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Eingang zum Wasserpalast bei Djokjakarta, Java.

22. Längs durch Java.

Der kleine Lloyddampfer »Stettin«, der zwischen Singapur und Deutsch Neu-Guinea hin und her fährt, legt auch in Batavia an und verschaffte uns den Anschluss an die Hauptfahrlinie des Norddeutschen Lloyd Ostasien–Bremerhaven. Das Schiff trägt uns mit einem ganz hervorragend ruhigen Gange, friedliche Stille ringsum, kühler Wind streicht über Deck, alles ist geeignet, wieder Erinnerungen festzulegen.

Die Reise längs durch Java war eine Fahrt durch einen grossen Garten. Wie nur irgend in den blühendsten Gegenden Deutschlands wechseln Feld und Wald mit einander, und die Sorgfalt in der Bearbeitung des Bodens steht wohl sicher der gleich, die in den bestangebauten Gegenden unseres Vaterlandes auf die Bestellung verwandt wird. Dabei ist der landschaftliche Reiz des Javalandes nicht nur gross, sondern auch von einer ganz eigenen Art. Das beruht auf dem unmittelbaren Gegensatz zwischen Berg und Ebene. Man hat in den Erhebungen zumeist keine Gebirge, keine langlaufende Höhenzüge vor sich, sondern eben Berge: aus dem flachgewölbten Schilde des Landes ragen sie unvermittelt und gewaltig bis an die 3000 und 4000 Meter empor, vulkanische Riesen in charakteristischer Kegelgestalt. Natürlich hat die Verwitterung ihre Formen modellirt, auch stören sie sich wohl dort, wo sie dicht an einander lagern, gegenseitig in ihrer Idealgestalt. Oft aber befindet man sich auf einer weiten breiten mit grünem Reis geschmückten Ebene, und rings herum stehen einzeln, ernst und feierlich die kolossalen Feuerberge, mit Wald und Baumplantagen bedeckt, nur an den höchsten Spitzen kahl und rauh das Gestein zeigend.

Da Eisenbahnen das Land durchziehen und besonders die Hauptlinie Surabaja – Batavia die herrlichsten Gegenden, darunter namentlich die Preanger Landschaft, berührt, so ist das Reisen in Java jetzt bequem, zumal die Eisenbahnwagen praktisch eingerichtet sind. Weiterhin ist der Vortheil billigen Verkehrs hinzugekommen, denn während man früher für Posten von Surabaja nach Batavia an 900 Gulden auszugeben hatte, fährt man in erster Klasse jetzt dieselbe Strecke für 40 Gulden. An den Ruheplätzen, auch mitten im Lande, findet man vortreffliche Hotels, stets stehen Wagen, Pferde und Führer zu massigen Preisen bereit, kurzum, ein Besuch Javas gehört zu den angenehmsten Dingen, die einem auf diesem Erdenwallen begegnen können. Wir haben die besten Erinnerungen daran. Einige herauszugreifen möge der Leser gestatten. Zu dem Schönsten im Lande rechnen wir den Boro Budur.

Im Traume erscheint uns wohl einmal eine sonnendurchleuchtete Ideallandschaft mit Hainen und Wäldern, wogenden Feldern, halb im Grün versteckten Dörfern, phantastischen Bergen und alten Tempeln. Oder auch ein altes Bild zaubert den Wahn zur halben Wirklichkeit. In voller Wahrheit ist der holde Traum verkörpert inmitten Javas, wo bei Djokjakarta eine Götterlandschaft um den alten Hindutempel Boro Budur sich erstreckt, ein wundersames, stimmungsreiches Bild voll ruhiger Schönheit, dessen Zauber jeden fesseln muss, der Formen und Farben zu sehen versteht. In weitem Kranze umrahmen hier hohe Berge eine sanftwellige Hochebene; auf der einen Seite ziehen sie sich als schroff abfallender, phantastisch ausgezackelter, langer Höhenzug dahin, und auf der anderen entsteigen die Feuerberge Sumbing, Merapi und Merbabu in kolossaler Dreiecksform einzeln dem flachen Lande, in dem ihr waldreicher Fuss sich allgemach verliert. Sie gehen hoch oben in das Reich der Wolken, aber über diesen tauchen sie gleichwie auf einem weissen Meere schwimmende Inseln wieder auf und setzen sich grau und scharf gegen den blauen Himmel ab. In der Ebene liegen hier und dort Haine mit wehenden Kokospalmen und in diesen Wäldern fast versteckt die Hütten der Malayen. Aus dem flacheren Felde erheben sich einzelne breitkuppelige Hügel, und auf einem solchen ruht das Gewirre der Ruinen von Boro Budur.

