Gerhard Rohlfs
Quer durch Afrika
Gerhard Rohlfs

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Achtzehntes Kapitel

Über Keffi Abd-es-Senga bis an den Benue

Nach zwanzigtägigem Aufenthalt verließ ich mit meiner kleinen Reisebegleitung die Hauptstadt Bautschis am 2. Februar, direkt gegen Westen auf den Gebirgsstock des Saranda zugehend. Die Gegend hier im Rücken der Stadt schien vor Überfällen der Insurgenten gesichert zu sein, denn ich sah viele einzelne, von blühenden Feldern umgebene Gehöfte. Den Blick in die Ferne hinderte leider der schwarze Qualm von Grasbränden, der rings aus den Waldungen aufstieg und die Luft verfinsterte, so daß vom Saranda selbst nichts zu sehen war. Beim Überschreiten einer Schlucht platzte meinem Lastpferd der lederne Gurt, mit dem die Bagage auf dem Rücken befestigt war. Dies nötigte uns, in dem Dorf Meri, nur eineinhalb Stunden von Garo-n-Bautschi entfernt, zu bleiben, wo wir übrigens leidliches Quartier und genügend Verpflegung fanden; unsere Pferde freilich mußten, da es keine Getreidekörner gab, mit gedörrtem Koltschekraut vorliebnehmen.

Am nächsten Morgen brachen wir um sieben Uhr auf und verfolgten in westsüdwestlicher Richtung den Weg durch die Felsen weiter, die bald in gewaltigen Blöcken über- und durcheinander liegen, bald zu senkrechten Granitwänden aufsteigen. In dem dichtverwachsenen Buschwerk dazwischen sollen viele wilde Tiere ihre Schlupfwinkel haben. Um halb zehn Uhr war der Fuß des Saranda-Berges erreicht. An dieser Stelle begegnete uns ein großer Trupp Kanuri, Männer und Weiber, welche Salz von Lafia-Bere-Bere nach Bautschi brachten. Sie trugen das zu grauem Staub zerstoßene Salz in ein- bis eineinhalb Zentner schweren Bastsäcken auf dem Kopf, und außerdem waren die Weiber mit Kochgeschirr und sonstigem Gerät, die Männer mit ihrer Waffe, Bogen und Pfeilbündel, beladen. Pferde sind in dem schluchtigen, schroffen Felsgebirge nicht zu verwenden, es müssen vielmehr alle Lasten allein durch Menschenkraft über es transportiert werden.

Der Saranda, bis zum Gipfel bewaldet und, soviel ich sehen konnte, ganz aus Granit bestehend, der jedoch stellenweise wie Schiefer in Tafeln geschichtet liegt, ist der Scheidepunkt für die Gewässer des Tschad und die des Benue und Niger. Wir umgingen den Berg und hatten, auf der anderen Seite angekommen, ein zwar hügeliges und allmählich steigendes Terrain vor uns, aber keine höheren Berge mehr in Sicht. Um zwei Uhr erreichten wir den ziemlich bedeutenden, von Pullo bewohnten Ort Saranda, in welchem das Nachtlager genommen wurde.

Als wir anderenmorgens noch eine kurze Strecke auf dem großgewellten, von Schluchten zerrissenen Plateau, das mit dem von Garo-n-Bautschi gleiche Höhe hat, in der Richtung von 285 Grad zurückgelegt, sahen wir gerade vor uns am westlichen Horizont wieder eine Bergkette auftauchen. Wie der Lauf vieler wasserhaltiger Rinnsale zeigt, dacht sich auch dieses Plateau nach Südosten ab. Wir passierten ein von seinen Bewohnern verlassenes Dorf und langten eine Stunde später in Djauro an, einem ummauerten Ort von etwa fünfzehnhundert Einwohnern. Der Sultan von Djauro beherrscht ein Gebiet, das sich bis über Goa hinaus erstreckt.

