Gerhard Rohlfs
Quer durch Afrika
Gerhard Rohlfs

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Achtes Kapitel

Zwischen Fesan und Kauar

Am 25. März brach ich gegen Mittag bei schönstem Wetter von Mursuk auf. Ich hatte sieben Diener und fünf Kamele. Zwei Ghorianer mit ihren Kamelen wollten noch denselben Abend zu uns stoßen, und mit Maina Adem war verabredet, daß seine große Gofla (Karawane) am nächsten Tag nachfolgen und sich mit uns vereinigen sollte.

So gut das Wetter beim Ausmarsch gewesen war, so schlecht endete der Tag. Gerade mit Sonnenuntergang brauste plötzlich von Osten her ein Sandsturm heran, der die Luft völlig verfinsterte. Zum Glück befanden wir uns in unmittelbarer Nähe des Örtchens Hadj Hadjil und konnten denselben eben noch erreichen. An Aufschlagen der Zelte war natürlich nicht zu denken; wir legten uns, nachdem das Essen in einem Haus gekocht und verzehrt worden, zwischen Gepäckstücken auf die Erde nieder und waren, als wir morgens aufstanden, zollhoch mit Sand bedeckt.

Der Sturm tobte noch den ganzen Tag mit gleicher Gewalt, doch stellte sich gegen Abend Regen ein, der wenigstens den argen Sandstaub niederschlug, so daß es möglich wurde, unseren Marsch wieder fortzusetzen. Anhaltender Regen ist allerdings eine außergewöhnliche Erscheinung in Fesan, sie muß indes nicht gar zu selten vorkommen, denn auch andere Reisende berichten davon. Wir wateten durch tiefen Sand und kamen dann in einen Wald von wilden Palmen, in dem nach zweistündigem Marsch, da der Regen nicht nachließ, zur Nacht gelagert wurde. Hier traf uns Maina Adems Karawane und nächtigte dicht neben der unserigen. Er selbst war noch in Mursuk zurückgeblieben.

Auch die Nacht durch regnete es in einem fort, weshalb meine Diener, die ihr Zelt nicht aufgeschlagen hatten, bis auf die Haut durchnäßt wurden. Nachdem am Morgen ein tüchtiges Feuer und eine Tasse Tee ihre Lebensgeister wieder aufgefrischt, zogen wir um acht Uhr weiter, ohne den Aufbruch der Tebu-Gofla abzuwarten. In eineinhalb Stunden war Bidan erreicht, ein aus wenigen Palmhütten und Gärten bestehendes Dörfchen. Ich ließ halt machen und kaufte von den Bewohnern Datteln, um meine Kamele damit zu füttern, für die es auf dem Marsch durch den Palmenwald nichts zu fressen gab. Während wir hielten, zog die Tebu-Karawane an uns vorbei. Wir folgten ihr nachmittags und vereinigten uns wieder beim Bir Beranin, am Rand der Dünen. Immer noch blies ein heftiger Ostwind, der uns sehr belästigte, da er aus einem Strich, wo es nicht geregnet hatte, viel Sand herbeiwehte.

Die Gegend ringsum erhält ein eigentümliches Gepräge durch zahlreiche »Neulinge«, meist konisch geformte Hügel von zwanzig bis dreißig Fuß Höhe, die sich durch Anhäufung von Sand und Vermischung desselben mit Pflanzenstoffen, namentlich Ethel und Tamariske, gebildet haben; aus manchen ragt sogar noch ein Ethelbusch hervor. Sie finden sich in der ganzen Sahara und sind wohl zu unterscheiden von den äußerlich gleich aussehenden »Zeugen«. Diese entstanden nicht durch Anhäufung, sondern im Gegenteil dadurch, daß der lockere Sand um ein fest gefügtes Stück Erdreich herum vom Wind fortgeweht oder durch Wasser weggespült wurde, und so ein vereinzelter Hügel als »Zeuge« der früheren Terrainformation stehen blieb. Die »Zeugen« kommen seltener vor als die »Neulinge« und enthalten keine Wurzeln oder sonstige Pflanzenteile.