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Hindutempel Boro Budur, Java.

Nirgends habe ich ein so stimmungsvolles Landschaftsbild getroffen; das um Boro Budur ist wahrhaftig eine Perle in dem »Gürtel der Insulinde«.

Dass der leibliche Mensch nicht darbe, dafür sorgt ein ganz leidlicher Passanggrahan, ein Gouvernementswirthshaus, in dem ein alter Oesterreicher, der schon an 20 Jahre bei den Buddhabildern seine Wacht hält, wohnt. So hat man Gelegenheit zum Verweilen und kann nach Belieben von der Holzveranda des Gasthauses aus, das dem alten Götterbau gerade gegenüber auf demselben Hügel liegt, die mächtigen Trümmer in der wechselnden Beleuchtung des sich schnell ändernden Sonnenstandes beschauen, in kühler, frischer Morgenstunde die oberste Kuppel des gewaltigen Terrassenbaues erklimmen, am Mittag die in Sonnengluth ruhende, grell beleuchtete Landschaft überblicken und abends von der Tempelhöhe in das farbenreiche Bild sehen.

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Eine Gallerie am Hindutempel Boro Budur, Java.

In mächtigen Packungen sind die dunklen Lavasteine wohl behauen zum Bau aufeinander gefügt, tausende von Reliefs schmücken die Galleriewände, und hunderte Mal kann man bei der Tempelwanderung in das gleichmässige, nervenberuhigende, sanfte Buddhaantlitz schauen. Für den Historiker mag das Studium der zahllosen Figuren noch ganz besondere Reize haben, doch auch der gewöhnliche Sterbliche hat seine Freude an den zierlichen Formen der Götter und Helden, der Thiere und Pflanzen sowohl wie der wundervollen Ornamente.

Die herrlichen tausendjährigen Ruinen, die so still und feierlich in die schöne Landschaft hinunterschauen, haben uns einen rechten Genuss bereitet, den wir gern noch über mehr als 1½ Tage ausgedehnt hätten, die wir ihnen widmen konnten. Doch es musste geschieden sein. Zunächst ging es nach Djokjakarta zurück. Hier residirt der Radja in einem weitläufigen, langweiligen Gebäudehaufen. Viel schöner und malerischer als seine nüchterne, schattenlose Residenz ist der alte Palast, der mit seinen wohlerhaltenen Ruinen und alten Bäumen zur Beschauung einladet.

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Javanische Reisfelder.

Unser Weg nach Westen erschloss uns nun die Preangerlandschaft. In typischer Schönheit entwickelt sich die Scenerie z. B. beim Städtchen Garut, in dem wir einige Tage weilten. Wiederum hier, wellige Hochebene, mit Reis sorgfältigst bebaut.

Der Reis, das Korn des Ostens, kann im Jahre zwei, selbst drei Mal geerntet werden. Er wächst sowohl auf trockenem Lande als auch in künstlichem Sumpfe. Gerade die nassen Reisfelder geben der Preangerebene ein charakteristisches Gepräge. In grossen Flächen zwischen den Bergriesen reihen sie sich aneinander, nicht in regelmässigen Rechtecken wie die Äcker Deutschlands, sondern von rundlichen Umrissen begrenzt, sodass das Land oft fischschuppenartig eingetheilt erscheint. Um jedes Feld zieht sich ein Erdwall, der dazu dient, das Wasser zu einem kleinen See aufzuspeichern. Und so sehen die Felder wie flache Teiche aus. Von einem Wasserbecken fliesst das klare Wasser zum andern, in kunstvoller Vertheilung die terrassenförmig übereinander angelegten Acker tränkend.

