Gerhard Rohlfs
Quer durch Afrika
Gerhard Rohlfs

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Dreizehntes Kapitel

Reise nach Uandala

Ich faßte den Plan, die Zeit bis zur Wiederankunft des an den Sultan von Uadai geschickten Kuriers mit einem Besuch des Landes Uandala (Mandara) auszufüllen.

Dieses kleine Land war vor mir erst von zwei Europäern besucht worden, von Denham und von Vogel. Letzterer hinterließ über seinen Besuch kaum eine dürftige Notiz; von ersterem besitzen wir eine ausführliche Schilderung des durch Araber und Bornuer zum Einfangen von Sklaven unternommenen Kriegszugs, den er dahin begleitete. Von Barth wird Uandala ein Bergland und die Bewohnerschaft ein Gebirgsvolk genannt, was aber auf Irrtum beruht, denn das Gebiet erstreckt sich nur bis an den nördlichsten Abhang der Berge, und seine Bewohner, eng verwandt mit den Logone, Gamergu, Kanuri und Budduma, haben nichts gemein mit den weiter südlich wohnenden Bergvölkern. Uandala ist vielmehr ein echtes Sumpf- und Wasserland, das während der ganzen Regenzeit teils durch die vom Gebirge herabkommenden Flüsse und Bäche, teils durch den austretenden Tschad-See überschwemmt wird, wie denn auch der Name Uandala, Wangara, Mandara, Mandala in den verschiedenen Negersprachen Sumpf bedeutet.

Sultan Omar erteilte nicht nur bereitwilligst die Erlaubnis zur Reise, sondern bot mir auch seinen Vorreiter Almas (d. h. Perle) als Kam-mai-be (Mann des Königs, königlicher Botschafter) zur Begleitung an. Dieser Mann, Sohn eines Vornehmen in Uandala, aber schon als Kind von den Türken in die Sklaverei geschleppt und später nach Tripolis verkauft, war nach seiner Freilassung mit Eduard Vogel nach Kuka gekommen und, als Vogel nach Uadai abreiste, von Sultan Omar mit dem Amt des Vorreiters betraut worden. Dessen ältester Sohn, Aba Bu-Bekr, der eine Tochter des Sultans von Uandala zur Frau hat, versah mich mit einem Empfehlungsschreiben an letzteren und überließ mir gleichfalls einen seiner Diener. Mohammed el Alamino, ein mächtiger und angesehener Beamter in Bornu, stellte einen ehemaligen Diener Vogels, Dunkas, beritten und mit Flinte bewaffnet zu meiner Verfügung, mit dem Bemerken, daß ich ihn, wenn es mir beliebe, für immer behalten könne. Von meinen eigenen Leuten sollten der Gatroner, Hammed, Ali und Noël mich begleiten. Das schöne Pferd, das mir der Sultan geschenkt hatte, gab ich zum Alamino, in dessen Haus in Kuka ich auch meine wertvolleren Effekten, in Kisten verpackt, aufbewahren ließ; alles übrige nebst einem kranken Sklaven nahm ein mir befreundet gewordener Scherif von Medina zu sich. Zum Reiten für mich und den Gatroner wurden zwei kleine wohlfeile Pferde und zum Transport der Sachen drei Lastochsen angeschafft. Letztere Tiere, Kanemo genannt, kosteten nur zwei Taler das Stück und tragen mindestens ebensoviel wie ein Pferd, während sie mit dem magersten Futter vorliebnehmen. Leider lassen sie sich nur schwer lenken, und ein anderer Übelstand ist, daß man keine praktischen Sättel für sie hat; die Last wird ihnen in zwei großen Ledersäcken über den Buckel geworfen. Führt nun der Weg durch dichtes Gebüsch, so kommt es oft vor, daß die Säcke sich abstreifen und nach hinten herunterfallen.

