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Erstes Kapitel.

Die Feinde floh'n, als sie den Schall vernahmen;
Als Douglas fiel, gewann den Sieg sein Namen.

John Hore.

An einem Tage im Beginn des Frühlings, als die Natur in einer kalten Provinz Schottlands vom Winterschlaf erwachte, und als wenigstens die Luft, wenn auch nicht der Pflanzenwuchs, die Abnahme der kalten Jahrszeit verkündete, kamen zwei Reisende, deren Aeußeres zu jener Zeit ihren wandernden Charakter zur Genüge anzeigte und ihnen zugleich eine ungehinderte Reise, sogar in einem gefährlichen Lande, damals zu verschaffen pflegte, aus Südwesten her und schlugen ihre Richtung nach dem Schloß Douglas am Laufe des Flusses ein, dessen Thal eine Art Zugang zu jener merkwürdigen, mittelalterlichen Festung darbot. Der Strom, klein im Verhältniß zur Ausdehnung seines Rufes, diente als eine Art Abtrocknungskanal für das umliegende Land und gewährte zugleich einen rauhen Pfad nach dem Schloß und Dorf. Die mächtigen Feudalherren, denen das Schloß schon seit manchen Menschenalters angehörig war, hätten den Zugang weit bequemer machen können, allein damals waren die Talente der scharfsichtigen Herren noch wenig oder gar nicht geübt worden, welche der Welt die Lehre verkündet haben, daß es besser ist, einen Umweg um den Fuß eines Berges zu machen, als in gerader Richtung auf der einen Seite hinauf und auf der andern hinab zu steigen, ohne einen einzigen Schritt von dieser geraden Bahn zu weichen, wodurch der Uebergang dem Reisenden leichter werden könne. Noch viel weniger träumte man von den Geheimnissen, welche Mac Adam kürzlich enthüllt hat. Wozu jedoch hätten die alten Herren Douglas diese Grundsätze anwenden sollen, sogar wenn sie ihnen in aller Vollkommenheit bekannt gewesen wären? Räderwagen waren gänzlich unbekannt, mit Ausnahme solcher von der plumpesten Art und derjenigen, welche für die einfachsten Verfahrungsweisen des Ackerbau's gebraucht wurden. Sogar die zartesten Frauen hatten keine anderen Transportmittel, wie ein Pferd, und im Fall einer schweren Krankheit eine Sänfte. Die Männer brauchten ihre eigenen derben Glieder oder kräftigen Pferde, um sich von einem Ort zum andern zu begeben; Reisende und besonders Frauen erduldeten keine geringe Unbequemlichkeit wegen der rauhen Natur des Bodens. Ein angeschwollener Fluß durchschnitt bisweilen ihren Weg und zwang sie zu warten, bis das Wasser seinen wüthenden Strom gemindert hatte; das Ufer eines kleinen Flusses wurde gelegentlich durch die Wirkungen eines Gewitters, einer heftigen Ueberschwemmung oder anderer gewaltsamer Naturereignisse hinweggerissen; der Wanderer mußte alsdann sich auf seine Kenntniß der Gegend verlassen, oder die möglichst beste örtliche Kundschaft sich zu verschaffen suchen, damit er seinem Pfade zur Uebersteigung solcher widerlicher Hindernisse eine Richtung geben könne.

Der Douglas strömt aus einem Amphitheater von Gebirgen, welches im Süden das Thal begrenzt, aus dessen Bächen sowie aus plötzlichen Regengüssen er sein geringes Wasser erhält. Der allgemeine Anblick des Landes ist derselbe, wie überall in den zur Viehzucht geeigneten Gebirgsgegenden des Südens von Schottland, worauf sich gewöhnlich wild gelegene und ärmliche Pachthöfe vorfinden; zur Zeit unserer Geschichte waren viele derselben noch während der letzten Vergangenheit mit Bäumen bedeckt gewesen, sowie denn jetzt noch auch manche durch ihre Namen bezeugen, daß ein wilder Waldwuchs sich einst dort vorfand. Die unmittelbare Umgegend des Douglasstromes war eine Fläche, die damals schon reichliche Ernten an Hafer und Roggen trug, und die Einwohner mit Allem versah, was sie an diesen Produkten brauchten. – In nicht großer Entfernung vom Ufer des Flusses war der zum Ackerbau fähige Boden mit Ausnahme weniger Plätze mit Viehwaiden und Wald gemischt, bis beide in ein ödes und zum Theil unzugängliches Moorland ausgingen.

