Gerhard Rohlfs
Quer durch Afrika
Gerhard Rohlfs

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Anderen Tags wurde früh um sechs Uhr aufgebrochen. Ein wütender Südostwind erfüllte die Luft mit Staub, der uns jede Fernsicht wegnahm. Nach Übersteigung einer Hügelkette kamen wir um zwei Uhr in das Tal Dendal-Galadima, um vier Uhr in das Tal Meschru und um sechs Uhr zu dem Brunnen Meschru am nördlichen Abhang eines niedrigen Höhenzuges. In diesen Tälern gibt es zahlreiche, bis zu fünfzig Fuß hohe »Neulinge«; alle aus pflanzlichen Überresten, namentlich des Ethelbaumes, bestehend, deuten sie darauf hin, daß der jetzt nur mit Sand und Kies bedeckte Boden früher eine nicht unbedeutende Vegetation zu ernähren imstande war. Dicht an unserem Weg lagen die Trümmer einer Marmorsäule. Meine Leute und die Tebu wollten in den Stücken versteinerte Menschenknochen erkennen. Ich glaube, eine Säule von so schönen Proportionen und einer Höhe von etwa zwanzig Fuß verrät unverkennbar römische Arbeit. Jedenfalls muß das Werk, da sich nirgends in der Nähe Kalkformation oder Marmor findet, von weither dahin gebracht worden sein. Die Römer mochten hier eine Etappenstation oder vielleicht nur ein Denkzeichen ihres Vordringens errichtet haben.

Der an diesem und dem vorhergehenden Tag herrschende Sturm hatte solche Mengen Sand in den Brunnen getrieben, daß der Wasserspiegel mit einer dicken trockenen Schicht bedeckt war. Einige von unseren Leuten mußten dreißig Fuß tief hinabgelassen werden, unten mit ihren Händen den Sand aufkratzen und ihn in Körbe füllen, welche dann die übrigen an Seilen heraufzogen. Nach zwei Stunden harter Arbeit erhielten wir endlich Wasser, zwar noch trübe, aber reichlich und gut. Rings umher lagen Massen von Kamel- und Menschenknochen, ein weites Knochenfeld. Selbst in meinem Zelt stieß ich auf einen Schädel, den meine Leute in der Dunkelheit beim Abräumen des Bodens übersehen hatten. Die Menschengerippe sind Überreste von verschmachteten Sklaven, deren Leichname man nicht der Mühe wert hält, in Gräber zu verscharren, sondern da, wo sie gefallen sind, liegen läßt. Nachdem wir am folgenden Morgen die Wasserschläuche gefüllt und unsere Kamele nochmals getränkt hatten, marschierten wir um halb zehn Uhr in der Richtung von 175 Grad weiter. Überall am Weg sieht man gebleichte Menschenknochen, an manchen noch Fetzen von dem blauen Kattun, den die Negersklaven tragen; man braucht nur diesen Gerippen zu folgen, so kann man den Weg nach Bornu nicht verfehlen. Furchtbar ermüdet durch den heißen Wind, der uns zwei volle Tage gepeinigt hatte, erreichten wir um acht Uhr den Lagerplatz. Das Wüstenreisen hatte mich bereits seine Strapazen tüchtig empfinden lassen und mir durch den steten Anblick von Gerippen umgekommener Menschen seine Gefahren vor Augen gestellt. Und es war noch ein weiter Weg bis zur nächsten bewohnten Oase!

