Maximilian Schmidt
Die Jachenauer in Griechenland
Maximilian Schmidt

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IX.

»Ja, Bua! Wennst so furt avantschierst, kannst es in Griechenland drin zum General bringen!« rief der alte Wallerbauer erfreut, als gegen Mittag des andern Tages Wendel mit seinem Bruder Lindl, der ihn mit dem Wägelchen in Walchensee abgeholt, angefahren kam und der Alte von Lindl erfuhr, daß er einen Oberfeuerwerker mitbringe.

Die alte Mutter begrüßte den Sohn unter Thränen und meinte: »Mir wär's lieber, du wärst a g'meiner Soldat und bleibest im Land! O mei', o mei', dös is gestern a schlechter Anfang gwen mit der Lahna, dös is kei' gut's Zeichen. Wendel, i verhoff, du kimmst von einer G'fahrnis in die ander.«

»Tröst di, Muatterl!« erwiderte Wendel, Mantel und Säbel ablegend, »i bin Soldat und der hofft allweil 's beste. Alleweil kann's natürli nit eben gehn, aber 's Ungemach därf uns nit abschrecken. Mir kann's so leicht nit an!«

»Jegerl, Jegerl!« rief jetzt der alte Bauer wieder, als er die drei gelben Litzen auf Wendels Rockkragen erblickte, »jetzt hast ja gar drei Strich und an' Borten! Paß auf, paß auf, dir setzen's in der Jachenau noch a Monament!«

Auch Lindl kam jetzt in die Stube und bewunderte mit den Eltern neuerdings die vielen gelben Litzen an Wendels Rockkragen, dabei aber vergaßen sie nicht, den Tisch zu einem guten Mittagsmahl herzurichten, zu welchem 102 Lindl eigens einige Flaschen roten Tiroler vom Jochwirt mitgebracht hatte.

Resei wollte Wendel erst auf dem Nachhausewege besuchen, um dann länger bei ihr verweilen zu können. Mit dem Singerbauer, Reseis Vater, hatte er sich heute morgens in Walchensee ausgesöhnt.

Der Bauer war zu ihm gekommen, um ihn ernstlicherweise wegen seines Benehmens gegen Resei zur Rechenschaft zu ziehen, aber der neugebackene Oberfeuerwerker mit dem großen Bärenschweife am Helm (die besondere Auszeichnung des ersten Unteroffiziers, welche er sich schon für alle Fälle von München aus mitgenommen) flößte ihm solchen Respekt ein, daß er seine einstudierte Rede vergaß, und zum Ausstudieren einer neuen ließ ihm Wendel keine Zeit.

»Z'erst kommt der König, dann kommt lang nix mehr – dann kommt erst unsre Heiratsg'schicht!« behauptete er. »Alles schön nacheinand'. Mit 'n Resei hab i mi schon gestern ausg'söhnt, und wir zwei, Singerbauer, werden auch fertig wern mitanand. Weißt was, i verzicht auf dei' Kuh, die 's Resei mit ihrem Kuchelwagen auf mein Hof bracht hat; dös war eh nur a Abmachen zwischen mein Vatern und dir. I nimm's Resei ohne ihr Heiratsgut; 'n Kuchelwagen kannst ihr lassen, sonst will i nix. Aber dafür verlang i, daß d' nimmer brummst, Schwiegervater, und daß d' Sach nimmst, wie 's is.«

Der Singerbauer traute kaum seinen Ohren, als er Wendels Verzicht auf ein weiteres Heiratsgut und sogar auf die Kuh vernahm.

»Ja, da möcht i 's ja schier als a Glück betrachten, daß d' nach Griechenland reist!« meinte er zufrieden 103 lächelnd. »Eingschlagn, Wendel – i bin einverstanden! Und gel, kimm zum Resei heunt und richt's auf in ihrer Verzagtheit.«

Ein Kanonier war eingetreten und machte »gehorsamst« eine Meldung, auf welche der Oberfeuerwerker sofort kurzen Bescheid gab, worauf der Meldende erwiderte: »Zu Befehl, Herr Oberfeuerwerker!« auf einem Absatz Kehrt machte und stramm davonmarschierte.

Der Singerbauer riß vor Erstaunen Mund und Augen auf.

