Maximilian Schmidt
Die Jachenauer in Griechenland
Maximilian Schmidt

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XV.

Ein harter Winter war hinübergegangen; die milden Strahlen der Frühlingssonne lagen über Berg und Wald. An den zur Jachna fließenden Quellen sproßte frisches grünes Gras und allerwegen verkündeten buntfarbige Blümchen die Ankunft des Lenzes. Neue Hoffnung, neuer Mut sprießt da empor im Menschenherzen, und wäre es noch so unempfänglich für wärmere Gefühle, der Anblick dieser ersten Frühlingsblüten berührt es wie ein Liebesgruß, oft nur der einzige, den ihm das Leben bietet. Doch wer ein kindlich Gemüt besitzt und wer da liebt und hofft, der freut sich ihrer holden Wiederkehr, er versteht ihre Sprache und den süßen Trost:

Auf Wintersnacht
Folgt Frühlingspracht.

So hoffte auch Friedl, als er sich den ersten Buschen auf den Hut steckte, um ihn der Amrei zu bringen. Er hatte ja sein Glück abhängig gemacht von Wendels Rückkehr, diese mußte nunmehr bald erfolgen, da die Heimkehr sämtlicher bayerischer Hilfstruppen bereits anbefohlen war und die Freiwilligen zu ihrer Ablösung schon abgezogen waren. Es war sogar schon der Tag berechnet, an welchem die Artillerie in München eintreffen könnte, mit welcher auch der Pfarrer und Hannes zurückkehren wollten.

Daß sich des Feldkaplans Krankheit gehoben hatte und er wieder verhältnismäßig gesund war, sodaß er die 180 Obliegenheiten seines schweren Amtes wieder voll verrichten konnte, daß auch Wendel wohlauf sei, das war in der Jachenau durch die eingetroffenen Briefe wohl bekannt. Alles freute sich schon auf die Wiederkehr der Landsleute.

Die bereits Ende Januar zurückgekehrte Augsburger Kavallerie-Division ward sowohl in der Residenzstadt wie in Augsburg mit ungeheurem Jubel empfangen. Die guten Nachrichten, welche sie über Griechenland brachte, beruhigten wieder alle Gemüter, und am Ostertag (30. März 1834) sollte bereits ein Infanterie-Bataillon (vom 6. Regiment) aus Griechenland in München eintreffen.

So war nun alles froher Hoffnung und in der freudigsten Erwartung feierte man allenthalben das schöne Osterfest.

Auf dem Singerbauernhof in der Jachenau war dieses Fest noch deshalb von besonderer Bedeutung, weil dieser Hof heuer das Bockopfer zu bringen hatte, welches seit undenklichen Zeiten in der Jachenau mit dem Osterfeste verbunden ist.

Es wird nämlich in jedem Jahre der Reihe nach von einem der sechsunddreißig Hofbesitzer ein Widder zum besten gegeben, in Vierteln gebraten, dann wieder in einem Korbe zusammengerichtet, am Kopf mit einem Kranz von Buchs und Bändern geziert und, ganz wie die Opfertiere des germanischen Heidentums, an den Hörnern vergoldet. Der Erbe des Hauses oder der erste Dienstbote trägt dann den Widder zur Weihe in die Kirche und von da ins Wirtshaus, wo ihn der Wirt zerhackt und der Hirt eines jeden Hofes den ihn treffenden Teil in Empfang nimmt. Der Rest verbleibt den armen Söldnern.Heidnischer Opferdienst ist hier in der Form des jüdisch-christlichen Passah nur unvollkommen verkleidet.

181 Die beiden Schwestern auf dem Singerhofe richteten denn auch dieses Opfer aufs beste zurecht und Mirdei trug es zur Weihe.

Sie sorgte dann dafür, daß der Hüter vom Luitpolderhof, Hannes Vater, ein altes, verwittertes Männlein, zum Unterschied vom jungen der »alte Hannes« genannt, das beste Stück davon bekam, und tröstete den armen Alten, daß er nun seinen Sohn bald wiedersehen werde.