Damals herrschte in Schottland der Kriegszustand, und alle Anstalten, welche sich auf Bequemlichkeit bezogen, mußten dem vorherrschenden Bewußtsein der Gefahr weichen; die Einwohner dachten somit nicht daran, die Wege zu verbessern, wodurch sie mit andern Distrikten in Verbindung standen, sondern erkannten dankbar, daß die natürlichen sie umgebenden Schwierigkeiten die Zerstörung oder Befestigung von Zugängen aus einem mehr offen liegenden Lande für sie unnöthig machten. Ihre Bedürfnisse wurden mit sehr wenigen Ausnahmen, wie wir schon sagten, durch das rauhe und kärgliche Produkt ihrer eigenen Berge und Flächen geliefert, von denen letztere zu Ausübung ihres sehr beschränkten Ackerbaues dienten, während der bessere Theil der Gebirge und bewaldeten Thäler die Nahrung für ihre Rinder und Schafheerden erzeugte. Die Schlupfwinkel der unerforschten oder selten besuchten Tiefen dieser Wälder boten ihnen verschiedene Arten von Wild, besonders jetzt, da die Feudalherren der Gegend während dieser Zeit des Krieges ihre fortwährende Jagdbeschäftigung aufgegeben hatten, so daß die Thiere des Waldes sich beträchtlich hatten vermehren müssen; durchzog man die rauheren Theile des von uns beschriebenen gebirgigen und öden Landes, so sah man nicht allein gelegentlich verschiedene Arten von Rothwild, sondern es kam auch das wilde, Schottland eigenthümliche Rindvieh nebst anderen Thieren bisweilen zum Vorschein, welche den unregelmäßigen und ungeordneten Zustand der Zeit verkündeten. Die wilde Katze wurde häufig in den wilden Gebirgsschluchten der sumpfigen Dickichte überrascht; der Wolf, damals schon ein Fremder in den mehr bevölkerten Gegenden der Lothian-Grafschaften, behauptete hier noch den Boden gegen die Uebergriffe des Menschen, und war noch den Einwohnern ein Schrecken, welche ihn zuletzt vertilgt haben. Im Winter besonders, und der Winter war kaum vorüber gegangen, geriethen diese wilden Thiere aus Mangel an Nahrung in die äußerste Noth und pflegten in gefährlichen Massen das Schlachtfeld, den verlassenen Kirchhof, bisweilen sogar die Wohnungen der lebenden Menschen zu besuchen, und dort auf die Kinder, ihre schutzlose Beute, mit ebenso großer Keckheit zu lauern, wie der Fuchs gegenwärtig den Hühnerhof einer Pächterin beschleicht.

Nach demjenigen, was wir sagten, können unsere Leser, wenn sie jetzt die gewöhnliche Reise durch Schottland gemacht haben, sich eine ziemlich richtige Darstellung von dem wilderen und oberen Theile des Douglasthales in der früheren Periode des 14. Jahrhunderts machen. Die untergehende Sonne warf ihre Strahlen über ein Moorland hin, das westwärts in höheren Anschwellungen sich erhob und mit dem Gebirg endete, welches der größere und kleine Cairntable genannt wird. Der erstere war gleichsam der Vater der benachbarten Höhen, der Ursprung von hundert Bächen und der größte Berg der Kette, welcher auf seinen dunklen Seiten und in den Schluchten, womit dieselben durchzogen sind, beträchtliche Aeste jener alten Wälder enthielt, womit aller hochgelegene Boden jener Gegend und besonders die Berge bedeckt waren, auf denen die Ströme, sowohl die ostwärts fließendem, wie auch diejenigen, welche in den Solway münden, Einsiedlern ähnlich, ihre ursprünglichen und wasserarmen Quellen verstecken.

Die Landschaft war noch durch den Widerschein der Abendsonne erleuchtet, welche von Teichen oder Strömen bisweilen zurückgeworfen wurde, bisweilen auf grauen Felsstücken ruhte, welche die Arbeit des Ackerbau's seitdem entfernt hat, und bisweilen sich damit begnügte, die Ufer des Stromes zu vergolden, an denen eine graue, grüne oder röthlichte Färbung abwechselte, je nachdem der Boden aus Fels, Rasen oder Erdhaufen bestand, und in der Entfernung wie eine Mauer von dunkelrothem Porphyr aussah. Gelegentlich auch ruhte das Auge auf dem ausgedehnten braunen Moorland, wenn der Sonnenstrahl von dem kleinen Teiche oder Bergsee zurückgeworfen war, dessen Glanz, wie das Auge im Menschen-Antlitz, einem jeden dasselbe umgebenden Theile Ausdruck und Lebendigkeit ertheilt.