Wendel aber wandte sich wieder zu ihm und fuhr fort: »Sag 'n Resei, i b'suchs, nachdem i heut nachmittag bei meine Leut zug'sprochen hab. Hörst das Signal! Mich ruft der Dienst. Adis.«

»Zu Befehl!« antwortete der Bauer, noch ganz verblüfft über den militärischen Ton, den er vorhin vernommen, drehte sich, so gut er es vermochte, herum, bei welchem Versuch er fast das Gleichgewicht verloren hätte, und eilte gleich dem Kanonier festen Schrittes zur Stubenthür hinaus.

Im Lauf des Vormittags war dann Lindl mit dem Fuhrwerk gekommen, um den Bruder abzuholen. Der Batterie-Kommandant genehmigte Wendel gern die Bitte um einige Stunden Urlaub, trug ihm auf, Eltern und Braut zu grüßen und allen Jachenauern zu danken für ihre gestrige ausgiebige Hilfe, welchen Dank er noch im Amtsblatte veröffentlichen lassen würde.

Wendel hatte heute nicht unterlassen, seinem Hauptmann mitzuteilen, welch besonderes Verdienst der junge Fischer von Niedernach an der Abwendung der Katastrophe gehabt, ohne dessen Warnung auch er nicht imstande gewesen wäre, dem gewissen Unheil zu entgehen.

104 Der Hauptmann wünschte, dem Burschen persönlich danken zu können, und gab dem Oberfeuerwerker den Auftrag, dafür zu sorgen, daß Friedl nach Walchensee komme, am liebsten morgen früh vor dem Abmarsche, wo er ihn dann vor aufgestellter Mannschaft zu ehren gedachte.

Wendel fuhr hierauf ins heimatliche Thal.

In Oberjachenau bestellte er die Nachricht an Friedl, daß er ihn nachmittags beim Jochwirt sicher erwarte, um ihm eine wichtige Mitteilung zu machen.

Auf dem Wege zwischen Ober- und Unter-Jachenau begegnete dem Wagen 's Hüter-Mirdei vom Pfundbauern, ein allein in der Welt stehendes hübsches, braves Mädchen, das zwar in ihren Sonntagsstaat, aber doch sehr ärmlich gekleidet war.

»Wo aus denn, Mirdei?« rief ihr Wendel freundlich zu.

»Zum Jochwirt geh i auffi,« antwortete das Mädchen, »'n Hannes verhoff i dort z' treffen. Der Herr Pfarrer hat gschrieben, daß er heut kimmt und morgn wieder weiterfahrt nach Mittenwald und – da wird wohl der Hannes aa mitkömma. Er is ihm ja beigeben als Diener und Meßner ins Griechenland eini. O mei', i möcht nix als flenna!« Und sie fing in der That bitterlich zu weinen an.

»Es geht ihm ja nix ab, wenn er beim Herrn Pfarrer is,« tröstete Wendel. »Wer weiß's, zu was's gut is?«

»I fürcht, es is zu nix gut,« entgegnete Mirdei. »Er bild't si' ein, er kriegt viel Grund und Boden gschenkt in Griechenland drin und möcht's zu an' Bauern bringen, auf daß i sei' Bäurin werd. Aber i glaub nit dran. I 105 frettet mi viel lieber arm durch d' Welt, als daß i 'n furt laß ins Ungwisse, so weit – so weit!«

»Hoff's best', Mirdei!« tröstete Wendel. »Unser Herrgott verlaßt kein' braven Bayern! Und mach'n Hannes 's Herz nit schwer. Denk, er zieht sein' Glück entgegen! Beim Jochwirt kehr i auch zu am Heimweg. B'hüt di Gott, Mirdei!«

Mirdei grüßte gleichfalls, dann ging sie traurig ihrer Wege.

Wendel aber fuhr nach seinem Hofe.

Nachdem dort alles Wichtige nochmals besprochen, verabschiedete er sich von den Eltern, er machte es kurz und von ihrem Segen und ihren Thränen begleitet, fuhr er mit Lindl rasch von dannen, und ohne Aufenthalt auf den Singerhof zu seiner Braut.

Dort war schon alles zu seinem Empfange hergerichtet. Auf dem mit schneeweißem Linnen gedeckten Tische standen in einer zinnernen Platte goldgelbe, frischgebackene Nudeln, daneben ein nagelneues Kaffeegeschirr, dann einige Weinflaschen und eine weitere Platte mit Aufschnitt von Selbstgeräuchertem. Resei und Amrei aber hatten sich in ihre schönsten Sonntagsgewänder gekleidet. Hätten sie das nicht aus eigenem Antriebe gethan, so würde sie der Singerbauer dazu gezwungen haben, denn seit er von Walchensee nach Hause gekommen, sprach er nur mehr von der Macht und dem Ansehen, die sein künftiger Schwiegersohn genoß, sodaß selbst der Landrichter von Tölz dagegen verschwinden müsse. Besonders der Bärenschweif erregte noch jetzt seine Bewunderung.

