Alfred Schirokauer
Der erste Mann
Alfred Schirokauer

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IV

In der Tür traf Just auf die Studienrätin Fräulein Doktor Wolter. Die Schülerinnen nannten sie, mit der psychologischen Treffsicherheit ahnenden Gefühls, »die Hyäne«. Auch bei der Lehrerschaft war sie verdächtig und unbeliebt, doch wegen ihres hervorragenden Könnens und verblüffenden Lehrtalents geachtet. Sie gab alte Sprachen. Die Klassen, in denen sie unterrichtete, waren in Latein und Griechisch nicht nur sattelfeste Grammatiker, sondern waren wirklich durchseelt vom Geist des antiken Rom und Hellas.

Just durchschaute und betrauerte sie. Er hatte sich immer bemüht, alles Menschliche zu begreifen und zu entschuldigen. Er erkannte, daß dieses schattenhafte unschöne Mädchen von 36 eine einsame verbitterte Frau war, deren verdrängtes Liebesgefühl sich in Haß und Grausamkeit gegen die hoffnungsvollen, gegen diese jungen Geschlechtsgenossen umgesetzt hatte, denen das Glück der Liebe vielleicht einst blühen würde. Er verstand und bemitleidete, sah in Fräulein Wolter eine bedauernswerte Gemütskranke, trat für sie ein, sooft ihr Gefahr drohte, suchte seine Schülerinnen nach Kräften vor den Entgleisungen der Lehrerin zu schützen und betonte immer wieder ihre vorbildliche Leistung als Pädagogin.

Die Studienrätin vergalt ihm seine geheime Fürsorge mit Bosheit und Galle. Denn sie liebte ihn. Und daß er sie als Weib nie beachtet hatte, war eine der quälenden Wunden ihres schwärenden Herzens.

»Ah, Herr Kollege Just«, eiste sie ihn auf der Schwelle des Lehrerzimmers an mit ihrer geisterhaften Stimme, »gut, daß ich Sie treffe«.

Sie trat in das Zimmer zurück. »Ich muß mich bitter über eine Schülerin Ihrer Klasse beschweren.«

»Och?« machte Just und lächelte liebenswürdig. »Es sind doch sonst so brave Mädel.«

»Bei Ihnen gewiß«, zischte sie anzüglich. »Bei mir heucheln sie nicht. Bei mir zeigen sie ihre wahre Frauennatur.«

»Was hat es denn gegeben?« suchte Just einzulenken.

»Gestern vor meiner griechischen Stunde von 12 bis 1 wollte Irma Kiesel nach Hause geschickt werden. Fühlte sich angeblich krank. Das kennen wir. Vor jeder Klassenarbeit werden einige plötzlich krank. Alte Geschichte. Aber nicht bei mir! Feige Drückebergerin!«

»Aber Irma Kiesel ist doch ganz gut in Griechisch«, wandte Just ein.

»Wenn auch. Grade deshalb wollte sie keine IV mehr riskieren. Ich lehnte das Ansuchen natürlich ab. Und da sprang diese Neue – wie heißt sie doch?«

Just half nicht aus.

»Herrgott noch mal! Diese – die – die Haink! – jetzt hab' ich's, springt auf, wie eine Panterin sag ich Ihnen, so was hab' ich noch nicht gesehen. Puterrot im Gesicht und faucht mich an: Das ist eine Gemeinheit von Ihnen! Sehen Sie nicht, daß Irma krank ist?! Und ehe ich noch was sagen kann, hat sie die Kiesel am Arm und führt sie zur Tür. Ich vertrete ihr den Weg, sage: was erlauben Sie sich? Sind Sie nicht bei Troste! Sie bleiben beide hier. Da sieht mich die Haink an – ihre Augen funkeln raubtierhaft – ich glaubte, sie wollte Gewalt anwenden, und gab, um einen folgenschweren Vorgang zu vermeiden, die Tür frei. Nach einigen Minuten kommt die Haink ganz seelenruhig zurück und sagt: ich habe Irma in ein Auto gesetzt. – Noch habe ich nichts veranlaßt, Herr Kollege. Ich wollte zuvor mit Ihnen sprechen. Ich nehme an, Sie werden mit mir darin konform gehen, daß diese offene Auflehnung gegen meinen Befehl exemplarische Strafe fordert.«

»Hm«, antwortete Just. »Irma Kiesel fehlt heute.«

»Das kann ich mir denken«, lachte Fräulein Wolter mit dem Lachen, das ihr den Namen »Hyäne« eingetragen hatte. »Sie wird sich schwer hüten, heute zur Schule zu kommen.«

»Ich würde nicht ganz so sicher sein, liebe Kollegin. Ich kenne Irma Kiesel. Wie Sie wissen, führe ich die Klasse seit der Obersekunda. Irma Kiesel ist nicht ...«

»Es handelt sich hier nicht um die Kiesel, Herr Kollege, sondern um die Haink«, schnitt die Wolter ihm scharf ins Wort.