Zwei Söhne des Sultans begleiteten mich am folgenden Tag über das Gebirge nach Goa. Das Hinaufsteigen zum Kamm war äußerst mühsam und beschwerlich. Keine Spur von einem gangbaren Pfad. Unsere Pferde mußten an den steilen Abhängen, oft mehrere Fuß hoch schreitend, von Fels zu Fels klimmen, und stellenweise blieb zwischen den senkrechten Wänden und dem zur Seite gähnenden Abgrund so wenig Raum, daß ein einziger Fehltritt genügt hätte, um Roß und Reiter in die jähe Tiefe zu stürzen. Auch eine Menge wasserhaltiger Rinnsale mit hohen, steilen Ufern mußten durchritten werden. Unterhalb der Paßhöhe, die noch von zirka tausend Fuß hohen Gipfeln überragt wird, treten die Berge weiter auseinander, und es eröffnet sich ein Plateau, auf welchem wir, ganz erschöpft von der mühsamen Tour, zu dem Ort Goa gelangten.

Dank unserer prinzlichen Begleitung bemühte sich der Gala-di-ma, ein Untergebener des Sultans von Djauro, uns reichlich mit Speise und Trank zu erquicken und für gute Herberge zu sorgen. Er wohnt inmitten des weitläufigen Orts in einer kleinen ummauerten Burg. Die Bewohner von Goa sind größtenteils Pullo, aber, wie ihre dunkle Hautfarbe zeigt, stark mit Negerblut vermischt. Ihre Weiber scheinen sehr putzsüchtig zu sein, denn sie tragen nicht bloß einen Ring in den Ohren, sondern eine ganze Menge, oft zehn bis zwölf, und an der Stirn ein mit bunten Perlen gesticktes zollbreites Band; das gekräuselte, bis eineinhalb Fuß lange Haar lassen sie in drei Flechten vom Hinterkopf und zu beiden Seiten herabhängen. Gegen Abend machte ich einen Spaziergang in die nahen Berge, die ganz aus grobem Granit bestehen. Ich fand dort Bäume mit eßbaren Früchten und mehrere zuvor noch nicht gesehene Kaktusarten.

Ehe wir am anderen Morgen aufbrachen, verabschiedeten sich die beiden Prinzen, um nach Djauro zurückzukehren. Leider hatte ich mich gar nicht mit ihnen unterhalten können, da keiner von uns Fulfulde verstand. Um sieben Uhr setzten wir uns in Marsch, anfangs westsüdwestwärts, und hatten zunächst wieder einen steilen, mit Geröll bedeckten Felsenpaß zu übersteigen. Darauf ritten wir über eine sehr steinige, von Schluchten zerrissene Hochebene und kamen um elf Uhr in Badiko an, einem Ort von etwa zwanzigtausend Einwohnern. Man hatte mir Badiko als bedeutenden Marktort genannt, und ich stellte mir demnach eine wirkliche Handelsstadt darunter vor. Nun überzeugte ich mich, daß dies ein Irrtum war. Der Ort hat nur einen, allerdings recht lebhaften Landmarkt, auf dem die Boden- und Industrieerzeugnisse aus der Umgegend zum Verkauf gestellt werden, von ausländischen Waren aber höchstens Glasperlen und einige Stücke Baumwollenzeug zu haben sind.