Der ältere und stärkere der zwei Reisenden, die wir erwähnten, war eine gut und sogar prunkhaft nach der Mode jener Zeiten gekleidete Person und trug auf dem Rücken, wie es bei wandernden Sängern der Fall zu sein pflegte, ein Futteral, worin sich eine kleine Harfe, Leyer oder Geige, oder ein anderes musikalisches Instrument zu Begleitung der Stimme befand. Das lederne Futteral gab hierüber Andeutung, obgleich es die Natur des Instruments nicht anzeigte. Das Wams des Reisenden war blau und sein Beinkleid violett, mit Schließen, welche ein Futter in der Farbe des erstern zeigte. Ein Mantel hätte nach der gewöhnlichen Sitte seine Kleidung bedecken müssen, allein die Sonnenwärme hatte, ungeachtet der frühen Jahrszeit, den Mann bewogen, jenes Kleidungsstück zusammen zu legen und über die Schultern zu heften, wie die Infanterie-Soldaten der Gegenwart ihre militärischen Kapote zu tragen pflegen. Die Pünktlichkeit, womit der Mantel zusammengelegt war, wies auf einen erfahrenen Reisenden hin, welcher an jedes von der Veränderung des Wetters erheischte Hilfsmittel gewohnt war. Eine große Menge von schmalen Bändern oder Schnüren, welche die Schleifen bildeten, womit unsere Vorfahren Wams und Beinkleider zusammenknüpften, bestand hier aus Blumen oder violetten Knoten, die des Reisenden Person umringten, und so in Farbe den Kleidungsstücken gleich kam, zu deren Verknüpfung sie bestimmt waren. Die bei dieser Prunkhaften Kleidung gewöhnlich getragene Mütze war derselben Art, wie diejenige, womit man Heinrich VIII. und Edward VI., dessen Sohn, gewöhnlich abbildet. Sie war nach dem schmucken Zeug, woraus sie bestand, eher für ein öffentliches Auftreten, als für eine Reise in Sturm und Regen geeignet. Sie war buntfarbig, denn sie bestand aus verschiedenen Streifen brauner und violetter Farbe; derjenige, welcher sie trug, nahm einen gewissen Grad höheren Standes dadurch in Anspruch, daß er mit einer Feder derselben Lieblingsfarbe und von beträchtlicher Größe seine Mütze geschmückt hatte. Die Züge, über welche die Feder hinabhing, zeichneten sich durch keinen eigenthümlichen Ausdruck aus; jedoch in einer so öden Gegend, wie in dem Westen Schottlands, war es nicht wohl leicht, an dem Manne vorüber zu gehen, ohne ihm eine genauere Aufmerksamkeit zu erweisen, die ihm vielleicht nicht in einer Gegend zu Theil geworden wäre, wo der Charakter derselben den Blick des Reisenden mehr auf sich hingelenkt haben würde.

Ein schnelles Auge, ein Geselligkeit bezeugender Blick, welcher zu sagen schien: »seht mich an, ich bin Eurer Aufmerksamkeit werth,« ließ nichts destoweniger eine Auslegung zu, die günstig oder ungünstig hätte ausfallen können, je nachdem der Charakter der Person sein mochte, welche dem Reisenden begegnete. Ein Ritter oder Soldat würde blos gedacht haben, er sei einem munteren Gesellen begegnet, welcher ein tolles Lied singen, oder eine tolle Geschichte erzählen, oder ihm mit allen für gute Gesellschaft in einem Wirthshause erforderlichen Eigenschaften behilflich sein könne, eine Flasche zu leeren, wobei ihm vielleicht die Bereitwilligkeit, seine Rechnung zu zahlen, fehlen könnte. Ein Geistlicher andererseits würde vielleicht geschlossen haben, der blau und violett gekleidete Mann sei ein Gesell von lockeren Gewohnheiten, und zu wenig darauf bedacht, sich in den Grenzen geziemender Heiterkeit zu halten, als daß er eine passende Gesellschaft für einen Mann von heiligem Berufe sein könne. Der Mann des Gesanges zeigte jedoch in seinem Antlitz den Ausdruck einer gewissen Festigkeit, welche sowohl für ernste Geschäfte, wie für Heiterkeit geeignet schien. Ein wohlhabender Reisender (eine damals nicht zahlreiche Klasse) hätte vielleicht in ihm einen Räuber von Gewerbe, oder einen Menschen gefürchtet, welcher bei sich darbietender Gelegenheit ein solcher leicht hätte werden können; ein Frauenzimmer konnte an unartige Behandlung und ein Knabe oder eine furchtsame Person an Mord, oder an ähnliche furchtbare Dinge denken. Der Sänger jedoch war für gefährliche Beschäftigungen schlecht ausgerüstet, wenn er nicht geheime Waffen trug. Seine einzige sichtbare Waffe war ein gekrümmtes Schwert von derjenigen Art, welche man jetzt Säbel nennt. Der Zustand jener Zeiten würde aber Jedermann bei noch so friedlicher Gesinnung gerechtfertigt haben, sich wenigstens soweit gegen die Gefahren des Weges zu bewaffnen.