»Dös wenn i no' dalebet!« sagte der Alte unter Thränen, »mei' ja, – dös wenn i no' dalebet! I hon's ja gsagt, gsagt hon i's, daß 's nix is; nix is's, hon i gsagt, daß d' reich wirst draußen in der Fremd – in der Fremd draus. Is's dir b'stimmt, daß d' nit dei' Lebta an' arma Schlucker bleibst, wie r i – so an' arma Schlucker, so kannst in der Jachenau herin aa vermögli wern, kannst aa vermögli wern, hon i gsagt – und Mirdei, paß auf, paß auf, Mirdei, mei' Hannes, der setzt's durch, der hat an' Geist, mei' Hannes!«

»Dös hat's ja gar nit nöti, daß er vermögli wird,« entgegnete Mirdei; »wenn ma 's nur so weit bringa, daß uns d' Gmoa' 'n Konsens zur Heirat giebt. Wir macheten ihr gwiß koa' Unehr'!«

»Da will i helfen dazua,« sagte der Alte, »helfen will i. Woaßt, wie? I laß mi pensioniern als Hüata am Luitpolderhof, i bin eh nimmer viel nutz, i laß mi pensioniern und der Hannes kriegt mei' Stell, mei' Stell kriegt er und d' Gmoa' kann nacha nimmer na' sagn – na', na', sie sagt nimmer na'.«

»Aber Hannes,« sagte Mirdei lachend, »wie wirst denn du a Pension kriegn kinna! Dös giebt's ja nit bei die Hüata.«

182 »Giebt's, giebt's! Auf Michaeli im heurigen Jahr halt i mei' Jubelfeier als fufzgjähriger Hüata am Luitpolder. Anno 74 hon i dös Gschäft übernomma, da hat der Bauer gsagt, Hannes hat er gsagt, du kriegst alle Jahr, alle Jahr kriegst zehn Gulden und dei' Pfoad. Mit der Zeit kannst di bessern – bessern, hat der Luitpolder gsagt, und wennst fufzg Jahr am Hof gwen bist, fufzg Jahr, so kriegst dös doppelt, dös doppelt, hat der Luitpolder gsagt. I bin guat gstellt, ja, ja, i hon scho' a schöns Geldei eingnomma von dem Hof da, macht scho' fünfhundert Gulden in die fufzg Jahr. Und itz krieg i's doppelt, i krieg's, Mirdei, auf Michaeli krieg i's, denn was der alt' Luitpolder seli versprochen hat, dös halt sei' Suhn – der halt's, Mirdei. I aber hon mein' Plan, i hon mein' Plan. Der Luitpolder muß 'n Hannes als Hüata annehma und i bin z'frieden mit die zehn Gulden, die i mehra kriegn soll, mit die bin i z'frieden, dös soll mei' Pension sei', da leb i ja nacha grad wie r a Graf. Und enk zwoa is g'holfen. Is ja mei' Pflicht, daß i sorg für mein' Hannes, daß i für eam sorg, daß 's eam aa r amal guat geht.«

Mirdei dankte dem Alten gerührt für all seine Liebe und Sorgfalt und tröstete ihn mit der festen Zuversicht, daß Hannes schon der Mann dazu sei, sein Ziel zu erreichen, wenn er nur erst wieder glücklich da wäre.

Inzwischen hatte Friedl sein Bräutchen nach Hause begleitet. Die Frühlingsblumen, die vorher seinen Hut geschmückt, prangten jetzt an Amreis Brust.

Der Singerbauer und Resei schritten eine gute Strecke voraus, um den Liebenden Gelegenheit zu geben, sich gegenseitig auszusprechen.

Amrei war heute mit besonderer Sorgfalt gekleidet 183 und ihr Gesicht hübsch, wie immer. Aber sie sah heute nicht so froh aus, wie sonst. Sie war nach der Kirche von Freundinnen darüber geneckt worden, daß ihr Brautstand so über alle Maßen lang währe, jetzt schon über anderthalb Jahre.

Deshalb fragten sie die Mädchen neckisch, wie lange ihre Prüfungszeit noch dauere und ob Friedl sie bald würdig genug finde, sie als Regentin heimzuführen. Man nannte sie scherzweise die ewige Hochzeiterin und prophezeite ihr, daß Friedl es ihr machen werde, wie Resei es ihm gemacht, d. h. er werde sie sitzen lassen.

Ihr Stolz, ihre Eitelkeit waren hierdurch aufs empfindlichste verletzt und sie hatte den Entschluß gefaßt, gleich nach Ostern von der Heimat fort und wieder zu ihrer Base nach Olchstadt zu gehen.

Sie teilte dieses jetzt auch ihrem Bräutigam mit und dieser kam hierdurch neuerdings in eine peinliche Lage. Wieder berief er sich auf sein Gelöbnis, nicht eher zu heiraten, bis Wendel und Resei wieder vereinigt wären.