Der 8. September (1866) war der zur Abreise bestimmte Tag. Um sieben Uhr morgens schickte ich die Leute unter Almas' Führung voraus, mit dem Befehl, mich in dem Dorf Hadj Aba zu erwarten. Ich selbst hatte noch allerlei zu besorgen, so daß es zehn Uhr wurde, bis ich durch das Südtor die Stadt verließ. Beim heitersten Wetter ritt ich zwischen den in voller Pracht stehenden Getreidefeldern hin, die Richtung von 200 Grad verfolgend. Um zwölf Uhr fand ich meine Leute eine Viertelstunde vor Hadj Aba im Schatten eines mächtigen Tamarindenbaumes gelagert. Wir rasteten hier der Hitze wegen und trafen dann gerade noch zu rechter Zeit im Dorf ein, um vor einem heftigen Gewitterregen Schutz zu finden. In Kuka hatte man mir versichert, die Regenzeit sei zu Ende, und ich hatte der Versicherung, obgleich noch etwa vierzehn Tage bis zum Eintritt der Sonnenwende fehlten, um so eher Glauben geschenkt, als in der Tat seit mehreren Tagen kein Regen mehr gefallen war. Durch diesen Irrtum wurde aber, wie wir später sehen werden, der Zweck meiner Reise nach Uandala großteils vereitelt, denn der beständige Regen, der in der Nähe des Gebirges noch länger anhält als in der offenen Ebene, erweichte den Boden dermaßen, daß an ein Herumreisen im Land nicht zu denken war. Sobald indes der Regen in Hadj Aba etwas nachließ, flüchtete ich mich wieder ins Freie, vertrieben durch die fabelhafte Masse von Flöhen, die den Aufenthalt in der Hütte zur unerträglichen Pein machte.

Auch als wir am anderen Morgen aufbrachen, regnete es wieder, und immer grundloser wurden die Wege. Jetzt begannen Schwärme von Fliegen und Blutwespen unsere Tiere zu peinigen, doch sind sie glücklicherweise nicht so gefährlich wie die Nbussoni genannte Fliege, die in Logone und Bagirmi häufig sein und mit einem einzigen Stich ein Pferd töten soll, die ich übrigens nach der Beschreibung, welche mir die Eingeborenen davon machten, mit der berüchtigten Tsetse-Fliege für identisch halte. Die Gegend ist schön, wenn auch nicht dicht bewaldet. Hier und da ist der Waldpark von Ngafoli- und Morumfeldern oder von Geländen mit Bohnen und Karres, einer säuerlich schmeckenden Gemüsepflanze, unterbrochen. Um halb elf Uhr erreichten wir das Dorf Fortua, ein Besitztum des Katschella blall. Ich fand bei den Bewohnern gastliche Aufnahme und beschloß, da die Ochsen der Weide bedurften, den Tag dort zu bleiben. Von drei Uhr bis Sonnenuntergang zogen förmliche Wolken von Heuschrecken von Norden nach Süden, wahrscheinlich aus der Tintümma kommend, über das Dorf.

Der allgemeine Name für Heuschrecke ist Kafi, für die einzelnen Arten gibt es aber verschiedene Namen: Die Wüstenheuschrecke heißt komono, von den in Bornu heimischen heißt die gelbgrüne debu, die grasgrüne ssogundo und eine kleinere Art duxa. Gegessen werden von den Eingeborenen die komono, debu und ssogundo; letztere, die meist aromatische Kräuter frißt, hat in der Tat einen gar nicht üblen Geschmack. Gegen Abend schoß ich eine Waldtaube und zwei Turteltauben, die durch das Zirpen der Heuschrecken ins Dorf gescheucht worden waren. Die Nacht brachte ich, um nicht in einer Hütte von Flöhen zerstochen zu werden, in meinem Zelt zu; aber die Vorsicht half mir nichts, denn statt der Flöhe plagten mich hier die überall eindringenden Schnaken so, daß ich kein Auge zutun konnte. Besonders während der Regenzeit sind tags die Fliegen, nachts die Mücken oder Moskitos eine schreckliche Plage, der Reisende sollte daher nie versäumen, ein namussia (Fliegenzelt) mit sich zu führen.

Früh gegen fünf Uhr gingen wir in gerader Südrichtung weiter durch den lichten, leider sehr sumpfigen Wald. Als Königin der Bäume ragt wieder über alle die schattenreiche Tamarinde empor. Sporadisch tritt nun auch der Riesenkaktus, Kandelaberbaum, auf. Die vierfüßige Tierwelt scheint in dem Wald nicht stark vertreten, sie hat wohl zum Teil den Ansiedlungen der Menschen weichen müssen. Dagegen wimmelt es von gefiederten Bewohnern der Lüfte; das Nest des Webervogels, nur am unteren Ende offen, damit Regen und Sonne nicht eindringen können, hängt von allen Zweigen herab; auch ein anderer kleiner Singvogel, der Fani, webt sich aus Baumwollfasern sein künstliches Nest. Wir lagerten in dem Dorf Solum, von den Bewohnern freundlich aufgenommen, wie überhaupt von hier an südwärts nirgends mehr feindselige Gesinnung gegen den »nassara« anzutreffen ist; wird ja auch in Kuka der Christenhaß, den einzelne Bewohner kundgeben, ihnen nur von den fanatischen Arabern und Berbern beigebracht.

