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7.

Der alte Baron Eulenried erlebte keine große Freude an den Briefen seiner Söhne. Ein Bote brachte ein mit weichem Bleistift bemaltes Papier nach der Burg.

»Habe Pech gehabt. Faustschlag zwischen beide Augen. Die sind noch nicht offen. Nicht sorgen. Vielleicht kommt mal ein Bruder.

Euer Wildrich.«

Darauf traf Dankwart beim Oberförster Ehrlich ein. Er brachte besorgte, liebevolle Briefe von der Mutter und Tante Hermine, die Wildrich aber nicht lesen konnte, verstaute sie aber unter seinem Kopfkissen. »Mußt mir erzählen, Dankwart.«

»Du siehst schauderhaft aus, armer Wildrich. Man erkennt dich kaum. Was sagt der Arzt?«

»Der sagt dasselbe, was der stoische Türke sagt: ›Budagetscher‹ – ›Es geht alles vorüber‹. Wenn ich nur erst Dienst tun könnte! Na, – junge Hunde bekommen ja erst nach neun Tagen ihr Gesicht. Essen kann ich auch nicht. Mir ist, als wär mein Kopf ein Kürbis. Löffle mir doch mal die Tasse Fleischbrühe dort ein. Sie ist gut, und ich bin elend hungrig. Auch ein weiches Ei werde ich verdrücken können.«

Die brüderlichen Hände halfen.

»Wie gehts dem Illo?« fragte der Kranke.

»Gut. Aber wir hören nur alle vierzehn Tage etwas von ihm. Er will sein Lehrlingsstück machen. Bastelt an unserer Erbuhr. Die ist das Entzücken der ganzen Zunft. Aber sie geht nicht und schlägt nicht. Das will nun das verrückte Huhn, der Illo, allein heraustüfteln. Meister Distelfink schreibt – er sei ein Genie. Hast du gehört, Wildrich?«

»Jawohl, ich bin ja nur blind, aber nicht taub. Und ich glaubt gern. In allen Märchen ist der Jüngste immer das Genie.«

»Unser Leben ist aber wahrlich kein Märchen, Wildrich. »Und vollends Bauernarbeit. Die ist reiche Wirklichkeit. Aber man ist zu sehr auf den lieben Gott angewiesen.«

»Wenn ich einmal der Herrgott wär«, versuchte Wildrich krächzend zu singen. Jeder Muskel tat ihm dabei weh.

»Ach, was nützt uns ein großes Faß. Eine neuzeitig regelrecht angelegte Dunggrube ist wichtiger. Der Nachbar hat sie – es ist eine Pracht!«

»Wie schade, daß du kein Dichter bist, Dankwart. Ode an die Dunggrube.«

»Um Gotteswillen lach nicht, Wildrich. Du siehst dann noch scheußlicher aus.«

»Ist es so schlimm?«

»Mime war gegen dich ein Götterjüngling.«

»Wir hießen immerhin die ›schönen Eulenrieds‹.«

»Diesen Eitelkeitszahn mußt du dir ausziehen. Vorbei für ewig.« –

So scherzten die Brüder, wenn auch Dankwart nicht wohl dabei war. Wie sollte er es dem Bruder beibringen, daß seine Beute, der er den furchtbaren Schlag verdankte, geflohen war? »Wann wird man den Kerl hängen?« fragte er vorsichtig.

»Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn zuvor ...«

Wildrich legte sein Gesicht in beide Hände und stöhnte leise. Dann sagte er: »Ich weiß, daß er fort ist. Als sie mich schlafend glaubten, hörte ich die Mär. Und ich weiß auch, wer ihm geholfen hat, die Anne – – – Sie hatte ein so gutes Leben. Die Prinzessin – ach sie ist ein Engel – hatte das Mädchen wieder zu sich geholt. Sie hat alles im Stich gelassen in derselben Nacht, da Mergel eingelocht wurde. Und hat ihn befreit ...«

»Man sollte nicht über Weibertreue spotten«, sagte Dankwart ernst.

»Nein, das sollte man nicht. Und nun geht das Pürschen wieder an. Ich krieg ihn, so wahr mir Gott helfe.«

»Amen, Bruder. Ich muß wieder fort. Ja – und ich hab' mich verlobt. Es schafft sich besser, wenn man weiß, daß etwas Gutes einem für alle Ewigkeit gehört ...«

Ehe noch Wildrich sich von seinem Erstaunen erholt hatte, war Dankwart fort. Aber er öffnete noch einmal die Tür.

»Es ist natürlich die Lisel Kreihorst«, sagte er trocken und ging endgültig.


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