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Galanterie.

Wir hatten nun Vermögen in Papieren, aber kaum so viel Baares, die Zeche zu bezahlen, geschweige nach Frankreich zu reisen. Darum beschloß ich, so klug wie ein Bauer zu sein, und auf baares Geld zu halten. Verkaufen konnt' ich das theure Angedenken nicht, aber Herr sollte die Hälfte des Werthes bei einem Reichen und Sachverständigen darauf borgen, und darum am andern Tage damit sogleich nach Peterwardein. Ich wollte mit Gabrielen indessen zum Grafen Eperies. Herr sollte uns dahin folgen. Er schlug mir es furchtsam ab. Doch ging er zuletzt, und nannte das seinen letzten, sauersten Dienst – dann wollt' er zu Lottchen. –

Die Verwirrung im Schlosse war nicht zu beschreiben, und nur einem geordneten Gemüth recht klar, wie überall; wie das beste Herz die besten Satyren macht. Eperies glaubte kaum einen Tag lang, daß der schöne Cornet ein Cornet sei; denn Gabrielens Sprache, ihr stilles Wesen verrieth das Mädchen sogleich; ich hatte keinen Grund, ihm mein Glück zu verschweigen, und er freute sich herzlich, sie nun auch zu sehen, die ihm jetzt wie aus einem Mährchen gewandelt kam. Ich weiß nicht – sie sehnte sich nach der Provence; und dann küßte sie mich, wenn ich sie nur noch um kleine Geduld bat! Indeß sah ich kein Mittel, dem armen Grafen zu dienen; ihm konnte nur ein neues Testament helfen, und dieß war nicht so leicht zu machen, wenn die Gräfin es nicht begehrte; und dazu mußte sie sprechen können – oder Jonas; aber Buffalora regierte, und regierte so wohl, daß er nur Magdalena Knecht zu der Stummen ließ, und Jonas brannte mir ordentlich im Leibe, wie einer der feurigen Männer im Ofen. Doch aus der Noth hilft nur noch größere Noth, und nur aus der größten entspringt das größte Glück, weil dem Menschen dann alle Sinne aufgehen. Und wäre der ewige Trost nicht wahr, so begrüßt der Elende den doch veränderten Zustand als ein Himmelreich, weil er ihn erschaffen durch seine Kraft.

Nämlich: Wie man sich immer vergeblich wundert, so hatt' ich mich auch schon acht Tage über das Außenbleiben meines Herr vergeblich gewundert. Da erhielt der Graf einen expressen Brief, den er in meiner Gegenwart erbrach. Er konnte aber nur flüchtig gelesen haben, als brennten die Buchstaben ihm in die Augen, so schnell warf er ihn hin, und sprach eine Stunde kein Wort, sondern saß im Lehnstuhl. Endlich begann er: Illonda, so wenig es scheint, daß der Brief mich mit meiner Mutter versöhnen sollte, so sehr doch hat er es wirklich. Nun weiß ich, warum ich enterbt bin! Sie hat als bloße Buße der Kirche die Güter vermacht. Das Weib haßt, statt sich und ihre Schuld – wenn sie, durch sichtliches Unglück erregt; ja welche fühlt – nur den, mit welchem sie sich dieselbe zugezogen; nicht den Ehe-Bruch, sondern den Brecher; selbst das Kind wird ihr unausstehlich, anstatt daß sie sich unausstehlich ist, wohin es kein Mensch bringen kann, weil er selber der neue Mensch ist, der dem alten Adam oder – der jungen Eva den Text liest, und dem Himmel die Güter – nach seinem Tode vermacht. Sie bewunderte die Auskunft: mit einem Schlage zwei Fliegen zu treffen! Jetzt begreif ich auch, wie ein reuiges Weib den – Alibonar so lieben kann, daß sie die Sprache verliert, wenn er den Arm bricht. Ein Unglück, was Jemanden betrifft, den wir selber vorher schon bitter gekränkt, zerreißt uns das Herz, wenn es dazu noch taugt! Hier ist niemand ermordet, hier ist also kein Hamlet nöthig, noch eine Ophelia zwecklos – zum Singen zu reizen. Doch hat auch Hamlet nicht selbst die Geistererscheinung bestellt, wie mir wahrscheinlich ist, da er der beste Comödiant auf der Bühne des Lebens war, so kann die Erscheinung eines Geistes aus zwei Personen nicht schaden, den ich auf die Bretter zu bringen weiß, und gedenke! Ich kann mir's erlauben. Denn wollen Sie wissen, wie eine sogenannte Galanterie aussieht, so haben Sie die Güte und sehen mich an!

