Maximilian Schmidt
Die Jachenauer in Griechenland
Maximilian Schmidt

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I.Als historische Quellen benutzte der Verfasser Dr. Sepps Ludwig Augustus, Erinnerungen an Griechenland von Major J. Bronzetti, Oberleutnant Fd. v. Predl und Sergeant M. Chursilchen; ferner Erinnerungen eines ehemaligen griechischen Offiziers, die Zeitungen von 1832, 33 und 34 u. f., und zwar Landbötin, Augsburger Abend- und Postzeitung; außerdem die persönlichen Mitteilungen vieler bei jener Expedition beteiligt gewesenen Offiziere und Veteranen.

In jener großartigen Gebirgsgegend des bayerischen Hochlandes, wo der prächtige Herzogstand, der hohe Jochberg und die kahle Benedictenwand in majestätischer Höhe sich erheben, wo aus dem waldumrandeten Walchensee die Jachna herausflutet und ein reizendes Thal von etwa vier 8 Stunden Länge, die Jachenau, durchströmt, wohnt ein kräftiges Gebirgsvolk, wohl der reinste und besterhaltene Schlag der Bajuvaren, dessen Sitten, Kleidung und Lebensweise anziehende Eigenheiten haben.

Die Jachenau ist eine alte Ansiedelung des Klosters Benediktbeuern (1185) und hieß früher das Thal Nazereth. Sie besteht aus sechsunddreißig Bauernhöfen und vierundzwanzig Söldneranwesen. In zerstreuten, freundlichen, ländlichen Hütten wohnt das Völklein der Jachenauer, dessen Männer und Jünglinge von kräftigem, schlankem und hohem Wuchse und von altdeutscher Kraft, dessen Frauen von alter, deutscher Treue und festem, gesundem Körper sind, ein arbeitsames, nüchternes Völklein, sparsam in seiner Lebensweise, offen und gerade in seinen Reden und Handlungen.

An den Kleidern lieben Männer und Weiber die grüne Farbe. Tanz und Gesang ist ihnen Lieblingsunterhaltung, und die Winterabende verkürzen sich die Weiber beim Spinnen durch Erzählen von Märchen, worin sie wohlbewandert sind, denn Mutter Natur hat sie mit Witz besonders begabt. Gleichwohl fand auch der Aberglaube in dem weltabgeschiedenen Ländchen, namentlich soweit er auf die Viehzucht Bezug hat, ein weites Thor. Während die Frauen die kleinen Felder bestellen und das Hornvieh zu Hause oder auf der Alpenweide pflegen, gehen die Männer in den Wald und fällen mit nerviger Hand die Stämme, um sie auf der Jachna in die Isar und hinunter nach München zu flößen, oder sie arbeiten in Gips- und Steinbrüchen. Dabei möchte es dahingestellt sein, ob der Jachenauer, dieser kernfeste Alpensohn, ohne alle Aufregung beobachten kann, wie sich das Bergwild auf den Höhen tummelt.

9 Die Jachenauer heiraten unter sich, selten nur kommt eine fremde Braut ins Thal, noch seltener heiratet ein Jachenauer hinaus. Unter den alten Jachenauern war es nichts Seltenes, daß viele, besonders Frauen, ihr ganzes Leben lang niemals aus dem Thale hinauskamen, und noch jetzt giebt es solche, die schon am Thalausgang in den Isarwinkel, beim Langeneck, ausrufen:

Ui, ischt ebben die Welt a Grössen! (Ui, ist aber die Welt groß!)

Den Hauptort des Thales bilden, etwa eine Stunde vom Walchensee entfernt, die Pfarrkirche, die Schenke zum Jochwirt und noch ein paar Häuser, die sogenannte Oberjachenau, dann eine halbe Stunde weiter abwärts das Forsthaus, der Bäcker und die Schule – die Unterjachenau, während die übrigen Wohngebände vereinzelt auf den grasreichen Hügeln liegen und frei und offen oder hinter Busch und Baum in die blühende Landschaft hinauslugen.

Bei Beginn dieser Geschichte, Ende Oktober des Jahres 1832, hatte nun freilich diese Landschaft ihr blühendes Kleid ausgezogen, die gefärbten Blätter hatte der rauhe Herbstwind meist schon von den Bäumen gefegt, die sonst so saftig grünen Wiesen waren schmutziggelb geworden und schneegrell gleißte es von den Bergen, wenn die dichten Nebel sich zerstreuten und die blendende Mittagssonne am dunkelblauen Himmel leuchtete.

