Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Erscheinung.

Nun lieben uns die, welche sich in menschlichen Dingen vor uns keinen Zwang auflegen, und mit uns leben, als lebten sie mit sich allein; denn ihre Seele hat sich mit der unsrigen vereinigt zu einem Wesen. Ich mußte nun wohl diesen Brief zu den menschlichen Dingen zählen, und den Grafen als meinen Freund oder Patron betrachten, weil er mir ihn mitgetheilt; deßwegen wiederholt' ich bei der Rückgabe nur die Worte des Endesunterschriebenen: sind unbedachte Wort wahre Wort?

Leider nur zu wahr! entgegnet' er seufzend, nicht murrend, denn er schien seiner Lage gewohnt und längst auf alles Glück von Außen Verzicht geleistet zu haben. Auch bot der Brief nur eine sehr dunkle, unsichre Aussicht. Ich nun, der ich seit Jahren nur in mir selbst allen Rath und jede Hülfe zu begehren und zu finden gewohnt war, suchte auch für einen Unglücklichen und Verstoßenen Beistand in mir; denn er lud mich ein, ihn zu begleiten, und meine Wunde hinderte mich nicht mehr zu reisen. Ich hoffte, daß meine Anschläge unterwegs und vollends an Ort und Stelle unter den gegebenen Umständen reifen würden. Ich kannte seiner Aeltern Haus, die Nepomuk, den Alibonar, den Buffalora, den Schlafmeister, den damaligen Schulhalter wie auch Haideläufer Magdalena Knecht, und der Leibhusar Herr war mein Diener.

Nun kann man lieber mit drei Rädern am Wagen reisen, als ohne Geld; man kommt weiter. Denn seit der Apostel Zeit, welche allein nothwendige Reisen thaten, und mit Recht überall freie Zehrung und Nachtlager bekamen, reisen so Viele und so weit, daß sie einen Sack voll halber Gastfreundschafts-Ringe mit haben müßten, die am Ende noch mehr beschwerten, als ein Säckchen Dukaten. Auch erkläre ich gerade zu, daß nur dreierlei Leute reisen: Geldsüchtige, Unglückliche, oder solche, die manchmal » lucida intervalla« haben. Da die Welt nun kein Hospital, kein Irrenhaus und keine Dépense ist, so hat sie sehr recht, daß sie reisen läßt, wer reisen kann, und es Jedem durch Erleichtern so erschwert, um ihn so klug zu machen, daß er zu Hause bleibt.

So saßen wir nun! Wir, sogar ohne Ducaten-Säckchen! die wir so ziemlich in alle drei Classen Reisender gehörten. Ich bekam Magenschmerzen – denn sich ärgern – stomachari – heißt, sich den Magen verderben! Ich hätte funfzig Jahr, versteht sich vor meiner Geburt, wollen Klafterschläger – gewesen sein, um jetzt das Lohn dafür auf einem Brette ausbezahlt zu bekommen! Ja ich beschloß vor Bosheit der Armuth: die erste die beste alte, nur reiche Wittwe zu heirathen, welche mir wieder avancen dazu machen würde, um auf der Bärenhaut auszuruhen. Denn ich konnte nichts als Menschen- und Thier-Sprachen, und hatte nichts als den Jonas, den mir der Graf todt geschossen hätte, traf er mich in den Hals. Ja ein alberner Husten konnte mich an den Bettelstab bringen, wie den ersten Sänger ein Schweinebraten.

In der Noth träumt man selbst bei wachendem Leibe mit offenen Augen wie ein schlafender Hase; wie vielmehr bei schlafendem! Da ritten mir, schon die erste Nacht nach Eingang des Briefes, wunderliche Dinge im Kopfe herum: Wittwen, Kammerhusaren, Schlösser, Geldsäcke, Juden – ich unterschied deutlich meinen alten Herrn – und Athalie; selbst den Grafen Podegrai sah' ich und hört' ich, wie er rief: Kinder, wenn ich werde satt sein!