Aber Amrei wollte heute nicht mehr an den Ernst dieses Gelöbnisses glauben.

»Und gsetzt den Fall,« sagte sie, »der Wendel wird krank und stirbt, wie so viele andere von unsere Soldaten, gsetzt den Fall, es trifft'n a Kugel im G'fecht, denn i hon'n Forstwart schon reden hörn, daß wir noch viel Schlimm's erfahrn wern, eh unsere Leut alle zruck san, gsetzt 'n Fall, der Wendel kimmt nimmer, was dann?«

»Dann – dann –« erwiderte Friedl erbleichend – »aber na', da dran kann i nit denken!«

»Aber i denk dran,« entgegnete Amrei erregt. »Dann bin i zum Gspött in der ganzen Jachenau. Anderthalb 184 Jahr san wir jetzt in Verspruch und kei' Mensch kann si's denken, warum die Sach nit vorwärts geht. Und i muß dir schon sagen, Friedl, zu an' Liebesverhältnis alloa', dazu bin i z'stolz, dös leid't mei' Ehr, mei' Charakter nit.«

Friedl mußte dem Mädchen recht geben, aber er wußte nicht, wie er die Sache ändern sollte.

»Mei' Muatta hat recht,« sagte er, »wer a dummes Glöbnis macht, der hat schwer an die Folgen z'tragen.«

»Aber warum hast aa so a merkwürdigs Glöbnis gmacht,« sagte das Mädchen ärgerlich. »I kann mir's gar nit vorstelln, wiest dazu kömma bist? Was hat di denn's Resei noch anganga? Und was geht di der Wendel an? Wenn 'n a Unglück trifft, is er nit ganz alloa' dran schuld?«

»Na', Amrei, trifft'n a Unglück, so bin i dran schuld, i hon's meinoad verschuld't,« platzte Friedl in seiner Angst heraus.

»Du? Wie so?«

».I kann dir's nit sagen.«

»Du mußt mir's sagn, und glei mußt mir's sagn! I wüßt ja sonst gar nit, was i von dir denken müßt? Also, wie is die Sach?«

»I will dir's eing'stehn,« sagte Friedl kleinlaut. »Aber i weiß, du wirst mi dann verachten und –«

»Red!« unterbrach ihn Amrei. »I fürcht mi völli vor dir.«

Und Friedl berichtete jetzt dem Mädchen, was er mit dem Zigeuner Duli verbrochen, die vermeintlichen Folgen dieser That, seine Reue darüber, sein Gelöbnis in der Kirche von Walchensee und wie er gleich darauf Amrei in der Dorfkirche getroffen.

Amrei hatte ihm schweigend zugehört. War sie auch 185 anfangs empört über die sündhafte Handlung, so erfaßte sie doch bald inniges Mitleid mit dem reuigen Burschen. Nun hatte sie doch endlich den Schlüssel zu Friedls rätselhaftem Gelöbnis. Sie gingen, nachdem Friedl geendet, lange schweigend nebeneinander.

Schon nahe am Singerhofe aber sagte Amrei, indem sie dem Burschen die Hand reichte:

»Friedl, du sollst dei' Glöbnis halten. I halt aa dös meinige, daß i koan andern Buam ang'hörn will, als dir. Bis aber dös sein kann, laß mi furt zu meiner Basen. Wenn's Zeit is zum Kömma, thu mir Botschaft. Und kimmt die Zeit nimmer, so laß uns fern von anand dengerscht treu sein bis zum Sterben.«

Friedl konnte nichts erwidern. Die Thränen standen ihm in den Augen, aber er blickte auf die Frühlingsblumen an Amreis Brust und sagte: »Die Bleameln san wiederkömma, und hörst, wie d' Walddrossel singt dort im Tannazweig? Und d' Buachenblattln setzen an, und alles, alles kimmt wieder. Warum soll grad mei' Glück nit wieder kömma?«

»Alles kimmt wieder, Friedl, bis auf die Toten.«

In diesem Augenblicke kam Resei, ein Papier in der Hand haltend, zur Thüre des Hauses heraus, das sie mit ihrem Vater schon vorher betreten hatte, und rief der Schwester zu:

»Amrei, a Briefl vom Wendel! G'sund und frisch is er und in etli Wochen kimmt er selm!«

Neue Hoffnung erwachte in den Herzen des liebenden Paares. Amrei aber blieb ihrem Vorhaben treu und ging in den nächsten Tagen nach Olchstadt. – –

Nach nicht zu langer Zeit lauteten die Nachrichten in 186 den Blättern über Griechenland nicht mehr so froh. Gaben sie auch nur allmählich und mit größter Zurückhaltung Kenntnis von der veränderten Sachlage, so konnte mit der Zeit die Thatsache nicht mehr verschwiegen werden, daß ganz Griechenland neuerdings in Aufruhr sei und die bayerischen Truppen nach allen Seiten hin in Kämpfe verwickelt wären. Infolge dessen verzögerte sich auch die Heimkehr eines Teiles des Hilfskorps. Es war jener Teil, bei welchem Wendel stand.