Das Zimmer war jetzt in der Pause dicht besetzt. Die anderen taten, als seien sie von Gespräch, Heftekorrigieren oder Lektüre heftig in Anspruch genommen. In Wahrheit lauschten sie gespannt auf das Gespräch, das von der Studienrätin im hohen Diskant geführt wurde. Jeder wünschte der Wolter eine Niederlage. Just war, trotz seiner überragenden Stellung unter den Lehrkräften, bei allen Herren und Damen neidlos beliebt.

»Für mich, Fräulein Wolter«, entgegnete Just ruhig, »handelt es sich zunächst darum, ob Irma Kiesel wirklich krank war oder nicht.«

»Sie wollen damit befürworten, daß eine Schülerin sich erdreistet ...«

»... für eine kranke Kameradin einzutreten, ja, das will ich unter allen Umständen befürworten.«

»Das ist unerhört!« schrie die Frau, fassungslos vor Zorn. »Aber man weiß ja, daß Sie immer die Partei der Mädchen ergreifen. Man kann von Männern keine Objektivität erwarten. Ich werde mich über Sie und die Haink beim Direktor beschweren. Wir wollen doch mal sehen, ob es an diesem Gymnasium noch Disziplin und ...«

Den Rest übertönte die Tür, die die Davoneilende ins Schloß schmetterte.

Just setzte sich an seinen Platz, an den großen mit Wachstuch bespannten Tisch. Ihm war übel zumut. Er hatte seine Sicherheit verloren. Hatte es ihn beeinflußt, daß die Klage sich gegen Ute richtete? Er beargwöhnte sich. Es war natürlich, trotz allem, ein arger Bruch der Schuldisziplin – ob die Wolter im Recht war oder nicht –, Gehorsamsverweigerung vor versammelter Mannschaft hatte man das früher beim Militär genannt. Eins der schwersten Verbrechen.

Aber ganz Ute Haink war es. Warmherziges, unbekümmertes Eintreten für eine andere. Ganz Ute! Ihm wurde heiß in der Brust. Wunderbares Mädel! Tapferer Kerl. Oh, er wußte schon, warum er sie so selbstvergessen liebte. Aber die Schule! Die Disziplin! Wäre er genau so für jedes andere Mädchen eingetreten? Er zweifelte zum erstenmal an seinem Gerechtigkeitsgefühl.

Da lachte Knaus neben ihm. Ein blonder Hüne, der Mathematiker der oberen Klassen. »Ärgern Sie sich nicht, Just. Lohnt nicht. Aber man sollte diesem Vampyr dort mal energisch auf die Folterfingerchen klopfen.«

Alle, auch die Damen, stimmten bei. Da trat der Schuldiener ein und bat Just zum Direktor.

»Die arbeitet prompt«, polterte Knaus, der ewig Heitere.

»Sagen Sie dem Chef mal tüchtig Bescheid«, rief Fräulein Gröner, die Turnlehrerin. »Sie tun damit ein gutes Werk. Es ist ja entsetzlich, wie sie die Kinder schikaniert.«

»Ih«, lehnte Just ab, schon an der Tür, »Sie sehen ja, die Kinder helfen sich selbst. Sie ist beklagenswert genug. Werfen wir keine Klamotten.«

Damit war er draußen. –

»Tag, Just, hab' was sehr Erfreuliches für Sie.«

Der kleine, energische, elegante Herr reichte seinem besten Mann eine kräftige, gedrungene Hand. Er war seinen Lehrern und Lehrerinnen stets helfender und beratender Kollege, konnte aber, wenn nötig, den Vorgesetzten mit schneidender Strenge hervorkehren. Er war kaum vierzig, vibrierte von Leben, fühlte mit der Jugend, war hervorgegangen aus dieser neuen kernigen Lehrerschaft, die nach dem Kriege die Schulen Preußens entstaubt und ausgelüftet und zu Erziehungsstätten reformiert haben, die in nichts mehr den muffigen und überalterten Drillanstalten ähneln, die noch vor zwanzig Jahren den deutschen Nachwuchs dressierten.

Direktor Börner wußte, fühlte es in sich selbst, daß die Menschen nach der großen Umwälzung des Jahrhunderts anders geworden waren. Er ließ den ihm anvertrauten heranwachsenden Frauen jede mögliche Freiheit des Denkens und Fühlens und Glaubens.

Doch grade deshalb sah er die höchste Aufgabe der Schule in der Erziehung zur Selbstbeherrschung und Selbstzucht. Daher forderte er striktesten Gehorsam und schärfste Disziplin, verlangte er Achtung und Autorität der Eltern und Lehrer und ahndete mit den schwersten Strafen jeden Verstoß gegen die Gesetze einer Sittlichkeit. Mädchen, die sich in erotische Abenteuer verstrickten, rodete er schonungslos aus seiner Schulgemeinde aus.

