Gerhard Rohlfs
Quer durch Afrika
Gerhard Rohlfs

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Drittes Kapitel

Die Stadt Rhadames und ihre Bewohner

Fast überall, wo ein mächtiges Felsplateau mittels steiler Wände auf die Ebene drückt, springen, selbst in der Sahara, Quellen aus der Erde hervor, die den Boden bewässern und in der Wüste dann Oasen entstehen lassen. Einer solchen Quelle verdankt auch die Oase Rhadames ihre Entstehung.

Unzweifelhaft waren die Umgebungen dieser Quelle, die naturgemäß eine dichte Palmenvegetation erzeugte, schon in grauer Vorzeit von Ansiedlern bewohnt. Davon zeugen die zum Teil noch aufrechtstehenden Ruinen runder und viereckiger Türme aus roh bearbeitetem Stein, von den Eingeborenen »Esnamen« (die Götzenbilder) genannt. In jedem Turm befindet sich zur ebenen Erde eine meist gut erhaltene, oben spitz zulaufende gewölbte Kammer und in einigen über derselben ein zweiter ähnlicher Raum, zu dem von außen steinerne Stufen hinaufführen. Aus festem Material gebaut und vielleicht durch Mauern miteinander verbunden, hatten sie wahrscheinlich den doppelten Zweck, sowohl als Zufluchtsstätte und Schatzkammer wie auch zur Verteidigung gegen feindliche Angriffe zu dienen.

Alles deutet darauf hin, daß die Türme, lange bevor die Römer nach Rhadames kamen, wie man vermuten darf, von Garamanten errichtet wurden. Zwar ist hier nicht die eigentliche Heimat dieses Volkes gewesen, aber die Römer rechneten Cydamus, als sie die Stadt einnahmen, dem Gebiet der Garamanten zu. Sonst erfahren wir aus römischen Berichten nicht viel mehr, als daß Konsul Lucius Cornelius Balbo 19 v. Chr. die Stadt eroberte. Wie lange sie dem Römischen Reich verblieb und ob sie später christlich geworden, darüber fehlt jede Nachricht. Was die alten und mittelalterlichen Geographen über Rhadames erwähnen, ist äußerst mangelhaft und unzuverlässig. Leo führt unter dem Namen Gademes einen großen bewohnten Landstrich mit »vielen Schlössern und volkreichen Dörfern« auf. Dapper, der Gademes oder Gademez schreibt, spricht sogar von »16 ummauerten Städten und 92 Dörfern«. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß schon der örtlichen Beschaffenheit wegen solche Städte, Schlösser und Dörfer hier nicht existiert haben können.

Die Quelle von Rhadames, die Schöpferin der Oase und somit auch Ursache zur Gründung der Stadt, nimmt unser Interesse vorzugsweise in Anspruch. Sie ist in ein länglich viereckiges, fünfundzwanzig Meter langes und fünfzehn Meter breites Bassin gefaßt, auf dessen Boden man an mehreren Stellen das Wasser hervorquellen sieht. Die massiven Steinquader der Einfassung verraten ebenfalls das Werk der Römer, die sehr wohl wußten, wie wichtig es ist, das Wasser vor der Verteilung über die Felder in größerer Menge anzusammeln. Aus fünf Rinnen, drei größeren und zwei kleineren, ablaufend, reicht das Wasser der Quelle und einiger Brunnen nur zur Bewässerung einer Oberfläche von zirka 75 Hektar hin, während der ummauerte zur Oase gehörende Raum wohl doppelt so groß ist. Die Gärten müssen, damit die Berieselung durch Quellwasser stattfinden kann, vertieft angelegt sein, und immer muß der hereinwehende Sand sogleich wieder daraus entfernt werden.