Still ist es im Thale, kein helles Jodeln der Sennerin tönt von den Almen, nur der dumpfe Schlag der Holzaxt ist hin und wieder aus den dunkeln Tannenforsten zu vernehmen. Doch soeben ertönt von dem Sträßchen her helles Glockengeläute, vermischt mit fröhlichen Juchzern und Pistolenschüssen. Ein prächtig geschmückter Kammerwagen, 10 von drei gezierten Rossen gezogen und von einem festlich gekleideten Knechte geleitet, nähert sich dem von Unterjachenau etwa eine halbe Stunde entfernten Wallerhofe.

Hinter dem mit buntbemalten Wohnungs- und Küchengeräten vollgepackten Wagen, auf dem das Spinnrad mit dem Rocken, das Brautbett und die Wiege nicht fehlten, fuhren in einem hübschen Schweizerwägelchen die Braut und der Pfarrer, welcher die Aussteuer ausgesegnet hatte (benedictio tori). Eine Dirn trieb hinter dem Kuchelwagen eine bekränzte Kuh her, welche ebenfalls zur Mitgift gehörte.

Die Braut trug am Arm in einem zierlichen, buntgeflochtenen Körbchen das Brauthemd für ihren Verlobten und den Brautführer sowie ein Paar Strümpfe und Schuhe für die Brautmutter. Sie war gegen Mittag von dem in der Nähe von Oberjachenau gelegenen Singerhofe aufgebrochen, um, wie es hier üblich, am Donnerstag vor der Hochzeit die Brautschätze in das Haus des Hochzeiters zu überbringen.

Aus allen Höfen, an denen der Zug vorüberfuhr, kamen die Bauern heraus und begrüßten das schöne Singerbauern-Resei, das dem Erben des Wallerbauernhofes, dem Wendel, verlobt war. Beide Bauern zählten nicht zu den vermöglichsten der Jachenau, sie galten eigentlich nur als Halbbauern, aber sie genossen immerhin einiges Ansehen im Thale, und so war die Verbindung ihrer beiden Kinder ein allenthalben freudiges Ereignis. Die jungen Burschen feuerten Salutschüsse ab und die Mädchen und Frauen drückten der Braut herzlich die Hand und wünschten ihr Glück und Segen zum neuen Hausstande.

Resei war ein schönes, schlank gewachsenes Mädchen mit etwas länglichem, gut geschnittenem Gesicht und 11 dunkelblonden Haaren, welche unter dem grünen Bandelhute perrückenartig bis zum Halse herabfielen und die Hälfte der wohlgefärbten Wangen bedeckten. Sie war in die malerische Tracht der Jachenauerinnen gekleidet, die außer dem schon erwähnten Hute in einem grünen, mit rotem Vorstecker und roten Aermelaufschlägen geschmückten Spenser, einem buntseidenen Einstecktuch, dem schwarzen, nur bis an die Hälfte der Waden reichenden Wollenrock, der weiß und rot gestreiften Schürze, weißen, aus Kaninchenwolle gestrickten Wadenstrümpfen und weit ausgeschnittenen Schuhen bestand.

Der Pfarrer war ein ältlicher, aber rüstiger Herr mit langen, schwarz und grau melierten Haaren und einem freundlichen Gesichte. Er trug einen niedern Cylinderhut, einen langen, schwarzen Rock, Wadenstiefel und enge Hose.

Nachdem der Zug soeben wieder einen Bauernhof passiert und die Braut die Wünsche der Landsleute entgegengenommen hatte, bei welcher Gelegenheit die vorn am Wagen sitzende Dirn aus einer Butte frischgebackene Nudeln unter die Leute warf, sagte der Pfarrer lächelnd zur Braut:

»Resei, du siehst, alle Leut wünschen dir Guts zum neuen Hausstand, da wird auch der Himmel sein' Segen dazu geben.«

»Geb's Gott!« erwiderte das Mädchen. »I bin ja so viel glückli, Hochwürden, so viel – i moan schier z'viel. Und dengerscht is's mir wieder, als ob i woana müaßt, als wenn alles a Traum wär, grad a Traum.«