Trotzdem ich von dem strömenden Regen oft bis auf die Haut durchnäßt wurde, hatte ich mich guter Gesundheit zu erfreuen. Bei meinen Leuten aber äußerten sich bereits die schädlichen Einflüsse der beständigen Nässe und besonders der faulen Sumpfluft. Hammed und Dunkas erkrankten am Fieber und konnten sich vor Schwäche kaum aufrechthalten. Ali litt an Diarrhöe, Noël bekam Geschwüre, die mich befürchten ließen, er sei mit dem in den Sumpfgegenden Afrikas so häufig vorkommenden Guineawurm behaftet. Bekanntlich herrscht noch Zweifel darüber, ob der Guineawurm (filiaria medinensis) sich von außen in den menschlichen Körper einbohrt oder ob er mit dem Trinkwasser in den Magen gelangt und von innen heraus bis unter die Haut vordringt. Ich neige der ersteren Ansicht zu, und zwar weil sich in der Regel nachweisen läßt, daß die damit Behafteten in stehendem, sumpfigem Wasser gebadet, besonders aber weil die Geschwüre meist an den gerunzelten Hautstellen, in der Nabelgegend oder bei Männern am Hodensack, bei alten Weibern in den Brustfalten, ihren Sitz haben. Glücklicherweise erwiesen sich die Geschwüre Noëls als ungefährlich, doch konnte er nicht zu Fuß weitergehen, sondern mußte einen Ochsen besteigen.

Nach einer wegen der vielen Moskitos qualvoll zugebrachten Nacht verließen wir Solum und nahmen die Richtung von 230 Grad. Die Bewohner der Gegend waren eben mit der Reisernte beschäftigt; Reis, ihre Hauptnahrung, wächst ihnen nämlich auf diesem sumpfigen Boden ohne Anbau und Pflege ganz von selbst zu, sie haben nichts zu tun, als ihn in der Regenzeit, wo er seine Reife erlangt, zu schneiden und einzusammeln. Wir passierten die Orte Bolungoa, Gusserge und Dadego und erreichten unter strömendem Regen Galoa oder Tjingoa. Dieses kleine, nur aus wenigen Hütten bestehende Dorf ist von ehemaligen Dienern Almas' bewohnt, die sich hier angesiedelt und gegen Abgabe des vierten Teils ihrer Ernte von Frondiensten frei gemacht haben. Sie bewirteten uns mit mehr als zwanzig Schüsseln verschiedener Speisen und brachten mir außerdem zehn Hühner als Gastgeschenk. Zum ersten Mal aß ich hier ngangala, eine der koltsche verwandte Erdnuß, aber dadurch von ihr unterschieden, daß sie nicht wie diese ölhaltig, sondern sehr mehlreich ist, noch mehliger als unsere besten Kartoffeln, denen sie auch an Wohlgeschmack nichts nachgibt. In der Nacht hatte ich wieder furchtbar an den Schnaken zu leiden. Die Dorfbewohner schützen sich dagegen, indem sie in einen von Dum geflochtenen Sack kriechen, dessen dichtes Mattengeflecht die Insekten nicht eindringen läßt, aber auch dem darin Liegenden, da die einzige Öffnung dem Boden zugekehrt wird, die Luft zum Atmen nimmt; wenigstens konnte es Hammed, der es den Eingeborenen nachzutun versuchte, nur ganz kurze Zeit in der erstickenden Umhüllung aushalten.