Die Verteilung des Wassers an die einzelnen Gärten wird durch Wasseruhren geregelt und erfordert ein sehr kompliziertes Verfahren, weil das Land in so kleine Parzellen wie kaum irgendwo sonst geteilt ist: Die meisten Gärten haben nicht mehr als zweihundert Quadratmeter Umfang, und viele sind nur halb so groß oder noch kleiner. Auf dem Marktplatz der Stadt steht eine Klepsydra, von den Eingeborenen »Gaddus« genannt, ein eiserner Topf mit einer runden Öffnung im Boden, durch welche das Wasser, wenn er vollgefüllt ist, in zirka drei Minuten abläuft, jedesmal, nachdem ein Gaddus durchgelaufen ist, schlingt ein dazu angestellter Knabe, der in gewisser Zeit von einem anderen abgelöst wird, einen Knoten in ein Palmblatt. Sieben Gaddus heißen eine »Dermissa« und geben eine ungefähr zwanzig Minuten anhaltende, für einen Garten mit sechzig Palmen genügende Berieselung. In ähnlicher Weise geschieht die Berieselung aus den beiden der Quelle zunächst gelegenen Brunnen, wobei Neger die Schöpfarbeit verrichten. In früheren Zeiten gab die Teilung des Wassers steten Anlaß zu oft blutigen Streitigkeiten unter den verschiedenen Grundbesitzern. Jetzt ist alles zur Berieselung dienende Wasser Staatseigentum, und die türkische Regierung bezieht daraus eine jährliche Einnahme.

Das Klima von Rhadames unterscheidet sich nicht von dem der Sahara; Regen fällt äußerst selten, kaum einmal in zwanzig Jahren gibt es einen nennenswerten atmosphärischen Niederschlag. Die Durchschnittstemperatur beträgt +23 Grad Celsius; sie steigt in den Sommermonaten auf +50 Grad im Schatten und sinkt im Winter zuweilen vor Sonnenaufgang bis auf -5 Grad. Das Klima ist eigentlich nicht ungesund, sagt aber Europäern wenig zu. Augenkrankheiten, Syphilis, Fieber und Dysenterien, letztere besonders zur Zeit der Melonen grassierend, sind die am häufigsten vorkommenden Krankheiten. Im Jahre 1865 wäre ich selbst dort beinahe das Opfer einer sehr akuten Blutdysenterie geworden.

Melonen sind die einzigen Früchte, die in Rhadames gut gedeihen. Einzelne Exemplare erreichen einen kolossalen Umfang und ein Gewicht bis zu zwei Zentnern, so daß zwei solche eine Kamellast ausmachen. Andere Früchte, wie gelbe Pflaumen, Granaten, einige Reben, Pfirsiche, Aprikosen und Feigen verkrüppeln und bleiben infolge der viel zu großen Sommerhitze saft- und geschmacklos. Sie können, ebenso wie Gemüse, von denen ich Zwiebeln, Knoblauch, Bohnen, Rüben, Tomaten und Pfeffer hervorhebe, nur im Schatten der Palmen ihr kümmerliches Dasein fristen. Gleichfalls unterm Palmendach wird etwas Getreide, Weizen, Gerste und einige Hirsearten angebaut, doch lange nicht ausreichend für den Konsum der Einwohner. Leider sind auch die Dattelbäume hier weder ergiebig genug, noch von solcher Güte, daß mit ihren Früchten, wie in anderen Oasen, der Bedarf an Getreide, Schlachtvieh, Butter, Öl und sonstigen Lebensmitteln eingetauscht werden könnte. Die sechzigtausend Palmen, die Rhadames besitzt, vermögen den Bewohnern kaum für einen Monat im Jahr genügende Nahrung zu gewähren.

Wild wächst außerhalb der Stadt absolut keine Pflanze; in der Stadt selbst sah ich einige Mimosen, an der Quelle und in den Gärten Gräser und Quecken. Als Düngemittel muß aus den benachbarten Hattien (Oasen ohne Baum im Gegensatz zu Rhabba, Oasen mit Bäumen oder Buschwerk) ein Kraut, »Agol« (Alhagi Maurorum), geholt werden, denn der Dünger, welchen die Tiere des Ortes liefern, genügt nicht zur Befruchtung des Bodens.