»Etwas Erfreuliches?« staunte Just. Er war auf etwas höchst Unerfreuliches gefaßt. Denn er wußte, Widersetzlichkeit war und blieb in Direktor Börners Augen ein unentschuldbarer Frevel.

»Noch ganz privat.« Er bot Just die Zigarettenschachtel. »Und nur für Sie erfreulich, für uns höchst betrübsam.«

Just scherzte. »Sie geben mir unlösliche Rätsel auf, Herr Direktor.«

Börner lächelte. Die Winkel der Augen zogen sich bis zu den Schläfen hin in lustige Falten.

»War gestern im Provinzialschulkollegium wegen einer anderen Sache. Sprach mit Schulrat Kersten. Er erkundigte sich sehr lebhaft nach Ihnen.«

»Nach mir?!«

»Ja, mein Gutester. Sprach sehr begeistert über Ihr neues Buch, den Lessing als Erzieher. Sie sind am dransten.«

»Ach nee!«

»Ach ja. Ostern kriegen Sie Ihr Gymnasium in Berlin.«

Just riß die Augen weit auf.

»Jawohl, Herr Direktor in spe

Just staunte. Ueber sich. In ihm jubelte nicht die Freude erfüllter Hoffnung und Erwartung, jauchzte keine Ueberraschung über unvermutet erreichtes Ziel. In ihm war ein stumpfes Schweigen der Gleichgültigkeit. War er so ausschließlich ausgefüllt von dieser Leidenschaft, die seit gestern abend sein Gefühl und seinen Verstand beherrschte, daß er jeder anderen Regung unfähig war? Direktor eines Gymnasiums sollte er werden. Höchstes Streben jedes Lehrers. Ehrgeiz und Sehnsucht Julies. Gehaltsaufbesserung. Stellung. Sonderbar!

»Nanu?« wunderte sich Börner, der sich eine neue Zigarette anzündete. Er war Kettenraucher. »Sie freuen sich ja nicht. Und ich habe mir eingebildet, Sie würden hier einen verschwiegenen Wonnetanz aufführen. Ich hätte die Musik dazu gepfiffen. Mann, sind Sie so blasiert oder so unabhängig durch Ihre schriftstellerische Tätigkeit?«

»O nein, wirklich nicht, vielleicht bin ich nur sentimental und hänge an unserem Gottfried-Keller-Gymnasium.«

Während er sprach, dachte er: nach Ostern habe ich sie doch verloren. Da ist sie weit weg, auf der Universität, warum bin ich also so traurig?

»Nett von Ihnen«, nickte Börner. »Sind ein feiner Kollege, weiß ich. Aber Karriere geht vor. Uebrigens – der Schulrat fragte mich, ob Sie ein Mädchen- oder Knabengymnasium vorzögen. Zwei Direktorstellen werden durch Erreichung der Altersgrenze frei. Ich sagte, das wäre Ihnen gleich, so viel ich wüßte.«

Just zögerte. Sollte er nicht der Gefahr einer Wiederholung dieses Verhängnisses – Wiederholung? Nie wieder konnte ihn ein solches Glück – ja – doch – doch Glück ihn begnaden. Seit acht Jahren unterrichtete er an dieser Schule, und niemals ...

Sein Mund sprach, ohne daß sein Hirn die Worte leitete.

»Ich habe mich damals an diese Mädchenschule gemeldet, weil es mir eine wichtige Aufgabe schien, mitzuwirken an den neuen Bildungsmöglichkeiten der Frau und ...«

»Verstehe, begreife«, unterbrach Börner in seiner kurzen impulsiven Sprechweise. »Werde die Zehlendorfer Straße anrufen und Kersten sagen, daß Sie das Mädchengymnasium bevorzugen.«

»Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Direktor.«

»Machen Sie doch keine Flausen, Just. Bin ich von Ihnen gar nicht gewohnt. Und nun das Dienstliche, weshalb ich Sie hergebeten habe.«

»Ich weiß schon«, wollte Just einfallen. Er war heute irgendwie geistig behindert. Doch schon fuhr Börner fort:

»Doktor Birnholz sollte mit seiner O Ib am Montag in das Landschulheim gehen. Er hat mich gebeten, seinen Turnus zu verschieben. Seine Frau erwartet grade in den Tagen ihr erstes Kind.«

Börner lächelte verträumt. Ihm, dem väterlichen Erzieher so vieler Kinder, blieb der Wunsch seines Herzens nach einem eigenen Kinde unerfüllt.

»Will natürlich hier sein. Selbstverständlich. Da dachte ich, daß Sie mit Ihrer Klasse seinen Termin übernehmen könnten. Wir wollen diesen unverhofften herrlichen Spätherbst doch nach Kräften ausnutzen.«

»Gern, Herr Direktor.«

»Also gratuliere nochmals. Aber sprechen Sie noch nicht darüber – außer mit Ihrer Frau natürlich. Die wird Augen machen. Gruß an Ihre Gattin.«

»Danke für alles, Herr Direktor.«

Just ging durch die leeren Gänge zurück zum Lehrerzimmer. Aus den Klassen schallten die Stimmen der Unterrichtenden und der Schülerinnen seltsam überlaut in die hallende Stille der Korridore.

