Maximilian Schmidt
Der Bubenrichter von Mittenwald
Maximilian Schmidt

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XI.

Im nächsten Momente hielten sich beide umfangen. Mit unwiderstehlicher Gewalt riß es Jakl zu dem mutigen Mädchen hin, dessen Arme sich geöffnet hatten und sich nun zärtlich um den Nacken des Geliebten schlangen. Sein ganzes Wesen war verändert. Das früher so düstere Antlitz zeigte den glücklichsten Ausdruck, aus seinen Augen blitzte die Kühnheit erwiderter Liebe.

Die Mutter sah einige Augenblicke mit gefalteten Händen und Thränen in den Augen auf das vermeintliche Glück der jungen Leute, dann machte sie sich in der Nebenkammer zu schaffen; sie wollte ihnen Gelegenheit geben, sich ohne Zeugen gegenseitig herzlich aussprechen zu können.

Jakl war sich in diesem Momente seines Fehls nicht bewußt. Wenn der Himmel auf ihn herabgefallen wäre, wenn sich die Erde unter ihm geöffnet und ihn verschlungen hätte, er konnte nicht anders. Es war die Macht der Liebe, die ihm Sinn und Herz gefangen nahm, jener gewaltigen Liebe, die dem Menschen den Himmel aufbaut, aber auch gleich der plötzlichen Hochflut dahinrauscht, allen Hindernissen trotzend, alles mit sich reißend, zerstörend, vernichtend – tötend. Was er von jeher für die Jugendfreundin gefühlt, aber seit einem Jahre gewaltsam zurückgedrängt, was er die letzten acht Tage mit aller Macht zu vergessen sich zwang, das heutige Erscheinen Liesls beim 141 Bubengericht, ihr brennender Blick hatten den erkünstelten, morschen Damm, den er seinen Gefühlen entgegengesetzt, mit einem Streiche vernichtet, und Jakl war sich in diesem Augenblick nur des einen bewußt: der Seligkeit, die geliebte Jugendfreundin an sein Herz drücken zu können.

»Mei' liaba Bua,« begann endlich Liesl, »iatz is mei' Glück wieder ganz. Die ganz Woch über und grad auf unser Zamsein am Franzosensteig is mir's gwen, als wenn dei' Herz dem mein' ausweicha wollt. Es hat mir's Herz oft preßt und hat mi trauri g'stimmt, aber d' Marietta hat mir wieder Muat zuag'sprocha und hat mir a Liadl g'sunga aus ihrer Hoamat, und alls war wieder guat.«

»D' Marietta?« fragte Jakl mit stockendem Atem. Er war wie aus einem Traum erwacht. Seine Arme lösten sich von dem Mädchen und er führte Liesl zu einem der altertümlichen Lehnsessel, welche an dem Ecktisch in seiner Kammer standen.

»Du kennst do d' Marietta,« entgegnete Liesl, »die welsch Frau, die sich um di so angnumma hat und weg'n der di heunt der Ferdl in Bach hat leg'n woll'n?«

»Die kenn i freili',« antwortete Jakl gedrückt. »Was is's mit der?«

»No', sie moant, d' Manna san alle nit viel nutz, wenn's drauß san in der Welt.«

»Und was moanst du?« fragte Jakl, sich zu einem Lächeln zwingend.

»I? I glaub's nur teilweis. Di zum Beispiel nimm i aus. Gel, du warst drauß so brav wie in der Hoamat und warst dein' Deandl treu?«

»Und g'setzt, es wär nit a so? G'setzt, i wär leichtsinni und wär dir untreu gwen?«

142 »So muaßt mir's halt nit sag'n,« entgegnete Liesl herzlich; »denn so lang, als d' es du nit sagst, glaub i nit dran.«

»Und wenn's dengerscht so waar, dann müaßt'st mi verachten und di wegwenden von mir, weil i dei' Lieb verraten hon?«

»Verachten? O na'!« sagte Liesl. »I betrachtet di als an' Kranken, den i wieder kurieren müaßt, und i lasset mir die Kur scho' ernstli ang'leg'n sei'.«

»Wie machest denn dös?« fragte Jakl, halb neugierig und sich zwingend, auf den heitern Ton des schönen Mädchens einzugehen.