Eben hatten wir uns am Bir Beranin gelagert, als Maina Adem auf einem schönen Berberroß angeritten kam und vor meinem Zelt abstieg. Ich verdankte diese Ehre wahrscheinlich dem Appetit des Fürsten auf eine Zigarette und eine Tasse Kaffee, denn er war, wie ich in Mursuk bemerkte, zu geizig, um sich Tabak, Tee und Kaffee zu kaufen, obgleich er nach der Summe zu schließen, die er in dem einzigen Jahr 1865 dem Kaimmakam als Abgabe für verkaufte Sklaven entrichtete, wohl gegen zehntausend Mariatheresientaler bei sich haben mochte. In seiner Heimat Kauar vergräbt er das Geld, nur dann und wann vielleicht sein Auge am Glanz der blanken Silberstücke weidend. Das schöne Pferd, das er ritt, war zum Geschenk für seinen künftigen Schwiegersohn bestimmt, gemäß der bei den Tebu herrschenden Sitte, die erheischt, daß ein Vornehmer seiner Tochter bei ihrer Verheiratung ein Pferd als Aussteuer mitgibt.

Unser Weg führte jetzt beständig zwischen oft hundert Fuß hohen Sanddünen hin, bis wir nach anstrengendem Marsch die kleine Oase Mestuta erreichten, die sich zwei Stunden lang und eine halbe Stunde breit von Norden nach Süden erstreckt. Mestuta hat mehrere Brunnen mit leidlich gutem Wasser und im Norden die Ruinen eines alten Kastells aus der Zeit der Sultane von Fesan. Unter wilden Palmen ist der Boden mit einer dichten Pflanzendecke, meist gutem Kamelfutter, überzogen, worin Kaninchen und Ratten in Menge hausen. Die Luft ist mit einigen Tauben, Sperlingen und Schwalben, mit letzteren wohl nur vorübergehend, belebt.

Auf dem Marsch fiel mir der Unterschied zwischen Tebu-Kamelen und meinen arabischen recht in die Augen. Das Araber-Kamel, das wahrscheinlich durch die Araber oder Berber nach Nordafrika eingeführt wurde, hat plumpe Beine, einen dicken Hals, überhaupt einen schwerfälligen, gedrungenen Körper mit starkem Haarwuchs. Das Tebu- oder Borgu-Kamel hat einen dünneren langgestreckten Hals, schmächtigere Beine und wird bedeutend größer. Südlich von Kauar kommt das Araber-Kamel nicht mehr vor, vom Norden nach Bornu oder Sudan gebrachte Kamele sterben dort nach kurzer Zeit, sei es infolge der veränderten Nahrung oder aus anderen Ursachen; umgekehrt kann das afrikanische Kamel ein nördlicheres Klima nicht vertragen. Das in der eigentlichen Zentralsahara lebende Tebu-Kamel hat sich in der verhältnismäßig kurzen Zeit von etwa tausend Jahren den natürlichen Bedingungen der dortigen Gegend angepaßt und zu einer ganz anderen Rasse umgebildet. Wie außerordentlich schnell das aus kalten Gegenden in die Sahara versetzte Schaf seine Art verändert, habe ich an anderem Ort hervorgehoben.

Wir verließen Mestuta um sieben Uhr morgens in der Richtung von 150 Grad und hielten diese Richtung den ganzen Tag über inne. Jenseits der Oase dehnt sich eine Sserir bis zum Fuß des Gurt el-Kebir aus, bei dem wir um elf Uhr vormittags anlangten. Der Gurt el-Kebir ist ein Ausläufer der südwestlich sich hinziehenden Dünen. Nach Übersteigung desselben hatten wir eine weite, niedrig gewellte Sandebene vor uns; um Viertel nach sieben erreichten wir Dekir. Hier mußte erst ein Brunnen gegraben werden, womit indes die Tebu, die an solche Arbeit gewöhnt sind, rasch zustande kamen. Das gefundene Wasser war leidlich. Abends bei Mondschein boten die Palmen mit ihren vertrockneten Zweigen, die von der Krone bis zur Erde am Stamm herunterhängen, einen seltsamen Anblick dar. Niemand pflegt hier die herrenlosen Bäume, und die herabgefallenen Datteln werden von vorüberziehenden Reisenden aufgelesen oder von den Kaninchen, Gazellen und Schakalen verzehrt.