Seit dem Frühsommer war Just mit seiner Klasse nicht mehr in dem Landschulheim an der Ostsee gewesen, diesem Stolz des Gymnasiums aus der Zeit der trügerisch üppigen Jahre nach der Inflation. Wohlhabende Väter hatten es gestiftet, reiche Spenden es erhalten. Die Reichsbahn gewährte billige Fahrten. Das Gottfried-Keller-Gymnasium wurde um diesen kostbaren Besitz von allen Berliner Schulen beneidet, die es nur bis zu einem Schulheim in der Nähe Berlins gebracht hatten.

Im Juni war Ute noch nicht an der Anstalt gewesen. Jetzt würde sie dabei sein. Ein seltsames Wirrsal der Empfindung pulste in ihm auf. Er wußte nicht, ob es Freude, Hoffen oder Abwehr war. Mit ihr an der geliebten See, Tag und Nacht unter dem gleichen Dach.

Freilich war die Oberin da. Aber man lebte doch ungezwungen zusammen. Möglichkeiten taten sich auf. Welche Möglichkeiten, um Himmelswillen?! Wohin trieb er? Was wollte er von dem Mädchen, er, der verheiratete Mann!! War er denn schon aus allem Gleichmaß der Gesittung, der Verantwortung hinausgeglitten? Er! Er! Ulrich Just!

Und doch flackerte in ihm eine Freude und eine Erwartung und eine törichte verworrene Ahnung, die ihm das Herz zusammenkrampfte.

In der großen Pause um zehn hatte Just Aufsicht im Hof. Es war ein unnatürlich warmer Oktobertag nach den Michaelisferien, als wolle der nahende Winter gut machen, was der Sommer und Herbst der Menschheit mit Regen und Kälte an kalendarischen Freuden schuldig geblieben waren.

Just durchmaß mit Globig den Radius des Kreises, in dem die Schülerinnen sich bewegten. Der Kollege erzählte die verzwickte Geschichte einer Erbschaft, die er beinahe gemacht haben würde, wenn nicht andere sie gemacht hätten. Just achtete mit wenig reger Teilnahme auf die Darlegung der verwickelten Verwandtschaftsgrade, die zur Erbfolge berufen gewesen wären, wenn nicht der Sohn des Urgroßonkels die Gemeinheit begangen hätte, in späten Jahren nochmals zu ehelichen und räuberische Nachkommenschaft zu zeugen.

Er sah Ute im Kreise der Schüler. Sie ging mit Esther Mayer in angeregtem Gespräch. Wie immer war sie lebhafteste Hingegebenheit an ihre Worte, an ihr Tun. Sie biß dabei herzhaft in ihr Frühstücksbrot, Just sah ihre gesunden Zähne blinken. Er beobachtete ihren Gang. Anders ging sie als die andere. Gespannt, wie voller Erwartung auf etwas Kommendes, war jeder Schritt. Lange, grade Beine hatte sie, vielleicht ein bißchen zu dünn, sie war ja überhaupt eher zart als robust. Eine Ephebengestalt. Etwas Jungenhaftes und dabei so sehr weiblich. Eine neue Mischung, die nur diese Zeit um 1930 kannte. Wie belebt der Rücken sich unter der ärmellosen blauen Sportbluse bewegte. Jetzt lachte sie. Der ganze Körper war gelockerte Fröhlichkeit. Wie ein Kind sah sie aus, wenn sie lachte. Er überflog kritisch die Runde der Mädchen. Nein, keine war ganz wie sie, sie stach hervor aus dieser Gemeinde junger Frauen, sprühte heraus wie eine Flamme, doch, doch, kein anderes Gleichnis traf es ganz, jedem mußte es sofort entgegenleuchten, wie sie dahinschritt, unbewegt und wichtig zugleich, Inbegriff von Jugend, Schönheit, Anmut, ein Symbol alles dessen, was lockend und lebenswert und herrlich ist am Dasein.

Der Wind hob eine weißschimmernde Strähne aus ihrer Stirn – Flamme – Flamme!

Die Augen wurden dem Manne feucht vor sehnsüchtigster Hingabe an dieses ahnungslose Mädchen, das ihm zum Wunder seines Lebens geworden war.

Da sagte Just aus Gedanken an die eine und mit Blicken auf alle: »Sie sind doch anders als ihre Mütter und Großmütter waren! Sehen Sie, wie frei die Muskeln spielen, wie gesund sie geworden sind durch Spiel und Sport. Und so sind sie auch innerlich, nackter, tierhafter, naturnäher und dabei doch vergeistigter.«

»Von wem sprechen Sie?« fragte Globig verdutzt.

