Levin Schücking
Luther in Rom
Levin Schücking

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34. Alfonso von Ferrara.

Monsignore Phädra ging eilends hinaus, um den Bruder Martin herschaffen zu lassen.

Als der Bischof von Ragusa zurückkam, trat neben ihm durch den gehobenen Türvorhang zugleich ein Cameriere ein und sagte:

»Eure Heiligkeit haben um diese Stunde die Audienz des Herzogs von Ferrara anberaumt. Se. Eczellenz harren in der Antecamera.«

»Ferrara! Ferrara!« murmelte der Papst und strich mehrmals mit der Hand, wie sich in Gedanken verlierend, über seinen Bart. Dann das Haupt aufwerfend, nickte er und mit den Worten:

»So führt ihn zu uns ein«, ging er, sich auf seinen Sessel niederzulassen, während die Anwesenden, die auf den Tabourets saßen, sich erhoben.

Der Cameriere ging zurück; gleich darauf wurden die Türvorhänge von zwei Bussolanten zurückgerissen. Man sah, wie jenseits derselben, noch im Vorgemach, ein reich in weißgeflecktem Goldbrokat gekleideter Mann dem Cameriere seinen Degen und seine Handschuhe übergab; ein Prälat, der Maggiordomo des päpstlichen Hauses, trat dann vor und schritt mit dem Herzog von Ferrara einher. In der Mitte des Gemachs neben Padre Geronimo blieb der Maggiordomo stehen, der Herzog Alfonso von Este, ein Mann von mittlerer Größe mit einem beweglichen geistreichen Gesicht, dunkler Hautfarbe und scharfem Blick der schwarzen Augen, trat mit festem und gemessenem Schritt bis zur Estrade des Papstes vor, ließ sich auf beide Knie nieder und küßte den Fuß, dann den Ring auf der Hand des heiligen Vaters.

»Ich heiße Euch willkommen, Herzog«, sagte der Papst, »da Ihr Euch vor uns demütigt und kommt um den Frieden zu bitten. Den Frieden zu geben, ist unseres Amtes.«

»Ich danke Euch, heiliger Vater«, versetzte mit einer weichen und wohllautenden Stimme der Herzog – »für diese Worte, die es mich glücklich macht, von Euren eigenen Lippen zu hören. Euer Feldherr Fabricio Colonna, der durch seine Fürsprache Euere Gnade für mich gewann, hat mir berichtet, wie huldvoll Ihr nichts weiter von mir verlangt, als daß ich Euch hier vor Eurem Hofe meine Reue ausdrücke wider Euch Krieg geführt zu haben, wider Euch, den heiligen Vater der Christenheit und den Oberlehnsherrn des Herzogtums Ferrara, als den ich Euch jetzt hier anerkennen soll, und laut und offen anerkenne. Ich bereue es, sowohl allein, wie an der Seite des Königs von Frankreich Krieg wider Euch geführt zu haben, ich erkenne den Bann der Kirche, den Ihr über mich verhängtet, als durch meine Handlungsweise verdient an, und bitte Euch demütig, daß Ihr nunmehr ihn von mir nehmt.«

»Erhebe Dich, erhebe Dich, mein Sohn!« erwiderte der Papst, den Herzog an den Schultern erfassend, um ihn aufzuheben.

Herzog Alfonso stand auf, und die Art, wie er das bärtige Haupt mit dem kurzen krausen Haar zurückwarf, zeigte, daß er, vielleicht der mächtigste und jedenfalls der beste Fürst Italiens seiner Zeit, nichts von seinem Selbstgefühle verloren hatte durch einen Akt der Unterwerfung, der in den Augen seiner Zeitgenossen so wenig schimpflich galt, wie das Knien vor einem Altare. Hatte doch einst, um vom Banne erlöst zu werden, Graf Raimund von Toulouse sich blutig geißeln lassen; ließ doch noch Heinrich IV. von Frankreich in einer späteren Zeit unter viel schmählicheren Bedingungen als jetzt der Herzog seinen Frieden mit dem Papste machen; vor dem auf dem Platze vor der Peterskirche errichteten Throne des Papstes warfen sich die Stellvertreter des Königs nieder und mußten mit einem Rutenschlage die Absolution hinnehmen.

