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Zehntes Kapitel.

Wenn die Nachtigall singt in des Waldes Grün,
Wenn Gräser keimen und Blumen blühn,
Wird dem Herzen die scharfe Pein verlieh'n,
Um Tag wie Nacht in den Adern zu glüh'n.

Roman der Rose, nach einer handschriftlichen Uebersetzung von Warton citirt.

Sir Aymer de Valence war nicht sobald seinem Bogenschützen zum Kloster St. Bride gefolgt, als er auch sogleich den Abt rufen ließ. Dieser kam mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, welcher die Ruhe liebt, und sich plötzlich vom Lager aufgerafft hat, wo er sich einem behaglichen Schlaf hingegeben hatte; man sah ihm an, daß er sich der Aufforderung eines Mannes stellte, gegen welchen er keinen Ungehorsam wagte, dem er aber auch seinen Aerger nicht verbergen mochte, soweit es ihm noch immer gestattet war.

»Das ist ein später Ritt,« sagte er, »der Euer Gnaden in dies Kloster gebracht hat; darf ich mich nach der Ursache erkundigen, nachdem wir erst vor Kurzem mit dem Gouverneur hinsichtlich der Anordnungen übereingekommen sind?«

»Ich hoffe,« erwiderte der Ritter, »daß Ihr, Vater Abt, nicht schon etwas davon wißt; man hegt Verdacht, und ich selbst habe diese Nacht etwas gesehen, welches denselben bestätigt, daß einige hartnäckige Rebellen dieses Landes ihr gefährliches Treiben zum Schaden der Garnison wieder im Sinne haben; ich komme hieher, Vater, um nachzusehen, ob Ihr als Erwiderung so mancher Gunstbezeugung, die Ihr vom englischen Fürsten erhalten habt, dessen Güte und Schutz nicht dadurch verdienen wollt, daß Ihr dazu beitragt, die Pläne seiner Feinde zu entdecken.«

»Das werde ich sicherlich,« erwiderte Vater Hieronymus mit bewegter Stimme, »ohne Zweifel steht Alles, was ich weiß, zu Eurem Befehle, d. h. wenn ich etwas weiß, dessen Mittheilung Euch vortheilhaft sein kann.«

»Vater Abt,« erwiderte der englische Ritter, »es mag zwar von meiner Seite eine Unbesonnenheit sein, daß ich in den jetzigen Zeiten die Verantwortung für einen Schotten übernehme; ich gestehe jedoch ein, daß ich Euch als einen Mann betrachte, welcher dem König von England immer treu unterworfen war, und ich hoffe gern, daß Ihr es auch bleiben werdet.«

»Ich habe wahrlich eine schöne Ermuthigung,« sagte der Abt, »denn ich werde um Mitternacht bei diesem rauhen Wetter aus dem Bett geholt, um den Befragungen eines Ritters mich zu unterziehen, welcher vielleicht der jüngste seines ehrenwerthen Ranges ist, und mir nicht den Gegenstand seiner Befragung sagen will, sondern mich hier auf dem kalten Pflaster hält, bis mir das Podagra, welches in meinen Füßen lauert, nach der Meinung des Celsus in den Magen tritt; dann muß ich gute Nacht meiner Würde als Abt und allen späteren Befragungen sagen.«

»Guter Vater,« sagte der junge Mann, »der Geist dieser Zeit muß Euch Geduld lehren; bedenkt, daß ich kein Vergnügen an diesem meinem Dienste habe, und daß die Rebellen, welche sehr mit dir unzufrieden sind, weil du den englischen König anerkannt hast, dich im Fall eines Aufstandes an deinem eigenen Kirchthurm aufhängen würden, damit du dort die Krähen fütterst, oder daß der englische Gouverneur, wenn du mit den Aufständischen, deinen Feinden, einen geheimen Vertrag abgeschlossen hast, dich ebenfalls als Rebellen behandeln wird; früher oder später wird er aber die Oberhand behalten.«