Auch das Tierreich ist in Rhadames sehr spärlich vertreten. Von Haustieren gibt es nur Kamele, Esel, Katzen, Mäuse, Fledermäuse und Hühner, kein einziges Pferd, auch Hunde sind fast unbekannt, daher mein weißer Spitz auch, wie oben erzählt, das größte Aufsehen erregte. Außer Sperlingen bemerkte ich Schwalben; in den Palmenwipfeln nistet die kleine graue Baumtaube. Schlangen sind selten, nur die Hornviper und die gemeine Viper sollen zuweilen vorkommen. Ein gern gesehener Gast und fast in allen Häusern anzutreffen ist der Mauergecko; andere Eidechsenarten, wie die Dub-Eidechse, halten sich an den Gartenmauern auf. Frösche bevölkern die Quelle und die Rinnsale in großer Menge. Unter den Spinnen ist der Skorpion hervorzuheben. Fische finden sich weder in der Quelle noch in den Brunnen, während in vielen anderen selbst unterirdischen Quellen der Sahara kleine Fische leben, dagegen zahlreiche Blutegel und einige Molluskenarten. Von der Hausfliege, dieser Plage der Menschen bei Tag, und der Wasserschnake, ihrer Plage bei Nacht, ist man auch hier nicht verschont. Bienen gibt es nicht, aber eine Wespenart baut in den Häusern und Moscheen ihr Zellennest. Selbstverständlich fehlen, da die Rhadameser Mohammedaner sind, jene schmutzigen Insekten nicht, welche überall den unreinlichen Menschen anhaften, mit Ausnahme des Flohs, der nirgends in der Sahara existieren zu können scheint. Ein gefährlicher Parasit, der Guineawurm, wird von außen her eingeschleppt.

Die Einwohner von Rhadames sind, wie die ganze Bevölkerung Nordafrikas, berberischen Ursprungs, doch haben sie auch viel Neger- und Araberblut in sich aufgenommen. Ihre Sprache hat die größte Ähnlichkeit mit der, welche von den Bewohnern der übrigen Oasen, wie Sokna, Siuah, Audjila, gesprochen wird, sowie mit der Sprache der Tuareg, der Bewohner des Atlas und der Gebirgsbewohner längs der afrikanischen Küste des Mittelländischen Meeres. Fast jeder Rhadameser versteht übrigens daneben die eine oder andere Sprache Zentralafrikas; namentlich verbreitet ist die Sprache der Hausa und der Sonrhai, auch das Targische wird von den meisten verstanden.

Die Bewohnerschaft teilt sich in zwei streng voneinander geschiedene Volksparteien oder Triben: die Beni-Uasit und die Beni-Ulit. Sodann gibt es noch freie Neger und deren Nachkommen, insgesamt Atriya genannt.

Seitdem die Stadt unter türkischer Herrschaft steht, haben die blutigen Fehden aufgehört, womit die beiden feindlichen Triben einander bekämpften, aber die gegenseitige Abneigung währt noch in unvermindertem Grade fort. Kein Verkehr findet zwischen ihnen statt, daher selbst die Sprache beider mannigfaltige Verschiedenheiten erkennen läßt. Nie vermischten sich bis jetzt durch Heiraten die Beni-Uasit mit den Beni-Ulit; nie betritt ein Angehöriger der einen Tribe das Quartier der anderen, und so gibt es Rhadameser, die Kuka, Kano, Timbuktu, Tripolis und andere weit entfernte Städte gesehen, niemals aber einen Fuß in die andere Hälfte ihrer Vaterstadt gesetzt haben. Neutrale Gebiete sind nur der Marktplatz, das Haus des türkischen Paschas, die Sauya (Kloster mit Moschee und Schule) des Mulei Thaib von Uesan und die Sauya des Mulei Abd-el-Kader Djelali von Bagdad; die übrigen Moscheen werden ausschließlich von den Mitgliedern desjenigen Stammes besucht, welcher das betreffende Quartier innehat. Der Marktplatz bildet die Mitte der Stadt und ist zu beiden Seiten von den feindlichen Quartieren begrenzt, so daß jede Partei zu demselben gelangen kann, ohne das Stadtviertel der anderen berühren zu müssen. Die beiden Sauyas und das Gebäude des Gouverneurs stehen außerhalb der eigentlichen Stadt. So schroff indes die Beni-Uasit und die Beni-Ulit zu Hause sich noch gegenüberstehen, so bringen sie doch ihre Stammesfeindschaft in der Fremde jetzt nicht mehr zur Geltung. Treffen Söhne der zwei verschiedenen Triben in Timbuktu oder an einem anderen fremden Ort zusammen, dann meiden sie sich nicht, sondern verkehren miteinander als Landsleute und Stadtgenossen.

