Gerhard Rohlfs
Quer durch Afrika
Gerhard Rohlfs

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Fünftes Kapitel

Von Rhadames nach den Schwarzen Bergen

Unsere Karawane war von stattlicher Länge; außer meinen eigenen befanden sich fünfzig Sintaner-Kamele in dem Zug, die Waren nach Rhadames gebracht und jetzt, bis auf einige, die von mir gemietet waren, unbeladen zurückgingen.

Als Reisegefährten hatte ich eine damals von den Tripolitanern für äußerst wichtig gehaltene Persönlichkeit, Hammed-Aga, Hauptmann in der Armee des türkischen Sultans, zugleich aber Leibkutscher und, wie man sagte, intimer Vertrauter des Muschir-Pascha in Tripolis. Er war von diesem abgesandt worden, um Kassem-Pascha den Firman seiner Versetzung nach Rhadames auszuhändigen, und da der Empfänger eines neuen Firmans dem Überbringer desselben ein reiches Geldgeschenk machen muß, ist allerdings eine solche Mission als besonderer Gunstbeweis für den damit Betrauten anzusehen. Ich besaß die Zuneigung des Hauptmann-Kutschers, weil ich ihm in Rhadames, als sein Vorrat an Araki, dessen Genuß er leidenschaftlich ergeben war, zu Ende ging, einige Flaschen dieses edlen Getränkes zu verschaffen gewußt hatte. Für die Rückreise hatte ihn natürlich Kassem-Pascha genügend damit versorgt. Nach orientalischer Weise freigiebig, in Glaubenssachen so tolerant, wie es ein Türke sein kann, liebte er das weibliche Geschlecht über die Maßen, war aber mit nur einer Frau verheiratet.

Eine kurze Strecke verfolgten wir den Weg, auf dem ich von Misda gekommen war, und lenkten dann scharf nach Süden ab bis zu einem Weg, der in der Entfernung von etwa zwei Stunden mit jenem parallel läuft. Bei Sonnenuntergang wurde halt gemacht, um zu kochen, bald aber weitermarschiert und erst um Mitternacht am Djebel Krab genächtigt.

Während der Abendrast vermißte Hammed-Aga, der sich bereits in sehr angeheitertem Zustand befand, das Emblem seiner Würde, seine lange silberbeschlagene Peitsche. Er erinnerte sich, daß er sie beim Abschied von Kassem-Pascha im Hof von dessen Wohnung hatte stehen lassen, und schickte einen seiner Diener – der Kutscher des Paschas von Tripolitanien ist in der Lage, sich mehrere Diener halten zu können – zwecks ihrer Abholung zurück. Derselbe kehrte aber ohne Peitsche wieder, die mit dem glänzenden Silberbeschlag mittlerweile Liebhaber angelockt und trotz allen Suchens verschwunden blieb. Der Hauptmann-Kutscher war außer sich über den Verlust; lieber hätte er seinen Säbel eingebüßt als die Peitsche, noch dazu das Eigentum seines Herrn. In seiner Wut überhäufte er die uns begleitenden Beduinen mit den gröbsten Schimpfworten, und die Geschmähten, obgleich vollkommen unschuldig an dem Vorfall, wagten nicht, gegen den Günstling des Muschir-Pascha den Mund aufzutun. Um Zorn und Ärger zu ertrinken, schaute er nun noch tiefer in die Arakiflasche, so daß er, als wir wieder aufsaßen, sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Die Kameltreiber wollten ihn auf seinem Tier festbinden, damit er von dem hohen Sitz nicht herabfiel, aber er stieß sie schimpfend beiseite. Glücklich überwand er auch ohne ihre Hilfe die ersten zwei schaukelnden Bewegungen, die das Kamel im Aufstehen macht, bei der dritten jedoch plumpste sein schwerer Körper, nach hinten sich überschlagend, auf höchst possierliche Art zu Boden. Betrunkene fallen fast immer ungefährlich; so kam auch unser Trunkenbold mit einigen leichten Quetschungen davon. »Gott und unser gnädiger Herr Mohammed haben Erbarmen mit mir! Ich werde zehn Tage fasten und morgen wieder beten!« lallte er, etwas ernüchtert und offenbar seinen Sturz als eine Strafe Gottes für das Arakitrinken ansehend. Geduldig ließ er es jetzt zu, daß ihn die Treiber auf das Kamel hoben und mit Stricken an dem Sitz festbanden. Am anderen Morgen aber, als er seinen Rausch ausgeschlafen und sah, wie unbedeutend die erlittenen Quetschungen waren, fragte er mich ganz ernsthaft, ob ich glaube, daß unser gnädiger Herr Mohammed das Weintrinken absolut verboten habe. »Gewiß«, erwiderte ich, »aber das Schnapstrinken nicht.« »Mustafa, du bist ein weiser Mann!« sagte er und tat einen kräftigen Zug aus seiner Schnapsflasche.