»Es mag auch scheinen, mein edler Sohn,« erwiderte der Abt, offenbar aus der Fassung gebracht, »daß ich in diesem Fall an beiden Enden der von Euch angegebenen Klemme aufgehängt werde; nichtsdestoweniger gebe ich Euch die Versicherung, daß ich jeder mir hierüber vorzulegenden Frage mit vollkommener Aufrichtigkeit antworten werde, vorausgesetzt, Ihr laßt mir die Zeit, einen Trank zu genießen, welchen Celsus für meinen gefährlichen Fall empfiehlt.«

Mit den Worten überreichte er einem Mönche, der ihm beim Aufstehen behülflich gewesen war, einen großen Schlüssel und flüsterte ihm dabei etwas in's Ohr; der Becher, welchen der Mönch herbeibrachte, war so groß, daß er eine beträchtliche Masse des von Celsus empfohlenen Arzneimittels enthalten konnte; ein starker Geruch, welcher sich durch das Zimmer verbreitete, bestärkte jedoch den Verdacht des Ritters, daß die Medizin hauptsächlich aus dem Getränk bestand, welches man damals destillirte Wasser nannte, deren Zubereitung in den Klöstern schon einige Zeit bekannt war, bevor jenes zur Behaglichkeit dienende Geheimniß den Laienstand im Allgemeinen erreicht hatte. Der Abt, weder durch die Kraft, noch durch die Masse des Getränkes überwältigt, schlürfte dasselbe mit einem Gefühle, das er selbst als Tröstung und Wohlbehagen bezeichnet haben würde; seine Stimme wurde gefaßter; er bekannte, durch die Medizin eine außerordentliche Stärkung erlangt zu haben, um zur Beantwortung jeder Frage bereit zu sein, die ihm sein tapferer junger Freund vorlegen könne.

»Gegenwärtig,« sagte der Ritter, »müssen Reisende in diesem Lande, wie Euch sehr wohl bekannt ist, vorzugsweise unserem Argwohn und unserer Untersuchung ausgesetzt sein. Was ist z. B. Eure Meinung von dem Augustin genannten Jüngling, dem Sohn einer Person, welche sich Bertram den Sänger nennt, oder welcher sich wenigstens für dessen Sohn ausgibt und welcher einige Tage in Eurem Kloster gewohnt hat?«

Als der Abt die Frage hörte, drückten seine Augen Erstaunen aus, daß dieselben von dem Ritter kamen.

»Sicherlich,« sagte er, »nach Allem, was ich von ihm gesehen habe, ist er ein Jüngling von ausgezeichnetem Charakter, sowohl in Bezug auf Loyalität wie Religion; ich mußte das auch erwarten, in Betracht der achtungswerthen Person, die ihn meiner Sorgfalt übertrug.«

Bei den Worten verbeugte sich der Abt vor dem Ritter, als wolle er sagen, daß diese Antwort ihm einen nicht ausgesprochenen Vortheil bei jeder Frage ertheile, welche noch darüber an ihn gerichtet werden könne; er war deßhalb wahrscheinlich überrascht, als Sir Aymer in folgender Weise Antwort gab.

»Allerdings, Vater Abt, empfahl ich Euch diesen Burschen als einen Jüngling von harmlosem Charakter, hinsichtlich dessen es nutzlos sein würde, die Strenge der unter ähnlichen Umständen auf Andere ausgedehnten Wachsamkeit zu üben; das Zeugniß jedoch, welches die Unschuld dieses jungen Mannes mir zu verbürgen schien, ist meinem Vorgesetzten und Befehlshaber nicht in gleicher Weise genügend erschienen, und dem Auftrag desselben gemäß, muß ich jetzt weitere Erkundigungen von Euch einziehen. Ihr könnt denken, daß dieselben von Bedeutung sind, da wir Euch in so ungewohnter Stunde in Unruhe setzen.«