Und als Wendel angefahren kam, eilte er zum Wagen und rief ein über das andere Mal:

106 »Grüaß Gott, Herr Ober! Grüaß Gott, Herr Ober! Steig nur ab und komm in die warme Stuben. Der Kaffee is schon zu Befehl.«

Resei und Amrei begrüßten den Oberfeuerwerker ebenfalls aufs freudigste, und alsbald saß man um den reichgedeckten Tisch. Kein Wort des Vorwurfs kam mehr über Reseis Lippen, sie fand sich in das Unabänderliche, und da wollte sie dem Bräutigam die letzten Stunden in der Heimat nicht durch Klagen und Vorwürfe verbittern.

Auch Amrei war heiter und gesprächig. Oefters freilich schweiften ihre Gedanken über die Stube hinaus und gen Niedernach zu, wo Friedl gewiß in jenem Augenblicke auch ihrer gedachte.

Aber auch Wendel erinnerte sich jetzt des früheren Nebenbuhlers, indem er sagte:

»I darf nit lang dableiben. I hab 'n Fischer-Friedl zum Jochwirt außi b'stellt, wo i ihm von mein' Hauptmann was ausrichten muß. Er muß morgen beim Abmarsch in Walchensee sein.«

»Der Friedl?« rief Amrei erregt. »Da wird nix draus. Dei' Herr Hauptmann soll z'frieden sein, daß er di meiner Schwester noch in der letzten Stund wegg'schnappt hat; vom Friedl soll er d' Hand lassen! Was bild't si' denn der ein? Meint denn der, d' Jachenauerbuam san nur für eam auf der Welt? Der machet uns Dirndln ja alle zu Witwen, noch eh daß wir g'heirat san! Uebern Friedl hat er gottlob kei' Macht. Da kann er lang warten, bis der kimmt.«

Alle sahen erstaunt nach der sich so Ereifernden, die jetzt hoch errötete, weil es ihr nachträglich einfiel, daß sie sich verraten.

107 »Ja, was geht denn di der Friedl an?« fragte der Singerbauer.

Resei und Wendel aber hatten sie verstanden, ohne zu fragen. Jene hatte es längst geahnt und dieser wußte es jetzt sicher, auf wen sich die Stelle in Amreis Brief bezog. Der »Allerlieber« war Friedl. Auch dessen gestrige Bemerkung, daß von Wendels Leben sein Glück abhänge, stimmte mit dem Schreiben Amreis überein, in welchem sie mitteilte, sie hätte gelobt, nicht eher einen Mann zu nehmen, bis Resei und Wendel verheiratet wären.

Wendel reichte daher dem Mädchen die Hand und sagte:

»Jetzt versteh i dein' Brief. A größere Beruhigung hätt'st mir nit mitgebn könna auf d' Reis' –«

»Aber i möcht wissen, für was d' di so ereiferst« – wiederholte der Singerbauer fragend zu Amrei.

»Laß mi reden!« unterbrach Wendel den Alten.

»Zu Befehl!« gab dieser zur Antwort. »Aber nachher red i.«

»Mei' Herr Hauptmann will dem Friedl nur eine große Ehrung zu teil werden lassen.«

»Zu Befehl! Aber –«

»Nix aber!« unterbrach ihn Wendel. »Amrei, sag du mir aufs G'wissen, hab i recht g'raten?«

»Scho!« entgegnete verlegen das schöne Mädchen; »aber jetzt is's mir scho' wieder recht.«

»Und dein' Vatern muß's auch recht sein,« entgegnete Wendel lachend. »Wie meinst, Singerbauer, wenn i halt für'n Friedl um dei' Amrei freiet? Als Schwiegersohn hast dir'n ja ehvor schon denkt, jetzt giebst eam halt's d' Amrei und – nix sagst, als: zu Befehl!«

»Dös kimmt mir z' gaach, dös kimmt mir z' gaach!« 108 sagte der Singerbauer, den Kopf schüttelnd. »I weiß ja no' gar nit, wie's Amrei g'stimmt is.«

»Gut bin i g'stimmt, Vater!« erwiderte rasch die Tochter.