Am kühlen Morgen auf den wohlgepflegten Landstrassen in einem Wägelchen mit drei oder vier flinken Pferden in diesem herrlichen Lande umherzufahren, durch schattige Dorfhaine, an reich bestandenen Feldern, blauen Wasserbecken vorbei, im Anblick der ringsum himmelhoch ragenden, waldbedeckten Vulkane, das ist ein unvergleichlicher Genuss. Bei Garut ist der Horizont von einer grossen Zahl von Bergkegeln gewaltig ausgezackt, und besonders ragt der Komplex des Gunung Guntur, des Donnerberges, drohend empor. An seinem Abhang zieht sich durch den Wald die breite, schwarze Zunge eines frischen Lavastroms hinab, und an seinem Fusse sprudelt es allerorten bei Tjipanas von heissen Quellen, die man gut gefasst hat und zu Badezwecken verwendet.

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Stampfen und Reinigen von Reis.

Etwas entfernter von Garut erhebt sich neben dem idealen Kegel des Tjikorai der Papandajan. Schon vom Städtchen aus bemerkt man auf diese 20 Kilometer Entfernung einen grossen gelben Klex oben am Bergesabhange. Da liegt der noch thätige Krater. Wir machten ihm unsern Besuch. Recht früh beim Morgengrauen ging es mit flinken Pferden vor dem Wägelchen nach Tjiserupan, und als wir uns da auf die Reitpferde geschwungen hatten, auf bequemen Wege durch herrlichen Wald hinauf. Besonders schön fanden wir die Baumfarne entwickelt, deren schmucke Wipfel sich zum Theil wohl 15 Meter und mehr erhoben.

Nichts leichter als eine Papandajanbesteigung. Man reitet durch das gewaltige Thor des seitlich geborstenen Kraters bequem in ihn hinein und erblickt vorn, rechts und links gelbweisse, steil, ja öfter senkrecht abstürzende Wände, an denen man vielfach die Wechsellagerung von Lava und Tuffmassen studiren kann. Natürlich drängt der vulkanische Boden mit seinen giftigen Dünsten die Pflanzenwelt hinweg, die aber doch als grüner Rahmen um das Bild der Zerstörung erscheint. Am Kraterboden mischen sich die merkwürdigsten Farben der Gesteine und Sublimationen, Gelb, Braun, Roth, Weiss und Schwarz. An vielen Stellen zischt, braust und poltert heisser Dampf und brodelt heisses Wasser. Kochende Bäche fliessen hier und dort, und weisse heisse Wolken hüllen von Zeit zu Zeit das seltsame Schauspiel ein.

Noch einen indischen Feuerberg »bestiegen« wir von Bandung aus, den Tangkuban Prau. Das Wort besteigen klingt für eine Spazierfahrt auf einen solchen zahmen, indischen Vulkan zu voll und steht mit Recht in Gänsefüssen. Von einer wirklichen Anstrengung kann nicht wohl die Rede sein. Auch hier fährt man bequem im Wagen bis zu einem am Fusse des Vulkans gelegenen Dorfe und reitet dann bis an den schroff sich absenkenden Kraterrand. Um die Sache nun doch ein wenig sportlicher zu machen ging ich vor dem Pferde meiner Frau her, nachdem wir in Lembang den Wagen verlassen hatten, der uns an dem betreffenden knitterkalten Morgen auf schöner breiter Strasse dem flachgestalteten Vulkan zugeführt hatte. Er hat seinen Namen Tangkuban Prau, weil er einem umgekippten Boote ähnlich sieht.

Der Weg brachte uns an neuen Dingen besonders Chininbaum- und Thesplantagen. Die ebenmässig gebauten Chininbäume, die das in den Tropen so unentbehrliche Gegengift gegen die Tücken der Malaria liefern, stehen zu vielen Tausenden als ziemlich langweilige Wälder auf den Abhängen des Gebirges. Sie gedeihen wie die Theestauden recht gut auf dem vulkanischen Boden. Auch letztere bilden mit ihren niedrigen Formen und regelmässigen Reihen nicht gerade einen besonderen Schmuck der Landschaft, und deshalb tauchten wir nach der Plantagenzone gern unter im Schatten des wilden Waldes, der den Vulkan bis zur Höhe in herrlicher Fülle bedeckt und den wüsten Hexenkessel umrahmt, in dem die vulkanischen Feuer Schlamm und Wasser kochen, mit Zischen und Brausen Dämpfe dem Erdboden entströmen, und wo gelbe Schwefellagen, graue, weisse, schwarze und bunte Gesteinsmassen in grellen Farbentönen sich ausbreiten. Eine Besonderheit des Tangkuban Prau-Krater ist es, dass er einen Doppeltopf bildet, nämlich aus zwei Theilen besteht, die durch eine Scheidewand getrennt sind.