An diesem Tag, dem 6. Februar, ging das Rhamadan-Fest zu Ende. Sowie abends der Mond am Himmel erschien, wurde er aus diesem Anlaß von den Einwohnern mit lautem Jubelgeschrei begrüßt, und die ganze Nacht hindurch vergnügte man sich mit Tanz und Spiel. Auch der heidnische Teil der Bevölkerung schloß sich nicht von den Lustbarkeiten aus, da ja bei den Negern dem Mond besondere Verehrung gewidmet und der Eintritt des Neumonds jedesmal von ihnen gefeiert wird. Ich schaute dem Tanz eine Zeitlang zu. Auf einem großen freien Platz reihten sich an der einen Seite die Männer zusammen, meist nur mit blau und weiß gestreiften Schürzen oder schmalen Streifen von Ziegenfell bekleidet und mit bunten Federbüschen auf dem Kopf, gegenüber die Weiber, ein Tuch um die Hüften gewunden, manche einen Säugling auf dem Rücken tragend, und in der Mitte die Knaben und Mädchen, letztere mit einem Fächer aus Stroh oder Palmblatt in der Hand. Nach dem Takt der Musik, die in Trommelschlägen und im Klirren von eisernen, an den Füßen der Tänzer befestigten Schellen bestand, schritten die Reihen bald gravitätisch wie im Polonaisen- oder Menuettschritt ihrem Vis-a-vis entgegen, bald lösten sie sich auf und alles sprang und hüpfte wild durcheinander. Dazwischen gab es auch pantomimische Einzeltänze. Eine Frau neigte sich plötzlich hintenüber, als müßte sie umfallen, wurde aber in den Armen der hinter ihr Stehenden aufgefangen und nun immer von einer der anderen zugeworfen. Oder ein junges Mädchen drehte sich wirbelnd im Kreis, bis sie erschöpft niedersank, worauf alle Männer an ihr vorbeitanzten und jeder einige Muscheln in ihren Schoß warf.

Die Aufnahme, die wir beim Sultan von Badiko fanden, war keine so gastliche wie die beim alten Sultan von Djauro; erst nach langen Umschweifen wurde uns eine leere Hütte eingeräumt, sie starrte aber so von Schmutz, daß ich lieber unter einem Baum im Freien kampierte, was man hier, wo in der Nacht kein Tau fällt, ohne Gefahr für die Gesundheit tun darf. Sollte nicht die dicke Rauchmasse, die, von den täglichen, so ausgedehnten Grasbränden erzeugt, über der Erde lagert, den gänzlichen Mangel an Tau mit verursachen, indem sie etwaige in den oberen Luftschichten sich bildende Feuchtigkeit nicht als Niederschlag hindurchdringen läßt? Überhaupt dürfte der Einfluß dieses zentralafrikanischen Grasrauchs viel weiter reichen als man denkt. Ich halte es für wahrscheinlich, daß er sich nicht nur mit dem Staub der Wüste mischt, sondern auch darüber hinaus in die Berberei, ja unter Umständen bis über das Meer getragen wird und dort noch als vermeintlicher Nebel die Atmosphäre zu trüben vermag.

Wir entfernten uns am anderen Morgen von Badiko und betraten dicht hinter dem Ort einen Wald, in welchem Massen schwerer Granitstücke zwischen den Bäumen umherlagen. Hier sah ich an den Ufern zweier Flüßchen die ersten Deleb-Palmen. Die Deleb-Palme, Borassus flabelliformis aethiopicus, ist einer der schönsten Bäume Innerafrikas; ihr schlanker Stamm von durchschnittlich fünfzig Fuß Höhe hat ungefähr in der Mitte eine nur ihr eigentümliche Ausbiegung. Ein dreistündiger Marsch brachte uns um elf Uhr nach dem Ort Gora, wo wir indes nur kurze Rast hielten, um unseren Weg bis zu der am Fuß des eigentlichen Gora-Gebirges gelegenen Residenz des Sultans von Gora fortzusetzen. Auf mäßig steigendem bewaldeten Terrain links und rechts an Gehöften vorbeipassierend, langten wir nach zwei Stunden daselbst an und wurden vom Sultan inmitten seines ganzen Hofstaats feierlich empfangen. Man ließ es uns, nachdem wir in eine geräumige Wohnung geführt worden waren, an nichts fehlen, weder an Speisen, wie Hühner und Reis, noch an Korn zum Futter für die Pferde, und da letztere dringend einer längeren Ruhe bedurften, waren wir genötigt, auch den folgenden Tag hier liegen zu bleiben.