Wir langten ohne weitere Fährlichkeiten in Derdj an. Die Roheit und Überheblichkeit Hammed-Agas traten hier wieder aufs krasseste zu Tage. Wie ich, hatte er vom Kaimmakam in Rhadames einen besonderen Empfehlungsbrief an den Mudir (Ortsvorsteher) von Derdj erhalten. Mit diesem Schreiben schickte er seinen Diener in den Ort und befahl ihm: »Sag dem Schwein, dem Araberhund, er soll den Brief seines Vorgesetzten in Empfang nehmen!« Aber an dem Mudir hatte er seinen Mann gefunden. »Sag dem Religionsschänder, dem Schnapstrinker«, lautete die Antwort, »daß ich nichts mit ihm zu tun haben will.« Hammed-Aga raste; seine Diener sollten den Mudir gebunden vor ihn bringen, und da sie wohlweislich den unsinnigen Befehl nicht ausführten, mußten sie mit Schlägen dafür büßen.

Mir wurde durch den Mudir, meiner Sicherheit wegen und weil ein längeres Lagern unter dem Zelt bei der brennenden Hitze nicht zu ertragen gewesen wäre, ein Haus in der Stadt zur Wohnung angewiesen, freilich auch kein angenehmer Aufenthalt, da es vor Schmutz starrte und mehr einer Höhle für wilde Tiere als einer menschlichen Wohnstätte ähnlich sah. Hier kam nun der Prozeß um das ausgeschlagene Kamelauge zum Austrag. Der Eigentümer des verletzten Tiers hatte in Rhadames seine Ansprüche nicht geltend gemacht, sondern war bald wieder mit voller Ladung von da nach dem Gebirge abgegangen und inzwischen nach Derdj zurückgekehrt. Jetzt verlangte er von mir den halben Preis seines Kamels als Schadenersatz, indem er sich meines Negers zu bemächtigen drohte, falls die Forderung nicht befriedigt würde. Schließlich klagte er bei dem Kadhi von Derdj. Dieser verurteilte mich zur Zahlung von zehn Mahbub, setzte aber, als ich einwandte, daß ja das Tier dienstfähig geblieben sei, den Betrag auf die Hälfte herab. »Einen Sbili« (= einen vierter Mahbub), sagte er zu mir gewendet, »steuere ich selbst bei, einen mag dein Neger geben, und den Rest wirst du zahlen.« Cheir legte wirklich einen Sbili hin, ich zählte das übrige auf, und der Kläger war im Begriff, das Geld einzustreichen. Da redete ihn der Kadhi wieder an: »Wo ist denn jetzt dein Kamel?« – »Auf einer Reise nach Misda.« »Hm, hm! Wenn das Tier so reisetüchtig ist, daß es fortwährend auf der Straße sein kann, so brauchst du gar keinen Schadenersatz, Freund meines Herzens; jedenfalls muß ich den Schaden erst besichtigen.« Mit diesen Worten steckte der würdige Richter das Geld in seine Tasche und entfernte sich, um, wie er sagte, ein Extragebet zu verrichten. Der verdutzte Eigentümer des Kamels aber schaute ihm offenen Mundes nach.

Ich verweilte mehrere Tage in Derdj, weil ich Kamele und einen Chaber (Karawanenführer) für die direkte Tour von da nach Mursuk zu mieten gedachte. Aber die Leute machten so hohe Forderungen, daß ich nicht darauf eingehen konnte, sondern die Reise bis Misda fortzusetzen beschloß. Meinen Diener Hammed ließ ich mit dem Hauptmann-Kutscher nach Tripolis gehen; er sollte kürzlich für mich eingetroffene Gelder daselbst abholen und sie mir, auf geradem Weg reisend, nach Mursuk bringen.

