich wer ich bin, und könnt urtheilen, wie gern sogar Edward einen Vorwand erlangen würde, um eine Strafe über mich verhängen zu können.«

»Wie kann ich Euch oder Eure Umstände kennen?« erwiderte der grauenhafte Ritter, »dieselben müssen allerdings außerordentlich sein, wenn sie ein Hemmniß der Gerechtigkeit oder Menschlichkeit den rachsüchtigen Gefühlen Edwards darbieten. Alle, welche ihn kennen, hegen die Ueberzeugung, daß er nicht wegen gewöhnlicher Beweggründe von seiner Gewohnheit, dem Hasse nachzugeben, abweichen wird. Wie dem aber auch sein mag, Dame, Ihr drängt Euch mir als eine Last auf, und ich muß dem mir erwiesenen Vertrauen so gut es möglich ist, entsprechen; demgemäß müßt Ihr Euch ausschließlich durch meine Anweisungen leiten lassen, und ich werde Euch dieselben nach der Art eines Wesens aus der geistigen Welt ertheilen; es werden eher allgemeine Angaben für Euer Benehmen, als Vorschriften, die in's Einzelne eingehen, sein; sie werden eher in Form von Befehlen, als von Vorstellungen ertheilt werden. In dieser Weise kann ich Euch vielleicht nützlich sein; in jedem anderen Fall ist es am wahrscheinlichsten, daß ich in der Noth Euch nicht zur Hand bin, und gleich einem Gespenste verschwinde, welches die Annäherung des Tages scheut.«

»So grausam könnt Ihr nicht sein,« erwiderte die Dame, »denn Ihr seid ein Herr, ein Ritter und Edelmann, und indem ich Euch in allen diesen Eigenschaften anzureden glaube, bin ich überzeugt, daß Euch dadurch Pflichten geboten sind, die Ihr nicht aufgeben dürft.«

»Ich gebe zu, daß dieß der Fall ist, und dieselben werden mir heilig sein,« entgegnete der gespensterhafte Ritter. »Ich jedoch habe ebenfalls Pflichten, deren Verbindlichkeiten mich doppelt binden, und denen ich diejenigen opfern muß, wegen welcher ich mich sonst Eurer Rettung weihen würde. Die einzige Frage geht dahin, ob Ihr Neigung fühlt, meinen Schutz auf die beschränkten Bedingungen hin anzunehmen, unter denen allein ich ihn zu gewähren vermag, oder ob Ihr es für besser haltet, daß jedes seinen eigenen Weg geht, sich auf seine eigenen Hülfsmittel beschränkt, und hinsichtlich des Uebrigen der Vorsehung vertraut.«

»Ach!« erwiederte die Dame, »verlangt Ihr von mir, bei meiner jetzigen Bedrängniß, daß ich für mich selbst einen Entschluß fasse, so ist das ebenso, als riefet Ihr einem Unglücklichen, der in einen Abgrund hinabstürzt, den Rath zu, er möge mit kaltem Urtheil den Busch sich aussuchen, durch den er am Besten seinen Fall aufhalten kann. Seine Antwort könnte keine andere sein, als daß er Alles ergreifen will, was er am leichtesten fassen kann, um der Vorsehung alles Andere anzuvertrauen. Ich nehme deßhalb Euer Anerbieten in der beschränkten Weise an, worin Ihr mir gütig es anbotet, und vertraue dem Himmel und Euch; um mir jedoch wirksam helfen zu können, müßt Ihr meinen Namen und meine Umstände kennen.«

»Alles das,« erwiderte der Ritter des Grabes, »hat mir Eure kürzliche Gefährtin schon gesagt; glaubt aber nicht, junge Dame, daß Schönheit, Rang, ausgedehnte Landgüter, unbegränzter Reichthum oder die höchste Bildung auf die Wirkungsweise eines Mannes Einfluß üben können, welcher die Sinnbilder des Grabes trägt, und dessen Neigungen und Wünsche im Leichenhaus längst begraben liegen.«

»Möge Eure Treue,« erwiderte Lady Augusta de Berkeley, »so fest sein, wie Eure Worte sich als finster offenbaren! Ich unterwerfe mich Eurer Führung ohne Zweifel oder Furcht, daß sie sich in anderer Art erweisen werde, als ich zu hoffen wage.«



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