Gegen Fremde zurückhaltend, verkehren die Eingeborenen unter sich ganz ungezwungen und frönen dann auch dem heimlichen Genuß des Lakbi und Araki miteinander. Hingegen ist der Umgang mit den Frauen nach festem Zeremoniell geregelt. Die Männer nehmen hier meist nur eine Frau; nur wenn sie in der Fremde weilen, pflegen sie noch eine oder mehrere Sklavinnen zu haben, ohne sich jedoch mit diesen zu verheiraten. Äußerst selten läßt sich in Rhadames eine Frau auf öffentlicher Straße blicken. Nur Atryaweiber sieht man auf dem Markt und in den Gassen, meistens sogar unverschleiert. Die Frauen der vornehmeren Stände wagen sich schon deshalb nicht auf die Straße zu gehen, weil alle Straßen überbaut, deshalb vollkommen dunkel sind, so daß man ohne Lampe nur tappend vorwärts schreiten kann und durch Husten und Räuspern sein Nahen verkünden muß. Sie besuchen und versammeln sich auf den flachen Dächern der Häuser, welche ausschließlich den Frauen vorbehalten sind; mit Behendigkeit werden die niedrigen Stufen von einem Dach zum anderen überhüpft, und oft geht es da oben lebhafter zu als unten in den finsteren Straßen der Stadt.

Dem Wort eines Rhadamesers darf man vertrauen; er hält, was er verspricht. Europäische Kaufleute geben daher ihren rhadamesischen Geschäftsfreunden Waren im Wert von mehreren tausend Talern auf Kredit, und noch nie ist es vorgekommen, daß ein Rhadameser seinen Gläubiger unbefriedigt gelassen hätte.

In den meist unschönen Körperformen und Gesichtszügen der Eingeborenen verrät sich die häufige Kreuzung mit Negern. In ihrer Kleidung, die von der Tracht anderer Städtebewohner Nordafrikas kaum irgendwie abweicht, herrscht die weiße Farbe vor. Die Männer tragen ein langes baumwollenes Hemd, darüber ein kürzeres wollenes, Djilaba genannt, oder einen Haik (großer weißwollener Plaid), auf dem Kopf den weißen, um eine rote Mütze gewundenen Turban und gelblederne Pantoffel oder Sandalen an den Füßen. Bei den Reichen, besonders wenn sie sich längere Zeit in Zentralafrika aufgehalten haben, ist die gestickte Tobe aus den Sudanländern beliebt, ein Kleidungsstück, das eigentlich nur aus zwei ungeheuer weiten, oben zusammenhängenden Ärmeln besteht, zwischen welche durch ein enges Loch der ganze Körper hindurchgezwängt wird. Verschleierte Männer habe ich in Rhadames nie gesehen; auf Reisen aber benutzen sie, wie die Tuareg, ein Ende des Turbans als Litham (Gesichtsschleier). Das Haupt wird glatt rasiert, und auch vom Bart bleibt nur oberhalb und unterhalb des Mundes ein schmaler Streifen stehen. Die meisten haben einen oder mehrere silberne Ringe am Finger und um den Oberarm eine zollbreite Spange Serpentinstein. Beim Ausgehen hängen sie sich stets den mächtig großen eisernen Hausschlüssel an einem Lederriemen um den Hals. Tabakschnupfen gilt für erlaubt; der Genuß des Haschisch wird nicht gern gesehen, ist aber trotzdem ganz allgemein, der von Spirituosen wird mehr im Geheimen geübt.

Auch zur Tracht der Frauen gehört das lange baumwollene Hemd, die Gandura, von weißer Farbe, bei den Atryaweibern jedoch von blauer. Ihr Schmuck besteht aus Arm- und Beinringen, je nach dem Vermögen der einzelnen aus Silber oder Messing, Ohrringen, Korallenhalsbändern und Schnüren von Korallen und Glasperlen im Haar, das man nach der in den Negerländern üblichen Weise zusammenflicht und dann während des ganzen Lebens selten mehr als einigemal wieder auflöst, um es zu reinigen und neu zu ordnen.