Endlich, endlich kamen wieder bessere Nachrichten, daß der Aufstand in der Maina und in Messenien niedergedrückt und die Ruhe in Hellas wieder hergestellt sei. Es kam dann auch wieder ein Brief von Wendel, der besagte, daß er bereits mit seiner Abteilung in Missolonghi sei, um dort nach Triest eingeschifft zu werden, und daß er sich freue, gesund wieder in der Heimat anzukommen.

Diese Nachrichten brachten Jubel auf den Singerhof wie auf den Wallerhof, denn begreiflicherweise gaben Wendels Angehörige sofort Nachricht an die befreundete Familie.

Bald darauf enthielten die Blätter bereits die Marschordre der heimkehrenden Artillerie mit etwa vierhundert Mann Infanterie von Triest aus über Laibach, Leoben, Braunau, Altötting nach München, wo die Ankunft am Montag den 6. Oktober, gerade einen Tag nach dem Oktoberfestsonntag stattfinden sollte.

Dies war ein doppelter Grund für viele Jachenauer, nach München zu gehen. Viele beschickten die landwirtschaftliche Ausstellung mit seltenen Mustern ihrer Vieh- und Pferdezucht.

Auch der Singerbauer ließ durch Mirdei ein Paar prächtige Kalben dorthin führen, während er mit seinen 187 beiden Töchtern – Amrei war aus diesem Anlaß eigens von Olchstadt her dazu eingeladen – auf seinem Gefährte dorthin fuhr. Den beiden Mädchen war es natürlich weniger um das Nationalfest als um Wendels Begrüßung zu thun.

Wendels Vater und Bruder schlossen sich mit ihrem Gefährte dem Singerbauern an, die alte Mutter richtete indessen zu Hause voller Freude alles zum Empfange des Sohnes her.

Die Bewohner von Jachenau aber banden Kränze aus Eichenlaub und errichteten die prächtigsten Triumphbogen, wodurch in erster Linie der Pfarrer Erhard, der, wie ein Brief von einer Marschstation aus sagte, mit der Artillerie in München einrücken würde, bei seiner sofortigen Rückkehr in seine Pfarrei geehrt werden sollte.

Der erste große Triumphbogen wurde auf der Straße nach Tölz am Eingange in die Jachenau, am Langeneck in der Nähe des Zigeunerbrunnens gesetzt. In größeren Zwischenräumen folgten dann weitere Ehrenpforten mit sinnigen Sprüchen. Im Dörfchen Jachenau selbst aber prangten Kirche und Pfarrhof im grünen Schmucke.

Auch an der Stelle, wo der Weg zum Wallerhof abzweigt, ward dem Wendel zu Ehren ein Triumphbogen errichtet. Man hoffte ganz sicher, daß er mit seinen Angehörigen sofort, wenn auch nicht gleich für immer, so doch auf ein paar Tage zur Begrüßung in die Heimat kommen werde.

In festlicher Stimmung waren die zu Hause gebliebenen, noch mehr aber die zur Residenzstadt fahrenden Oberländer. Das Glück leuchtete aus aller Augen.

In München ward das Nationalfest in herkömmlicher 188 Weise und bei günstigster Witterung aufs herrlichste gefeiert. Viele Jachenauer, darunter auch der Singerbauer, erhielten Preise aus den Händen des Königs, der in leutseligster Weise letzterem mit einem freundlichen Blick auf die schönen Jachenauerinnen sagte:

»Meine Jachenauer zeichnen sich in allem aus.«

»Zu Befehl, Herr Küni!« entgegnete der Singerbauer, glückselig lächelnd, mit einem unbeholfenen Knix und eilte seinen Töchtern nach, welche die prächtig bekränzten Kalben vor dem Königszelte vorübergeführt.

