Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel. Ende von la Cavernes Geschichte

Nachdem Leander die Gesellschaft begrüsst hatte, sagte Destin, dass man ihn wegen seines Vaters Tod trösten und zu dem grossen Vermögen, das er dadurch erhalten, Glück wünschen müsse. Leander dankte ihm für das letztere und gestand, dass er den Tod seines Vaters schon längst mit Ungeduld erwartet hätte. Indessen würde es sich nicht schicken, sogleich die Bühne zu betreten, besonders da er so nahe bei seiner Heimat wäre; welchen Entschluss alle billigten. Worauf ihn Fräulein de l'Etoile fragte, welchen Titel er künftig führen würde und wie sie ihn nennen sollten, worauf Leander antwortete: »Mein Vater war Baron Rochepierre, und diesen Titel könnte ich führen, aber ich will, dass man mich nicht anders als Leander nennt, denn unter diesem Namen war ich so glücklich, meiner geliebten Angelique zu gefallen. Diesen Namen will ich also bis an meinen Tod behalten, teils um dieser Ursache willen, teils auch, Euch zu überzeugen, dass ich das vor meiner Abreise gegebene Versprechen halten will.« Leander erzählte noch, dass er alle seine Sachen in Ordnung gebracht, Pächter über seine Güter gesetzt und von jedem sechs Monate vorausbezahlt bekommen hätte und daher etwa 6000 Pfund mitgebracht habe, damit die Truppe keinen Mangel litte. Auf diese Mitteilung folgte wie billig grosser Beifall. Hierauf nahm Ragotin das Wort und meinte, da Herr Leander in dieser Gegend nicht auftreten wollte, bäte er um dessen Rollen, er würde sie gewiss mit Beifall spielen. Aber Roquebrune, wie immer sein Gegner, sagte, dass ihm diese Rollen eher zukämen als einem so kleinen Stumpf wie er wäre, worüber die ganze Gesellschaft lachte. Destin erklärte, dass man es überlegen wolle, unterdessen möchte die Caverne nur in ihrer Geschichte fortfahren, was sie also tat:

»Ich blieb bei meiner Niederkunft mit Angelique stehen. Auch habe ich Euch gesagt, dass uns zwei Komödianten besuchten und uns vorschlugen, unter ihre Truppe zu gehen, allein ich vergass zu sagen, dass der eine davon Olive war; der andere verliess uns später wieder und wir setzten an seine Stelle unseren Poeten ein. Hier aber fängt das grösste Malheur meines Lebens an. Eines Tages, als wir den Lügner des Corneille in einer flandrischen Stadt, wo wir uns gerade aufhielten, spielten, verliess ein Bedienter, der den Stuhl seiner Dame belegen sollte, seinen Posten und ging ins Wirtshaus. Sogleich nahm eine andere Dame Besitz davon. Als die, der der Stuhl gehörte, kam und ihn besetzt fand, sagte sie der, die ihn eingenommen hatte, sehr höflich, dies sei ihr Platz, und bat, dass sie ihn ihr überlassen möchte. Die andere sagte, wenn der Stuhl ihr gehörte, so möchte sie ihn nehmen, sie jedenfalls würde aber nicht von dem Platz weggehen. Hierauf folgte ein Wortwechsel; von den Worten kam man zum Streiten, die Mannspersonen mischten sich darein und die Verwandten von beiden Seiten bildeten Parteien, man schrie und stiess sich, und wir sahen dem Spiel durch die Löcher des Vorhanges zu. Mein Mann, der die Rolle des Dorante darstellen sollte, hatte seinen Degen an der Seite. Er sah kaum, dass einige zwanzig Degen gezogen wurden, als er von der Bühne hinunter sprang und sich mit dem Degen in der Hand in den Streit mischte. Aber einer von den beiden Parteien, der ihn vermutlich für seinen Gegner ansah, versetzte ihm hinterrücks einen Stich, dem er nicht ausweichen konnte, sonst würde er ihm gewiss nichts schuldig geblieben sein, da er ein guter Fechter war. Der Stoss ging ihm durchs Herz, er fiel, und alles lief auseinander. Ich stürzte von der Bühne herunter auf meinen Mann zu, den ich ohne Leben fand. Angelique, die damals ungefähr zwölf Jahre alt war, kam mit der übrigen Gesellschaft zu mir. Unsere Tränen waren vergebens. Ich liess meinen Mann begraben, nachdem die Obrigkeit ihn vorher besichtigt hatte und mich fragen liess, ob ich eine Klage stellen wollte. Ich antwortete aber, dass ich das Geld dazu nicht hätte. Wir verliessen also die Stadt, und die Not zwang uns zu spielen, obgleich unsere Truppe nicht sehr gut war, da uns ja der beste Akteur fehlte. Ausserdem war ich auch so traurig, dass ich nicht imstande war, meine Rolle auswendig zu lernen; indessen ersetzte Angelique, die heranwuchs, meine Stelle. Endlich kamen wir in eine holländische Stadt, wo wir Euch, Herr Destin, Euere Schwester und Rancune trafen. Ihr botet uns an, mit Euch zu spielen, und wir nahmen es mit Vergnügen an. Den Rest meiner Begebenheiten habe ich, wie ihr alle wisst, mit euch zusammen erlebt, wenigstens von Tours an, wo unser Türsteher einen Wachsoldaten tötete, bis hieher nach Alençon.« Die Caverne beendete hier ihre Geschichte und vergoss viele Tränen. Ein gleiches tat die Etoile, welche sie umarmte und so gut sie konnte zu trösten suchte. Sie sagte ihr, sie hätte nun Ursache ruhig zu sein, da ihre Tochter sich mit Leander vermählte, aber sie schluchzte so stark, dass sie ihr nicht antworten konnte, und auch wir daher diese Kapitel nicht fortsetzen können.

*


 << zurück weiter >>