»No', so giebst ihr 'n halt!« meinte lächelnd Resei. »I betracht's für a groß's Glück.«

»Begleits mi außi zum Jochwirt,« sagte Wendel. »Da wern wir's ja hörn, wie der Friedl pfeift. Und wenn er um d' Amrei bei dir anhalt', Singerbauer, so sagst: einverstanden!«

»Zu Befehl!« erwiderte verlegen der Bauer.

Alle lachten.

»Also richts euch zam, wir gehn zu Fuß zum Jochwirt,« dirigierte Wendel und ging dann, den Bruder aufzusuchen, um ihm das Nötige mitzuteilen. Lindl war, da zwei junge Mädchen in der Stube anwesend waren, durchaus nicht zu bewegen gewesen, in dieselbe einzutreten, und zog es vor, seinen Kaffee im Stalle bei den Pferden zu verzehren. Er haßte die Mädchen nicht, aber er empfand eine unüberwindliche Scheu vor ihnen. Als dann die ganze Familie mit Wendel den Hof verlassen, fuhr er langsam zum Jochwirte nach. – – –

Friedl wollte soeben in sein Schiffchen steigen, um nach Walchensee überzufahren, als ihm Wendels Botschaft zukam. Es lag ihm alles daran, mit dem früheren Nebenbuhler zusammenzutreffen, dessen Glück er durch einen verbrecherischen Zauber untergraben zu haben glaubte. Er wollte alles aufwenden, um die Wirkung dieses Zaubers so lange abzuschwächen, bis er denselben mit Hilfe des Zigeuners Duli vollends gefahrlos machen konnte. Und so war es ihm gelungen, von einem in Kochel lebenden 109 Veteranen, welcher den russischen Feldzug glücklich überdauert, ein sicheres Mittel der berühmten »Passauer Kunst« zu erhalten. Diese Passauer Kunst besteht aus hieb- und stichfest machenden Zettelchen mit allerlei Figuren, welche unfehlbare Wirkung haben, wenn man sie unter gewissen Gebeten verschluckt. Ein Scharfrichter in Passau hat sie zuerst 1610 den dortselbst für Kaiser Rudolf II.Seinen Bruder Mathias, den er haßte und fürchtete zugleich, sowie Ferdinand, den Erzherzog von Görz, von der böhmischen Thronfolge auszuschließen, verfiel Kaiser Rudolf II. auf den Gedanken, Ferdinands Bruder, dem Erzherzog Leopold, Bischof von Passau, dieselbe zuzuwenden. Zu diesem Zwecke zog er im Bistum Passau eine militärische Macht zusammen, deren Ausschweifungen jedoch den Kaiser in ungeahnte Verlegenheiten setzten und ganz Böhmen gegen ihn aufbrachten. Die passauischen Truppen wurden verjagt und Rudolf, von aller Hülfe entblößt, mußte dem Bruder lebend den Thron überlassen, den er ihm im Tode nicht gönnen wollte. ausgerüsteten Soldaten verkauft und es hat sich der abergläubische Gebrauch dieses Zettelverschluckens bis in das jetzige Jahrhundert herein fortgepflanzt. Und damit gar nichts mehr fehlen könne, verschaffte sich Friedl von einem andern Veteranen in Wallgau, der jetzt als alter, pensionierter Gerichtsbote dort lebte, auch noch eine Abschrift der »goldenen Schatzkammer,« das ist ein Schutzbrief, welcher auf der rechten Seite oder um den Hals getragen werden muß und von einem Diener des Grafen Philipp von Flandern herstammt. Dieser Schutzbrief feit den gläubigen Träger ebenfalls vor »Geschoß und Geschütz, süchtigen Messern und allen Gefährlichkeiten zu Wasser und zu Land und im Sturmwind, vor Zauberei, Totschlag, Stolz und Heuchelei.« Er verhindert, daß der Träger jemals gefangen und gebunden werde, und bezweckt, daß alle Waffen gegen ihn 110 ihre Kraft verlieren, wie Pharao seine Kraft verloren hat; ja, sogar alle Augen sollen sich verblenden, die falsch auf ihn sähen u. s. f., kurz, dieser mit allerlei Gebeten vermengte Schutzbrief schien dem besorgten Friedl für Wendel das richtige Geleitschreiben und ganz geeignet zu sein, das Gleichgewicht gegen Dulis bösen Zauber zu halten, und er wollte erst einige Beruhigung in sich aufkommen lassen, wenn all diese wohlthätigen Dinge sich in des Feuerwerkers Händen befänden. Daß er ihn gestern vor dem sicheren Untergange retten durfte, schrieb er schon auf Rechnung dieses Schutzbriefes, da derselbe ja für Wendel bestimmt und gleichsam schon dessen Eigentum war. Welch großes Werk ihn der günstige Zufall hatte vollbringen lassen, dessen war er sich gar nicht bewußt. Es war ihm nur ganz natürlich, daß er die Batterie nicht von der Lawine verschütten ließ, da er es verhindern konnte. Daß er dafür einen Dank, eine Ehrung empfangen sollte, kam ihm gar nicht in den Sinn.