»Ich kann nur bei meinem Orden und bei dem Schleier der St. Bride betheuern,« erwiderte der Abt, indem der Geist des Celsus dem Zöglinge desselben auszugehen schien, »daß alles Uebel, was darin liegen mag, mir gänzlich unbekannt ist, und auch nicht durch die Werkzeuge der Tortur aus mir herausgebracht werden kann. Welche Zeichen von böser Gesinnung dieser junge Mann auch gegeben haben mag, so habe ich keine bemerkt, obgleich ich sein Betragen sehr genau überwachte.«

»In welcher Hinsicht,« fragte der Ritter, »und was ist das Ergebniß Eurer Beobachtung?«

»Meine Antwort,« sagte der Abt von St. Bride, »soll aufrichtig sein. Der Jüngling willigte ein auf die Bezahlung einer gewissen Anzahl goldener Kronen, nicht als Vergütung der Gastfreundschaft des Klosters von St. Bride, sondern allein –«

»Nun Vater,« sagte der Ritter, »Ihr könnt Euch kurz fassen, denn der Gouverneur und ich, wir kennen sehr wohl die Bedingungen, auf welche hin die Mönche von St. Bride ihre Gastfreundschaft gewähren. Nothwendiger ist die Frage, in welcher Weise dieser Bursch die Gastfreundschaft aufnahm.«

»Mit äußerster Güte und Mäßigung, Ritter,« erwiderte der Abt; »es schien mir zuerst wirklich, daß er ein lästiger Gast sein könne, denn der Betrag seiner dem Kloster verabreichten Gaben war solcher Art, daß dadurch ein Verlangen nach größerer Bequemlichkeit, als wir gewähren können, ermuthigt und sogar gerechtfertigt wäre.«

»Alsdann,« sagte Sir Aymer, »hättet Ihr die Ungelegenheit gehabt, ihm einen Theil des empfangenen Geldes wieder zurückgeben zu müssen.«

»Das,« erwiderte der Abt, »wäre eine Ausgleichungsweise gewesen, welche unseren Gelübden widerstrebt. Was in den Schatz der St. Bride bezahlt wird, darf unserer Ordensregel gemäß keinesfalls wieder herausgegeben werden. Indeß, edler Ritter, das war nicht erforderlich; eine Rinde weißen Brodes und ein Trank Milch war genügende Speise, um den armen Jüngling auf einen Tag zu ernähren; meine eigene Besorgniß wegen seiner Gesundheit veranlaßte mich, seine Zelle mit einem weicheren Bett nebst Bettdecke auszustatten, wie es den Regeln unseres Ordens genau entspricht.«

»Hört auf das, was ich sage, Herr Abt, und antwortet mir die Wahrheit,« sagte der Ritter von Valence, »welchen Verkehr hat dieser junge Mann mit den Einwohnern dieses Klosters oder mit Leuten außerhalb desselben gehabt? Befragt darüber Euer Gedächtniß und gebt mir eine bestimmte Antwort, denn die Sicherheit Eures Gastes, ebenso wie die Eure, sind davon abhängig.«

»So wahr ich ein Christ bin,« sagte der Abt, »habe ich nichts bemerkt, welches den Verdacht Euer Gnaden begründen könnte; der Knabe Augustin, denjenigen ungleich, die ich in der Welt erzogen gesehen habe, zeigte eine entschiedene Vorliebe zu der Gesellschaft derjenigen Schwestern, welche das Kloster St. Bride enthält; er verkehrte mit denselben weit mehr, als mit meinen Brüdern, den Mönchen, obgleich einige darunter angenehme und umgängliche Leute sind.«

»Die Klatscherei,« sagte der junge Ritter, »wird einen Grund dieses Vorzuges leicht auffinden.«

»Nicht in dem Fall der Schwestern von St. Bride,« sagte der Abt, »die meisten derselben sind entweder von der Zeit arg mißhandelt worden, oder ihre Schönheit wurde durch ein Unglück zerstört, bevor sie sich in dies Kloster zurückzogen.«