»I trachtet, daß der Pfarrer recht bald sein' Segen über unsere Händ machet, daß d' mir ewige Treu schwörest am Altar; nacha fürchtet i nix mehr, denn du bist nit der Mann dazua, an' heilin Schwur z' brecha, du halt'st 'n in der Näh, wie in der Fremd. Is's nit a so? Ja, ja, Jakl, für dei' Treu leget i mei' Hand ins Feuer jede Stund.«

Der junge Mann gedachte bei diesen Worten jenes Schwures, den er Marietta am Altare geleistet; sein Gesicht bedeckte tiefe Röte. War er nicht soeben im Begriffe, diesen Schwur zu brechen? Hatte er ihn nicht schon gebrochen? Verriet er nicht in diesem Augenblick auch das herrliche Mädchen, dessen Liebe zu ihm jeden Fehl zu beschönigen, zu verzeihen wußte, das in heißer Liebe für ihn glühte, selbst wenn er ein Verbrecher geworden wäre, gerade wie es die alte Nandl gesagt und prophezeit hatte?

»An was denkst denn?« fragte jetzt Liesl, dem jungen Mann mit der Hand über die Stirne streichend, als wollte sie die soeben entstandene Falte von derselben wegwischen.

143 »An mei' Schlechtigkeit denk i,« antwortete Jakl rasch und mit Nachdruck.

»Denk nit dran, mei' liaba Bua!« sagte Liesl mit zärtlichem Ton. »Drückt di d' Reu über Sachen, die nimmer z' ändern san, so laß mi dei' Pfarrer sei', der dir alles vergiebt, ohne daß er verlangt, daß d' eams beichtst. Absolvo te!« schloß sie komisch ernst ihre Rede, das Kreuz über ihn machend.

»Alles wolltst mir vergeb'n? Alles?«

»Alles! Was d' aa leichtsinni in der Fremd tho' hätt'st, durch dei' Aufopferung heunt für mei' Ehr, durch dei' mannhafte That 'n Ferdl gegenüber, der von jeher dei' Feind war und dem's d' Hand zur Freundschaft boten hast: durch dös hast in meine Augen hundertfach alles aufg'wogen, was d' in der Fremd auch Unrechts beganga hätt'st.«

»Und du verzeihst mir alles – was 's aa sein mag?«

»Alles! mei' Hand drauf. Red' ma iatz nimmer davon! Nit an deine Fehler, an unser Lieb laß uns denken, und vergnüagt woll'n ma heunt sei' bei unserm Verlobungsmahl.«

»Verlobungsmahl?« stotterte Jakl erschrocken, sich rasch vom Stuhl erhebend.

Die Mutter trat eben zur Thüre herein.

»Ja, heunt is's Verlobungsmahl!« rief sie ihm erfreut zu. »Alle san ma' g'laden zum Schändl ummi, aa d' Nandl. Und denk dir nur, Jakoberl, alle deine Leibspeisen wern kocht; Zwetschgenbavesen kriegst und an' Wein dazua, an' süaßen. Der alt' Schändl sagt, du bist der ausgezeichnetste Bua auf der ganzen Welt; er hat g'sagt, jeder muaß 'n Huat vor dir awaziag'n, und heunt no' 144 will er d' Heirat zwischen dir und der Liesl ausmacha. No' gel, dös is a Freud? Hörst, d' Wandlung läut'ts. Der Himmelvata schick enk sein' Segen zu an' glücklin Hausstand!«

Vom nahen Turme tönte das Geläute mit der großen Glocke. Die Mutter und Liesl ließen sich auf die Kniee nieder und bekreuzten sich andächtig. Tiefe, feierliche Stille herrschte in der Stube, im ganzen Markte.

Da, beim zweiten Zeichen, sank Jakl plötzlich wie bewußtlos in den Stuhl zurück, und sein Gesicht bedeckte Totenblässe.

Die beiden Frauen schrieen entsetzt auf.

»Heilige Muattagottes!« schrie Liesl; »was is's mit 'n Jakl?«

»Schnell a Wasser! Tropfen!« rief die Mutter; »helft's, helft's!«

Liesl stürzte nach dem Wasserkrug, der auf dem Nachttischchen stand. Die Mutter war in Nandls Kammer geeilt und kam mit einem Fläschchen Karmelitengeist wieder zurück. Aber schon war dem Sohne das Bewußtsein zurückgekehrt, und er schlug die Augen auf.

»Gott sei's gedankt, er erholt si!« rief Liesl.