Am 9. Februar morgens um acht Uhr wurde der Aufstieg auf den Gora begonnen: Es kostete die Tiere, die wieder Schritt für Schritt sich den Weg suchen mußten, Anstrengung genug, nahm aber weniger Zeit, als ich glaubte, in Anspruch, denn schon nach eineinhalb Stunden war der Übergangspunkt zwischen etwa fünfzehnhundert Fuß höheren Bergen und damit zugleich die Grenze der beiden Länder Bautschi und Saria erreicht. Der Gora scheidet nicht nur die Gewässer, die einerseits dem Tschad-See, andererseits dem Niger zufließen, auch für die Vegetation bildet er eine sehr merkbare Scheidewand. Aus dem Bereich der Dattel- und Dum-Palme kommt man an seinem westlichen Abhang in den der Öl-, der Kokos- und der Deleb-Palme; Adansonien gedeihen zwar noch, wo sie angepflanzt werden, entwickeln sich aber bei weitem nicht mehr zu der Höhe und dem Umfang ihrer Riesenschwestern auf dem Plateau von Gudjba; die Akazie erscheint nur noch sporadisch, die Tamarinde verschwindet ganz, sie werden aber durch hohes Bambusrohr, den Butterbaum und die Banane vollauf ersetzt.

Wir waren um elf Uhr an dem rechts über uns liegenden Ort Sukuba, zum Distrikt Lere gehörig, vorbeigezogen und traten um zwölf Uhr aus dem eigentlichen Gebirge heraus auf ein allerdings fast ebenso hohes Plateau. Eine Stunde später lag auf der Spitze eines schroffen Felskegels, der von keiner Seite zugänglich schien, das kleine Dorf Schimre vor uns. Man wies uns aber einen verborgenen, für Pferde ersteigbaren Pfad, und oben angekommen fanden wir bei den Bewohnern, Heiden vom Stamm der Kado-Neger, die gastlichste Aufnahme, gastfreundlicher, als ich sie in vielen von Mohammedanern bewohnten Orten gefunden habe. Zwischen den Hütten des Dorfes stehen prächtige Bäume, und unten in der Ebene haben die Bewohner einige Felder, auf denen sie ihren Bedarf an Getreide anbauen.

Nachdem wir am folgenden Tag, am 10. Februar, morgens von dem gastlichen Schimre wieder herabgestiegen waren, folgten wir auf ebenem Terrain einem Arm der Kaduna, dessen Windungen mehrmals überschreitend. Der Boden ist hier von vielen tiefen Rinnsalen durchschnitten, die mit ihrem nie ganz versiegenden Wasser eine üppige Waldvegetation erzeugt haben. Im Laub der Bäume nisten buntgefiederte Vögel, und auch größeren vierfüßigen Tieren mag der Wald zum Aufenthalt dienen; bisweilen eilte eine flüchtige Gazelle in der Ferne vorüber, sogar Elefantenspuren zeigten sich.

Mir fiel hier eine Erdspinne auf, die, etwa von der Größe unserer Kreuzspinne, ihr dichtgewebtes Netz über den Boden breitet und in Löchern verborgen ihrem Fang auflauert; an den folgenden Tagen sah ich sie noch öfter, bis zur Hochebene von Sango-n-Katab, weiter südlich aber nicht mehr.

Wir gelangten um zehn Uhr zu dem ziemlich bedeutenden, von heidnischen Kado-Negern bewohnten Ort Ungu-n-Bodo und hielten vor dem Haus des Sserki (Sultan), der uns mit Speisen versorgte. Fast alle Männer rauchen hier – was ich bis dahin nur von den Musgu und Tuburi, die als Sklaven in Kuka leben, gesehen hatte – aus langen Tabakpfeifen mit großen Köpfen aus Ton. Von halb zwei Uhr ab auf der bewaldeten Hochebene weiterziehend, passierten wir mehrere Zuflüsse der Kaduna, bis der zum Nachtlager bestimmte Ort Garo-n-Kado (die Eingeborenen sprechen Garunkadu) erreicht wurde.