Hätte ein Blick auf diesen Mann bei dem Begegnenden Vorurtheile erwecken können, so mußte ein Blick auf seinen Gefährten, soweit sich dessen Charakter errathen ließ (denn derselbe war ziemlich verhüllt), eine Bürgschaft für den Ersteren finden. Der jüngere Reisende stand offenbar noch in früher Jugend; er war ein sanfter und artiger Bursch, dessen sclavonischer Rock, das geeignete Kleid des Pilgers, dichter an den Leid gezogen war, als die Kälte des Wetters es zu rechtfertigen oder anzuempfehlen schien; seine Züge, unter dem Hute seiner Pilgerkleidung nur unvollkommen gesehen, waren einnehmend im höchsten Grade, und obgleich er einen Degen trug, schien dies eher aus Nachgiebigkeit gegen die vorherrschende Mode, als aus gewaltthätigen Zwecken zu geschehen. Auf seiner Stirn ruhten Spuren von Kummer, und in seinen Augen Spuren von Thränen; seine Müdigkeit war solcher Art, daß selbst sein rauherer Gefährte Mitgefühl für ihn zu empfinden schien, während er auch im Geheimen an dem Grame Theil nahm, der auf einem so liebenswürdigen Antlitz sichtbare Spuren zurückgelassen hatte. Beide sprachen zusammen, und der Aeltere, welcher in seinen Mienen die Hochachtung offenbarte, die einem Manne von untergeordnetem Range während einer Anrede an einen höher Gestellten zukommt, erwies durch Ton und Benehmen, daß er Theilnahme und Zuneigung empfand.

»Freund Bertram,« sagte der Jüngere der beiden, »wie weit sind wir noch von Douglas Castle entfernt? Wir haben schon mehr wie die 20 Meilen zurückgelegt, welche, wie du sagtest, die Entfernung von Cammock abgeben, oder wie nanntest du die letzte Herberge, die wir bei Tagesanbruch verließen?«

»Cumnock, theuerste Dame – ich bitte zehntausend Mal um Verzeihung, mein gnädigster junger Herr.«

»Nennt mich Augustin,« erwiderte sein Gefährte, »wenn Ihr mit mir reden wollt, wie es sich für die Zeiten schickt.«

»Was das betrifft,« sagte Bertram, »so ist meine eigene gute Erziehung, wenn auch Eure Ladyschaft sich herabläßt, Euren Stand bei Seite zu legen, nicht so dicht an mir festgenähet, daß ich sie ablegen und wieder annehmen kann, ohne einen Stich zu verlieren. Wenn nun Eure Ladyschaft, der ich Gehorsam geschworen habe, zu befehlen geruht, daß ich sie wie meinen eigenen Sohn behandle, so wäre es eine Schande, wenn ich ihr nicht die Liebe eines Vaters erwiese, besonders, da ich meinen schwersten Eid darauf leisten kann, daß ich ihr diese Pflicht schuldig bin, obgleich ich sehr wohl weiß, daß es in unserem Fall das Loos des Vaters war, von der Freigebigkeit und Güte seines Kindes ernährt zu werden. Denn, wenn geschah es, sobald ich hungerte oder dürstete, daß nicht der Seitentisch von Berkeley meine Bedürfnisse befriedigte?«