Die andere Nacht war ich wieder im Pfarrhause, und der alte Lajos rief ängstlich nach mir, und hielt mir etwas Funkelndes hin, das ich nicht erkennen konnte. Dann war ich mit Gabrielen bei der guten Frau; sie freute sich, endlich mich so groß, so wohlgebildet – (eine geträumte Frau spricht, nicht ich!) – wieder zu sehen, sie küßte mich auf die Stirn, und weinte, daß mich ihre Thränen benetzten. Ich war so bewegt, daß ich erwachte. Ich setzte mich im Bett auf, und sah, wo ich war, daß ich nur geträumt, und bedauerte es. Aber meine Wangen waren wirklich von Thränen feucht, und sie kamen mir vor wie Thränen der guten Frau. Ich wußte wohl: Einschlafen ist eine Apostasie von Vernunft und Willen! Sollte man sich nicht schämen zu Bett zu gehen, und in dem Kirke-Stall aus einem gescheidten, rechtschaffenen Christen auf einmal ein schlechter alberner Esel zu werden? Ist nicht der Mensch ein tausendfacher Narr im Schlaf, der alles selber thut, was die Gestalten thun, die ihn umgaukeln! Er stiehlt, er hängt sich an den Galgen, er betrügt den besten Freund, und verkauft Weib und Kind, kurz er ist oft so ein Schuft – wie er bei Tage sich nicht zu sein getraut, so daß, wenn das andere Leben nur irgend eine Aehnlichkeit mit dem Traum hat, wenn sterben: schlafen, vielleicht auch träumen ist, daß dann jeder edle Mensch sich billig ganz gehorsamst dafür bedankt, und nichts Niedrigeres in der Welt kennt, als das Pasquill auf den Tod: »sterben, schlafen, vielleicht auch träumen!« So wußt' ich nun nicht, ob ich geweint, ob ich mich selbst auf die Stirn geküßt, aber ... es rauschte im Zimmer! Ich sah eine weiße Gestalt, wie jene, die mich im Schlafe geküßt; und je schärfer ich hinstarrte, je umflorter erschien sie in dem Dunkel gegen die Thüre zu, und verschwand! – Ich sprang aus dem Bett – die Thür war nur angelehnt, ich eilte auf den Saal, auf die Treppe – die Lampe brannte; alles still, und blieb still. Ich kehrte in das Zimmer zurück, Herr schlief; er murmelte einige Worte aus einem ebräischen Gebet – dann wieder das: Kaiho Klevma angae (das ist das Brot der Noth), daß ich dachte: das Wachen könnt ihr bekehren, alle ihr Herrn Bekehrer, aber den Schlaf und den Traum, das tiefste Haus des Menschen, das laßt ihr unbekehrt! Ich horchte wieder – ich hörte eine Uhr picken – ich ging dem Schlage nach, sie hing über meinem Bett, es war meine Uhr, die ich aus Noth verkauft! Ich hielt sie in den Händen und so schlief ich in allerhand Gedanken ein.

Am Morgen fragt' ich meinen alten Herrn, an wen er die Uhr verkauft? Erst wollt' er es nicht gestehen, dann sagt er: an Athalien. Jetzt wunderte ich mich nicht, daß er für alle diese Dinge so viel Geld gebracht, als sie kaum neu gekostet, aber wohl über den Schalk, der gleich so richtig, aber etwas weltkennerisch und schamlos speculirt hatte! Ich schwieg deßwegen verdrossen. Aber meine reinen Gedanken waren wieder darüber verdrossen, daß mich das verdroß. Als ich aber die Uhr öffnete, um sie aufzuziehen, lag ein feiner Streifen Papiers darin, auf welchem die Worte standen:

»Adoni, hast Du dein Vermögen, den Schmuck vom
Prediger Lajos? und durchgebracht?«

Adoni? – mein Name! ich sollte Vermögen – einen Schmuck haben? durchgebracht haben? das hatt' ich nicht; so hatt ich ihn noch – und wo? bei dem Prediger Lajos! – Aber hatte Er ihn mir geschenkt, so konnt' Er ihn nun auch behalten haben! –

Diese Gedankenfolge war nothwendig. Da ich jetzt nur Vermuthung hatte, ich könne doch reich sein, hört' ich, wie bezaubert, plötzlich auf, die Reichen in meiner Seele zu schmähen, nach meiner Gewohnheit – weil ich arm war, und gab allen alten Wittwen den Korb. Und nun schien es mir auch nothwendig, Athalien auszuforschen, denn sie hatte die Uhr gekauft – nicht auch verkauft? und an Wen? Kurz ich beschloß, Athalien irgend ein Geständniß abzuschmeicheln.



 << zurück weiter >>