»Mei', Jakl, was machst du uns für Schrecken!« sagte die Mutter. »Du bist krank. Nüchtern bist no', und die Anstrengung dazua die ganze Wochen, und heunt die Aufregung, es is ja koa' Wunder. Leg di ins Bett, rast aus; i bring dir was z' essen. Jesses, i woaß nit, wo mir der Kopf steht; wenn nur d' Nandl scho' aus der Kircha zruck waar!«

»Bringt's 'n Jakl ins Bett, Muatterl,« sagte Liesl, zitternd vor Aufregung; »i hol a guate Suppen und was 145 sunst nöti. Glei bin i wieder da. Jakl, mei' liawa Bua, i bitt di, werd mir nit krank! Glei bring i dir a Stärkung.«

Und sie eilte davon.

Jakl aber wollte vom Bettgehen nichts wissen; er zog es vor, sich auf das lederne Sofa hinzustrecken. Die Mutter schob ihm ein Kissen unter den Kopf und sprach ihm ermutigende Worte zu..

Liesl aber lief, nachdem sie zu Hause eine stärkende Suppe für den Kranken bestellt, zum Arzte, den sie bat, schleunigst zu Jakl zu kommen.

Des Arztes erste Frage war:

»War er drüben im Tirolischen?«

»Ja,« entgegnete Liesl; »erst heunt nacht is er zruckkemma.«

Und nun mußte sie ihm über Jakls Krankheit berichten. Der Arzt aber meinte hierauf:

»Gottlob, das ist nicht gefährlich. Ich fürchtete schon, er hätte uns die Ruhr ins Land gebracht.«

»D' Ruhr?« rief Liesl erbleichend und an allen Gliedern zitternd. »Is's wirkli im Anzug?«

»Leider ja!« erwiderte der Arzt; »sie steht schon vor der Thüre; aber es werden sofort die strengsten Maßregeln dagegen ergriffen. Gebe Gott, daß unser Mittenwald davon verschont bleibt!«

Als der Arzt dann Jakl besuchte, fand er sein Befinden ohne alle Gefahr. Er hielt dessen Nerven infolge körperlicher Ueberanstrengung für geschwächt und ordnete ihm die größte Ruhe für die nächsten Tage an, das einzige Mittel, das sich sofort wirksam bei ihm erweisen würde.

Liesls Mutter hatte dem Kranken inzwischen eine 146 kräftige Fleischbrühe gebracht, und nach dem Weggehen des Doktors fragte auch Liesl wieder an, ob sie zu dem Freunde dürfe. Ihre Mutter aber meinte, sie solle es bei einem flüchtigen Abschied bewenden lassen, damit der junge Mann in seiner Ruhe nicht mehr gestört würde.

So reichte sie dem Geliebten nur noch herzlich die Hand und wünschte, daß er sich so rasch, als es nur immer möglich sei, erholen möchte. Lebhaft bedauerte sie, daß nun das heutige Freudenmahl nicht stattfinden könne, aber sie hoffte, daß dies schon in den nächsten Tagen nachgeholt werde.

Jakl sah dem Mädchen mit einem unaussprechlichen Blick in die schönen Augen und drückte ihm die Hand. Sein Blick verfolgte das Mädchen bis zur Thüre; sobald sich aber diese hinter demselben geschlossen hatte, schloß er auch seine Augen und – wieder war es die Jugendfreundin, von der er weiter träumen mußte.

Die alte Nandl war inzwischen von dem sonntägigen Gottesdienste nach Hause gekommen. Sofort übernahm sie die Pflege Jakls, kommandierte selbst die Mutter aus ihres Sohnes Stube und setzte sich leise auf einen Stuhl zu Füßen des scheinbar Schlafenden.

Dieser schlug jetzt die Augen auf, und da er sich mit Nandl allein in der Stube sah, flüsterte er:

»Nandl, i muaß dir was sag'n.«

»Sag mir iatz nix,« antwortete diese, »verhalt di ruhig, schaug, daß d' wieder einschlafen kannst.«

»I hon nit g'schlafen,« versetzte Jakl, »i hon grad denkt, und an wen moanst, daß i denkt hon, daß i denken muaß mit aller Gewalt?«

»No', halt an d' Marietta, an dei' Wei'.«

147 »Na', na', dös is's ja!« sagte Jakl voll Unruhe. »An die schwarz Liesl muaß i denken. Es is mir grad, als wenn's lichterloh brinnet in mir, seit i's in meina Arm g'halten hon. Nandl, i verkenn mi nimmer, i hon dös Deandl gern über die Maßen – zum Narrischwern!«

Die Alte stand einen Moment sprachlos und mit vor Staunen weit offenem Munde vor dem jungen Manne. Dann aber rief sie, die Hände zusammenschlagend:

»Heilige Muatta Anna! Dös is ja a Sünd – a Todsünd! Jakoberl, dös därfst nit!«

»A Todsünd? Und wenn mei' Seligkeit drüber z' Grund gaang – i woaß nit, was 's is – i kann nit anders.«.