Ich schätze die einheimische Bevölkerung von Rhadames auf fünftausend Seelen, wozu noch tausend sich auswärts Aufhaltende hinzukommen mögen. Als oberster Beamter der Stadt fungierte früher nur ein Mudir, seit 1864 ein türkischer Kaimmakam, der unter dem Gouverneur von Tripolis steht; er hat aber keine militärischen Kräfte außer einigen Soldaten aus dem Ghoriangebirge zur Verfügung. Zweiter Beamter ist der Schich-el-bled oder Stadtältester. Dieser, einige angesehene Kaufleute, der Kadhi und der Mufti bilden zusammen den Rat, welcher sich wöchentlich einmal, in außerordentlichen Fällen auch öfter, beim Kaimmakam versammelt und bei Verteilung der öffentlichen Abgaben Stimmrecht hat, das heißt, zu allem »Ja« sagen muß, was die türkische Regierung befiehlt. Von den europäischen Mächten läßt sich nur Frankreich durch einen Konsularagenten, einen Eingeborenen, vertreten. England hat hier seit Jahren keinen Konsul mehr.

Ihre Handelsbeziehungen dehnen die Rhadameser nördlich bis Tunis und Tripolis, südlich bis Tuat, Timbuktu, Sokoto, Kano und Kuka aus. Sie sind die hauptsächlichsten Vermittler des Handels zwischen Zentralafrika und dem Mittelmeer: Sie bringen den zentralafrikanischen Ländern Tuche, weiße und bunte Kattune, fertige Tuchburnusse, rote Mützen, bunte seidene und baumwollene Tücher, Glasperlen, echte und nachgemachte Korallen, echte und gefälschte Essenzen, Messing, Papier, Blei, Pulver, Schwefel, kleine Spiegel, Messer, Scheren, Nadeln usw. und tauschen dagegen Sklaven, Elfenbein, Straußenfedern und Goldstaub ein. Letzterer kommt indes jetzt nur noch in unbedeutenden Quantitäten nach Rhadames, der meiste wird von Innerafrika aus nach der Westküste gebracht.

Die Stadt Rhadames gleicht von außen, wenn man die vor den Toren zerstreut stehenden Wohnungen der Beni-Belil abrechnet, mit ihren dicht aneinander geschlossenen mehrstöckigen Häusern, deren nackte Wände kaum hier und da im obersten Teil von einer winzigen Fensteröffnung durchbrochen sind, einer unregelmäßig emporgemauerten kompakten Festung. Im Inneren führen die überbauten Gassen selten zu einem kleinen offenen Platz; fast alle aber münden auf den Markt oder auf den Platz, der das Bassin der Quelle umgibt. Abgesehen davon, daß die Quelle sich hier im Ort selbst befindet, erinnert Rhadames in seiner Bauart sehr an die Stadt Siuah in der Oase des Jupiter Ammon.

Sehr interessant ist der große Kirchhof, eine Grabstätte von zwei Kilometer Länge, die sich im Westen um die Stadt herumzieht. Die Menge der Gräber und Grabsteine geht ins Unglaubliche, doch konnte ich kein einziges antikes darunter entdecken, obwohl zu vermuten ist, daß längs der hindurchlaufenden Straße römische Grabmäler gestanden haben. Auch alte Inschriften in arabischer Sprache fand ich nicht. In der Mitte und am nördlichen Ende des Feldes liegen nur Gräber aus neuerer Zeit. Die Platten, mit denen sie gedeckt sind, namentlich die aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert, sind nicht wie die älteren aus hartem Kalkstein, sondern aus Ton. Namen, Jahreszahl und ein Koranspruch wurden in den Ton geschrieben, solange er noch weich war; dann verhärtete die Masse an der Sonne, und vermöge der sehr trockenen Luft hat sich die Schrift meistens ganz gut erhalten.

Die Moscheen, deren es zwei große und mehrere kleine gibt, haben keinen architektonischen Wert, obgleich die darin verwendeten Säulen fast alle, wie es scheint, antiken Bauwerken entnommen sind. Das Innere der Wohnhäuser zeichnet sich durch Reinlichkeit und durch einen verhältnismäßigen Reichtum an Gerätschaften wie Truhen, Messinggeschirr, Spiegeln und dergleichen aus. Doch sind die Räume sehr beschränkt und entbehren daher gesunder Luft; nur einige außerhalb der eigentlichen Stadt in den Gärten stehende Häuser haben offene luftige Höfe. Von fern gesehen bietet die blendendweiße Häusermasse, aus einem dichten dunkelgrauen Palmenhain mitten in der vollkommen öden Sahara sich erhebend, einen überraschenden, höchst malerischen Anblick dar.


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