Leopold Schefer

Leopold Schefer

Pandira

Gottlob Leopold Immanuel Schefer wurde am 30. Juli 1784 in Muskau geboren und starb am 13. Februar 1862 ebendort. Er war ein deutscher Dichter und Komponist.

Das einzige Kind eines Arztes (†1797) u. einer Pfarrerstochter wurde in den Kreis von Kindern um den Erben der Muskauer Standesherrschaft aufgenommen; mit Hermann Graf (später: Fürst) Pückler-Muskau verband ihn eine lebenslange Freundschaft (mit all den im Standesunterschied begründeten Schwierigkeiten). Erste Gedichte u. Kompositionen entstanden während der Schulzeit (ab 1799 am Gymnasium zu Bautzen). Seither führte S. ein Tagebuch (von dem 59 Foliohefte erhalten sind) mit Reflexionen seiner umfangreichen Lektüre, persönl. Standortbestimmungen u. Entwürfen für literar. Texte. 1804 kehrte S. nach Muskau zur kranken Mutter (†1808) zurück, entschlossen, sich autodidaktisch weiterzubilden u. die beschränkte bürgerl. Karriere nicht anzutreten, die ihm nach einem Universitätsstudium offengestanden hätte. Da Pückler, Standesherr in Muskau seit 1811, Offiziersdienste leistete, setzte er S. an die Spitze der standesherrschaftl. Verwaltung, die mit alten Schulden belastet war u. unter Truppendurchmärschen u. -einquartierungen zu leiden hatte. S. bewährte sich, auch gegenüber der bedrückten Bevölkerung aus Deutschen u. Sorben. 1815 konnte er eine geordnete Verwaltung übergeben u. reiste mit Pückler nach England (u. a. um Parkanlagen zu studieren).

1816 trat er schließlich die »große Reise« an, die er seine »Lebensuniversität« nannte: In Wien studierte er Musik (u. a. bei Salieri) u. erweiterte seine Sprachkenntnisse um Neugriechisch, Türkisch u. Koptisch, 1817-1819 lernte er Italien, Griechenland u. den östl. Mittelmeerraum bis nach Kleinasien kennen; er hielt sich mehrfach in Rom auf u. hatte Kontakte zur dt. »Kolonie« aus Künstlern u. Gelehrten. 1821 heiratete er in Muskau Johanna Friederike Lupke u. zog mit ihr fünf Kinder groß. Leben konnte er zunächst von einer Pension, die Pückler ihm ausgesetzt hatte, doch zunehmend von Honoraren für eine wachsende u. erfolgreiche literar. Produktion. Zuletzt unterstützte ihn auch die Schillerstiftung. 1811 war auf Betreiben Pücklers ein erster Lyrikband (Gedichte mit Kompositionen. Bln.) von S. erschienen, 1822 veröffentlichte er die »neugriechische« Novelle Palmerio im »Taschenbuch zum geselligen Vergnügen für 1823« (Lpz.). Damit begann eine Schriftstellerkarriere, die im Zusammenhang mit den Veränderungen im Bereich des »Literatursystems« während der »Biedermeier«-Zeit zu sehen ist: Gefragt waren erzählende Texte, die ehrbare Unterhaltung mit realistischer Information verbanden u. dabei die Leser gleichsam persönlich ansprachen. Für die sich unterhalb des Höhenkamms der Kunstliteratur durchsetzenden neuen Prosaformen, die v. a. in Taschenbüchern u. Almanachen erschienen, war S. (neben Tieck beispielsweise) einer der repräsentativen Autoren. S. reüssierte zunächst mit Griechennovellen: Der griech. Freiheitskampf gegen die Türkei fand in Deutschland große Sympathie, zudem konnte S. eigene Erlebnisse vorweisen. Doch das Themenspektrum seiner über 80 Novellen, Erzählungen u. Romane ist wesentlich breiter; in ihnen zeigt sich ein scharfer Blick für die Wirklichkeit seiner Zeit. Er griff histor. Stoffe auf, in deren Darstellung die Leser eigene Situationen wiederfinden konnten (z. B. Göttliche Komödie in Rom. Cottbus 1841; über die Verfolgung Giordano Brunos), u. behandelte soziale Probleme feudaler Standesherrschaft (z. B. in Graf Promnitz, der letzte seines Hauses. Ebd. 1842. Der Hirtenknabe Nikolas, oder der deutsche Kinderkreuzzug im Jahre 1212. Lpz. 1857).

In einer Reihe von Erzählungen stellte er Auswanderung u. Auswandererschicksale dar. Darüber hinaus thematisierte er den Status der Kunst u. die Stellung des Künstlers. Immer wieder gelang es S., die Begrenzungen der Taschenbuchprosa produktiv zu überschreiten. Als Herausgeber betreute S. den Almanach »Helena« (4 Bde., Bunzlau 1837-40). Den wohl nachhaltigsten Erfolg beim Publikum brachte S. Das Laienbrevier (2 Bde., Bln. 1834/35. Lpz. 1918-98). Es enthält für jeden Tag des Jahres Lehrgedichte, in denen S. »subtile sinnliche Erfahrung zu Kontrast- und Bilderreichtum« umsetzte (Clausen 1985, Bd. 1, S. 241). In den 50er Jahren erschien zudem Liebeslyrik, für deren Intensität die Zeitgenossen nur mehr wenig Verständnis aufbrachten (Hafis in Hellas. Hbg. 1853. Koran der Liebe nebst kleiner Sunna. Ebd. 1855). Von Nachruhm kann man bei S. kaum sprechen: Nach 1850 geriet seine eigenwillige Verbindung von Unterhaltung, Exotik u. realistisch-krit. Wirklichkeitsblick außer Konjunktur.

Erst Arno Schmidt hat mit einiger Resonanz wieder auf ihn aufmerksam gemacht.  


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