Alfonso erhob sich und der Papst fuhr fort:

»Wir werden, hoffe ich, gute Freunde werden von nun an, Herzog Alfonso, so gute, daß ich große Lust hätte Euch hier in dieser edlen Stadt Rom zu halten, in welcher ich die größten Meister in jeglicher Kunst versammelt habe. Denn Ihr werdet nicht leugnen, daß mein feiner Rafael Santi der erste der Maler, mein grober Buonarotti der erste der Bildhauer, und mein hitziger Bramante der erste der Baumeister ist; Ihr aber, sagt man mir, Herzog, wäret der erste Meister, was die Kunst des Geschützegießens betrifft, und solch einen Mann könnte dieser unser heiliger Stuhl in so argen Zeiten, wo er das Recht Italiens und sein eigenes Recht mit Geschützen verteidigen muß, sehr wohl gebrauchen.«

»Heiliger Vater, Ihr habt auch ohne mein reisiges Zeug so tapfere Wunder bei dieser Verteidigung getan, Ihr habt jegliche fremde Herrschaft so siegreich auf unserer schönen Halbinsel bekämpft und Euch selber ein so mächtiges Reich gegründet...«

»Mir selber«, unterbrach ihn auffahrend der Papst, »sagt nicht, mir selber, sagt das nicht, Herzog! Meine Vorgänger haben gekämpft für sich selber, das heißt für ihr Haus, für ihre Nepoten. Ich habe kein Haus, ich habe keine Nepoten. Mein Ruhm ist, daß ich gekämpft habe um der Kirche willen... Laßt's Euch gesagt sein, damit Ihr einseht, was Ihr getan habt, wenn Ihr Eure verdammten Geschütze gegen meine Städte und meine Heervölker richtetet ... es waren Sturmböcke wider die Mauern der Kirche, wider das Haus Christi aufgeführt. Und wollt Ihr es gutmachen, indem Ihr Eure Kunst dem Dienst der Kirche weiht? Wollt Ihr? Ihr seid ein so großer Meister in aller Schmiedekunst, Ihr versteht das Eisen zu Stahl zu härten, auch Festungen zu bauen und daneben heitere Feste jeglicher Art zu ordnen; Schaubühnen und Theater zu errichten; die Welt erzählt sich Wunder von Ferrara. Wär' nicht für solche Künste Rom ein besserer Platz? Und dann führtet Ihr uns ja auch mit Eurem Gefolge jenen lustigen Ritter Messer Ludovico Ariosto zu und unser Hof besäße auch den Mann, den man als den ersten Dichter Italiens rühmt.«

Der Herzog heftete, während der Papst in seiner die Worte scharf hervorstoßenden Weise so sprach, einen fragenden Blick auf ihn; er hörte offenbar aus diesen Worten etwas heraus, das ihn betroffen machte. Wollte Julius II. ihn nur necken, war es ein heiterer Scherz, der bei des Papstes strenger Miene und barschem Tone nur ein wenig bärbeißig lautete? Oder hatte er die Absicht ihm anzudeuten, daß er, der Herzog, nun in eine vom heiligen Stuhle so abhängige Vasallenstellung gebracht sei, daß ihm solche Vorschläge gemacht werden durften?

Wie dem auch war, Herzog Alfonso war nicht gekommen und nicht vor das Antlitz des Papstes beschieden, um darüber mit ihm zu streiten, und so beschränkte er sich darauf, ruhig zu antworten:

»Heiliger Vater, Messer Ludovico ist zwar ein treuer Diener meines Hauses, aber mir gen Rom zu folgen, würde ich ihn schwerlich je bewegen können. Eure Heiligkeit erinnert sich, daß ich zuerst gerade ihn an Euch absendete, um mir den Frieden von Euch zu erwirken. Eure Heiligkeit bewilligte ihm auch voll Huld eine Audienz und er ließ sich dazu geziemendlich in Euren Palast und vor Euer Antlitz führen; jedoch kaum war mein armer Abgesandter, Messer Ludovico, über Eure apostolische Schwelle getreten, als Eure Heiligkeit ihm zornig entgegenrief, er solle sich allsogleich hinausscheren, wenn er nicht zum Fenster hinausgeworfen werden wolle. Darüber ist er in großen Schrecken geraten, hat in eilender Flucht sein Maultier bestiegen und ist ohne anzuhalten geritten, bis er sich in Ferrara sicher fühlte. Jetzt würde er sich nicht wieder in den Bereich Eurer Macht getrauen und wenn Ihr auch ihm verhießet ihn auf dem Kapitol als Dichter krönen zu wollen!«

»Diese Poeten!« lachte Julius II. auf. »Seit Horaz seinen Schild im Stiche ließ, sind sie immer dieselben Hasen geblieben.«

Das Lachen des Papstes hatte etwas Gezwungenes; auch trat ein Ausdruck auf seine Züge, der dem Herzoge bewies, daß er, wenn der heilige Vater ihn zu demütigen beabsichtigt hatte, sich wohl aus der Sache gezogen. Er hatte angedeutet, daß über Ferrara die Macht des Papstes sich nicht erstrecke und diesen zugleich an einen Ausbruch brutaler Laune erinnert, dessen Erwähnung ihm nicht angenehm sein konnte.