Am 31. März brachen wir morgens von Dekir auf. In fast gerader Südrichtung immer im Tal und zwischen Palmen reitend, erreichte ich mit meinen Leuten um halb ein Uhr Gatron und lagerte auf einem von Palmen beschatteten Platz am Nordrand des Ortes. Es war dies ein Verstoß gegen den Karawanenbrauch, denn eine nach Süden ziehende Gofla soll immer an der Südseite eines Ortes oder Brunnens, eine nach Norden ziehende an der Nordseite lagern. Auch tat Maina Adem, als er mit der Tebu-Karawane, die unterwegs ihre Kamele hatte weiden lassen, vor Gatron ankam, höchst entrüstet darüber und ließ sein Lager an der Südseite aufschlagen. Überhaupt kehrte er, seit wir uns nicht mehr im Bereich des türkischen Gouvernements befanden, immer mehr seinen Fürstenstolz gegen mich heraus, während er in Mursuk dem Kaimmakam und auch mir gegenüber eine untergeordnete Rolle gespielt und man ihm dort nicht einmal die militärischen Ehren erwiesen hatte.

Ich fand bei den Marabutin in Gatron und ihrem Chef, dem Hadj Djafer, der zugleich Mudir des ganzen Gatron-Tales ist, die freundlichste Aufnahme und Bewirtung; mein Koch war vollkommen zur Untätigkeit verurteilt. Es freute sie, Mohammed Gatroni in meinen Diensten zu sehen, denn war er auch nicht aus dem Ort selbst gebürtig, so zählten sie ihn doch zu den Ihrigen. Natürlich revanchierte ich mich für die genossene Gastfreundschaft mit entsprechenden Geschenken an Zucker, Tee, Essenzen, Messern und anderen Kleinigkeiten.

Die Bewohner Gatrons, etwa tausend an der Zahl, sind sämtlich Schwarze, doch nicht von reinem Tebublut, sondern von sehr gemischter Abstammung; selbst die Marabutin, die den geringeren Teil der Bevölkerung ausmachen, haben keineswegs unvermischtes arabisches Blut in ihren Adern. Alle sprechen sowohl die Teda- als die Kanuri-Sprache und verstehen auch Arabisch. Ihre Wohnungen sind teils Erd- teils Palmenhütten, zwischen denen eine alte Djemma und eine jetzt leerstehende Kasbah, früher Sitz der fesanischen Statthalter, hervorragen. Man baut etwas Gemüse, Korn, Weizen, Gerste, Ngafoli, Ksob an und zieht vorzügliche Datteln hoch. Aus den Blättern der Palmen verfertigen die Frauen zierliche Körbchen und Teller, die in ganz Tripolitanien beliebt sind. In ihrer Tracht zeichnen sich die Gatroner nicht von den übrigen Fesanern aus, nur wird hier namentlich zur Kleidung der Frauen schon mehr Sudan-Kattun als europäisches Fabrikat verwendet. Ich hatte viel von der Schönheit der schwarzen und braunen Gatronerinnen und von ihrer großen Gefälligkeit gehört, aber sei es, daß mir die Sterne nicht günstig waren oder daß in der gegenwärtigen Generation die gerühmten Reize verschwunden sind, ich entdeckte trotz alles Suchens nicht ein einziges hübsches Gesicht.

Am Tag unserer Ankunft gab es abends Musik und Tanz zur Feier der Wiederkehr des Mondes. In der Nacht vorher hatte nämlich eine Mondesfinsternis stattgefunden. Eigentlich soll der Mond im Augenblick, wo er wieder hervortritt, festlich begrüßt werden; da aber die meisten zur Zeit der Verfinsterung schon schliefen, war die Feier auf diesen Abend verschoben worden. Eine Gruppe von Männern führte, mit Stöcken bewaffnet, einen Tanz auf. Die jungen Mädchen bildeten einen dichten Kreis, in beiden Händen große Fächer von Palmzweigen schwingend, und sangen mit Begleitung der Musik, das heißt einer Trommel und gegeneinander geschlagener eiserner Handplatten. Innerhalb des Kreises gingen vier Knaben umher und wurden von den Mädchen gefächelt; auf ein gegebenes Zeichen aber begannen sie zu tanzen und zu springen und aus Leibeskräften in die Hände zu schlagen, während die Mädchen mit ihren Füßen den Takt dazu stampften. Bis lange nach Mitternacht dauerte der greuliche Lärm.