Bei diesen Worten faßte er beide Leuchter und illuminirte sich selbst damit. Er wollte mich mit ruhigen Augen, wie man eine Galanterie betrachtet, selber auch ansehen, aber er schloß sie, sein Gesicht ward blaß und blässer, seine Lippe war höhnisch und bebte, seine Züge zersetzten die Bitterkeit in Verachtung, zuletzt in Kälte und Ruhe. Diese Verwandlung im nahen grellen Lichte der Kerzen war peinlich, entsetzlich. Seine Arme begannen zu zittern, auf seiner hohen Stirne standen Schweißtropfen, und um ihn nicht rückwärts hinsinken zu lassen, umarmt' ich ihn, und küßte den mitleidswerthen Mann mit unglaublicher Liebe. –

Haben Sie nun eine Galanterie gesehen? frug er in Ton und Haltung wie immer. So sieht sie in Wahrheit aus – nach funfzig Jahren, mein lieber Illonda. Wie mögen die andern aussehen, die Tausende? – Er stellte die Leuchter auf den Tisch, wollte den offenen Brief ergreifen, aber er ließ ihn liegen und wünschte mir gute Nacht. So hatt' er den Brief mir nicht entzogen, und auch nicht gegeben.

Magdalena Knecht besuchte mich kurz darauf, und nach seinen sonderbaren Begrüßungen setzt ich ihn an den Tisch. Ich hatte keinen Muth zu dem Briefe von Herr; Knecht war der Mann nicht, Jemand etwas abzuschlagen, ich kannte seine Treue, seine günstigen Gesinnungen, und so las er, auf meine Bitte, mit unglaublichen Windungen und Wendungen seinen Inhalt:

                    Wie mein Blut geschätzter Herr! Und Herr, ein Graf!

Der muß zwar lügen, wer mich loben will; weil die Kinder zu genießen oder zu entgelten haben, nach dem sich die Aeltern gehalten. Sich halten – o schweres Werk in dieser Potiphar-Welt! und es hat mir und Ihnen bitterlich Leides gethan, und das thut mir eben noch Leides! Aber bedenken Sie, als Cavalier: Stolpert doch ein Pferd, und hat vier Füße! Darum verzeihen Sie einem Menschen! und billigerweise; denn Sie könnten mich nicht einmal verdammen, wenn ich nicht war, und Dero Frau Mutter nicht – Dero Frau Mutter war. Ich verlange auch gern gar keine Ehre, noch Lohn, nur die Freiheit eines geprellten Fuchses, mit heiler Haut in alle Wälder zu laufen, so gut ich kriechen kann. Aber ich schwebe noch in der Klemme zwischen Himmel und Erde!. Wer kann mich erretten vom hohen Thurme aus tiefem Gefängniß, darein ich sitze als verkannter Dieb, dem man den Galgen schon baut, als hab' ich ein prächtiges Diadem entwandt. Böse Kinder machen den Vater fromm – aber gute Kinder den Vater nicht schlecht. Wer will mich erlösen als ein Sohn? Nur die Herzensangst kann mich alten Mann dazu bringen, mich noch zu so hohen Ehren zu melden. Aber der Mensch, der gesündigt, oder auch nur einen Bock geschossen, ist doch eine Spitzmaus und verräth sich selber. Also – es hilft Nichts – mein Sohn, komm' und errette mich; der ich mit großer Consideration und Reue

Meines Herrn Sohnes Dein

Hochoben auf dem
Sct. Lassla-Thurm
zu Petriwardein.
                                                                              einziger, wahrer
Herr, und Vater;
sonst Nathan
u. s. w.

Extrapostscript und Nota bene.

Der Wächter nähme sich wohl zu Tode, wenn ich nur was hätte!

Unsere Gedanken über dieß Alles, denn zu Mittheilungen kam es nicht, wurden durch Hufschlag von Pferden unterbrochen. Es war der Graf gewesen, der mit dem Wachtmeister fortgeritten, erfuhr ich am Morgen. Durch den Brief war Nathan aus meinen Diensten, und ich mußte fortan ihn Sie nennen, wenn gleich in China nur die Väter durch den Sohn geadelt werden. Warum er sich aber nicht an mich gewendet, das blieb mir ein Räthsel.



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