Diese Bemerkung des guten Vaters wurde mit einer inneren Bewegung der Heiterkeit gemacht, welche offenbar durch die Vorstellung veranlaßt war, die Schwesterschaft der St. Bride habe Jemand durch persönliche Schönheit angezogen; alle dortigen Nonnen waren nämlich in auffallender und beinahe possenhafter Weise durch Häßlichkeit entstellt. Auch der englische Ritter, welchem die Schwesterschaft sehr wohl bekannt war, empfand bei diesem Gespräch einige Neigung zum Lächeln.

»Ich spreche,« sagte er, »die fromme Schwesterschaft von jeder Anklage frei, daß sie in anderer Weise als durch Freundlichkeit und Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse des kranken Fremden, einen Zauber auf denselben ausübt.«

»Schwester Beatrice,« fuhr der Mönch fort, indem er seinen Ernst wieder annahm, »ist mit einer, die Neigung der Menschen gewinnenden Gabe gesegnet, um Eingemachtes und angenehmes Getränke aus Milch zu bereiten; bei genauer Untersuchung habe ich aber nicht gefunden, daß der junge Mann etwas der Art gekostet hätte; auch ist Schwester Ursula nicht von Natur, sondern wegen der Wirkungen eines Unglücksfalles so häßlich; Euer Gnaden weiß aber, daß die Männer sich nicht um die Ursache der Entstellung bekümmern, sobald letztere sich bei einem Weibe vorfindet. Ich will mit Eurer Erlaubniß fortgehen und nachsehen, in welchem Zustande der junge Mann sich jetzt befindet; ich will ihm sagen, daß er jetzt vor Euch erscheinen muß.«

»Ich ersuche Euch dazu, Herr Vater, denn die Angelegenheit ist dringender Art; auch mache ich Euch ernstlich darauf aufmerksam, daß Ihr das Benehmen dieses Augustin sehr genau beobachten müßt. Ich will Eure Rückkehr erwarten, und den Knaben entweder in das Schloß bringen oder denselben hier erwarten, je nachdem die Umstände es erheischen werden.«

Der Abt verbeugte sich, versprach sein Aeußerstes zu thun, und hinkte aus dem Gemach, um den Jüngling Augustin in seiner Zelle aufzusuchen, denn er zeigte großen Eifer, die Wünsche des de Valence zu erfüllen, den er als seinen militärischen Beschützer unter den vorhandenen Umständen betrachtete.

Er blieb lange Zeit aus, und Sir Aymer begann schon die Meinung zu hegen, daß die Verzögerung verdächtig sei, als der Abt mit dem Gesichtsausdruck der Verlegenheit und Verstörtheit zurückkehrte.

»Ich bitte um Verzeihung, daß ich Euer Gnaden so lange habe warten lassen,« sagte Hieronymus mit großer Aengstlichkeit, »ich bin jedoch durch nutzlose Förmlichkeiten und Bedenklichkeiten von Seiten dieses unbeholfenen Jünglings aufgehalten worden; erstens öffnete der Jüngling, als er vernahm, daß mein Fuß seinem Schlafgemach näher kam, nicht die Thür, wie es sich mit Rücksicht auf meine Würde geziemt haben würde, sondern schob im Gegentheil einen starken Riegel von innen vor; dieser Riegel aber ist auf Schwester Ursula's Befehl dort angebracht worden, damit sein Schlummer nicht gestört werde. Ich sagte ihm, so gut es mir möglich war, er müsse ohne Verzug vor Euch erscheinen, und sich anschicken, Euch zum Schlosse zu begleiten; er wollte jedoch kein Wort erwidern, sondern empfahl mir Geduld zu haben, wozu ich dann auch ebenso wie Euer Armbrustschütz genöthigt war, der vor der Thüre der Zelle Schildwacht stand und sich bei der Aussage der Klosterschwestern zufrieden stellte, daß ein Ausgang nicht vorhanden sei, durch welchen Augustin entschlüpfen könne; zuletzt öffnet sich die Thüre, und der junge Mann zeigte sich mit Reisekleidern vollkommen angethan. Ich glaube wahrlich, daß ein Anfall seiner Krankheit ihn auf's Neue ergriffen habe; vielleicht ist er durch einen Anfall von Hypochondria oder schwarzer Galle verstört worden, d. h. von einer Art Seelenverrücktheit, welche bisweilen das Uebel begleitet; jetzt aber ist er gefaßt, und wenn Euer Gnaden ihn sehen will, so steht er zu Befehl.«