Morgens gegen Viertel nach sechs, nicht so früh als es bei der entsetzlichen Tageshitze wünschenswert gewesen wäre, wurde am 12. April aufgebrochen. Zu beiden Seiten des Weges waren in einer Entfernung von etwa zwölf Stunden hohe, von Norden nach Süden laufende Bergketten sichtbar. Um elf Uhr gelangten wir an den Nordrand der Hochebene von Aloota kiu, die sich in bedeutender Steigung nach Süden zu erhebt. Die Hitze war zwar nicht so drückend wie an den beiden vorhergehenden Tagen, doch litten Menschen und Tiere sehr empfindlich von den Strahlen der Mittagssonne. Mein armer Hund hatte sich auf dem bis zu 70 Grad erhitzten Boden die Füße verbrannt und war unfähig zum Weiterlaufen; ich mußte ihn auf ein Kamel setzen. Ich selbst konnte vor Erschöpfung den ganzen Tag nichts essen, trank aber alle fünf Minuten gierig eine Tasse mit etwas Tamarindensaft gesäuerten Wassers. Maina Adem, dieser Wüstensohn, fand die Morgen, obgleich das Thermometer vor Sonnenaufgang fast nie unter + 20 Grad fiel, noch zu kalt zum Reisen. Er wäre daher gern am Abend etwas weiter marschiert, ich ließ aber um sieben Uhr haltmachen und bestimmte ihn so, mit seiner Gofla ebenfalls zu lagern.

Am anderen Morgen, während er und die Seinigen noch in tiefem Schlaf lagen, brach ich mit meinen Leuten um halb fünf Uhr auf. Wir erreichten nach einer Stunde den Südrand der Aloota kiu und betraten um neun Uhr das Tümmo-Gebirge, von den Arabern wegen seiner Zerklüftung Uar oder War genannt. Es besteht ganz aus schwarzem oder vielmehr an der Oberfläche geschwärztem nubischem Sandstein und umschließt mehrere kesselartige Täler, in deren südöstlichstem die Brunnen oder Wasserlöcher von Tümmo liegen. Die schwarze Färbung erhält das Gestein teils unter dem Einfluß der Witterung, teils von den beigemengten Eisenerzen, zum Teil aber bestehen die Felsen vielleicht auch aus wirklichem schwarzem Basalt. Oben sind die Berge abgeplattet, und alle haben ziemlich gleiche Höhe, woraus sich schließen läßt, daß sie früher ein einziges Hochplateau bildeten.

Ich bestieg einen Berg östlich vom Weg, der mir der höchste zu sein schien, und fand seine Höhe zu neunhundert Meter, während der Paß über das Tümmo an seiner höchsten Stelle 715 Meter hat. Um ein Uhr traf ich wieder bei meiner Karawane ein, ging aber dann, während sie ihren Weg durch das Gebirge fortsetzte, nach einer fast zwei Stunden in südöstlicher Richtung entfernten Quelle, um mich an ihrem herrlichen frischen Bergwasser zu laben. Erst seit Menschengedenken ist diese Quelle den Karawanen bekannt, sei es, daß sie durch Zufall von einer verirrten Karawane aufgefunden wurde oder daß ein seinem Vaterland ungetreuer Tebu ihr Vorhandensein den Arabern verriet. Frisch ausgetretene Gazellenpfade und Haufen von Vogeldünger zeigen, daß täglich Hunderte von lebenden Geschöpfen die Quelle besuchen; aber vergebens sah ich mich nach Spuren von Vegetation um, kein Halm war zu erblicken, nur in einigen Tälern des Tümmo-Gebirges sprießt nach anhaltendem Regen etwas Gras und Kraut hervor. Desto widerlicher berührte mich der Anblick umherliegender Knochengerippe, darunter der halbe Leichnam eines Negerknaben, der zur Mumie vertrocknet war, ehe die von weither kommenden Hyänen Zeit gehabt, ihn ganz zu verzehren. Der Unglückliche hatte sich jedenfalls von einer Karawane, während sie an der zwei Stunden entfernten Straße lagerte, heimlich weggestohlen, um an der Quelle seinen brennenden Durst zu löschen, und war dann hier dem Hunger zum Opfer gefallen.

»Warum bindest du die Wasserschläuche stets so aufs Kamel, daß die Mündung nach vorn zu liegen kommt?« fragte ich einst Mohammed Gatroni. »Das habe ich den Sklavenkarawanen abgesehen; man läßt die Mündung nach vorn hängen, damit die Sklaven nicht heimlicherweise trinken können, denn das Kamel steht dann gleich still und verrät durch sein Brüllen, wenn einer den Schlauch öffnet.« Nirgends traten mir die Schrecken und Greuel des Sklavenhandels so auf Schritt und Tritt entgegen wie auf dem Weg von Fesan nach Bornu. Hierher sollten diejenigen kommen, welche immer noch behaupten, die Mohammedaner behandeln ihre Sklaven mit Menschlichkeit und schonender Milde; sie würden dann nicht mehr wagen, sich und die Welt durch solche Lügen zu täuschen.