»Die Sach hat sich halt rasch gmacht,« meinte der Pfarrer. »Dei' Wendl hat an' rechten Soldatenkopf mitbracht, was er sich einbild't, muß gschehn, Knall und Fall; man sollt glauben, er wär a Stabsoffizier gwen und kei' 12 Corporal bei der Artillerie. Kaum is vor etli Monat sei' Dienstzeit aus, kommt er z'rück, verlangt von sein' alten Vatern, daß er ihm 'n Hof verschreibt und geht zu dir auf d' Frei. Du b'sinnst di nit lang, deine Eltern is's recht und etli Wochen drauf wird 's KrautessenBeim Stuhlfest kommen in der Jachenau das Brautpaar, dessen Eltern und der Hochzeitlader zu einem kleinen Mahle im Wirtshause zusammen, welches das »Krautessen« genannt wird. Bei demselben bringt nämlich die Kellnerin eine Schüssel mit Kraut und fragt den Hochzeiter: Wieviel giebst du mir für dieses Kraut? Fürs erste sagt er kurzweg: Ich brauch keines. Endlich läßt er sich dann doch in den Handel ein und die Kellnerin steigert ihn im Preise von 1–4 Thaler, welche er zuletzt gutwillig bezahlt. Dieses Geld wird dann der Braut übergeben und gilt gleichsam als Brautgeschenk oder Drangeld. g'halten, bei dem du 's Drangeld kriegt hast. Und heunt fahrn wir den Kuchelwagen auf'n Wallerhof, am Montag aber is d' Hochzeit. Mir is's ja recht, Dirndl, aber halt gar so g'schwind is's gangen, meinst nit auch? Sag, hast'n denn auch wirkli von Herzen gern?«

»G'wiß hon i'n gern,« entgegnete Resei errötend; »is's nit der schönst' Bursch in der Jachenau?«

»Meinst, er kann si' noch hineinfinden ins Bauernlebn?« fragte kopfschüttelnd der Pfarrer. »Beim Militär war er's Kommandieren g'wöhnt, da geht alles wie am Schnürl, arbeiten müssen die gemeinen Soldaten. Bei uns heraus aber heißt's selber Hand anlegen, wenn man nit rückwärts kommen will.«

»Beim Wendl wird si' nix fehln,« entgegnete mit Sicherheit das Mädchen, »und an mir soll er die best' Stütz hab'n. I bin 's hampern g'wöhnt von fruah bis auf d' Nacht. Ehhalten tragt's uns nit viel auf unsern Hof, so weni wie r am Wallerhof, aber wenn alles zam 13 greift und Gott sein' Segen dazua giebt, so kann 's nit rückwärts gehn. D' Hauptsach is, daß mi der Wendl so gern hat, wie r i ihn.«

»Weißt du das nit ganz gewiß?« fragte der Pfarrer.

»Mei', der Wendl kann si' halt nit gebn, wie r er is; von außenwendi siehgt er si' ebbas rauh und hart her, aber innawendi is er der best' Mensch. Fährden (voriges Jahr) is er zum Kirta in Urlaub kömma, er hat no' an' Kameraden bei eam g'habt, aa r an' Korporal von der Artillerie, alle zwoa in Uniform mit lange Sabel, grad nur so glanzt hams und alle Dirndln ham si' a Ehr draus g'macht, mit eahna z' tanzen. Grad i hätt' nit tanzen solln damit, und warum? Weil si's der Fischerfriedl so einbildt hat, den mir mei' Vata gern zum Hochzeiter gebn hätt'. I bin mir selm nit klar gwen, ob i 'n mag oder nit, aber beim ersten Tanz mit 'n Wendl – da hon i g'wußt, wie r i dran bin.«

»Da hast 'n Friedl, der nix gleich sieht, 'n Laufpaß gebn und bist 'n zweierlei Tuach nach, gel?« ergänzte der Pfarrer, »'n Friedl hast dir damit nit zum Freund g'macht.«

»Ja mein', 's liebn und 's beten laßt si' nit danöten. Dös hat aa mei' Vata eing'sehn und so hon i den Buam kriegt, dem mei' Herz g'hört.«

Sie hatte das kaum ausgesprochen, da trat aus einem Staudenwerk der Fischerfriedl auf den Weg heraus.

Resei erschrak sichtlich und unwillkürlich griff sie nach der Hand des Pfarrers.

Der Bursche trug an einer Stange über der Schulter den sogenannten Pern, ein kleines Fischnetz. Er hatte soeben einige prächtige Forellen aus der Jachna gefischt, die 14 er, in Laub eingewickelt, in der Hand hielt. Er war in Arbeitsmontur, hatte eine etwas vernachlässigte Haltung und sah deshalb kleiner aus, als er war. Aber aus seinem bartlosen Gesichte blickten ein Paar große, milde, blaue Augen, die jetzt vorwurfsvoll und schmerzlich auf Resei gerichtet waren.

