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Siebzehntes Kapitel. Übler Erfolg von Ragotins Galanterie

Sobald Destin seinen alten Kostümfrack ausgezogen und seinen Alltagsrock angezogen hatte, führte ihn la Rappinière in das Stadtgefängnis, weil der Mann, den sie bei der Entführung des Pfarrers von Domfront gefangen hatten, ihn zu sprechen wünschte. Unterdessen kehrten die Schauspielerinnen mit einem Gefolge von Maulaffen in ihre Schenke zurück. Da Ragotin sich gerade neben Mademoiselle la Caverne befand, als sie aus dem Saal herauskam, wo man gespielt hatte, bot er ihr seinen Arm an, um sie nach Haus zu führen, obgleich er diesen Dienst lieber seiner geliebten de 1' Etoile erwiesen hätte. Und bot sich gleichzeitig Angelique an, so dass er von beiden Seiten verhängt war. Diese doppelte Höflichkeit erzeugte eine dreifache Beschwerlichkeit, denn die Caverne, welche wie billig rechterhand ging, wurde von Ragotin gedrückt, damit Angelique nicht in den Rinnstein trete, zudem ging ihnen der kleine Mann nur bis an die Hüften und zog dadurch ihre Arme so sehr nach unten, dass sie Mühe hatten, sich zu halten und nicht auf ihn zu fallen; noch beschwerlicher war ihnen aber, dass der kleine Mann sich beständig nach Mademoiselle de l' Etoile umschaute, die er hinter sich mit zwei Laffen reden hörte, die sie wider ihren Willen führten. Die armen Frauenzimmer versuchten oft, ihre Hände los zu machen, aber er hielt sie so fest, dass sie nicht loskamen. Sie baten ihn vielemal, er möge sich nicht so sehr bemühen, er aber antwortete immer: »Ihr Diener, Ihr Diener!« (dies war sein gewöhnliches Kompliment), und drückte ihre Hände nur noch stärker. Sie mussten sich also bis an die Treppe gedulden, die zu ihrer Kammer führte, wo sie frei zu werden hofften; aber Ragotin wollte dies nicht und sagte immer nur auf jede Widerrede: »Ihr Diener, Ihr Diener!« Er versuchte mit Gewalt mit den beiden gleichzeitig die Treppe hinauf zu gehen; da dies nun unmöglich war, so stellte sich die Caverne mit dem Rücken gegen die Wand und ging zuerst hinauf; sie zog den Ragotin nach, dieser zog wieder Angelique nach und diese zog niemanden, sondern lachte wie toll. Vier oder fünf Stufen vor ihrer Kammer ereignete sich eine neue Schwierigkeit, denn sie trafen den Knecht des Wirts mit einem Sack voll Hafer an, der ausserordentlich schwer war, und welcher Knecht ihnen unter viel Anstrengung sagte, dass sie wieder hinuntergehen sollten, weil er mit der grossen Last nicht wieder zurück könne. Ragotin wollte antworten, aber der Knecht fing an zu fluchen: wenn sie nicht sofort gingen, würde er den Sack auf sie fallen lassen. Sie zogen sich also in grösster Eile wieder hinunter, doch liess Ragotin die Hände der Komödiantinnen dabei immer noch nicht fahren. Der Knecht kam ihnen zu geschwind auf den Hals; Ragotin tat einen falschen Tritt, wodurch er zwar nicht niederfiel, weil er sich an den Händen der Damen festhielt, zog sich aber dadurch die Caverne auf den Leib, welche sich besser hielt wie die Tochter, die den besseren Platz hatte. Sie fiel also auf ihn, trat ihm auf den Bauch und stiess gegen ihre Tochter, so dass beide hinfielen. Der Knecht dachte, so viel Leute würden so schnell nicht wieder aufstehen, konnte die Last des Sackes nicht länger tragen, setzte ihn auf die Stufen nieder und fing an zu fluchen. Der Sack ging unglücklicherweise auf, und da kam gerade der Wirt hinzu und wollte über den Knecht wütend werden. Der Knecht fluchte über die Komödianten; diese über Ragotin, der toller war als alle zusammen, weil eben Mademoiselle de l' Etoile dazu kam und Zeuge von diesem neuerlichen Unglücke war, das fast noch schlimmer war als das mit dem aufgeschnittenen Hute. Die Caverne schwor hoch und teuer, dass Ragotin sie in ihrem Leben nie wieder führen dürfe und zeigte Mademoiselle de l' Etoile ihre zerschundenen Hände. Die Etoile sagte ihr, dies wäre die gerechte Strafe dafür, dass sie ihr den Herrn Ragotin weggenommen habe, der ihr versprochen hatte, sie nach der Komödie heimzuführen; und fügte noch hinzu, sie wäre sehr froh darüber, dass ihm dies begegnet, weil er ihr nicht Wort gehalten hätte. Von all dem aber hörte Ragotin nichts; denn der Wirt wollte von ihm den verschütteten Hafer bezahlt haben und wollte auch den Knecht verprügeln deshalb. Angelique fing gleichfalls mit ihm an und warf ihm vor, dass er sie nur in Ermangelung einer Besseren geführt hätte, kurz: das Glück zeigte, dass es bis zur Stunde an dem Versprechen des la Rancune, ihn in ganz Maine zu dem glücklichsten aller Verliebten zu machen, noch nicht den geringsten Anteil genommen hatte. Der Hafer wurde wieder zusammengeschaufelt und die Komödiantinnen gingen jede auf ihr Zimmer, ohne dass ihnen weiter ein Unglück zustiess. Ragotin ging nicht mit ihnen; ich weiss auch nicht, wohin er ging, da es Abendessenszeit war. Man ass in der Schenke, und nach Tisch ging jeder seiner Wege. Destin schloss sich mit den Schauspielerinnen ein, um ihnen seine Geschichte zu Ende zu erzählen.

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