Aber doch freute es ihn, daß er Wendel einen guten Dienst hatte erweisen können.

Friedls Mutter bemerkte mit Freuden, daß der schon so lange Zeit einem stillen Trübsinn nachhängende Bursche seit seiner gestrigen Heimkehr wie umgewandelt war, und als er auf Wendels Botschaft hin Anstalten machte, sich in besserer Kleidung nach Oberjachenau zu begeben, fragte sie ihn: »So hast kein' Verdruß mehr auf'n Wendel?«

»Kei' Fäserl mehr!« erwiderte Friedl. »Er hat mir ja gar nix Bös's antho'. Wenn er's Resei nit gnomma hätt', wär i ja gar nit auf den Gedanken kommen, daß d' Amrei viel besser für mi paßt.«

»D' Amrei,« fragte die Mutter erstaunt, »du hast 111 weni Stolz, daß d' no' zum Singerbauer schaust, 's giebt ja no' andere Dirndln in Jachenau. So weit därfst di nit runtergebn, daß d' di wieder ins Netz nehma laßt von an' Singerbauerndirndl.«

»A was, Muatta! D' Amrei und i san schon einig und an der Schwiegertochter sollst a Freud habn.«

»Aber wie is denn dös so gaach kömma?«

»Mei', so was kimmt halt unverhofft. Aber sie is scho' die richtige für mi. Muatta, sag nit: na', sonst kannst es erleben, daß mi der Riesenfisch verschlingt im See, grad wie r 'n Friedl, den Buam von unsern Urvorfahrn.«

»Bist staad, Bua!« rief die Alte erschrocken. »Der Friedl, von dem du red'st, hat sich den Tod geben aus Ehr, du gebest dir 'n aus sündhafter Schwachheit.«

Diese Rede bezog sich auf nachstehende Sage:

Vor vielen Jahren hatte ein Herzog von Bayern mit Vorliebe in der Umgebung des Herzogenstandes gejagt, der durch ihn den Namen erhielt. Seine Gemahlin begleitete ihn häufig, ließ sich aber gern durch einen Fischer auf dem Walchensee spazieren fahren, während ihr Gemahl dem Weidwerk oblag. Der Schiffer, ein herrlicher Jüngling aus der Jachenau, mit Namen Friedl, wußte die hohe Frau durch seine Alpenlieder und Jodler höchlich zu ergötzen, und bald entbrannte die Herzogin in leidenschaftlicher Liebe zu dem jungen Manne. Dieser fühlte nicht weniger warm für die schöne Frau, aber noch höher galt ihm die Liebe zum angestammten Herrscherhause, und gelegentlich einer neuen Fahrt mit ihr auf dem See riß er sich aus ihren Armen und rief: »Schöne Frau, ich hab Euch lieb, aber ich kann kein Unglück über unser Herzogtum bringen, deshalb laßt mich lieber sterben. Lebt wohl!«

112 Und er sprang aus dem Schiffe und versank in der tiefen Flut.

Mit Stolz gedenken die Jachenauer dieser Sage und ihre treue Anhänglichkeit an das Fürstenhaus hat sich bei allen Gelegenheiten rühmlichst bewährt.