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Theetrocknen.

Doch nun genug Vulkanisches und genug der Klettereien, die wir ja in Celebes sattsam geübt hatten. Mit Behagen genossen wir auf kleinen Ausflügen die milde Luft des Hochlandes und freuten uns der sonnigen Tage, die uns vor der Abreise nach dem Norden noch beschieden waren. Einen besonders angenehmen Aufenthalt bot das liebliche Garut, zumal wir hier (im Gasthaus des Herrn van Horck) vortrefflich aufgehoben waren, ein Umstand der bei einer Reise nicht zum Mindesten die Schönheit einer Gegend hebt. Nach kleinen Wanderungen, Fahrten und Ritten zog man sich in den hübschen Garten des Hotels zurück, in dem die Gastzimmer in Pavillons weitläufig vertheilt liegen. So merkte man nichts von den Menschenansammlungen, die den Aufenthalt in Hotels ja meist nicht angenehmer machen. Jeder oder doch nur einige wenige lebten für sich in einem Häuschen. Man hatte seine eigene Veranda und genoss von ihr den lieblichen Blick in den Garten. Nur mittags und abends vereinigten sich die Gäste zur gemeinsamen Tafel im Speisesaal, der frei und offen mit seiner Längsseite in den Garten mündet.

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Im Garten des Hotels van Horck, Garut, Java.

Auch in dem kühlen Klima von Buitenzorg lässt es sich sehr behaglich leben. Den Javareisenden lockt dorthin besonders der weitberühmte botanische Garten, den auch wir an einem Sonntagmorgen durchwanderten. Der schönste Garten, den wir bislang gesehen haben, ist der von Tiflis, und nach der Besichtigung des Buitenzorger Parkes ist er für uns auch der schönste geblieben. Doch wollen wir gern gestehen, dass der Oase am Kur gerade der Gegensatz zu ihrer Umgebung sehr zu Hülfe kommt. Bei Tiflis hat man durch das Zaubermittel der Bewässerung in staubig, steinerner Gegend eine herrliche Pflanzenwelt hervorgerufen. In Buitenzorg liegt der botanische Park nicht wie ein Märchenland in der Wüste, sondern als ein Garten zwischen Gärten; die Schönheit der Umgebung mit ihrer verschwenderischen Fülle der Vegetation, wie sie sich über ganz Java ausbreitet, vermindert naturgemäss den Eindruck. Trotzdem wird man mit wirklichem Genuss in den wohlgepflegten Anlagen Buitenzorgs sich ergehen, zwischen den hochstrebenden Palmen, schattigen Eukalypten, tropischen Nadelhölzern und der Fülle von wechselnden Laubbäumen. Auf den Gewässern schwimmen die Lotusrosen und breiten sich die Teller der Victoria regia aus, am Ufer spriesst in schlanken Stämmen, zu grünen Riesensträussen vereinigt, der Bambus, von Baum zu Baum klettern die Lianen, von denen eine durch ihre Länge von wohl einigen hundert Metern und ihre stattliche Baumdicke besondere Aufmerksamkeit erregt. Merkwürdige Schmarotzer, zum Theil mit siebartig durchbrochenen Blättern haben sich an den Stämmen einer schattigen Allee festgesetzt, Farne entfalten ihre Riesenwedel, und an hohen Pandanen hängen die schwertförmigen Blätter malerisch herab. Wenn man nun auch geschickt das Botanische am Garten möglichst unterdrückt hat und die Schilder mit den lateinischen Aufschriften wenig auffallen, so nimmt der Eindruck des künstlich Gemachten, der dem Garten anhängt, der Stimmung des Beschauers doch etwas weg. Wie anders ging es sich an den wilden Abhängen der Celebesberge, wo die lautere Natur in ihrer Kraftfülle sich offenbart. Im botanischen Garten sieht sich die tropische Pflanzenwelt so gesittet und ordentlich an, dass man gar nicht daran denkt, welch einen erbitterten Kampf um Boden, Licht und Luft sie in der Freiheit der tropischen Urwälder führt, wo Dutzende von Gewächsen in einander wuchern, auf den abgestorbenen und gefallenen Baumriesen neues Pflanzenleben spriesst und über Busch und Niederwald auf hohen Stämmen sich ein zweites Waldstockwerk erhebt. Im botanischen Garten leben die Pflanzen wie die Thiere im Käfig. Man kann ihre Systematik, aber nicht ihr Zusammenleben, wohl das Individuum, aber nicht den Pflanzenstaat studiren.