Am 14. April erfolgte der Aufbruch um halb sieben Uhr früh. Wir verließen das Gebirge in gerader Südrichtung und durchschritten mehrere trockene nach Südwesten verlaufende Rinnsale. Wir passierten auch ein durch zwei Hügel gebildetes Tor. Über niedrige Felsen steigend, gelangten wir um drei Uhr in die Ebene Emi-Madema und lagerten in derselben um sechs Uhr. Der Tag war weniger heiß gewesen, obschon die Hitze immerhin des Nachmittags 40 Grad im Schatten erreichte, doch war ich von der am vorigen Tag unternommenen Bergbesteigung und dem Ausflug nach der Quelle so ermüdet, daß mir Reiten wie Gehen gleich schwer wurde. Abends kamen nacheinander drei Spinnen in mein Zelt gekrochen, an Größe bei weitem die Buschspinne übertreffend, denn die eine maß von den Kopfzangen bis zum Ende des Leibes drei Zentimeter, von den Spitzen der beiden ersten Vorderbeine, die länger als die zweiten waren, bis zu den Spitzen der ausgestreckten hintersten Beine 8,6 Zentimeter; alle Beine waren stark behaart, die beiden vordersten schwarz, der ganze Leib hatte eine gelblich graue Farbe. Mohammed nannte sie Agrab-er-rih (Luftskorpion) und sagte, die Art sei auch von Barth in seinem Zelt gefunden worden und sehr häufig in diesem Teil der Wüste. Ihr Biß soll giftig sein.

Folgenden Tags begannen wir um halb sieben Uhr unseren Marsch. Immer südwärts gehend hatten wir links den Tji-Grunto, rechts eine unabsehbare Ebene. Nach zwölf Stunden lagerten wir an einem Brunnen, von den Arabern Ahmer-es-Schergi genannt. Die Brunnen des Landes, obgleich nicht tief, sind im schlechtesten Zustand und fast immer versandet. Solange das Gebiet von den Sultanen beherrscht war, sorgten diese für die Instandhaltung der Brunnen bis zum Jat; die türkischen Paschas aber kümmern sich nicht um die Brunnen südlich von Tedjerri und lassen selbst die in Fesan befindlichen meist verfallen. Gerade in der Umgebung der Brunnen liegen daher die meisten Gerippe von Menschen. Hat eine Karawane mit ihren durch Strapazen und Entbehrungen erschöpften Sklaven nach weiter Wanderung endlich einen Brunnen erreicht, dann findet sie ihn mit Sand gefüllt, und es muß oft erst tagelang gegraben werden, ehe man Wasser bekommt; unterdessen ist aber mancher der vom Durst Gepeinigten seinen Leiden bereits erlegen. Abends kamen wieder, wahrscheinlich durch das Kerzenlicht angelockt, mehrere Luftskorpione in mein Zelt.

Am 16. April morgens um halb sieben Uhr Aufbruch gen Süden. Bei völliger Windstille über eine kiesbedeckte ununterbrochene Ebene ziehend, ward mir schon um acht Uhr die Hitze fast unerträglich. Um halb vier Uhr erreichten wir Buddema, einen grünen kräuterreichen Strich Landes, wo meine Karawane lagerte, um die Kamele weiden zu lassen, während Maina Adem mit seiner Gofla weitermarschierte. Aber schon nachts um zwei Uhr zog ich ihm nach, und um sechs Uhr morgens waren die beiden Karawanen wieder beisammen.

Immer die Richtung nach Süden einhaltend, gelangten wir mittags zu der ausgedehnten Niederung Mafaras, doch erst um vier Uhr, ganz erschöpft von dem anstrengenden Marsch und der drückenden Hitze, an den mit einigen Talha- und Ethelbäumen beschatteten Brunnen. In seiner Nähe gab es reichlich Futter für die Kamele, und da auch die Menschen dringend einer Rast bedurften, wurde an dem Tag nicht weitergegangen.