»Das war wenigstens mein Wille,« antwortete der junge Pilger. »Wozu helfen die Berge von Rindfleisch und das Meer von Bier, welches, wie man zu sagen pflegt, auf unsern Gütern erzeugt wird, wenn ein hungriges Herz unter unsern Vasallen sich vorfindet, und besonders, wenn du, Bertram, der als Sänger unseres Hauses länger wie 20 Jahre gedient hat, ein solches Gefühl empfinden solltest?«

»Gewiß, Dame,« erwiderte Bertram, »das gliche der Katastrophe, welche vom Baron von Fastenough erzählt wird, als die letzte Maus in seiner Speisekammer verhungert war; entgehe ich auf dieser Reise solchem Unglück, so werde ich der Meinung sein, daß Hunger und Durst mir mein ganzes Leben lang nichts anhaben können.«

»Du hast schon einmal oder zweimal darunter sehr gelitten, mein armer Freund.« sagte die Dame.

»Irgend etwas, was ich gelitten habe, hat wenig zu bedeuten; ich wäre sehr undankbar, wollte ich der Unbequemlichkeit, ein Frühstück zu entbehren, oder ein Mittagessen zur unrechten Zeit einnehmen zu müssen, einen so ernstlichen Namen ertheilen. Ich kann aber kaum begreifen, daß Eure Ladyschaft diesen Marsch länger ertragen wird. Ihr müßt selbst empfinden, daß das Herumziehen in diesen Hochlanden, in denen uns die Schotten ein so gutes Maaß ihrer Meilen geben, durchaus kein Spaß ist, und was Douglas-Castle betrifft, so ist es noch drei gute Meilen weit entfernt.«

»Es ist also die Frage,« sagte die Dame mit einem Seufzer, »was wir zu thun haben, wenn wir noch so weit gehen müssen, da das Schloßthor lange vor unserer Ankunft geschlossen sein muß«

»Die Thore von Douglas unter der Bewachung von Sir John de Walton öffnen sich nicht so leicht, wie die unseres Butterschrankes in Eurem eigenen Schloß, wenn die Angeln gut geschmiert sind; wenn nur Eure Ladyschaft meinen Rath annehmen und umkehren will, so sind wir höchstens nach zwei Tagen wieder in einem Lande, wo für des Menschen Bedürfnisse, wie die Gasthöfe verkünden, mit möglichst geringem Verzug gesorgt ist; von dem Geheimniß dieser kleinen Reise wird dann ein Sterblicher niemals etwas wissen, mit Ausnahme unserer selbst, so wahr ich ein geschworner Sänger und ein Mann von Wort bin.«

»Ich danke dir für deinen ehrlichen Rath, Bertram,« sagte die Dame, »kann aber keinen Gebrauch davon machen. Solltest du bei der Kenntniß dieser Gegend irgendwo etwas von einem anständigen Hause wissen, mag es Reichen oder Armen gehören, so würde ich gerne dort zur Nacht bleiben, wenn ich Quartier bis morgen früh erhalten kann. Die Thore von Douglas-Castle werden sich dann für Gäste von unserem friedlichen Aussehen eröffnen, – und – es will heraus – wir könnten alsdann Zeit haben, für unsern Anzug so zu sorgen, daß wir einer guten Aufnahme gewiß wären, wenn wir unsere Locken gehörig kämmen, oder auf andere Weise uns herausputzen würden.«

»Ach, Madame!« sagte Bertram, »wäre nicht Sir John de Walton im Spiele, so würde ich zu erwidern wagen, daß eine ungewaschene Stirn, ein ungekämmter Haarkopf und ein schmutzigeres Aussehen, wie jemals Eure Ladyschaft zeigte oder zeigen konnte, weit geeigneter wären, um die Verkleidung eines Sängerburschen zu bewahren, den Ihr in Eurem gegenwärtigen Aufzug darstellen wollt.«

»Leidet Ihr, Bertram, daß Eure jungen Zöglinge wirklich so tölpelhaft und schmutzig sind?« erwiderte die Dame, »ich wenigstens will sie hierin nicht nachahmen, und mag Sir John im Schlosse Douglas sein oder nicht, so will ich die Soldaten, welchen eine so ehrenvolle Bewachung aufgetragen ist, mit einer gewaschenen Stirn und einem etwas geordneten Kopf meine Kunst zum Besten geben. Was aber die Rückkehr betrifft, ohne daß ich ein Schloß gesehen habe, welches sogar meinen Träumen sich darbot, so kannst du gehen, Bertram, ich aber werde dich nicht begleiten.«