Die Kado-Neger sind von dunkelschwarzer Hautfarbe, jedoch keineswegs häßlich. Männer wie Weiber gehen nackt, jene einen mit Muscheln oder Fransen behängten Lederschurz, diese nur Baumblätter vor die Scham bindend; um den linken Arm tragen sie einen schwarzen steinernen Ring, an den Fingern mehrere Ringe von Eisen, den größten, der ein Amulett birgt, am rechten Daumen. Die jungen Burschen bis zu zwanzig Jahren flechten ihr Haar in mit Glasperlen besetzte Zöpfe und binden auch Schnüre von Glasperlen um den Hals: Ein weibischer Putz, mit dem weder die kräftige Muskulatur des Körpers noch die Bewaffnung mit Pfeil und Bogen harmoniert. Im Benehmen zeichnet sich der Stamm durch eine gewisse zeremonielle Höflichkeit aus; so wurde ich als Fremder von jedem Begegnenden umständlich gegrüßt, indem die Männer, das Haussa-Wort »ssünno, ssünno« mehrmals wiederholend, sich tief vor mir verneigten, die Weiber aber niederknieten und mit abgewandtem Gesicht in dieser Stellung verharrten, bis ich vorüber war. Daß die Frauen vor einem fremden Mann das Gesicht abwenden oder verhüllen, ist übrigens eine bei den meisten Negerstämmen Nord- und Zentralafrikas herrschende Sitte; ich vermute indes, sie hat sich erst mit dem Islam in Afrika verbreitet. Die Wohnung einer Kado-Familie besteht gewöhnlich aus zwei Hütten, die, abweichend von anderen Negerwohnungen, durch einen zugebauten Gang miteinander verbunden sind, wodurch drei zusammenhängende Wohnräume gewonnen werden. Auch sonst haben die Kado, wie es scheint, manche Eigentümlichkeiten in Charakter und Lebensweise, und es wäre darum wohl der Mühe wert gewesen, länger unter ihnen zu verweilen; aber mein Gesundheitszustand nötigte zur Eile, denn ich durfte mich nicht ein zweites Mal den Einflüssen der zentralafrikanischen Regenzeit auszusetzen wagen.

Nachdem wir am folgenden Morgen zwei Stunden südlich gegangen waren, passierten wir den Ort Ungo-n-Kassa und erreichten eine Stunde darauf den am linken Ufer eines größeren Arms der Kaduna gelegenen Marktort Ja. Hierher bringen nomadisierende Fellata ihre Viehprodukte, um sie gegen Waldfrüchte der Umgegend einzutauschen. Bei unserer Ankunft war der Markt, der auf einem freien, von Wald umgebenen Platz gehalten wird, eben in vollem Gange. Hellfarbige Fellata-Mädchen, mit perlengestickten Bändern im Haar, die Ohren von oben bis unten mit Ringen behängt, boten Milch, Buttermilch, Butter, auch Küchelchen aus Negerhirse, Tekra genannt, Kado-Neger und Negerinnen dagegen Getreide und Wurzelgemüse zum Verkauf an; in Garküchenbuden waren einzelne Portionen für fünf Muscheln das Stück zu haben. Da ich an dem Tag noch bis Sango-Katab zu kommen gedachte, labten wir uns nur an einem Trunk frischer Buttermilch und setzten dann unverweilt unseren Weg fort, der immer südwärts durch einen langen Wald platanenartiger Bäume führte und von vielen nach Westen fließenden Rinnsalen durchkreuzt war. An den Rändern der letzteren standen haushoher Bambus und dickästige Deleb-Palmen; auch andere Palmenarten, namentlich die Fächerpalme, traten jetzt häufiger auf, und einzelne wilde oder verwilderte Bananen ließen sich sehen. Erst nach sechs Stunden gelangten wir an den Ausgang des Waldes. Inzwischen war aber bereits die Nacht hereingebrochen, und so blieb nichts übrig, als im Freien zu lagern. Auf das Versprechen des Führers vertrauend, er werde uns noch vor Abend nach Sango-Katab bringen, hatten wir gar keine Lebensmittel mitgenommen, weder für uns noch für die Pferde; diese fanden in dem hier reichlich vorhandenen Gras genügenden Ersatz, wir aber mußten unsere hungrigen Mägen mit der Aussicht auf den folgenden Tag beschwichtigen.