Im Lauf des folgenden Tages kam Hadj Djafer mit seinem Sohn und vielen Marabutin zum Besuch zu mir heraus. Ich übergab ihnen einen meiner Diener, der marschunfähig geworden war, und bat sie, ihn bei nächster Gelegenheit nach Mursuk zu schicken. Dann stellten sich einige Tebu ein, welche mir ihre Mietkamele zur Weiterreise anboten. Als ich ihnen aber sagte, daß ich nach Tibesti wolle, zogen sie, obgleich in Tibesti zu Hause, unter dem Vorgeben, den Weg dahin nicht gehörig zu kennen, das Anerbieten zurück, und ich merkte bald, daß Maina Adem seine Hand dabei im Spiel hatte. Die Sache verhielt sich so: Nach dem in Mursuk mit ihm verabredeten Reiseplan wollten wir uns in Tedjerri trennen; ich wollte von dort mit meinen Leuten unter Führung einer Anzahl zuverlässiger Tebu über Tao in Tibesti nach Bilma gehen, indessen er die gerade Straße nach Kauar verfolgen und mein Gepäck, von Mohammed Gatroni und einem anderen meiner Diener überwacht, dahin mitnehmen sollte. In Gatron empfing er nun die Nachricht: Tuareg, die um Salz einzuhandeln nach Kauar gekommen waren, hätten sich mit den Bewohnern zerstritten, sie seien hierauf samt ihren mitgebrachten Waren grollend wieder abgezogen und nach einer zwischen Gatron und Kauar liegenden Oase gegangen. Obgleich es nicht zu offenen Feindseligkeiten gekommen war, fürchtete er doch, von ihnen angefallen zu werden, wenn er ohne meine Begleitung reiste. Deshalb spiegelte er den Tibesti-Tebu vor, ich sei ein türkischer Spion, damit sie abgehalten würden, mich in ihr Land zu führen. Ich mußte somit den Plan, von Gatron nach Tibesti zu gehen, aufgeben und die Reise mit Maina Adems Karawane fortsetzen, hoffte jedoch, noch von Tedjerri aus mein Vorhaben ausführen zu können.

Am 2. April um sechs Uhr morgens, nachdem mir noch ein splendides Frühstück geschickt worden war, verließen wir Gatron. Zwei Stunden eines palmenreichen Weges gen Süden brachten uns nach Bachi und weitere zwei Stunden nach Medrussa. Beide Dörfer haben meist aus Palmzweigen geflochtene Hütten, die viel netter und freundlicher aussehen als die von Erdklumpen errichteten Häuser. Ihre Bewohner, in beiden zusammen kaum einige Hundert, sind durchweg schwarz und ebenso unschön wie die von Gatron. Doch führte mir Maina Adem zwei Tebu aus Tao zu von stattlicher Gestalt und auffallend hellbrauner Gesichtsfarbe. Sie waren mit eisernem Spieß und Schwert, einem großen Lederschild, dem Handdolch und dem Schangermangor (Wurfeisen) bewaffnet; trotz dieser martialischen Ausrüstung schien es aber mit ihrem Mut nicht weit her zu sein, denn als ich mich anheischig machte, einen etwa fünfhundert Schritt entfernten Palmbaum mit meinem Repetierstutzen zu treffen, liefen sie eiligst davon, und auch Maina Adem wollte das Resultat nicht abwarten.