Er hatte den Hut abgezogen und warf jetzt die Forellen in den Wagen der Braut.

»Für's Kuchelwagenessen!« sagte er spöttisch.

Der Pfarrer machte mit der Hand eine Bewegung gegen den Burschen, als wollte er ihn bitten, keine weitere Störung zu verursachen. Dieser verstand dies, nickte einige Male kurz mit dem Kopfe, während ihm die Thränen über die Wangen herabliefen, und blieb stehen, indessen die andern weiterfuhren.

Resei war erblaßt. Sie sprach kein Wort; auch der Pfarrer gab sich seinen Gedanken hin. Er kannte den Friedl genau und fühlte tiefes Mitleid mit ihm. Lieber wäre er mit dem Kuchelwagen in das Fischerhaus bei Niedernach am Walchensee gefahren. Aber an der Sache war nichts mehr zu ändern.

Je näher Resei dem Hofe ihres Bräutigams kam, desto leichter atmete sie wieder.

»Von dene Fisch braucht der Wendel nix z'wissen,« sagte sie, und sich zu dem Fuhrknechte wendend, fuhr sie fort: »Da, Hansl, versteck's im Wagl und thua damit, was d' willst.«

»So werd i's halt nacha dahoamt verschnabuliern,« erwiderte dieser lachend; »vergelt's Gott dafür!«

Resei aber rief jetzt:

15 »Sehgt's, Hochwürden, da kimmt uns der Wendl schon entgegen.«

Die Wagen hatten von der Straße abgelenkt und die Richtung nach dem seitwärts gelegenen Wallerhofe genommen, der am Abhange des Brunnenberges in prächtiger Lage sich befindet. Nach Sitte und Brauch muß der Bräutigam der ankommenden Braut einen Büchsenschuß weit entgegenkommen, wonach sie ihm die Schlüssel zu den mitgebrachten Truhen und Kästen, die den Brautschatz enthalten, übergiebt.

Wendel aber, von der Artillerie her an größere Schußweiten gewöhnt, empfing die ersehnte Braut schon auf dem Punkte, wo sich der Weg nach seinem Hofe abzweigt.

Wendel war ein hochstämmiger, strammer Bursche mit entschiedenem, männlichem Gesichtsausdruck und großen, blauen Augen. Seine Oberlippe schmückte ein stattlicher, brauner Schnurrbart, der sich mit dem schmal gehaltenen Backenbart zu verbinden schien, während das runde Kinn glatt rasiert war. Dunkelbraune Haare fielen unter dem grünen, mit einem Spielhahnstoß geschmückten Bandhute herab. Den Hals hatte er mit einem schwarzen Flor umwunden, ober welchem der weiße Hemdkragen sichtbar war. Dazu trug er einen kurzen Spenser von laubgrünem Holländertuch mit gelben Aufschlägen, eben solcher Einfassung und gelben Spitzknöpfen, eine Weste von gleich hellgrüner Farbe mit vielen kleinen Knöpfen und gelber Ausnähung, eine kurze, mit grünen Verzierungen versehene Lederhose, die mit Pfauenfedern abgenähte lederne Leibbinde, weiße, grün bezwickelte Strümpfe und flache, weit ausgeschnittene Schuhe.

16 Schon von weitem schwang er seinen Hut zum Gruße und beim Wagen angelangt, rief er:

»Grüaß di Gott tausendmal, liabs Bräutl, und Enk dazua, Hochwürden Herr Pfarrer!«

Damit drückte er beiden herzlich die Hände.

Resei griff jetzt in das Körbchen, um die Schlüssel zu den verschiedenen Kästen herauszunehmen und sie, wie es üblich, dem Bräutigam zu übergeben. Dieser aber sagte:

»B'halt's nur grad. I brauch d' Schlüssel nit zu deine Kästen, nur den oan, der mir dei' Herz aufgsperrt hat, b'halt i, und dös is mei' Vertraun in di, mei' treue Liab. So laß unsern Handel sei', Resei, und nit wahr, Hochwürden, Sie gebn Ihren Segen dazua?«

»Amen,« sagte der Pfarrer und legte seine Hand auf die verschlungenen Hände des Brautpaares.

Nun ward der noch kurze Weg zum Hofe zurückgelegt, wobei der Bräutigam an der Seite des Wagens blieb.