Morgens wurde ein breiter nach Westen fließender Arm der Kaduna überschritten, der weiter unten den Namen Gurara erhält. Jenseits desselben war das Land zu beiden Seiten des Weges wohl angebaut. Wie man weiß, kennen die Eingeborenen Innerafrikas nirgends den Gebrauch des Pfluges. Wir hatten noch zwei Stunden zwischen den Feldern zu reiten, bis wir in Sango-Katab eintrafen. Die Bevölkerung dieses weitläufig gebauten Ortes ist aus Fellata und aus Kado- und Kadje-Negern gemischt; ein Teil derselben bekennt sich zum Islam, der übrige, die Mehrzahl bildende Teil hat gar keine Religion. Auf dem kleinen Marktplatz sah ich die drei verschiedenen Typen besonders in vielen weiblichen Repräsentanten beisammen: Hier die Kadje-Weiber, nackt bis auf einen drei bis vier Finger breiten Ledergurt, an dem vorn und hinten ein paar Blätter herabhingen, mit kahl geschorenem Kopf, vorgestrecktem Bauch und hochgepolstertem Gesäß, dünnen, affenartigen Beinen und mit zwei in die Ober- und Unterlippe eingezwängten Stückchen Holz oder Kürbisschale, die beim Sprechen geräuschvoll aufeinanderklappten; dort die gleichfalls nackten, doch proportionierter gebauten Kado-Negerinnen; und als Gegensatz zu beiden hübsche Fellata-Mädchen, schamhaft sich mit einem weißen oder gestreiften Tuch umhüllend.

Ich rastete den nächsten Tag in Sango-Katab, um den Pferden, die sich die Hufe ganz abgelaufen hatten, Ruhe zu gönnen und um von den Einwohnern den besten Weg nach Rabba am Niger zu erkunden. Niemand wußte mir aber etwas darüber zu sagen, und es scheint, daß es in der Tat keinen direkten Weg dahin gibt.

Nahe bei Sango-Katab ist der höchste Punkt der bis hierher führenden Hochebene, das nun folgende Gebirge steigt zu einer niedrigeren Terrasse herab, die südlich zum Benue, südwestlich zum Niger sich abdacht. Wir durchzogen am 14. Februar das Gebirge in südsüdwestlicher Richtung und kamen nach zwei Stunden zu dem rechts am Weg liegenden, an das nördliche Ende eines anderen Bergzugs gelehnten Ort Mokado. Ein weiterer nach Südwesten gerichteter Marsch von zwei Stunden brachte uns nach Madakia, wo wir über Nacht blieben. Der Ort, von Kadje-Negern und einigen Fellata bewohnt, hat ein sonderbares, schiefes Aussehen. Es sind nämlich die irdenen Wände von je zwei Hütten durch ein gemeinsames Dach verbunden, dessen eine Seite steil, die andere flach abfällt, und um jedes Gehöft zieht sich eine Hecke von oft zwanzig bis dreißig Fuß hohen Kakteen. Wie die Kado gehen auch die Kadje unbekleidet; die Mädchen pflegen am Gürtel außer den Blättern ein vorn herabhängendes Bündel kleiner Muscheln zu tragen, welche ihnen ihr Bräutigam als Geschenk verehrt.

Von Madakia an gingen wir, die vielen Krümmungen des Weges ungerechnet, eine Strecke weit am Ssungo-Fluß entlang, bis er seinen Lauf ganz nach Süden wendet. Nach einer Stunde sahen wir westlich vom Weg den hochliegenden Ort Debusa, nach einer weiteren Marschstunde wurde der Ort Uontara passiert, und nachdem noch fünf Stunden Wegs zurückgelegt waren, ritten wir in den ausschließlich von Kadje bewohnten Ort Konunkum ein.