In Medrussa gab Maina Adem eine Probe seiner sudanischen Willkür, indem er vier Lakbi tropfende Palmen ungeachtet des Protestes ihrer Eigentümer ohne weiteres für sich in Beschlag nahm. Abends, als ihm der genossene Lakbi zu Kopf gestiegen, ließ er mir durch einen Diener sagen, ich solle meinen Hund anbinden, die Tebu, die ihn im Lager besuchen wollten, fürchteten sich vor dem bissigen Tier. Da Mohammed Gatroni, dessen ich mich sonst als Vermittler zwischen mir und den Tebu bediente, das Wiederfinden einer früher von ihm verstoßenen Frau ebenfalls durch zu reichlichen Lakbigenuß gefeiert hatte, schickte ich einen anderen Diener zum Fürsten mit dem Bescheid, er möchte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, und wenn ihm daran gelegen sei, daß mein Hund angebunden werde, so möge einer von seinen Leuten kommen und es versuchen. Am anderen Morgen früh besuchte mich der gnädige Herr selbst in meinem Zelt, erwähnte jedoch, obgleich von Mursuk nicht eben freundlich empfangen, mit keiner Silbe den gestrigen Vorfall. Er brach mit seiner Karawane um zehn Uhr auf; ich folgte, da Mohammed Gatroni noch allerlei mit seiner ehemaligen Ehehälfte zu verhandeln hatte, erst um elf Uhr.

Die Ruinen eines Dorfes links lassend, gelangten wir an das Ende des Palmenwaldes. Eine Anzahl Tebu, bis an die Zähne bewaffnet, ritten auf ihren Kamelen neben uns her, in der Hoffnung, daß ich in Tedjerri die Tiere bis Kauar von ihnen mieten würde. Um halb drei Uhr erreichten wir in südlicher Richtung den von einigen Palmen beschatteten Bir Ssuffra-Tedüssma und fanden hier Maina Adem mit der Tebu-Gofla auf guter Kamelweide lagern.

Am 4. April brach die vereinigte Karawane des Morgens auf. Der Fürst saß zu Pferd, von einer Schar Tebu umgeben, die zu seiner Begrüßung gekommen waren. Es kränkte seinen Stolz, daß ich meinen seidenen Sonnenschirm aufspannte; denn in Bornu und den Sudanländern haben allein die Sultane das Recht, einen Schirm zu tragen. Selbst in Fesan mußte noch vor zwanzig Jahren ein Kaufmann, weil er mit aufgespanntem Schirm in Mursuk eingeritten war, zweihundert Mariatheresientaler an den damaligen Kaimmakam bezahlen. Jetzt ist im ganzen türkischen Reich das Verbot aufgehoben. Maina Adem hätte mir gern meinen Schirm abgekauft oder ihn noch lieber zum Geschenk erhalten, aber ich wollte ihm absichtlich auch bei dieser Gelegenheit zeigen, daß ich in keiner Weise von ihm abhängig sei. Unser Verkehr blieb äußerlich ein freundschaftlicher, doch hegten wir eine gegenseitige Abneigung: ich, weil er es war, der mein Vorhaben, über Tibesti nach Kauar zu gehen, vereitelte, er, weil ich mich seinen Befehlen nicht unterordnete.

Nach eineinhalb Stunden passierten wir links am Weg Kasaraua, jetzt nur drei oder vier Hütten. In gerader Ostrichtung davon liegt am Rand des Tales der Djebel Ekema, die erste Station auf dem Weg von Medrussa nach Tibesti. Wir gingen in der Richtung von 200 Grad im Tal weiter, das südlich von Kasaraua des Palmenwuchses ganz entbehrt, und hatten die Spitze des Ras Tedjerri, einer Erhebung des sonst flachen Talrandes, in gerader Ostrichtung vor uns. Die Sebcha von Tedjerri durchschreitend, erreichten wir um drei Uhr den Ort selbst nach mehr als achtstündigem schnellem Marsch.