»Ruft ihn hieher,« sagte der Ritter. Es verging wieder ein beträchtlicher Zeitraum, bis der Abt halb mit Schelten halb mit Bitten die verkleidete Dame bewog, sich in das Sprechzimmer zu begeben, wo sie zuletzt mit einem Antlitz zum Vorschein kam, worauf die Spuren von Thränen und ein eigensinniger Aerger sich entdecken ließ, wie ihn Knaben oder besonders Mädchen zu zeigen pflegen (bei aller Achtung vor dem schönen Geschlechte sei es gesagt), wenn sie entschlossen sind, ihren eigenen Weg in irgend einer Angelegenheit zu gehen, und eigensinnig die Gründe, weßhalb sie so verfahren, nicht sagen wollen. Ihr in der Eile gemachter Anzug, hatte sie nicht daran verhindert, alle Vermummungen und Verkleidungen genau zu beachten, woraus ihr Pilgeranzug bestand; derselbe war auf solche Weise angelegt, daß er ihre Erscheinung veränderte und auch wirklich ihr Geschlecht verbarg; da jedoch die Höflichkeit ihr untersagte, ihren Hut mit breiten niederhangenden Krempen zu tragen, so wurde ihr Gesicht mehr als in offener Luft blosgestellt: indeß waren ihre Züge, die der Ritter als sehr lieblich erblickte, nicht solcher Art, daß dieselben mit dem angenommenen Charakter, den sie bis zum Aeußersten zu behaupten entschlossen war, in Wirklichkeit unverträglich gewesen wären. Sie hatte ihren Umständen gemäß einen Grad von Muth gefaßt, welcher ihr nicht natürlich war, und welcher vielleicht durch Hoffnungen unterhalten wurde, die durch ihre Lage kaum zulässig scheinen mußten. Sobald sie sich in demselben Zimmer mit de Valence befand, nahm sie ein kühneres und entschlosseneres Wesen an, als sie bisher gezeigt hatte.

»Euer Gnaden,« redete sie ihn an, bevor er noch selbst ein Wort zu ihr gesagt hatte, »ist ein Ritter von England und besitzt ohne Zweifel die Tugenden, welche sich für diese edle Stellung geziemen. Ich bin ein unglücklicher Knabe, welcher wegen mehrerer Gründe, die ich geheim halten muß, in einem gefährlichen Lande zu reisen gezwungen ist, wo man ihn ohne gerechte Ursache als Theilnehmer an Complotten und Verschwörungen beargwohnt, die meinem eigenen Interesse entgegen sind, und die meine Seele sogar verabscheut; ich kann dieselben mit aller Sicherheit abschwören, indem ich alle Flüche unserer Religion auf mich herabwünsche, und auf alle ihre Versprechungen für den Fall verzichte, daß ich in Worten, Gedanken oder Thaten irgendwie daran Theil genommen hätte. Dennoch steht Ihr, die Ihr meinen feierlichen Betheurungen nicht glauben wollt, gegen mich im Begriff, als eine schuldige Person zu verfahren; ich muß Euch aber, Herr Ritter, die Warnung ertheilen, daß Ihr darin eine große und grausame Ungerechtigkeit begehen werdet.«

»Ich werde mich bemühen, das zu vermeiden,« sagte der Ritter, »indem ich die ganze Sache dem Gouverneur Sir John de Walton überweise, welcher entscheiden wird, was zu thun ist. In diesem Fall besteht meine Pflicht nur darin, daß ich Euch in seine Hände nach Douglas-Castle überliefere.«

»Müßt Ihr das thun?« fragte Augustin.