Friedl meinte aber:

»I Muatta, i denk ja gar nit an'n Tod, sondern ans Leb'n, und gel, dir is's recht, wenn i um d' Amrei auf d' Frei geh?«

»Muß's mir denn nit recht sein?« erwiderte die Mutter lächelnd. »Thut's mir ja völli wohl, wie 's Lüfterl im Lanks (Frühling), daß i di wieder lachen seh; leicht, daß d' aa wieder juchezt, daß di dei' jungs Lebn wieder g'freut. Ja, ja, geh nur außi auf'n Singerhof und frei ums Amrei.«

»Dös G'schäft muß mir der Wendel b'sorgn.«

»Der?« fragte die Mutter ungläubig. »Der stolze Waller?«

»Gen mi is er's nit, und wir san ja seit gestern die besten Freund.«

»So thu, was d' für gut find'st,« sagte die Fischerin, »aber d' Hauptsach is – mach, daß d' Hochzet recht bald is.«

»Damit pressierts nit,« entgegnete Friedl. »G'heirat wird erst, wenn der Wendel wieder z'ruck is; so is's b'stimmt zwischen mir und der Amrei.«

»Aber Bua, der könnt ja gar nimmer z'ruck kömma!«

»Er kommt schon wieder. I gieb ihm schon was mit auf'n Weg, das'n g'feit macht vor allem Schaden.«

»Ebba gar a Hexerei?«

»Na', na', guate Sachen, die jeder Christenmensch habn kann.«

113 »'s best, was d' ihm mitgebn kannst, Friedl, das is a Vaterunser, alles andere is a Menschensach und mehrenteils nix als Lug und Trug und Aberglauben. A Vaterunser gieb ihm mit, weiter nix.«

»Ja Muatta, so glaubst du an kein Zauber? Wo bist denn du a solchene Freigeistin worn? Bist dengerst nit außi kömma aus der Hoamat.«

»A Freigeistin, meinst? Grad a bißerl a schärfers Aug und an' g'sunden Verstand hon i kriegt, aber ohne an' Tritt aus unserer Hoamat z' machen. I hon mir halt d' Augen nit verbinden lassen, bin da aufg'wachsen am See und hon an' Sinn für die Pracht und Größen in unserm Herrgott seiner Welt. Wenn's thort (donnert) und d' Wildfeuer blitzen, wenn's d' Welln haushoch auffipeitscht und der Sturmwind heult, wenn nacha wieder d' Stern so freundli awaglanzen vom Himmi und der Mond über'n See zieht, wenn's leucht' von die Berg, wenn d' Sunna kimmt und geht, wennst schaust bei Tag und Nacht, was wird und lebt um di: da lernst es kenna, wie zwerghaft d' Menschen san, wie winzig alles is, was's könna, wolln und wissen, und daß's auf der Welt kein andern Zauber giebt, als den, der awa kimmt vom Himmi. Und den kannst nur erbeten, Friedl, glaub deiner alten Muatta; is's aa nur a alt's Wei, was dös anlangt, so weiß si's g'wiß.«

»Also glaubst nit dran, daß d' Zigeuner zaubern, daß si's Glück abbeten und abwünschen könna?«

»Alles is Lug und Trug; foppen könnens d' Leut, die dumma Leut, sonst nix, und was d' vorhin g'red't hast von die Sachen, die's d'n Wendel mitgebn willst, so halt i nix davon, mögens noch so christli aussehn. Bet 114 ihm an' Vaterunser. Wenn dös nix nutzt, so is's ihm anders b'stimmt.«

»Aber Muatta, i hon's g'lobt, d' Amrei nit ehnda heimz'führn, bis der Wendel glückli wieder z'ruck is,« sagte Friedl etwas ängstlich.

»So bist dumm gwen, daß d' so a Gelöbnis gmacht hast,« erwiderte die Mutter freimütig. »Aber dei' Pflicht is's jetzt, daß d' dei' G'löbnis haltst, und wenn all dei' Glück drüber z' Grund geht. Is dir aber d' Amrei b'stimmt, so glaub fest, daß der Wendel wieder kimmt und – an' Vaterunser gieb ihm mit, dös glangt.«

Friedl hörte nicht ohne Beschämung die alte Mutter so weise sprechen und es war ihm, als würde es auch in seinem Geiste etwas heller. Trotzdem er von Jugend auf am See lebte und alles das mit angesehen hatte, von dem seine Mutter erzählte, so fehlte ihm doch das richtige Verständnis dafür. Aber von nun an wollte er anders sehen und denken. Freilich war er noch nicht so ganz überzeugt, daß der Zigeuner Duli mit ihm nur einen Spaß getrieben. Immerhin aber schritt er leichtern Herzens der Oberjachenau zu. 115

 


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