Um die Glut der Tageshitze zu meiden, brach ich schon nachts um halb zwei Uhr auf, und diesmal ließ sich auch Maina Adem zum gleichzeitigen Abmarsch überreden. Wir waren ungefähr eine Stunde unterwegs, auf einer großsteinigen Hammada die südliche Richtung verfolgend, da riß der vordere Sattelgurt meines Kamels, und ich stürzte rücklings samt der aus zwei Kisten bestehenden Ladung zu Boden. Glücklicherweise fiel ich mit dem Kopf auf meine mitherabgerutschte Matratze, ich hätte mir sonst das Genick brechen können; so kam ich mit einigen Quetschungen davon. Es verging aber viel Zeit mit dem Wiederaufladen und Befestigen der Kisten; die Karawane war unterdes weitergezogen, und in der Dunkelheit verlor ich ihre Spur. Ich feuerte ein paar Notschüsse ab, um sie zum Halten zu veranlassen, und es ergab sich, daß ich mich fast eine Stunde westlich von ihr verirrt hatte. Als der Tag anbrach, befanden wir uns am Ausgang der Maferas. Hier wurde um acht Uhr zum ›Gielen‹ gelagert. Jetzt bemerkte ich erst, daß mir bei dem Sturz vom Kamel nicht nur ein Aneroid und ein Doppelfernglas, die in einem ledernen Futteral am Sattel hingen, abhanden gekommen waren, sondern daß auch mehrere von den in den Kisten verpackten Gegenständen zerbrochen oder beschädigt waren; zum Glück blieben die auch darin liegenden Aneroide unversehrt. Um halb zwei Uhr nachmittags setzten wir, obgleich die Sonne noch tüchtig brannte, den Marsch wieder fort. Gegen Osten in einer Entfernung von sechs bis acht Stunden war der Horizont durch Sanddünen begrenzt. Der Boden wurde immer hügeliger, wir hatten mehrere Engpässe zu passieren, und da infolge des Sturzes meine Glieder mich noch schmerzten, ließ ich um halb zehn Uhr abends lagern.

Es war Mitternacht geworden, ehe die Leute mit dem Abkochen fertig waren und man sich zur Ruhe legen konnte. Daher geschah der Aufbruch am anderen Morgen erst sehr spät. Nach zweistündigem Marsch auf einer Höhe ahgelangt, erblickten wir die grünen Dumpalmen der Oase Jat vor uns. Wir erreichten sie um zehn Uhr und machten bei den nur einige Fuß tiefen Wasserlöchern halt. Eins von meinen Kamelen, dem man schon vor mehreren Tagen die Ladung hatte abnehmen müssen, war nur mit Not noch bis zu der Oase mitgeschleppt worden; es fraß nicht mehr, mit einem Wort, es war, wie die Araber sagen, »bathal« (eigentlich »umsonst« und adjektivisch »schlecht«), das heißt völlig untauglich zum Gehen und Lastentragen. Nach einigem Zögern zog ich es daher vor, es schlachten zu lassen und der Karawane zum Besten zu geben. Der Jubel über das unverhoffte schwelgerische Mahl war groß. Das Fell teilten sich die Leute, um Sandalen daraus zu machen, obzwar das Kamelleder wenig dauerhaft ist. Ein kleiner Teil des Fleisches wurde in dünne Streifen geschnitten und getrocknet, zum Mitnehmen bestimmt, alles übrige mußte an Ort und Stelle verzehrt werden. Natürlich war aber die aus nur dreißig Köpfen bestehende Mannschaft unserer vereinten Karawanen trotz ihrer ungeheuren Leistungsfähigkeit nicht imstande, die ganze Quantität auf einmal zu vertilgen; es bedurfte dazu eines Ruhetags, den ich auch, gegen den Wunsch Maina Adems, gern bewilligte. Dieser hatte große Eile, weil er vor dem Fest Aid-el-Kebir, das in einigen Tagen bevorstand, in Kauar eintreffen wollte. Am Abend des nächsten Tages war richtig von der mehrere Zentner schweren Masse Fleisch samt Magen, Lunge und allen Eingeweiden kein Quentchen mehr übrig. Um die Knochen hatte dann mein Hund noch einen nächtlichen Kampf zu bestehen, wie meine Leute meinten, mit einer Hyäne; da er aber das Feld behauptete, vermute ich, daß sein Gegner nur ein Schakal gewesen. Ich war an dem Tag eben mit Schreiben beschäftigt, als ein plötzlicher Windstoß aus Süden mir das Zelt über dem Kopf fortschleuderte und mehrere Löcher hineinriß. Auch die Leute wurden bei ihrer Morgenmahlzeit unsanft gestört, indem der Sturm wahre Wolken von Sand und Staub darüber ausschüttete. Dabei stieg die Hitze auf 45 Grad im Schatten. Nach einer guten Stunde ließ indes die Gewalt des Windes nach, und mein Zelt konnte wieder aufgerichtet werden.