Einige Tagesmärsche vor Misda ward eines meiner Kamele sehr schwach; mochte es schädliche Kräuter gefressen haben oder das stark abführende Wasser nicht vertragen können, oder war die ihm aufgebürdete Last zu groß gewesen, es siechte zusehends dahin, und ich mußte es an der Straße zurücklassen, hoffend, es werde sich selbst gutes Wasser und heilsame Kräuter suchen und sich vielleicht wieder erholen. Daß es gestohlen werden möchte, brauchte ich nicht zu besorgen. Denn während Raubzüge unternommen werden, um Kamele zu stehlen, auch wohl einzelne Kamele aus der Karawane oder aus dem Lager abhanden kommen, vergreift sich niemand an einem der Natur anvertrauten Kamel, selbst wenn es wieder gesund geworden ist. Ebenso werden Karawanen angefallen und geplündert, aber Waren oder Güter, die man auf der Straße abwirft, um die Last der Kamele zu erleichtern, bleiben unberührt an der Stelle liegen.

In ganz Nordafrika, in den sogenannten Berberstaaten wie in den Oasen der südlich davon sich ausbreitenden Sahara, ist nur das einhöckrige arabische Kamel bekannt. In Ägypten bewirkte das bessere Futter, das reichliche süße Wasser und die Kürze der Märsche Verschiedenheiten in der Entwicklung des Tieres, vermöge deren es dort durchschnittlich größer ist und schwerere Lasten tragen kann. Nach Brehm trägt in Ägypten ein Kamel bis zu eintausend Pfund; in den übrigen nordafrikanischen Ländern ist die größte Kamellast fünfhundert Pfund, und dies auch nur bei kurzen Märschen; auf langen Wüstenreisen darf man nie mehr als dreihundert Pfund aufladen. Obwohl nirgends auf ägyptischen Denkmälern ein Kamel abgebildet ist, scheint doch die Annahme begründet, daß es in diesem östlichen Teil von Afrika schon in den frühesten Zeiten heimisch gewesen und später von da in die westlichen Länder eingeführt wurde.

Von dem arabischen Kamel Nordafrikas unterscheidet sich das afrikanische oder Meheri-Kamel, dessen Heimat die Zentralsahara ist, wie etwa der afrikanische Elefant sich vom indischen unterscheidet. Die abweichenden Merkmale sind so wesentlich, daß man jetzt die Meheri wohl als eine eigene Rasse bezeichnen darf, was indes die Möglichkeit, das arabische und das afrikanische Kamel seien ursprünglich eins gewesen, keineswegs ausschließt.

Für Reisen in der Sahara ist das Meheri dem Menschen unentbehrlich, ja, das Passieren der großen Wüste wäre ohne dieses Tier eine Unmöglichkeit. Es trägt verhältnismäßig große Lasten, kann im Notfall bis zu zehn Tage ohne Wasser existieren, nimmt mit der dürftigsten Nahrung fürlieb und zeichnet sich durch einen merkwürdigen Ortssinn aus. Nicht selten sind Karawanen, die sich verirrt hatten, bloß durch die Spürkraft der Kamele zu einer Oase oder zu einem Brunnen geleitet worden, denn Wasser wird von ihnen, namentlich wenn sie lange gedurstet haben und man sie frei gehen läßt, aus weiter Ferne gewittert. Trotz ihrer passiven Natur zeigen die Kamele Erkenntlichkeit und Anhänglichkeit gegenüber ihren Wohltätern. Ich gab dem Kamel, das ich gewöhnlich ritt, öfters ein Stück Brot oder eine Handvoll Datteln; war es nun mit anderen wochenlang fern auf der Weide gewesen, so erkannte es mich bei der Zurückkunft doch wieder, kam ungerufen auf mich zu und beschnupperte meine Hand in Erinnerung der aus ihr empfangenen Spenden. Wenn in großen Karawanen die Kamele abends zu ihren Lagerplätzen zurückkehren, weiß jedes von selbst das Zelt seines Herrn herauszufinden.

Mein unterwegs zurückgelassenes Kamel hatte sich ganz allein, unserer Spur folgend, bis Misda fortgeschleppt. Da ich immer noch hoffte, es würde genesen, schloß ich mit einem Eingeborenen einen schriftlichen Kontrakt, nach welchem er sich verpflichtete, das Tier in seine Herde aufzunehmen, es gut zu pflegen und, wenn es sich soweit erholt, zum Verkauf nach Tripolis zu führen, wogegen der vierte Teil des Erlöses ihm selbst zukommen sollte. Aber schon am nächsten Tag sagte man mir, der Zustand des leidenden Tieres habe sich derart verschlimmert, daß der Tod jeden Augenblick zu erwarten wäre, ich müsse daher, falls ich sein Fell und Fleisch retten wolle, es sofort abstechen lassen. Nur das Fleisch von einem abgestochenen Kamel nämlich ist den Mohammedanern zu genießen erlaubt; von einem Kamel, das gefallen, durch eine Kugel getötet oder vom Blitz erschlagen worden ist, darf kein Rechtgläubiger essen. Doch kann das Abstechen von jedermann verrichtet werden, es ist nicht wie bei den Juden eine durch den Rabbiner oder einen anderen geistlichen Beamten zu vollziehende Zeremonie. Mein Neger Cheir stach das Tier regelrecht ab; das Fleisch verschenkte ich, für das Fell wurden mir dreieinhalb Mahbub bezahlt.