Vor dem Hofe bewillkommten die Braut die alten Eltern des Wendel, dessen jüngerer Bruder und einige Ehehalten. Der Bräutigam hob Resei vom Wagen und half dem Pfarrer beim Aussteigen, worauf sich alle in die Bauernstube begaben, wo den Ankommenden Wein und mürbes Brod kredenzt wurde.

Die mitgebrachte Kuh aber ward mit einem mit geweihtem Salz bestreuten Stück Brot bewillkommt und dann im Stalle untergebracht.

Dann aber ging es zum Abladen des Kuchelwagens. Alles half da mit, die Geräte wurden an ihren Platz gestellt, vor allem aber die Brautstube eingerichtet.

Ganz besonderes Vergnügen bereitete Resei ihrem Bräutigam, als dieser auf einem bunt bemalten Tölzer 17 Kleiderkasten seines ziemlich getroffenen Portraits als Artillerie-Unteroffizier zu Pferd ansichtig ward. Mit Freude und Wehmut zugleich blickte er lange nach dem Bilde. Der dunkelblaue kurze Frack mit den goldenen Knöpfen und der gelben Korporalsborte am schwarzen, rotpaspoilierten Kragen, die golden schimmernden Epauletts, der lange Schleppsäbel, der Raupenhelm mit glitzerndem Schilde, Spangen und Kettchen und der hohen roten Huppe – alles sah so prächtig aus, daß sich Wendel wieder ganz in seine schöne Soldatenzeit zurückversetzt fühlte. Dazu hatte es der Kastenmaler verstanden, Wendels großen Schnurrbart mit vieler Sorgfalt wiederzugeben, so daß der Bursche jetzt unwillkürlich die nun etwas vernachlässigte Zierde seiner Oberlippe dem Bilde durch künstliches Aufwärtsdrehen seiner Spitzen ähnlicher zu machen suchte.

Der Pfarrer bemerkte das und sagte lächelnd:

»Wennst'n Schnurrbart so auffidreht hast, hast g'wußt, warum, gel? Weg'n dein' Hauptmann allein is g'wiß nit g'schehn.«

»Grad weg'n dem is's g'schehn!« erwiderte Wendel. »Unser Herr Hauptmann Schnizlein hat's gern a so g'sehn. Proper, hat er g'sagt, muß der Soldat sein, aber aa fesch! Da hat si' nix g'fehlt bei mir, und weil i aa sunst beim Zeug war, hat mi mei' Kommandant hoch in Ehren g'halten. Glei hätt' er mi zum Feuerwerker vorg'schlag'n, wenn i mi hätt' reangagieren lassen. Hätt' nit viel g'fehlt, so wär's der Fall gwen. Ja, ja, es is scho' schön beim Militär, wenn ma' sei' Pflicht thuat und wenn ma' von seine Vorg'setzten g'acht wird. Und grad so a Bräunl hab i g'habt, wie's der Maler daher g'macht hat, a fromm's, a guats Tier! Wie wird's ihm jetzt gehn? Obs der jetzige Reiter 18 so guat zu behandeln weiß, wie's bei mir der Fall? Obs no' hin und wieder an' Zucker kriegt, den 's so gern schleckt? Mei', i wollt, i hätt's da, mei' guate Lies!«

Mit leuchtenden Augen sah er nach dem Gemälde und gab sich seinen Erinnerungen hin.

»Aber Wendel,« rief Resei lachend, »i werd' dös Bild da überstreichen lassen, wennst mi drüber vergißt!«

»Warum nit gar,« entgegnete der Bräutigam, wie aus einem schönen Traume erwachend. »Di vergessen, mei' liebs Bräutl, so was giebt's nit! Also stelln wir alles auf sein Platz, daß wir nacha zum Essen komma; d' Muatta greint sunst, weil ihre guaten Sachen verderben.«

Nachdem alles geordnet war, nahm der Pfarrer nochmals die Einsegnung vor und hierauf beschloß ein Mahl im Kirchweihstil mit Knödeln, Fleisch und Weizennudeln die ganze Festlichkeit.

Glücklich, zufrieden und in der heitersten Laune setzten sich alle zu Tische. Niemand ahnte, mit welch ganz andern Empfindungen sie sich wieder erheben sollten, denn ein plötzliches Ereignis vernichtete gleich dem jähen Sturz einer Lawine den soeben begonnenen Bau des Glückes und der Wohlfahrt des jungen Brautpaares. 19


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