»Und wenn ich mich von Eurer Ladyschaft unter solchen Bedingungen trenne,« erwiderte der Sänger, »jetzt, da Eure Vermummung beinahe vollbracht ist, so wird es nur der böse Feind selbst und kein mehr einschmeichelndes oder weniger gefährliches Wesen sein, welches mich von Eurer Seite zu reißen vermag. Es ist nicht weit bis zum Hause eines gewissen Tom Dickson von Hazel Side, eines der ehrlichsten Gesellen im Thale, welcher, obgleich nur ein Bauer, einen ebenso hohen Rang, wie ein Krieger oder wie ein Edelmann einnahm, der in der Schaar des Douglas ritt, als ich in diesem Lande war.«

»Er ist also ein Soldat?« fragte die Dame.

»Wenn sein Vaterland oder sein Herr sein Schwert braucht,« erwiderte Bertram, »und um die Wahrheit zu sagen, sitzen die Schotten selten ruhig: sonst aber ist er nur ein Feind der Wölfe, die seine Heerde plündern.«,

»Vergeßt aber nicht, mein treuer Führer,« erwiderte die Dame, »daß unser Blut in unsern Adern ein englisches ist, und daß wir folglich von Allen Gefahr besorgen müssen, welche sich Feinde des rothen Kreuzes nennen.«

»Hegt keine Besorgniß wegen der Treue dieses Mannes,« erwiderte Bertram, »Ihr könnt ihm ebensowohl trauen, wie dem besten Ritter oder Edelmann im Lande. Wir erwerben vielleicht unser Quartier durch eine Melodie oder einen Gesang, und ich möchte Euch daran erinnern, daß ich es unternommen habe, mich etwas auf guten Fuß mit den Schotten zu stellen, wenn es Eurer Ladyschaft gefällig ist, denn die Schotten, die armen Seelen, hören gern Gesang und Musik, und wenn sie nur einen Silberpfennig haben, so geben sie denselben sehr gern her, um die Gay Science zu ermuthigen. Ich versprach Euch ja, daß wir ihnen so willkommen sein würden, als wären wir unter ihren wilden Bergen geboren und, was die beste Bewirthung, die Dickson geben kann, betrifft, so wird des Sängers und Spielmanns Sohn keinen Wunsch vergeblich aussprechen. Wollt Ihr setzt nicht Eurem sich hingebenden Freunde und Adoptiv Vater, oder vielmehr Eurem geschwornen Diener und Führer Bertram, dem Sänger oder Spielmann, Eure Meinung sagen, was Ihr in dieser Angelegenheit thun wollt.«

»O, wir wollen sicherlich die Gastfreundschaft dieses Schotten annehmen,« sagte die Dame, »da Ihr Euer Wort als Sänger darauf gegeben habt, daß er ein zuverläßiger Mann ist. Ihr nanntet ihn Tom Dickson?«

»So ist sein Name,« erwiderte Bertram, »da ich dort Schafheerde sehe, so bin ich überzeugt, daß wir uns auf seinen Ländereien befinden.«

»Wirklich!« sagte die Dame mit einiger Ueberraschung, »wie kann Eure Weisheit das bemerken?«

»Ich sehe, daß die Schafe mit seinem Anfangsbuchstaben bezeichnet sind,« antwortete der Führer, »ja, ja, Gelehrsamkeit bringt einen Mann durch die Welt, als besäße er den Ring, durch dessen Zauberkraft, wie alte Dichter sagen, Adam die Sprache der Thiere im Paradiese verstand; ach, Madame, weit klügere Sachen werden in des Schäfers Hütte gelehrt, als rote die Dame glaubt, welche in ihrem sommerlichen Gemach ihr buntes Kleid näht.«

»Es mag so sein, Bertram, ob ich gleich in der Kenntniß geschriebener Sprache nicht so bewandert bin, wie Ihr, so muß ich doch ihren Werth höher schätzen, wie bisher; drum wenden wir uns auf dem nächsten Wege zum Hause dieses Tom Dickson, welchen sogar dessen Schafe anzeigen. Ich hoffe, daß wir nicht weit mehr gehen müssen, obgleich die Gewißheit, daß unsere Reise um einige Meilen verkürzt werden wird, mich von meiner Ermüdung so erholt hat, daß ich den ganzen noch übrigen Weg tanzend zurücklegen könnte.«



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