Die Oase Jat, von Westen nach Osten sich erstreckend, gewährt mit ihren Dum- und Talha-Bäumen den Wüstenreisenden einen höchst willkommenen Ruhepunkt. Für mich, der ich zum ersten Mal so weit nach Süden vordrang, bot namentlich der Anblick der Dumpalme eine das Auge erfreuende Abwechslung, denn sie hat nicht, wie die Palmenarten, die ich bis dahin gesehen, nur eine Krone auf einem schlank emporsteigenden Stamm, sondern sie teilt sich in mehrere Äste, deren jeder von einem Blätterdach gekrönt ist. Ihre Früchte erreichen die Größe eines Hühnereis; das grüne Fleisch, welches den Kern einen halben Zentimeter dick umhüllt, ist für meinen Geschmack sowohl frisch wie getrocknet ungenießbar und wird auch von den Eingeborenen nur in Zeiten von Hungersnot gegessen; der weiße, sehr harte Kern enthält, solange die Frucht grün ist, Milch wie die Kokosnuß.

Wasser, meist vorzügliches, findet sich hier in der geringen Tiefe von vier bis fünf Fuß. Der Brunnen gehört den Tebu-Reschade, welche sich von kleineren, schwach bewaffneten Karawanen für die Benutzung desselben für jedes Kamel bezahlen lassen. Von Maina Adem konnten sie aber natürlich den Zoll nicht erheben, und da ich in seiner Begleitung reiste, mußten sie auch meiner Karawane die unentgeltliche Benutzung des Brunnens gestatten.

Eine Stunde nach Mitternacht, 22. April, verließen wir Jat. Die gewöhnliche Karawanenstraße geht von hier südwestlich über die Oase Ssiggedim; unsere Tebu führten uns aber einen kürzeren Weg in der Richtung von 200 Grad über eine hügelige, mit Steinen bedeckte Hochebene. Dabei wurde ein Kamel der beiden Ghorianer, die von Mursuk aus mit uns reisten, »bathal«. Außer diesem ihrem eigenen hatten sie nur noch ein gemietetes, das auch schon mit vollem Gewicht belastet war, sie wußten sich daher keinen Rat, wie sie ihr Gepäck weiterschaffen sollten. Die Ärmsten dauerten mich, und ich bat Maina Adem, er möge gestatten, daß man die Ladung ihres kranken Tieres mit auf seine Kamele verteile, wozu er sich denn auch bereit finden ließ. Von den Tebu-Reschade hatten alle nur gegen unverschämt hohe Bezahlung den Weitertransport übernehmen wollen. Nachdem das Kamel seiner Last entledigt war, setzte sich die Karawane wieder in Marsch, während ein Ghorianer und einer von meinen Leuten mit ihm zurückblieben und es langsam weiterzutreiben suchten. Es zu schlachten, war keine Zeit, auch hätten die Besitzer den Verlust nicht so leicht verschmerzen können. Um neun Uhr zwang uns die unerträglich gewordene Hitze, mitten auf der kahlen Hochebene zu rasten, und kurz ehe wir nachmittags weitergingen, war das »bathale« Kamel mit seinen beiden Treibern wieder zur Karawane gestoßen. Der Weg führte nun ohne jegliche Abwechslung durch tiefen Sand über völlig ebenes Terrain, bis um sieben Uhr abends ein Hügel sichtbar wurde. Er liegt westlich nahe an der Straße und dient den Karawanen als Wegweiser, oft auch als Lagerplatz. Wir hielten nur an, um eine Partie der reichlich vorhandenen trockenen Kameläpfel einzusammeln, die wegen ihres Fettgehalts ein gutes Brennmaterial abgeben, und marschierten noch eine Stunde weiter. Um acht Uhr abends wurde am Weg gelagert.