Die Züge des heiligen Vaters hatten sich in der Tat ein wenig verfinstert, als er nun fortfuhr:

»Ihr seht, ich habe Euch besser aufgenommen! Was die Bedingungen des Friedens angeht, so werden wir sicherlich leicht und bald eines Sinnes darüber werden. Sie mit Euch festzusetzen, haben wir sechs unserer ehrwürdigen Brüder aus der Zahl der Kardinale beauftragt. Ihr mögt nun gehen, Herzog Alfonso, um mit ihnen zu verhandeln – zum Zeichen der Versöhnung und Eurer Absolution geben wir Euch unseren apostolischen Segen.«

Während Herzog Alfonso sich auf ein Knie niederließ und abermals den Ring auf der linken Hand des Papstes küßte, machte dieser mit der Rechten ein Zeichen über seinem Haupte. Dann erhob sich der Herzog und verließ raschen festen Schrittes, innerlich froh und erleichtert aufatmend, an der Seite des Maggiordomo das Gemach.

Julius II. erhob sich von seinem Stuhle, trat von der Estrade nieder und begann wieder wie früher auf- und abzuschreiten.

»Padre Geronimo«, sagte er nach einer Pause, »Ihr seid zwar ein Heiliger, wir wissen es, aber Ihr seid darum noch kein Säulenheiliger! Wie mögt Ihr so lange stehen?

Macht es wie Phädra dort, der gar kein Heiliger ist, und setzt Euch. Was sagt Ihr zu diesem Herzog von Ferrara und seiner Haltung! Ein stolzer Mann das! Wenn ich Theolog wäre, wie Ihr, so würde ich einen Vers aus dem alten Testamente wider ihn sprechen – leider weiß ich nicht mehr, wie er lautet und nicht mehr, wo er steht. Monsignore Phädra, wißt Ihr es?«

»Vielleicht denkt Eure Heiligkeit an den Vers im ersten Buche der Könige: Du bist hoch in deinem Trutz, aber vor dem Herrn werden erschrecken seine Widersacher und über sie wird er donnern im Himmel!«

»Seht Ihr, dieser Phädra weiß alles.. wißt Ihr vielleicht auch, Phädra, wie lange noch dieser deutsche Mönch, den wir zu uns her beschieden haben, uns wird harren lassen?«

»Jedenfalls länger, heiliger Vater, als es für das arme Mönchlein, wenn er Euch anders in huldreicher Stimmung finden will, gut ist! Denkt gnädig, daß er nun einmal einer dieser langsamen Deutschen und daß der Weg bis zu seinem Kloster und zurück hieher weit ist!«

Der Papst wendete sich zu seinem Sitze zurück und sich niederlassend, sagte er:

»Schade, daß er den Weg nicht mit Eurer Zunge machen kann, Monsignore di Ragusa, die ist schneller; unterdes wollen wir uns die Zeit kürzen, indem wir diese Breven bekräftigen.«

Julius II. nahm eine große Rohrfeder und rollte das erste der vor ihm auf dem Tische liegenden Pergamente auf. Nachdem er es gelesen, murmelte er einige unverständliche Worte und unterschrieb es langsam mit großen Zügen. Alsdann nahm er ein zweites, mitten im Lesen unterbrach er sich und sagte aufschauend:

»Monsignore Phädra, durch wen laßt Ihr Euer Bistum Ragusa verwalten?«

»Durch einen Franziskaner, heiliger Vater.«

»Und Ihr da, Monsignore di Siena«, wendete er sich an einen andern Herrn im Prälatengewande, neben dem eben Padre Geronimo Platz genommen; »wer verwaltet Eure Kirche, während Ihr hier bei der Kurie diese Breven abfaßt, die Ihr mich zu unterschreiben zwingt?«

»Heiliger Vater«, antwortete der Bischof von Siena, »es ist ein Bruder vom heiligen Berge Carmel, dem ich sie anvertraut habe.«

»Und hier«, fuhr der Papst fort, das Pergament unterschreibend, »erteile ich eben die Fakultäten zur Verwaltung des Erzbistums von Sevilla an einen Kapuziner... Welche treue Hirten Eurer Herden Ihr seid... überall übergebt Ihr sie den Bettelmönchen ... Freilich, sie tun's für den niedrigsten Lohn... und sie sind auf ihren Posten bessere Wächter des Glaubens, als Ihr sein würdet, Phädra, denn Ihr seid ein Heide; aber sie werden noch die ganze Kirche sein... die ganze Kirche ein Bettelorden ...«


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