»Was 's is?« sagte Nandl. »O, mei Buawerl, was wird's sei'? I woaß's wohl. Wenn da Himmi d' Liab anzünd't hat in an' Menschenherzen, so kann's wohl diermal verbrenna bis auf an' kloan Funken, aber ganz lischt's nit aus. Und wie r bei an' Kohlhäufl 's Feuer durch an' leichten Luftzug wieder ang'facht kann wern, so lodert's zu Zeiten wieder hell auf und brennt lichterloh. Jakoberl, dös Feuer muaßt löschen, sunst brennt 's dir d' Seligkeit zam«

»Mit was willst d' es löschen? Alle Wasser reicheten nit hin, nit amal 's Meer, nit amal d' Sintflut.«

»Dös braucht's alles nit; du brauchst grad dei Marietta dazua. Denk an dei' arm's Wei', dös ihra Hoamet verlassen hat, und dir g'folgt is, d' Not und 's Elend mit dir teilt hat, die dir vertraut als Mann. An sie denk und vergiß dein' frühern Schatz wieder, so viel als d' es vermagst. Du hast di heunt als Mann zoagt; bleib's. Geh zu der Marietta!«

148 »Dös wird wohl 's Beste sei,« erwiderte der junge Mann, einige Augenblicke nachsinnend. »Aber no' heunt geh i zu ihr – glei – ohne Verschub, sunst kann i nit für mi guatsteh'n. Ja, ja, bei der Marietta kimm i wieder zu mir selm. Glei iatz geh i zu ihr!«

»Glei kann's nit sei',« wehrte die Alte. »Morg'n is aa no' Zeit dazua; heunt muaßt di erhol'n, heunt bist krank.«

»O, mei', Nandl, die Verhältniss' macha mi krank, bringa mi no' um. I bin dera G'schicht nit g'wachsen. Aber für iatz is's scho' vorbei. Es is nur wieder so a dummer Anfall gwen; i gspür nix mehr.«

»Na', na', Jakoberl, dös geht nit. Mit der G'sundheit därfst koan Spaß treib'n, die hitzi Ruhr regiert in Tirol drent, d' Leut sag'n, scho' morg'n kimmt 's Militari und sperrt d' Grenz ab; neamd därf mehr umma, daß d' Kranket nit eing'schleppt wird.«

»Morg'n scho'?« rief Jakl sich erhebend. »So is's um so nötiger, daß i no' heunt mei' G'schäft abmach. Koa' Stund is zu verliern.«

»Was für a G'schäft?« fragte Nandl beunruhigt. »Himmlischer Vata, du hast nix Guats vor. Jakoberl, wo hast dös Geld her, dös d' mir heunt geb'n hast für 'n Schändl als Abzahlung für dei' Schuld? Red! I will's wissen. Du sagst nix?« Und ihn fest ins Auge fassend, und jedes Wort langsam betonend, fuhr sie fort: »Solltst es durchs Paschen gwunna hab'n?«

Der junge Mann wurde erst rot, dann blaß und kämpfte sichtlich mit sich selbst.

»Dir kann i's ja anvertrau'n,« sagte er dann leise und mit unsicherer Stimme. »Du hast 's erraten. 's 149 Hauptg'schäft geht aber erst heunt nacht vor sich. In der Leutasch is d' War; bring i die no' glückli umma, so bin i reich, so vermag i 'n Schändl sei' Geld wieder z' geb'n, und ehnda hab' i koan Fried. Auf ehrliche Weis' kunnt i nit in zehn Jahrn dös Geld zamscharrn und wenn i mi z' totrackern wollt. I kann d' Liesl nit um ihr Heiratsguat bringa. Da wär i ja dengerscht a Tropf, wie d' Welt koan mehr tragt. Drum muaß i mir dös Geld verschaffa, und pascht is nit g'stohl'n.«

»O mei', Bua, steh ab von dein Vorhaben – i bitt di um Gottswilln! Du, der Blasijakl, und a Schwärzer! Schaamst di nit?«

»I woaß, daß's unrecht is, aber heunt nacht soll's letztemal sei'. Suach ma's nit ausz'reden, alles is g'richt, es kann si nix fehln, und d' Hauptsach is, daß der Schändl sei' Geld kriegt. Und i muaß zu der Marietta ummi in d' Leutasch – zu der Marietta muaß i! Hast es nit selm g'sagt?«

»Zu dera sollst scho'. Aber i bitt di auf die Knie, laß's Paschen geh'n! Du wirst auf ehrliche Art aa dei' Schuld zahln kinna mit der Zeit. I bitt di, folg mir, i moan's guat mit dir.«

Und sie ließ sich wirklich vor dem jungen Mann auf die Knie nieder, die gefalteten Hände zu ihm erhebend.