»Von denen da.« Just zeigte mit dem Kinn in die Menge. »Von dieser neuen Generation von Frauen, die wir der Welt erschaffen haben. Oder sie sich. Wer will das sagen?«

»Ach so!« Globig biß in die Stulle, die er im Eifer der mißlungenen Erbschaft vernachlässigt hatte. »Freilich – freilich, sie wachsen in einer frischeren Atmosphäre heran. Aber was ich sagen wollte: hätte dieser Heinz Ludwig, also der Enkel meines Urgroßoheims – Sie sind doch im Bilde? – nicht in Homer im Staate New York geheiratet und sieben Kinder hinterlassen ...«

Just lächelte vor sich hin. So sind wir alle, dachte er. Jeder denkt nur an das Seine. Ich an das Meine, das gar nicht meins ist.

Als es läutete, eilte er ins Schulhaus. Vor der Tür der Oberprima faßte er Posten. Dienstlich, ganz dienstlich redete er sich ein. Als Ute im Troß der Kameraden den Gang entlangkam rief er sehr sachlich:

»Fräulein Haink, ich habe mit Ihnen zu sprechen.«

Verwundert, doch mit ihrem gefälligen Lächeln, kam sie zu ihm. Die andern wußten sofort, daß die »Hyäne« gepetzt hatte. Ute hatte den Auftritt vergessen. Ihr Leben war ein brausender Strom von Gegenwärtigkeiten, der alles Vergangene wegwusch, wegspülte.

Just trat mit ihr an eins der hohen Flurfenster.

»Fräulein Haink, Fräulein Doktor Wolter hat sich über Sie beschwert.«

»Über mich?! Ach so!« Die Vergangenheit wurde wieder Gegenwart. Ihre Stirn wölbte sich in Trotz.

»Sie haben die Schuldisziplin verletzt.«

»Aber Irma hatte doch Fieber und Schmerzen!«

Er sah sie zum erstenmal so dicht vor sich. Sah zum erstenmal das Ohr durch das Haar hindurchschimmern, ein Ohr von einer Schönheit, die ihn an die kostbare kleine rosa Seemuschel erinnerte, die Gabys Stolz war. Die Haut glänzte perlmutterzart.

Sie sah seinen Blick und tastete hin.

»Hab' ich da was?« fragte sie in ihrer naiven Natürlichkeit.

»Nein, ich habe nur Ihr Ohr bewundert«, lachte er. »Ein Lehrer ist manchmal auch ein Mann. Meinen Sie nicht?«

»Sehr sogar.« Wie ein frischer Quell stürzten die Worte aus ihr hervor.

Er sah ihr in die Augen. »Wie meinen Sie das?«

»Ach, nun werde ich rot!« rief sie ärgerlich. »Das ist aber nur eine Dummheit meiner Haut. Ich wollte nur sagen, alles, was Sie tun, wie Sie den Unterricht anpacken und jede Stunde zu einem Kunstwerk formen« – sie machte eine Bewegung mit beiden geballten Händen, als biege sie einen Ring zusammen – »ist so ungeheuer männlich. Wenigstens erscheint es mir so.«

Er sah sie wortlos an. Eine Beglückung schwoll in ihm empor, etwas Brustweitendes, Herzsprengendes. Dabei sah er den Ansatz ihres Busens im Ausschnitt der Bluse und atmete ihren Körperduft, der etwas vom Korn an einem Sommertag hatte, etwas Sonnendurchglühtes, Erdhaftes.

Er hob den Blick zu ihren redenden Lippen. Sinnenfroh, dachte er, sinnlich. Unfug. Ein ekelhafter Kerl war er. Was heißt sinnlich? Reif waren sie, unbewußt reif zum Geben und Nehmen. Warum nicht keusch? Schließt Keuschheit denn Sinnlichkeit aus? Ist nicht beides eng verschwistert in einem gesunden jungen Menschen?

Sie hatte inzwischen mit dem Eifer ihres Wesens weitergesprochen.

»Wenn Sie in die Klasse treten, Herr Doktor, weht uns alle, glaube ich, ein Hauch von männlicher Kraft und Energie an.«

Er lachte wieder. »Sie übertreiben.«

»Nein. Und weil ich nun doch einmal mit Ihnen sprechen darf, will ich die Gelegenheit beim Schopf fassen und Ihnen danken.«

»Danken? Wofür?!«

»Ich war achteinhalb Jahre auf dem andern Gymnasium. Ich kann vergleichen. Dort hatten wir ›Stunden.‹ Bei Ihnen hat man – Erlebnisse.«

Er suchte mühsam, seine lehrerhafte Überlegenheit zu wahren. Nicht nur ihre Worte, vor allem ihre Nähe, die auf ihn wirkte wie starke elektrische Spannungen, verwirrte ihn.