»Sicherlich,« erwiderte der Ritter, »oder ich bin wegen der Verletzung meiner Pflicht verantwortlich.«

»Wenn ich aber mich verpflichte, Euren Verlust mit einer großen Geldsumme, einem großen Landstrich auszugleichen –«

»Kein Schatz, kein Land – vorausgesetzt, daß Ihr darüber verfügen könnt,« erwiderte der Ritter, »kann mir die Schande ersetzen, und außerdem, Knabe, wie könnte ich Eurem Versprechen trauen, wäre meine Habsucht wirklich solcher Art, daß ich auf dergleichen Versprechungen hören würde?«

»Ich muß mich also bereit halten, Euch sogleich zum Schloß Douglas und zu Sir John de Walton zu begleiten,« erwiderte Augustin.

»Junger Mann,« erwiderte de Valence, »dies ist unvermeidlich; wenn Ihr noch länger wartet, so muß ich Euch mit Gewalt dahin bringen.«

»Welche Folgen wird dieß auf meinen Vater haben?« fragte der junge Mann.

»Das,« erwiderte der Ritter, »wird durchaus von der Natur Eures Bekenntnisses und von dem seinigen abhängen; ihr habt Beide Etwas zu offenbaren, wie aus den Ausdrücken des Briefs erhellt, den Sir John de Walton euch hat überbringen lassen; ich versichere euch, daß ihr das besser auf Einmal sagt, als daß ihr euch den Folgen längeren Verzuges aussetzt. Ich kann keine weitere Hin- und Herreden gestatten: glaubt mir, euer Schicksal wird gänzlich durch eure Offenherzigkeit und Aufrichtigkeit bestimmt werden.«

»Ich muß mich also vorbereiten, auf Euren Befehl abzureisen,« sagte der Jüngling, »von meiner grausamen Krankheit bin ich aber noch nicht genesen, und der Abt Hieronymus, welcher wegen seiner Arzneikunde berühmt ist, wird Euch selbst versichern, daß ich ohne Lebensgefahr nicht reisen kann, und daß ich während meines Aufenthalts in diesem Kloster jede Gelegenheit zur Körperbewegung in freier Luft ablehnte, welche mir durch die Güte der Besatzung in Hazelside angeboten wurde; ich befürchtete nämlich, daß ich die Leute anstecken würde.«

»Der Jüngling sagt die Wahrheit,« bemerkte der Abt, »die Bogenschützen und Waffenleute haben mehr wie einmal den jungen Mann einladen lassen, an ihren militärischen Spielen Theil zu nehmen, oder sie vielleicht mit seinen Gesängen zu vergnügen; er hat aber stets das Anerbieten abgelehnt, und nach meiner Meinung haben ihn die Wirkungen seiner Krankheit daran verhindert, eine seinem Alter so natürliche Vergnügung an einem so langweiligen Orte anzunehmen, wie das Kloster St. Bride einem jungen Mann erscheinen muß, der in der Welt auferzogen ist.«

»Glaubt Ihr denn, ehrwürdiger Vater,« sagte Sir Aymer, »daß wirkliche Gefahr dabei vorhanden ist, wenn wir heute Nacht, wie ich die Absicht hegte, den jungen Mann in's Schloß bringen?«

»Nach meiner Meinung,« erwiderte der Abt, »ist solche Gefahr vorhanden, denn der junge Mann selbst bekommt vielleicht einen Rückfall, oder, was noch wahrscheinlicher ist, weil keine Vorbereitungen stattgefunden haben, verbreitet sich die Krankheit unter Eurer ehrenwerthen Besatzung; hauptsächlich in diesen Rückfällen ist nämlich die Krankheit, wie man erkannt hat, ansteckender als im ersten heftigen Anfall.«