Anderntags begann die Reise etwas vor Sonnenaufgang. Wir durchzogen eine großsteinige Ebene, wobei uns die Hitze, durch heißen Südwind verstärkt, furchtbar zusetzte. Endlich um drei Uhr nachmittags erreichten wir, das heißt der berittene Teil der Mannschaft, die Oase Igjeba, der zu Fuß marschierende war noch zurück. Maina Adem, dem, wie gesagt, viel daran gelegen war, vor dem großen Fest in seinem Wohnort Tiggemami anzukommen, wollte, daß noch an demselben Abend die Reise fortgesetzt wurde. In Rücksicht auf den erschöpften Zustand, in dem sich meine Leute sowie die Kamele befanden, erklärte ich ihm jedoch, ich würde nicht eher als am folgenden Tage nachmittags weitergehen. Nun beschwor er mich mit allen Eiden, die er von den Arabern gelernt hatte, ich möchte gleichzeitig mit ihm aufbrechen; denn es würde eine Schande für ihn sein und ihm von seinem Bruder, dem Sultan, nicht vergeben werden, mich in der Wüste zurückgelassen zu haben. Allein ich blieb standhaft. Hierauf beschloß er, seine Leute und die Tebu-Reschade vorauszuschicken und allein bei mir zu bleiben. Schließlich aber gab er auch diesen Plan wieder auf und ließ seine ganze Karawane ebenfalls bis zum folgenden Nachmittag in Igjeba lagern. Igjeba gehört schon zum Sultanat Kauar. Die Oase, kaum eine halbe Stunde breit, bietet wenig Reize, da die Dumpalme hier nur kümmerlich gedeiht und es daher an Schatten fehlt; doch findet sich überall süßes, rein schmeckendes Wasser in der Tiefe von nur zwei Fuß.

Ungeachtet der sengenden Hitze setzten wir uns am folgenden Tag nachmittags in Marsch. Die Gegend, welche wir in gerader südlicher Richtung passierten, hat kiesigen Boden und nirgends die geringste Erhebung. Abends bei Mondschein verschwammen der von Staub graue Himmel und die graue Bodenfläche in eins; es sah aus, als ob gar kein Horizont vorhanden wäre – eine höchst seltsame, beängstigende Erscheinung. Nach fast achtstündigem ununterbrochenem Marsch wurde um neun Uhr halt gemacht.

Schon vierter nach eins morgens ging es am 25. April weiter. Das Land wird von hier an etwas hügeliger. Um fünf Uhr sahen wir von einer Anhöhe herab die Oase Kauar vor uns liegen. Freudenschüsse wurden abgefeuert; Maina Adem warf ein fürstliches Prachtgewand über seine Reisekleidung; dem Pferd, das er ritt, war schon Tags vorher ein reiches, goldgesticktes Geschirr und ein Sattel mit vergoldeten Steigbügeln aufgelegt worden. Bei dem Ort Anay angelangt, stieg er ab, um die Huldigung der Bewohner entgegenzunehmen. Seine Leute aber schickte er weiter bis Annimimmi, wo sie ausruhen und dann nach ihrem Heimatort abgehen sollten. Ich mit meiner Begleitung lagerte unter den Palmen von Anay, froh, mich endlich wieder an einem bewohnten Ort zu befinden.


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