»Das ist sehr schön, was Sie mir da sagen«, zwang er hervor. »Tut mir gut. Ich will Ihnen allen doch mehr geben als Unterricht.«

»Das tun Sie!« bestätigte sie freudig und sah ihm frei ins Gesicht.

An den beiden in der Fensternische vorüber strömten die Schüler zu den Klassen. Und doch war es Just, als sei er fern mit Ute, ganz allein. Die glitzernden Härchen auf der Wange neben diesem berückenden Ohr ... Wahnsinn! Er riß sich zusammen.

»Ich danke Ihnen aufrichtig, Fräulein Haink. Eine Bestätigung, daß man etwas von dem erreicht, was einem Lebensarbeit ist, beglückt immer. Wir gehen nächsten Montag in unser Heim an der Ostsee. Dort wird sich Gelegenheit bieten, öfter mit einander zu plaudern. Aber ich wollte Sie ja grade rüffeln.«

Er wurde ernst. Sie sah ihn furchtlos und zuversichtlich an. »Das werden Sie nicht, Herr Doktor. Das weiß ich, Irma Kiesel war wirklich krank. Eine mußte für sie eintreten. Da keine andere es tat, sprang ich ein. Das war selbstverständlich.«

»Wenn Fräulein Kiesel wirklich krank war, waren Sie im Recht«, sagte er entwaffnet. »Und nun gehen Sie in die Klasse.«

Sie verbeugte sich und ging. Er blieb in Sinnen zurück. Hatte er wieder versagt aus einer richterlichen Befangenheit heraus? Hätte er nicht unter allen Umständen die Auflehnung gegen die Autorität der Lehrerin...? Er hieb die Faust aufs Fensterbrett, daß die Scheiben klirrten. Sie hat gehandelt wie ein braver, tapferer Mensch, dachte er zornig, und ging mit raschen Schritten in die Klasse.

»Wer ist mit Irma Kiesel befreundet?« fragte er schon an der Tür.

Dina Quenz meldete sich.

Aber für die Freundin eingetreten ist sie gestern nicht, erwog er bitter. »Haben Sie Nachricht, wie es ihr geht?« fragte er laut.

»Ich habe gestern nachmittag angeläutet, habe aber keine Verbindung bekommen.«

»Haben Sie nicht wieder angerufen?«

»Ich wollte. Aber abends hatten wir Besuch – da habe ich es vergessen.«

»Daher der Name Freundschaft. Gehen Sie zum Pedell, rufen Sie an und sagen Sie, ich ließe fragen, wie es Fräulein Kiesel geht.«

»Jawohl.« Die kleine selbstbewußte Person stolzierte hinaus.

Als Just jetzt die französische Stunde beginnen wollte, trat der Direktor ein mit Fräulein Wolter im Gefolge. Börner war in einem seiner seltenen, dafür aber um so gefährlicheren Erregungszustände, die bei Lehrern wie bei Schülern gleich gefürchtet waren. Die roten Flecke auf der schimmernden Rasur der Backen waren verdächtige Sturmsignale. Sie zogen immer auf, wenn er auf dem Kriegspfad wandelte zur Ahndung einer wirklichen oder vermuteten Verletzung der Autorität.

»Verzeihen Sie die Störung, Herr Kollege«, – vor der Klasse sprach er formeller mit seinen Vertrauten als in der Verschwiegenheit seines Amtszimmers –, »in Ihrer Klasse hat sich, wie ich soeben erfahre, leider einer der schwersten Fälle von Gehorsamsverweigerung zugetragen, der mir in meiner Lehrerpraxis unterlaufen ist.«

Seine Stimme kippte vor Empörung über.

»Stehen Sie auf, Fräulein Haink!« brüllte er Ute plötzlich mit einer unerwarteten Drehung seines kleinen drahtigen Körpers an. Sein Schnurrbart sträubte sich.

Ute schnellte getroffen auf. Die Begleitung der »Hyäne« hatte ihr sofort verraten, daß dieser martialische Aufzug ihr gelte. Ihre Lippen klemmten sich entschlossen zusammen. Ihre Augen wurden dunkel in Zorn und Kampfesstimmung. Börner trat nah an Utes Tisch heran, beugte sich dicht zu ihr und funkelte sie durch seine dicken Augengläser an. Er mußte dabei den Kopf weit in den Nacken zurückbiegen, um zu ihr aufzusehen.

Just näherte sich langsam, als müsse er Ute gegen tätlichen Angriff schützen. Die Wolter stand in der Nähe der Tür. Ihr bleiches Gesicht zuckte nervös.

»Sie junges Ding«, flüsterte Börner mit zornfahler Stimme, »haben es gewagt, Fräulein Doktor Wolter vor der Klasse offenen Trotz zu bieten. Sie haben einen klaren Befehl frech mißachtet. Sie haben ferner eine Mitschülerin zum Ungehorsam aufgereizt. Was denken Sie sich dabei, he?!«

Ehe Ute antworten konnte, fuhr er fort, jetzt mit erholter, wetternder Stimme.