»Alsdann,« sagte der Ritter, »müßt Ihr zufrieden sein, Freund, einen Theil Eures Zimmers einem Armbrustschützen als Schildwache einzuräumen.«

»Ich kann nichts dagegen einwenden,« sagte Augustin, »vorausgesetzt meine unglückliche Nähe bringt nicht die Gesundheit des armen Soldaten in Gefahr.«

»Er wird ebenso vor der Thüre des Gemachs seine Pflicht thun können, wie innerhalb desselben,« sagte der Abt, »und wenn der junge Mann einen festen Schlaf hat, was die Gegenwart einer Wache in seinem Zimmer verhindern möchte, so ist er wahrscheinlich morgen zu demjenigen mehr bereit, was Ihr mit ihm vorhabt.«

»So sei es,« sagte Sir Aymer, »vorausgesetzt, daß Ihr ihm keine Gelegenheit zum Entwischen gebt.«

»Das Zimmer,« sagte der Mönch, »hat keinen andern Eingang, wie denjenigen, welchen der Armbrustschütze bewachen soll, um Euch jedoch zufrieden zu stellen, will ich die Thüre in Eurer Gegenwart verschließen.«

»Wohlan denn,« sagte der Ritter von Valence, »ist das geschehen, so will ich ohne Ablegung meines Panzerhemdes mich niederlegen und ein wenig schlafen, bis die Dämmerung mich zum Dienst zurückruft; alsdann, Augustin, müßt Ihr Euch bereit halten, mich zum Schloß Douglas zu begleiten.«

Beim ersten Schein der Morgenröthe rief die Glocke des Klosters die Einwohner von St. Bride zum Morgengebet. Als diese Pflicht vollbracht war, verlangte der Ritter seinen Gefangenen. Der Abt führte ihn zur Thür Augustins; die dort stehende Schildwache, mit einer Partisane bewaffnet, berichtete, sie habe während der ganzen Nacht keine Bewegung im Gemache vernommen, der Abt klopfte an die Thür, erhielt aber keine Antwort; er klopfte lauter, allein das Stillschweigen ward von Innen nicht unterbrochen.

»Was bedeutet das,« sagte der ehrwürdige Beherrscher des Klosters von St. Bride, »mein junger Kranker ist sicherlich in eine Ohnmacht gefallen!«

»Ich wünsche, Vater Abt,« sagte der Ritter, »daß er statt dessen nicht entkommen ist, ein Vorfall, den wir Beide verantworten müßten, da wir unserem strengen Dienste gemäß ihn nicht außer Augen lassen durften, sondern ihn bis Tagesanbruch in strenger Bewachung hätten halten sollen.«

»Ich hoffe, Euer Gnaden,« sagte der Abt, »setzt ein Unglück voraus, welches ich nicht für möglich halten kann.«

»Wir werden das alsbald sehen,« sagte der Ritter. Er erhob seine Stimme und rief so laut, daß er im Zimmer gehört werden mußte: »Bringt Brecheisen und Hebel und schlagt die Thür ohne Verzug in Splitter.«

Der laute Schall seiner Stimme und der finstere Ton, womit er redete, versammelte bald um ihn die Mönche des Klosters und zwei oder drei Soldaten seiner Gesellschaft, welche sich schon damit beschäftigten, ihre Pferde herzurichten. Die Unzufriedenheit des jungen Ritters war durch seine Gesichtsröthe und die abgebrochene Weise bezeugt, womit er seine Befehle zur Erbrechung der Thüre wiederholte. Dieß wurde schnell vollführt, obgleich beträchtliche Kraft dazu erforderlich war. Als die zerbrochenen Reste krachend in das Gemach fielen, sprang de Valence und hinkte der Abt in die Zelle des Gefangenen, welche sie zur Erfüllung ihres schlimmsten Verdachtes leer fanden.



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