Jakl sah die vor ihm Knieende einige Augenblicke wie geistesabwesend an, dann besann er sich.

»Steh auf, Nandl,« sprach er tröstend. »Wenn's d' gar a so dagegen bist, no', so will i's Paschen geh'n lassen. Aber zu der Marietta geh i glei', ohne Aufschub.«

»No', meinthalben,« seufzte die Alte; »iatz is's mir scho' wieder leichter ums Herz. So geh halt in Gottsnam! 150 Mach dei' brav's Wei nit trauri; handl ehrli und brav mit ihr.«

»Dös will i!« sagte Jakl entschieden. »I bring's mit, i erklär's öffentli als mei' Weib. Sag du der Liesl daweil alles, i vermag's nit. Sie wird mi verfluchen, wird mi verachten, in Gottsnam, es is iatz nimmer z' ändern.«

»I will sehg'n, wie i ihr's beibringn kann,« meinte die Alte. »Es is a schwer's G'schäft, aber dir z' lieb will i 's unternehma.«

»Und du wirst mir zum guaten reden, gelt, Nandl, und wirst ihr sagen, wie mir heunt z' Muat war?«

»I werd scho' sag'n, was recht is,« versprach die Alte.

»Laß 's neamd wissen, daß i furt geh, selm nit meina Muatta. Halt's g'heim.«

»Wie kann i dös?« fragte Nandl.

»Du laßt neamd in mei' Stub'n. Sag, i lieg im Bett, i schlaf, sag, was d' willst. I schleich mi hintnaus und kimm in der Nacht wieder. Laß d' Thür auf in Garten außi – und es bleibt dabei, neamd erfahrt, daß i no' nit da bin.«

»Probiern will i 's ja. Wenn aber d' Muatta sagt, sie will zu dir, sie is d' Muatta?«

»So sagst, du bist d' Nandl und leid'st es nit. Du woaßt scho', daß dir d' Muatta folgt, als waarst du ihra Herrin.«

»No' ja, dös wird si scho' geb'n. Aber no' was! Bei der Nacht därfst mir d' Marietta nit ins Haus bringa. Laß 's lieber no' drent in der Leutasch, bis der Weg eben is. Stärk di no' mit an' Glasl Wein. Recht bangt mir, es kaannt dir unterwegs ebbs zuastoßen; es san netta 151 anderthalb Stunden zur Leutaschmühl, und dös grob Wetter!«

»Grad dös Wetter paßt mir. Schau, daß d' Muatta nit spannt, daß i furtmach, und sperr nacha d' Stub'n ab. Verleug'n mi!«

»Mei' Gott, da därf i ja dengerscht 'n ganzen Sunnta nix als luign (lügen) – nix als luign! O Jakoberl, was machst du aus mir no' in meine alten Tag! G'setzt aber, es kimmt der Doktor no'mal?«

»Den laßt aa nit eini.«

»Dös wird 'n aber beleidigen.«

»So beugst vor. Du gehst zu eam, bedankst di bei eam und sagst, daß mir wieder pudelwohl is. Es is aber iatz Zeit, daß i geh. Verhalt i mi no' länger, so ziagt's mi wieder ummi zu der Liesl. I moan a so schier –«

»Moan nix!« unterbrach ihn die Alte rasch. »Geh furt, Büawerl, mach, daß d' zu der Marietta kimmst, und bi (sei) a Mann! I seg'n di im Namen der heilin Dreifaltigkeit.«

Sie besprengte ihn mit einigen Tropfen Weihwasser und verließ die Stube.

Jakl aber warf einen Wettermantel um, nahm einen alten Hut und den Bergstock, stieg leise die Treppe hinab und trat durch die hintere Thür ins Freie. Noch einmal blickte er nach des Nachbars Haus, es zog ihn wie mit unwiderstehlicher Gewalt dahin, aber noch klang ihm Nandls Mahnung in den Ohren:

»Geh zur Marietta!«

Und unter strömendem Regen schlug er den Weg nach der Leutasch ein. 152


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