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Der Geist.

Vier Tage verflossen, der Graf kam nicht; ja ich begann zu zweifeln, ob er jemals wieder kommen würde! Magdalena Knecht berichtete mir in dieser Weil mit Freuden, wie die Freude, seinen Sohn wiedergesehen zu haben, den Grafen Alibonar gestärkt und ermannt; ja auch Frau Gräfin Nepomuk, Gnaden, geruhe wieder, mit einiger Pfirsichblüth-Farbe auf den Wänglein, recht schauwürdig umherzuwandeln; Alles sei und scheine vortrefflich an Ihrer hohen Person bis an Hochdero liebes Zünglein – sogar beinöthig zu dem erfreulichen Sprechen. Sei ein partiales Unglück, solch ein schweigseliges Ehegemahl; demnach ihm selber nimmer wohl sei, er höre denn seines Weibes holdes Blumenglöcklein Metten, Mittag und Vesper lauten; ohne das wisse ein Mann nimmer, wie er lebe in dieser lieben langen Zeit, die da heißet Ehestand. Ja eine funfzigjährige Ehe mit einer Stummen, als welche der Herr Jedem verleihen wolle – sei keinen Monat lang worden, nur eine bloße Ewigkeit. Was aber den gefangenen Herr betraf, so dünkte ihn doch, es sei den Wunsch werth, daß er alsbald einen freien Fuß haben möge – nur nicht: ihn anhero zu setzen!

In der Abenddämmerung kam der Graf nach Hause. Herr trat zu mir ein, in ganz neuem, sehr anständigem Anzug, und seine Miene war unbeschreiblich, als er mir die Hand gab und recht liebreich in die Augen sah. Er sprach aber nur die nöthigsten Worte. Nach einiger Zeit kam der Graf, und bat Gabrielen und mich, ihm zu seiner Mutter zu folgen, der er uns vorstellen wolle. Es war eine Heimlichkeit, eine Hast in seinem Benehmen, die uns bezwang, seinen Willen zu thun. Es war Licht in der Gräfin Zimmer. Herr trat zuerst ein, er hatte – den Cornet an der Hand gefaßt, und stellte sich schweigend der Gräfin Mutter gegenüber. – Das also war der Geist aus zwei Personen! Derselbe Mann – und die vorige Uniform. – Der Eindruck war unbeschreiblich. Ein innerer Aufruhr erschütterte sie; sie starrte hin, und durch die gewaltige Anstrengung der Seele zu reden, zu fragen, sprach sie auf einmal laut und bestürzt: Was willst Du noch hier! so alt und dahin! – Sie setzte sich, das Gesicht in den Händen verbergend. Und hätt' es mein Leben gekostet, so mußte Jonas jetzt sprechen, und sprach für Herr mit seiner Stimme: Die Mutter straft den Sohn für ihren Fehl? Du konntest ihm nicht vergeben, er mußte fliehen und elend sein, weil Du gefehlt. Ach, wer am meisten nöthig hätte, zu verzeihen, verzeiht am Wenigsten – der Schuldige. Wer keinen Menschen beleidigt, der vergiebt alle Beleidigungen. Das ist der Segen eines reinen Herzens. Und das Unglück Deines Sohnes des Deinen Fluch.

Wenige Minuten später hätte mich das Mitleid mit dem armen Grafen, der mit geschlossenen Augen stand und weinte, nicht mehr zu solchen Worten gereizt. Denn er ging zur Mutter, küßte ihre Hand, ihr graues Haar, und sprach mit weicher Stimme: Ich fühle mich glücklich; und bin ich es, so ist ja Alles gut! Glücklich soll uns das Gesetz des Himmels machen, und – in den Irrthümern der Menschen gleicht die Liebe die Tugend aus, als ewige Stellvertreterin alles Glückes, als selber das höchste Glück. Meine Sulamith war entflohen in jener Nacht, mit dem armen Kinde, und in der Angst mit den Perlen um den Hals, dem Diadem im Haar. Ich war es dem Goldschmied noch schuldig, die Rechnung blieb offen, als ich schied. Jetzt hatte hier der alte Mann es in seine Hände bekommen; er kommt damit zu demselben Goldschmied, der seine Arbeit erkennt, und zurück behält. Der Gefangene ruft mich herbei – er erzählt; ich sehe den Schmuck – ich drücke an einer Feder des goldenen Reifens – sie springt auf, und der Name Annunciade glänzt mir entgegen. Und das Kind, das dieß Geschenk von ihr, von seiner Mutter empfangen – ist dieser arme Schelm, der Trompetervogel! Dein Enkel, o Mutter, und mein – –

Die Sprache versagte ihm. Mir vergingen die Sinne über alle dem; und Jonas soll wunderliche Dinge, während ich still lag, aus mir geredet, auch gelacht und geweint haben wie ein Kind. Ich erwachte in des Vaters Armen am andern Morgen. – Jetzt suchen wir die Mutter, sprach mein Vater! sie lebt, sagt Buffalora, sie ist bei ihren Aeltern in Alessio in Albanien. Sie heißen Talmon und Eliada. Wie nah ist von hier aus dahin! Unsere Mutter hat ihr Testament zurückgenommen – sie hat mir die Güter geschenkt. Sie sind mein und Dein. Graf Alibonar geht auf sein Stammgut, die Mutter ins Kloster: unserer lieben Frauen.



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