Nächsten Morgen brachen wir zeitig auf, die Richtung von 230 Grad weiter verfolgend. Zahlreiche Termitenhügel, mitunter von acht bis zehn Fuß Höhe, verleihen der Gegend einen eigentümlichen Charakter. Bei Tag verbergen sich die weißen rotköpfigen Ameisen, aber sobald es Abend wird, erscheinen sie in Scharen auf dem oberen Rand ihres Palastes und bauen emsig fort an den turmartigen Röhren aus Tonerde, die im Inneren einen bis eineinhalb Dezimeter im Durchmesser haben und, oft zu zwanzig aneinandergefügt, zusammen eine Pyramide bilden. Wie es scheint, finden die Tierchen in dem Ton, mit dem sie bauen, auch die zu ihrer Nahrung dienenden Stoffe. Jeder Bau hat seine Königin, die sich durch bedeutende Größe vor den Volksgenossen auszeichnen soll. Zu beiden Seiten unseres Weges standen eine Menge zierlicher Farnkräuter, und mannigfache Arten von Schlinggewächsen, darunter die digdiggi mit süßer genießbarer Frucht, die ich schon in Kanem kennengelernt hatte, umrankten die Bäume bis hinauf in ihre höchsten Wipfel. Um neun Uhr lagerten wir in Galegero, dem letzten Ort der Landschaft Gomati. Eine Veranda, von digdiggi und Flaschenkürbissen umlaubt, gewährte mir Schutz gegen die zwischen dem dunklen Gewölk umso brennender herabschießenden Sonnenstrahlen. Unfern davon war der ebenfalls von grünen Laubwänden eingefaßte mohammedanische Betplatz, eine Moschee-Laube, dergleichen ich übrigens nur in einigen Orten antraf, denn die Mehrzahl der Bewohner ist auch äußerlich noch nicht zum Islam bekehrt.

Nachmittags um zwei Uhr wurde die Reise, immer südwestwärts, fortgesetzt. Unsere Karawane glich, da die Hälfte der Reisegesellschaft krank war, einem Feldhospital. Wir befanden uns nun in der Provinz Udje und traten in den prachtvollen Wald von Buddumasseli ein. Er besteht aus lauter riesigen, wohl tausend Jahre alten Bäumen. All diese reiche Waldvegetation aber stand jetzt im Sumpf, stellenweise in Teichen von einem halben bis einem Fuß Tiefe; größere Landtiere schienen sich gar nicht darin aufzuhalten. Auf der Strecke, die wir durchmaßen, ist der Wald eine Stunde breit, nach Westen zu soll er jedoch bedeutend breiter sein. Nachdem wir an dem Ort Buddumasseli rechts vom Weg vorbeigegangen, kamen wir um fünf Uhr nach Teba, wo ich zu lagern befahl. Die Bewohner des Ortes machten Miene, unserem Bleiben sich mit Gewalt zu widersetzen, ein paar blinde Schüsse brachten sie indes zur Raison, so daß sie uns nun lieferten, wessen wir bedurften.

Morgens ging es in südwestlicher Richtung vorwärts. Nach kurzem Marsch umfing uns ein Wald von gleicher Pracht und Größe wie der Buddumasseli, natürlich aber ebenfalls im Wasser stehend; sein Boden war ein einziger großer See. Mitten in dem Wald wurden wir von einem starken Gewitterregen überrascht; wir flüchteten auf eine kleine Erhöhung, auf der ich mein Zelt errichten ließ, um wenigstens die für den Sultan von Uandala bestimmten Geschenke, unter anderem einen Burnus von weißem Stoff, vor dem Verderben durch Nässe zu bewahren. Allein das Wasser stieg immer höher, bald überflutete es auch unsere Insel, und wir mußten die Sachen auf unseren Armen emporhalten. Erst nach einer Stunde hörte der Regen auf. Nachdem sich die Flut allmählich wieder gesenkt hatte, zündeten meine Leute ein Feuer an, an dem die durchnäßten Kleider getrocknet und eine Ziege, die wir bei uns hatten, gebraten wurde. Während wir damit beschäftigt waren, zog eine Karawane vorbei, die koltsche und ngangala von Udje nach Kuka zu Markt führte. Almas hielt sie an und befahl den Händlern, sie sollten uns ein paar Säcke voll dalassen, indem er behauptete, als Kam-mai-be habe er das Recht, unterwegs Lebensmittel für unseren Bedarf zu requirieren. Diese weigerten sich indes, von ihrer Ladung etwas unentgeltlich herzugeben, so daß es zu Gewalttätigkeiten gekommen wäre, wenn ich mich nicht ins Mittel gelegt und Almas, der schon seine Flinte ergriff, aufs ernstlichste zur Ruhe verwiesen hätte. Ich kaufte den Leuten ngangala für uns ab und machte ihnen obendrein ein Stück Ziegenfleisch zum Geschenk, worauf sie befriedigt weiterzogen.