Die Misdaner, oder wie sie allgemein genannt werden, die Kontharar, forderten nicht minder unverschämte Mietpreise für ihre Kamele als die Einwohner von Derdj. Zum Glück waren gerade Uled Mschaschia angekommen, die nach Fesan zogen, um dort gegen Getreide ihren Winterbedarf an Datteln einzutauschen. Sie vermieteten mir Kamele für den verhältnismäßig billigen Preis von sechs Mahbub das Stück bis Schati, der nördlichsten Provinz von Fesan. Solcher Austausch der Produkte zwischen den ackerbautreibenden Arabern und Berbern einerseits und den Bewohnern der palmenreichen Oasen der Sahara andererseits findet im ganzen Norden von Afrika statt. Jede Oase, jede Ortschaft hat bestimmte Triben der Tell (der kultivierbaren Zone), die alljährlich Getreide hinbringen und Datteln dafür mitheimnehmen. Nach der Qualität der Datteln wie des Getreides richtet sich die Zahl der Dattelladungen, die für eine Ladung Weizen oder Gerste geliefert werden. Immer aber übersteigt die Quantität der Datteln die des dafür abgelieferten Getreides, und es führen deshalb die nach den Oasen ziehenden Getreidekarawanen eine Anzahl leerer, unbeladener Kamele mit sich.

Am 29. September nachmittags um vier Uhr konnte ich dem langweiligen Ort Misda den Rücken kehren. Obgleich noch immer unpäßlich und zum fortwährenden Gebrauch von Opium genötigt, war ich doch frohen Mutes, da ich ja nun Gelegenheit fand, auf einem Weg nach Fesan zu gehen, den vor mir noch kein Europäer betreten hatte. Bis hierher durfte ich nicht wagen, anders als unter der Maske eines Muselmans zu reisen. Jetzt ging es südwärts in Länder, deren Bewohner nicht wie die fanatische Bevölkerung des Rharb jeden Andersgläubigen feindselig behandeln oder gar mit dem Tod bedrohen. In dem toleranten Fesan, in Bornu, wo Europäer freundlich aufgenommen werden, hat es keinen Zweck, orientalische Tracht anzulegen, und ich sehe nicht ein, warum Barth, Vogel und vor ihnen Denham und Clapperton, die doch ihren christlichen Glauben niemals verleugneten, sich derselben bedient haben. Sobald mir die Palmen von Misda aus den Augen geschwunden, warf ich meine Vermummung ab und kleidete mich in einen leichten europäischen Sommeranzug. Für meine Begleiter, auch die Kameltreiber, hatte diese Metamorphose nichts Auffälliges, da auch viele Türken, insbesondere fast alle türkischen Beamten, nach europäischer Art gekleidet sind.

Wir nahmen die gerade südliche Richtung, erstiegen das Ufer des Ssufedjin und gelangten dann in das Uadi Djeradja, dessen Verästelung uns abends um halb acht Uhr auf ein Plateau brachte. Glatte Felsplatten, vom Wasser polierte Kalksteinwände, im Wege liegende große und kleine Blöcke und loses Geröll machten das Heraufsteigen sehr beschwerlich. Überdies begegnete uns, als es schon anfing zu dunkeln, eine große von Fesan kommende Karawane; es entstand allgemeine Verwirrung, und nur mit viel Mühe konnten unsere Kamele, die, weil sie eben erst von der Weide gekommen, sehr wild waren, wieder zur Ruhe gebracht werden. Um acht Uhr abends lagerten wir etwas rechts vom Weg.