»Sind Sie wahnsinnig geworden! Bei uns werden Sie solche moderne Jugendüberheblichkeit nicht einführen. In meiner Schule nicht. Draußen im Leben mögen Sie und Ihresgleichen sich gebärden, als wären Sie allein im Besitz aller Intelligenz und allen Fortschritts. Als wären wir über vierzig alle komplette Trottel und verkalkte Idioten. Hier nicht. Hier dulde ich diesen frechen Größenwahn nicht! Verstanden, mein Fräulein?!«

Ute wich nicht zurück. Sie wollte entgegnen. Diesmal kam ihr Just zuvor.

»Herr Direktor«, sagte er beherrscht, doch durch den gemeisterten Ton der Worte bebte seine Erregtheit, »ich fürchte, Sie sind falsch unterrichtet.«

»Ich habe Herrn Direktor sehr richtig unterrichtet«, bellte die Wolter.

»Was ist da falsch zu unterrichten?« schnaubte Börner. »Die junge Dame da hat die unbegreifliche Vermessenheit gehabt ...«

Die Tür öffnete sich, Dina Quenz kam geziert hurtig herein. Der sensationelle Bericht blieb ihr auf den Lippen stecken, als sie das Tribunal erblickte.

»Wo kommen Sie jetzt her?« grollte Börner sie an.

»Ich habe Fräulein Quenz weggeschickt, sich nach dem Ergehen Irma Kiesels zu erkundigen«, erklärte Just.

»Sie ist noch gestern mittag, gleich nachdem sie nach Hause kam, operiert worden«, platzte Dina heraus. »Am Blinddarm.«

Trotz der lähmenden Gegenwart des Allgewaltigen schulterte eine unhemmbare Bewegung durch die Klasse.

»Na also«, seufzte Just. Jetzt war die Sache erledigt. »Wie geht es ihr heute?«

»Nicht sehr gut, sagte das Dienstmädchen. Frau Geheimrat Kiesel war in der Klinik.«

Dina funkelte vor Gespreiztheit. Sie hielt sich für den Mittelpunkt.

»Damit dürfte der Fall doch etwas anders aussehen«, stellte Just fest. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, rief Börner ärgerlich erstaunt. »Es handelt sich hier nicht um die gewiß bedauerliche Erkrankung des Fräuleins Kiesel, sondern um das Betragen der Oberprimanerin Haink, das geeignet ist, die Autorität der Schule zu untergraben.«

»Aber, Herr Direktor!«

»Herr Studienrat, es entzieht sich durchaus der Beurteilung der einzelnen Schüler, ob die Maßnahme eines Lehrers zweckentsprechend ist oder nicht. Aber, Herr Kollege!« brauste er auf, als Just abermals widersprechen wollte, »wo kämen wir hin, wenn jede Schülerin Opposition leisten und ihre Ansicht mit der Tat durchsetzen dürfte!«

Just schwieg widerstrebend.

Börner wandte sich wieder Ute zu. »Was haben Sie zu Ihrer Entlastung anzuführen?« Er fixierte sie scharf.

»Nichts«, sagte sie verstockt, fast verächtlich.

Just erspähte die drohende Katastrophe. Rasch griff er behütend zu.

»Herr Direktor«, rief er hastig, »ich bitte Sie, jede Entscheidung zu vertagen. Die Sache ist nicht hinreichend geklärt. Darf ich nach der Stunde zu Ihnen kommen und ...?«

»Ich muß Sie dringend ersuchen, Herr Kollege«, keuchte der cholerische Mann, »es mir zu überlassen, wann ich die Strafe zu fällen für gut befinde. Die Sache liegt sonnenklar. Mir jedenfalls. Die Schülerin selbst hat nichts zu ihrer Entschuldigung anzuführen. Ich kann Ihnen nur sagen, meine hochnäsige junge Dame, daß Sie Ihr Abiturium durch eine derartige Aufführung aufs ärgste gefährden. Das kann ich Ihnen nur in aller Freundschaft sagen. Reifeprüfung bedeutet für mich – grade in dieser entwurzelten Zeit – eine moralische Prüfung. Ihre Leistungen mögen noch so gut sein. Heute können wir, bei dieser Entartung der Sitten, nur Menschen ins Leben entlassen, die sich unter Autorität zu beugen verstehen, die sich unterordnen und gehorchen können, aber nicht sich einbilden, allein alle Weisheit in der werten Wiege vorgefunden und gepachtet zu haben. Das sage ich Ihnen und verwarne Sie hiermit offiziell. Kommt noch das geringste bei Ihnen vor, was gegen die Disziplin und die Ordnung und Moral der Anstalt verstößt, werden Sie schonungslos vom Examen ausgeschlossen.«

Er fuhr sich mit den geöffneten Fingern der rechten Hand durch das straff zurückgekämmte Haar.