Es ließen sich nur die Weiber in dem Ort sehen, die auf unsere Frage nach der Wohnung des Sserki (Sultan) keinen Bescheid geben wollten. Wir hielten daher aufs Geratewohl vor einem der größeren Gehöfte und feuerten wie üblich einen Salutschuß ab. Erschreckt durch den Knall liefen die Weiber schreiend und heulend davon. Etwa zehn Minuten vergingen, da kam plötzlich eine Horde mit Keulen, Bogen und Spießen bewaffneter Männer auf uns losgestürzt. Sie waren offenbar betrunken und, wie aus ihrem drohenden Gebrüll zu entnehmen war, der Meinung, wir hätten auf ihre Weiber geschossen. Unser Führer erklärte ihnen, wir seien harmlose Reisende, mit dem abgefeuerten Schuß hätten wir nur den Sserki des Orts begrüßen wollen. Allein sie hörten nicht auf ihn, sondern umringten Hammed, der abgestiegen war, und suchten ihm sein Gewehr zu entreißen. Als ich dies sah, gab ich meinem Pferd die Sporen, sprengte mitten in den dichtesten Haufen, drei oder vier der Angreifer zu Boden werfend, und ließ den Hahn meines Revolvers knacken. Rasch hatte sich auch Hammed wieder aufs Pferd geschwungen, seine Doppelflinte zum Schuß erhoben. In diesem kritischen Augenblick erschien aber der Sserki, den ein schmutziges Gewand vor seinen nackten Untertanen kenntlich machte. Nachdem ihn unser Führer über den Sachverhalt aufgeklärt hatte, überreichte er mir als Zeichen des Friedens und der Freundschaft seinen Spieß und lud uns zum Absteigen ein. Wir folgten zwar der Einladung, doch befahl ich, die Pferde gesattelt zu lassen, denn es schien mir nicht ratsam, unter der trunkenen Bevölkerung die Nacht zuzubringen. Es war dies das einzige Mal während der ganzen Reise, daß ich von seiten der Eingeborenen mit ernstlicher Lebensgefahr bedroht wurde. In ihrer Trunkenheit hatten die Neger – sie feierten auf einem freien Platz außerhalb des Ortes ein Fest, wobei sie sich mit Palmwein berauschten – uns für Pullo oder Araber gehalten, die auf einer Sklavenrazzia wären.

Der Sserki bewirtete uns mit einem kleinen Mahl, nach dessen Beendigung wir wieder zu Pferd stiegen. Ein zweistündiger Ritt brachte uns an den Abhang des Gebirges. Wir überschritten den Fluß und trafen jenseits desselben auf ein paar einzeln stehende Hütten nomadisierender Fellata. Da es dunkel zu werden begann, baten wir um Unterkunft für die Nacht, die uns von den Bewohnern bereitwilligst gewährt wurde.

Morgens setzten wir abermals über den Ssungo-Fluß, der hier Koki-Kantang genannt wird, gingen dann aber nur eine Stunde weit südlich bis zu dem wohlhabenden Ort Kantang. Derselbe verdankt seine Wohlhabenheit dem lebhaften Tauschhandel mit den zahlreichen, auf den Hügeln ringsum ihre großen Viehherden weidenden Nomaden. Fast alle Bewohner des Orts, teils Haussa- und Kadje-Neger, teils seßhafte Fellata, gehen bekleidet. Ältere Männer drehen ihren Bart unterm Kinn zu einem mit Stroh umflochtenen Zopf zusammen; die jüngeren scheren sich den Kopf zu beiden Seiten kahl und lassen das übrige Haar, ähnlich wie die Frauen der Tebu, vorn auf der Stirn in Gestalt einer spitzen Tüte oder eines Horns emporstehen. Während die Weiber Milch, Butter, Brot und dünne Fleischschnitten, die über Kohlenfeuer geröstet werden, auf dem Marktplatz feilboten, stand oder lag die männliche Bevölkerung in Gruppen umher, plaudernd oder ein Brettspiel spielend, eine Art Dame, wie es merkwürdigerweise auch in ihrer Sprache heißt, obwohl es mehr unserem Tricktrack gleicht; das Brett hat statt der Felder sechzehn Vertiefungen, und als Spielsteine dienen kleine Kiesel.


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