Tedjerri bildet die politische Südgrenze von Fesan und steht wie Bachi, Medrussa und Kasaraua unter dem Mudir von Gatron. Es hat fünf- bis sechshundert Einwohner. Die Häuser, niedrige kleine Tonhütten, sind um ein Kastell herum gebaut, das in gewöhnlichen Zeiten unbewohnt ist, in Zeiten der Bedrängnis aber als Zufluchtsort dient, weshalb jeder Hausbesitzer dort ein zweites Haus stehen hat. Unter der türkischen Regierung kommt es indes äußerst selten vor, daß von unabhängigen Tuareghorden eine Rasia (Raubzug) gegen Tedjerri unternommen wird. Der Ort liegt am Südrand einer ausgedehnten Sebcha, und selbst in der näheren Umgebung finden sich noch Wassertümpel mit brackischem Wasser, doch gibt es auch Brunnen mit sehr wohlschmeckendem süßem Wasser.

Abends kam mein Diener Abd-el-Kader, ein Sokner, voller Freude ins Lager gelaufen, auf einen Hahn in seiner Hand zeigend. »Woher hast du den Hahn?« fragten ihn seine Kameraden. »Ich bekam ihn als Lohn für meine Arbeit, ich habe eben einer Besessenen den Teufel ausgetrieben.« – »Und der Teufel, wo blieb der?« – »Ich konnte ihn nicht fangen, er ist ins Wasser gefahren.« Dergleichen Wunder sind unter den unwissenden, leichtgläubigen Leuten nichts Seltenes, und Abd-el-Kader stand bei ihnen in besonderem Ansehen, sowohl weil er von einem früheren Aufenthalt in Bornu her geläufig Kanuri spricht, als auch weil er zu den Aissauin gehört, einer Brüderschaft, von dessen Mitgliedern das Volk glaubt, daß sie Wunder verrichten können. Zum Beweis ihrer Wunderkraft pflegen die Aissauin bei öffentlichen Festen lebende Kröten, Schlangen, Skorpione oder Nägel und zerhacktes Glas zu verschlingen.

Vier Tage unterhandelte ich in Tedjerri mit den Tebu-Reschade wegen der Vermietung von Kamelen nach Tibesti. Aber alle meine Bemühungen waren umsonst. Es blieb mir daher nichts übrig, als die Reise mit Maina Adem fortzusetzen. Und selbst nach Kauar konnte ich keine Tiere erhalten, so daß meine fünf Kamele über ihre Kräfte beladen wurden. Außer dem gewöhnlichen Gepäck mußte für fünf Tage Kamelfutter, ferner Datteln und Holz zum Kochfeuer für uns mitgenommen werden, denn die Wüste, die wir nun zu passieren hatten, bietet nicht ein Blatt, nicht einen Halm. Am 9. April morgens wurde abmarschiert, und bald befanden wir uns am Außenrand der Oase, die sich jedoch nach Südosten hin weiter erstreckt. Ab hier gibt es ringsum nichts als Sand, Kies und einzelne zerstreute Sandsteinblöcke. Wir verfolgten die Richtung von 175 Grad und gelangten nachmittags an den Djuri-Fluß, der hier nach Westen umbiegt und sich sechs Stunden weiter im Sand verliert. Die Araber nennen ihn Ued Had nach dem Kraut had, das in der Gegend wächst, wenn es geregnet hat, jetzt war freilich, da seit langem hier kein Regen fiel, nichts davon zu sehen.

Noch eine halbe Stunde östlich den Djuri entlang gehend, lagerten wir um drei Uhr. Ich wurde hier mit den Tebu, die uns von Tedjerri aus gefolgt waren, um den Mietpreis eines ihrer Kamele einig; sie ließen zwar auf Zureden Maina Adems etwas von ihrer übertriebenen Forderung nach, doch blieb der Preis immer noch sehr hoch. Allein es half nichts, ich mußte das Tier haben, die Überlastung meiner Kamele hätte mich sonst genötigt, den Weg meist zu Fuß zurückzulegen. Für meinen in Gatron entlassenen Diener hatte ich in Tedjerri Ersatz gefunden: Ein Neger, der durch den Tod seines Herrn frei geworden war, trat gern in meine Dienste, um auf diese Art in seine Heimat zu gelangen, obwohl er sich derselben, da er schon als Kind nach Fesan gekommen war, kaum erinnerte und nicht wußte, ob er aus Bornu, Haussa oder Bagirmi oder einem anderen der Negerländer herstamme.


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