Am darauffolgenden Tage strömte alles Volk über die Isarbrücke hinaus, den auf der Braunauerstraße heranziehenden Truppen entgegen. Drei Regimentsmusiken und die gesamte Generalität mit dem Offizierskorps, dann der Magistrat begaben sich bis zum Burgfrieden der Stadt, um die Heimkehrenden zu empfangen und in die Stadt und nach dem Residenzplatze zu geleiten, wo sie der König mit den Prinzen besichtigen wollte.

Es war ein herzerhebender Anblick, einerseits die Heimgekehrten zu sehen, aus deren von der Sonne gebrannten Gesichtern die Freude des Wiedersehens hervorglänzte, gemischt mit dem stolzen Gefühle, in weit entfernte Gegenden, über Meere hin den Ruhm des bayerischen Namens getragen und dem Sprößling des Königshauses zum Schutz und Hort gedient zu haben, anderseits die unübersehbare, durcheinander wogende Menschenmenge zu überschauen, aus welcher sich einzelne unaufhaltbar in die Reihen der Soldaten drängten, um ihre Söhne, Brüder oder Verwandte zu begrüßen. Es war einer jener seltenen Momente, wo sich die Menschenherzen, wie verschieden sie 189 auch sonst fühlen, in einem erhebenden Gefühle zusammenstimmen.

Auch der Singerbauer mit seinen Töchtern und Mirdei, sowie Wendels Bruder waren hinausgeeilt, die Langersehnten zu bewillkommnen – aber sie suchten ihn vergebens.

Da stand plötzlich Pfarrer Erhard vor ihnen und Hannes begrüßte bereits das vor Freude weinende Mirdei.

Die Landsleute reichten dem während seiner Abwesenheit weiß gewordenen Herrn erfreut die Hände zum Gruße. Dieser drückte ihnen dieselben gerührt. Dann aber fielen ihm doch die freudestrahlenden Züge auf und blitzschnell durchzuckte ihn der Gedanke, daß sie von Wendels Schicksal noch gar nicht unterrichtet sein könnten.

Und Resei bestätigte die Meinung auch durch die Frage:

»Wie geht's denn 'n Wendel? Wo is er denn?«

»Der Wendel?« antwortete der Pfarrer verlegen. »Ja, wißt ihr denn nicht?«

»Was soll'n ma wissen?« fragte Amrei und ihr Atem stockte.

Die Antwort hierauf gab Wendels Bruder. Er hatte einen Artilleristen direkt um den Oberfeuerwerker gefragt und von diesem die Antwort erhalten:

»Unser braver Oberfeuerwerker kann leider Gottes nimmer einmarschieren, er is g'fall'n bei Missolonghi.«

Wie betäubt eilte Lindl nun herbei und rief dem Mädchen zu:

»Der Wendel kimmt nimmer, – er is gstorbn!«

Ein doppelter Schreckensschrei folgte dieser Rede.

»Hochwürden,« fragte Resei mit bebender Stimme und totenbleichem Antlitz, »gelts, es is nit wahr?«

190 Der Pfarrer war in der peinlichsten Lage. Nach einer kurzen Pause aber sagte er:

»Trage dein Geschick mit Christenmut. Es ist so, wie Lindl sagt. Er starb den Heldentod in edler Pflichterfüllung als tapferer Soldat.«

Der laute Jammerausbruch der beiden Mädchen wurde jetzt übertönt durch die heitern Klänge der Musik, unter welchen die Truppen zur Stadt marschierten, wurde übertönt durch die Freudenrufe der Menge, welche sich in stürmischen Hochs und Vivats Luft machte und auf die durch die Strapazen des Marsches ohnedies erregten Soldaten derartig wirkten, daß den meisten die hellen Thränen über die gebräunten Wangen rollten.

Die Jachenauer aber folgten mit wundem, zerrissenem Herzen langsam den einziehenden Truppen nach. Sie wußten nichts von dem Freudentaumel, der ringsum das Volk erfaßt hatte. Den jubelvollen Empfang, welcher den Heimgekehrten in der Stadt zu teil wurde, die Begrüßung des Königs am Residenzplatze, das hörten und sahen sie nicht mehr. Im Gasthause aber, wo sie eingestellt hatten, saßen sie um den alten Wallerbauer, Wendels Vater, und gaben sich ihrem Schmerze hin.

Der alte Waller widerstand dem Anpralle dieser Unglücksbotschaft am meisten. Er tröstete sich und die anderen mit den Worten:

»Er is gfalln als braver Oberländer für sein Herrn und Küni! Tröst ma uns, er is im Himmi!« 191


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