Ute war blaß geworden. Ihre Lippen und ihr Kinn zitterten. Sie sagte nichts. Nur ihre Augen suchten Just. Er sah es. Er wußte, sie rief ihn auf zum Kampf für ihr gutes Recht. Er fühlte, sein Ruf, sein Ansehen, die Achtung Utes und der Klasse vor ihm stand auf dem Spiel: Er war ein erbärmlicher Feigling und Duckmäuser, ein Verräter an seiner Liebe und seinen Schülern, wenn er jetzt schwieg, wenn er dieses Fehlurteil bestehen ließ. Bei einer anderen hätte er nicht eine Sekunde lang gezögert. Bei Ute schwankte er.

Aber schon sprach er, aus innerem Zwange, getrieben mehr vom Gefühl als vom Verstand. Heftiger, als er wollte, unbesonnener, weil sie es war, für die er stritt.

»Herr Direktor, ich habe gebeten, diese peinliche Angelegenheit nicht vor der Klasse zu entscheiden. Sie haben es anders gewollt. Darum muß ich jetzt sprechen, sofort. Ich kann es nicht ertragen, daß einer Schülerin meiner Oberprima ein offenbares Unrecht geschieht. Unrecht ist genug in der Welt. Hier ist kein Raum dafür. Fräulein Haink hat gehandelt wie ein tapferer, hilfreicher Mensch.«

»Herr Studienrat ...« Börner wollte bestürzt unterbrechen. Doch jetzt ließ Just sich nicht mehr unterbrechen.

»Fräulein Doktor Wolter hat eine schwerkranke Schülerin gequält.«

Ein Aufschrei von Fräulein Wolters blauen Lippen, gequält, entsetzt, entblößt.

»Jawohl, gequält. Es muß gesagt werden. Da es sein muß, vor allen Schülerinnen. Wer weiß, welches Unglück geschehen wäre, wenn Fräulein Haink nicht entschlossen gehandelt hätte, wie sie gehandelt hat. Wenn die Kranke noch die Stunde hier abgesessen hätte, wäre die Operation vielleicht zu spät gekommen. Fräulein Haink hat gehandelt – ich sage es im vollen Bewußtsein meiner Verantwortung – im Namen der Menschlichkeit, die immer tausendmal höher steht als Subordination und Disziplin und Gehorsam. Sie hat mutig und hochherzig gehandelt. Seien wir glücklich, daß es in dieser feigen, kalten, selbstsüchtigen Zeit noch so heißblütige hilfreiche Manschen gibt. Solange ich an dieser Schule Lehrer bin, wird eine solche Tat nicht bestraft werden, ohne daß ich Himmel und Hölle gegen einen solchen Irrtum in Bewegung setze.«

Überhitzte Krisenstimmung erfüllte die Klasse.

Börner starrte auf Just. »Kommen Sie nach der Stunde zu mir«, stieß er hervor und ging eilig hinaus.

Die Wolter stand vereinsamt und verloren da. Ein allgemeiner Haß wandte sich gegen sie, der in Worten und unbedachten Taten Ausdruck finden konnte.

»Gehen Sie, Fräulein Wolter«, mahnte Just leise und führte sie zur Tür. Dann lief er einige Male durch das Zimmer, um sich zu sammeln.

»Setzen Sie sich, Fräulein Haink«, sagte er plötzlich völlig gelassen, ohne sie anzusehen. Er fürchtete Dank in ihrem Blick. Dann begann er wie immer den Unterricht.

Als er später bei Börner eintrat, kam der Direktor ihm entgegen, reichte dem Überraschten die Hand und sagte mit einem scheuen Lächeln:

»Danke, Just, war herrlich von Ihnen. Habe da wieder etwas Schönes angerichtet. Mir ist hundeelend. Am liebsten möchte ich abtreten.«

»Aber – Herr Direktor.«

»Bin kein Pädagoge. Da verlangt man von den Mädels Selbstbeherrschung und läßt sich selbst so hinreißen. Schauderhaft. Sie ahnen nicht, wie ich mich schäme. Jeder Verstoß gegen die Disziplin und Moral ist für mich alten Ochsen das rote Tuch. Die Haink soll nachher zu mir kommen. Ich werde mich bei ihr entschuldigen.«

»Kann ich Ihnen das nicht ersparen, Herr Direktor?«

»Nein. Wer sündigt, soll den Mut zur Buße haben. Der Wolter habe ich bereits Bescheid gegeigt. Nicht zu knapp. Habe die Sache aus einem ganz verschrobenen Gesichtswinkel gesehen. Sie haben mir die Scheuklappen heruntergesetzt. Danke Ihnen. So erregt und hingerissen habe ich Sie noch nie gesehen. Wundervoll, daß die Gerechtigkeit immer wieder ihre Wunder und Helden schafft.«

Beschämt ging Just. War es nur die Gerechtigkeit, die ihm Wunder und Heldentum schuf?


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