Am zweiten Tag hatten wir kaum drei Stunden in der Richtung von 160 Grad zurückgelegt, als die Mschaschia halt machten, unter dem Vorgeben, daß sie auf einen der Ihrigen warten müßten. Der wahre Grund, weshalb sie nicht weiter wollten, war aber wohl die gute Kamelweide, die sie hier fanden. Es wächst nämlich an der Stelle viel Gelgelan, eine Kruzifere, die das Eigentümliche hat, daß sie sehr energisch Wasser aus der Luft anzieht; selbst wenn gar kein Tau fällt und andere Pflanzen völlig trocken sind, hängen morgens die Zweige des Gelgelan voll großer Wassertropfen. Vielleicht ist es der starke Salzgehalt dieser Pflanze, der das Wasser anzieht; oder sie besitzt vielleicht eigens konstruierte Sauggefäße, mit denen sie die Feuchtigkeit aus der Luft zu konzentrieren vermag. Der Lagerplatz war übrigens einladend genug, und wir ließen uns das saftige Gazellenfleisch, das wir von Misda mitgebracht hatten, wo man es alle Tage frisch zu kaufen bekommt, vortrefflich schmecken. Gegen Mittag aber belästigte uns sehr der von einem heftigen Nordostwind aufgewirbelte, alles durchdringende Sand.

Erst andernmorgens um acht Uhr kam der erwartete Mschaschia an. Nach zweistündigem Marsch in gerader östlicher Richtung stießen wir auf das Uadi Ertiss, ein von Südsüdost herlaufendes Flußbett, das von steilen Wänden eingefaßt ist und in dem sich zwei Brunnen, zwar von geringer Tiefe, aber mit ausgezeichnet gutem Wasser befinden. Wir ›gielten‹ von neun bis elf Uhr an einem der eben erwähnten Brunnen.

Ich benutzte die Zeit zum Besuch eines in der Nähe befindlichen Denkmals der Römerherrschaft. Es würde vollkommen unerklärlich sein, wie man sich veranlaßt finden konnte, in diesen so armseligen, ja zum größten Teil ganz vegetationslosen Gegenden so viele monumentale Bauwerke zu errichten, wenn wir nicht annehmen müßten, daß eben diese Gegenden einst wesentlich anders beschaffen waren, daß sie eine bei weitem reichere Vegetation besaßen und einer dichten Bevölkerung zu Wohnsitzen dienten. Das von mir besuchte Denkmal aus schönen Kalkquadern erhob sich zu zwei Stockwerken, im ganzen etwa 20 Fuß hoch; doch muß es noch höher gewesen sein, da die Spitze abgebrochen war. In seiner Vollendung scheint es die Form eines Obelisken gehabt zu haben. Von außen ohne Schmuck, enthielt es im Inneren zwei erbrochene Grabgewölbe, deren Wände mit Skulpturen, Tiere, namentlich Windhunde und Antilopen darstellend, bedeckt waren.

Am 2. Oktober waren wir um sechs Uhr morgens marschbereit. Die Gegend wurde jetzt wellig, fast gebirgig, und allmählich stieg der Weg den Djebel Egenn hinan. Von der Paßhöhe hat man einen herrlichen Überblick, dessen Reiz noch durch die zahlreichen Ruinen und durch das Grün der in gebrochenen Linien sich hinziehenden Uadis erhöht wird. Die Hitze nötigte uns jetzt nicht mehr, in den heißesten Tagesstunden stillzuliegen. Bis drei Uhr zogen wir im Uadi Talha fort, passierten um fünf Uhr einen kleinen Höhenzug und befanden uns nach einer Stunde in dem Tal Frofren, wo das Lager aufgeschlagen wurde.

Mehrmals hatte uns an dem Tag eine Bande von acht bis zehn Mann, zwei zu Pferd, die übrigen auf Kamelen, in der Ferne umschwärmt, die aber, sobald wir halt machten oder sie heranwinkten, stets eiligst wieder davonjagte. Da nun die Gegend, welche mit ihrem kupierten Terrain sowie in den Ruinen der alten Kastelle und Grabmäler zahlreiche verborgene Schlupfwinkel bietet, nicht im besten Ruf der Sicherheit steht, so galt es, auf der Hut zu sein. Einen offenen Angriff hatten wir zwar von der Bande nicht zu fürchten, wir waren ihr dreifach an Zahl überlegen und alle bis an die Zähne bewaffnet, wohl aber konnten sie unter dem Schutz der Nacht versuchen, uns Kamele wegzutreiben oder sonstwie zu bestehlen. In Rücksicht darauf wählte ich zum Lagerplatz den Raum vor einer hohen unersteiglichen Felswand, die uns den Rücken deckte, ließ aus übereinander getürmten Kisten und Hauyat (Kamelsättel) zwei vorspringende Flügel bilden und in das so gewonnene Reduit die Kamele einstellen. Als Wächter wurde mein Spitz Mursuk davorgelegt, dann überließen wir uns ruhig dem Schlaf.


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