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Viertes Kapitel. Destin holt den Leander ein

Destin ritt unterdessen von Dorf zu Dorf und fragte immer nach denen, die er suchte und konnte nichts erfahren. Er durchritt eine grosse Strecke Landes und hielt erst gegen zwei Uhr, als der Hunger und die Müdigkeit ihn zwangen, in ein grosses Dorf zurückzukehren, durch das er eben gekommen war. Er fand die Schenke sehr gut, weil sie an der Landstrasse lag, und vergass nicht, sogleich zu fragen, ob man nicht einen Trupp Reiter gesehen hätte, die ein Frauenzimmer mit sich führten. »Oben ist ein Edelmann,« sagte der Barbier des Dorfes, der gerade gegenwärtig war, »der Euch Nachricht davon wird geben können, und ich glaube sogar, dass er Streit mit ihnen gehabt hat und von ihnen misshandelt worden ist. Ich habe ihm ein schmerzenstillendes und auflösendes Pflaster auf den Hals legen müssen und ihm eine grosse Wunde verbinden, die er am Kopf hat; ich wollte ihm auch noch zur Ader lassen, weil der ganze Körper voller Beulen ist, aber er wollte es nicht haben, ob es gleich sehr nötig wäre; er muss entweder sehr schlimm gefallen sein oder viele Schläge bekommen haben.« Dieser Dorfbarbier hörte sich so gerne von seiner Kunst reden, dass, obgleich Destin ihn schon längst verlassen hatte, er doch seine Rede noch immer fortsetzte, solang bis man kam und ihn zu seiner Frau rief, die an einem Schlagfluss sterben wollte. Unterdessen ging Destin in das Zimmer desjenigen, von dem ihm der Bader gesagt hatte. Er fand einen jungen wohlgekleideten Menschen, der den Kopf verbunden und um auszuruhen sich auf das Bett gelegt hatte. Destin wollte sich eben entschuldigen, dass er in sein Zimmer gekommen war, ohne vorher zu fragen, ob es ihm angenehm sein würde. Aber er erstaunte sehr, als bei den ersten Worten seines Kompliments der andere vom Bett aufstand und ihm um den Hals fiel und sich ihm als sein Bedienter Leander zu erkennen gab, der ihn seit vier bis fünf Tagen verlassen hatte und den die Caverne für den Räuber ihrer Tochter hielt. Destin wusste nicht wie er mit ihm reden sollte, da er ihn so gut gekleidet sah. Während er ihn so betrachtete, hatte Leander Zeit, sich wieder zu fassen, denn anfangs war er ganz verlegen gewesen. »Ich bin sehr beschämt,« sagte er zu Destin, »dass ich gegen Euch nicht aufrichtig genug war, da ich Euch doch wirklich hochschätze; allein Ihr werdet einem jungen unerfahrenen Menschen verzeihen, der bevor er Euch recht kannte, Euch ebenso beurteilte wie die übrigen Eures Standes gewöhnlich sind und es nicht wagte, Euch ein Geheimnis anzuvertrauen, an dem das Glück seines Lebens hängt.« Destin sagte, er könne es nur von ihm allein erfahren, worin er gegen ihn nicht aufrichtig genug gewesen sei. »Ich habe Euch ganz andere Dinge zu erzählen,« versetzte Leander, »wenn Ihr sie anders nicht schon wisst. Aber sagt mir vorerst, was Euch hieher führt.« Destin erzählte ihm, auf welche Art Angelique entführt worden sei, und sagte ihm, dass er den Räubern nachsetze und dass er unten in der Schenke erfahren habe, dass er sie getroffen habe und ihm Nachricht von ihnen geben könne. »Es ist wahr, dass ich sie getroffen habe,« versetzte Leander seufzend, »und dass ich gegen sie alles getan habe, was ein Mann gegen viele nur immer tun kann; allein da mein Degen auf dem Leib des ersten, den ich verwundete, entzweibrach, so konnte ich weiter nichts mehr für Mademoiselle Angelique tun, noch auch für sie sterben, ob ich mir gleich eines oder das andere vorgenommen hatte. Sie haben mich so zugerichtet wie Sie mich hier sehen. Ich war von dem Säbelhieb, den ich auf den Kopf bekam, ohnmächtig geworden, sie hielten mich also für tot und ritten schnell weiter. Dies ist alles, was ich von Mademoiselle Angelique weiss; ich erwarte hier einen Bedienten, der Euch mehr sagen wird; er ist ihnen von weitem nachgefolgt, nachdem er mir wieder zu meinem Pferd verholfen hatte, das sie mir vielleicht deswegen nur liessen, weil es gar nichts mehr taugt.« Destin fragte ihn, warum er ihn verlassen hätte, ohne ihm zu sagen, wo er herkäme und wer er wäre, weil er nun nicht mehr zweifelte, dass er ihm seinen wahren Namen und Stand verborgen hätte. Leander gestand ihm, dass etwas an der Sache wahr wäre, und da er sich wieder auf das Bett gelegt hatte, weil seine Wunden ihn sehr schmerzten, so setzte sich Destin auf das Fussende und Leander erzählte:

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