Auch wir setzten unseren Weg durch den Wald fort, indem wir uns noch mehr südlich wandten. Wo aus den Sümpfen oder Teichen ein trockener Platz hervorragt, sieht man die Türme und Pyramiden der Ameisen. Manche ihrer künstlichen Bauten sind von ihrem gefährlichsten Feind, dem Ameisenbär, zerstört. Unglaublich schnell wühlt derselbe mit seinen scharfen Krallen die Erde bis ins Innerste dieser Ameisenwohnungen auf, streckt dann die lange, gegen Stiche und Bisse unempfindliche Zunge hinein, die geängstigten Tierchen sammeln sich darauf und werden zu Hunderten auf einmal von ihm verschluckt. Es heißt, der Ameisenbär verschone stets die Königin des Baus, damit der Stamm nicht aussterbe, wahrscheinlich aber wohl, weil sie zu groß ist für seinen engen Schlund. In dem Dorf Malim-eri, das rings von koltsche-Feldern umgeben ist, wurde um sechs Uhr gelagert.

Weder Schnaken, Flöhe noch sonstige Plagegeister störten diesmal unsere Nachtruhe, und neugestärkt setzten wir uns morgens wieder in Marsch. Kaum vom Dorf entfernt, überfiel uns abermals ein gewaltiger Platzregen, der zum Aufschlagen meines Zeltes nötigte, jedoch nicht länger als zwanzig Minuten anhielt. Hier beginnt nun die Zone der Kuka-Adansonie, des Riesen unter den Riesenbäumen; gewöhnlich hat ihr Stamm in Höhe eines Meters von der Erde zehn bis zwölf Meter im Umfang. Hoch in der Luft gewahrte ich den ersten kirgalibu, einen mächtigen Raubvogel, an Größe den Königsadler übertreffend.

Vormittags gegen zehn Uhr langten wir in der Stadt Mai-dug-eri an, die nur einen Kilometer weit vom linken Ufer des Ngadda-Flusses gelegen ist. Auf dem Dendal, dem Marktplatz der Stadt, machte unsere Karawane halt. Meine Leute feuerten ein paar Schüsse ab, worauf der Kre-ma, der in Abwesenheit des nach Kuka gereisten Stadtobersten die höchste Behörde repräsentierte, herbeikam und, nachdem er mich begrüßt hatte, uns drei nebeneinanderstehende Hütten zur Wohnung anwies. Alle Häuser oder vielmehr Hütten des Orts sind in der Form von Bienenkörben ganz aus Stroh und Binsen zusammengefügt. Im Inneren ist das runde Strohdach hübsch verziert; an der Wand prangen Töpfe von Ton, Strohteller und hölzerne Schüsseln, die von der Frau mitgebrachte Aussteuer. Mai-dug-eri verdient übrigens die Bezeichnung als birni, d. h. Stadt, denn in seinen zerstreuten, zwischen Bäumen versteckten Hütten lebt eine Bevölkerung von gegen fünfzehntausend Seelen, und zwar war es ein neues Volk mit einer neuen Sprache, das mir in den Einwohnern entgegentrat: die Gamergu, die sich von den Kanuri des nördlichen Bornu wesentlich unterscheiden, hingegen mit den Uandala nahe verwandt sind. Von Farbe schwarzbraun, haben die Gamergu ausgeprägte, doch nicht gerade häßliche Negerphysiognomien, die Männer meist hohe und muskulöse Gestalten. Bei den Frauen schien mir ein sanfter Gesichtsausdruck vorherrschend zu sein; sie tragen wie die Kanuri- und Tebuweiber große Ringe oder Platten in der durchbohrten Nase; ihr Haar aber hängt nicht wie bei diesen in kurzen Zöpfen rings um den Kopf herab, sondern liegt, von hinten nach vorn zu einem hohen Wulst zusammengerafft, über dem Scheitel, während es an den Seiten des Kopfes kahl geschoren wird. Sonst hat die Tracht nichts Abweichendes von der in Kuka. Die Kinder, Knaben wie Mädchen, gehen bis zum Eintritt der Pubertät ganz nackt und eignen sich frühzeitig eine große Fertigkeit im Schwimmen an; dennoch war eben am Tag meiner Ankunft ein junges Mädchen in den Wellen der raschströmenden Ngadda ertrunken. Obgleich die Gamergu eine eigene Sprache besitzen, hat sich in Mai-dug-eri und in den anderen Städten des Landes, seitdem es unter die Oberherrschaft von Bornu gekommen ist, die Kanuri-Sprache eingebürgert. Nur in den an den Karawanenstraßen liegenden Ortschaften wurden die Gamergu zum Islam bekehrt; die übrigen sind noch Heiden, gegen die der Sultan, das eigene Land plündernd und entvölkernd, gelegentlich eine Razzia unternimmt.


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