Damit soll der prächtige Garten von Buitenzorg natürlich nicht heruntergesetzt werden. Die Anlage ist an sich gewiss so schön wie ein wohlgepflegter botanischer Park nur sein kann und nun gar für Pflanzenkundige sicher von unschätzbarem Werth, für den Buitenzorger und den Fremden eine Erholungsstätte.

Eigentlich gilt der Charakter als Erfrischungsplatz sogar für ganz Buitenzorg. Zu ihm entfliehen besonders die Europäer aus Batavia, von wo man es in 1½ Stunden mittelst Eisenbahn erreichen kann. Der Gouverneur-General hat seinen ständigen Wohnsitz hier oben zwischen den Bergen. Trotz dem nur 260 Meter betragenden Höhenunterschied zwischen Batavia und Buitenzorg ist die Temperaturdifferenz doch recht merklich, wie es besonders auffällt, wenn man, wie wir es thaten, von den Bergen hinab in die Ebene kommt. Bald umspülte uns die feuchtwarme Luft von Weltevreden-Batavia, wo wir wieder in das Hotel Wisse einzogen.

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Im botanischen Garten zu Buitenzorg, Java.

Wir waren recht froh, dass die lange Eisenbahnfahrt durch Java ein Ende hatte, nicht als ob wir selbst unter ihr gelitten hätten, sondern weil nunmehr unsere Vogelheerde, die wir getreulich von Celebes bezw. von den Molukken bis hierher mitgeschleppt hatten, keine Last mehr machen konnte. Als Gepäck konnten die Thiere beim Eisenbahntransport nicht aufgegeben werden, so nahmen wir sie denn mit in das Abtheil, wo sie sich, besonders unsere zwei riesengrossen Kakadus, zwar höchst drollig mit Kopfverdrehen und Verbeugungen benahmen, andererseits aber auch öfter eine förmliche Wüstenei zum Theil mit ungefressenem, zum Theil mit verdautem Futter anrichteten, wo sie Holz und Zeug anknabberten, gelegentlich einen ahnungslosen Mitreisenden oder eine Reisegefährtin durch Zupfen am Hosenrande oder Kleidersaume in Erstaunen setzten. Wir waren immer froh, wenn die Menagerie im Hotel in recht abgelegenen Winkeln untergebracht war, wo ihr Gebrüll nicht allzu störend wirkte. Leider hatte sich unsere befiederte Schaar zum grossen Leidwesen besonders meiner Frau schon in Djokja um den schönen bunten Luri von Ambon vermindert. Es war ein sehr lebhaftes, ja förmlich nervöses, liebes Thierchen, so quirlich, als habe es gar keine Knochen, immer voll Ungeduld etwas anderes zu thun. Mit Bussuu und Luri empfing es uns, wenn wir in seine Nähe kamen, liess sich kraulen und nibbeln, war aber immer zappelig und entschlüpfte förmlich aus den Händen. Bald hing es mit dem einen bald mit dem anderen Bein an seinem Holzgestell, schleckte schnell einmal an seinem Pisang, kratzte sich mit so unglaublicher Geschwindigkeit am Kopfe, dass man das Beinchen nicht unterscheiden konnte, kurzum war ein ebenso niedliches wie erregbares Geschöpfchen. Leider bringt es die Nervosität der Thierchen mit sich, dass sie nach Schrecken förmliche Krampfanfälle bekommen und schnell zu Grunde gehen. So war es auch mit unserem Luri, der über das Plätschern von Wasser, mit dem sein Gestell gereinigt wurde, so erschrak, dass er ganz apathisch wurde, in Krämpfe fiel und tags drauf starb. Ein anderer indischer Vogel, Beo genannt, von Taubengrösse, schwarz, mit gelben Kopfläppchen und Leutnantsscheitel, ist so nervös, dass schon der Anblick von Blut oder einer anderen rothen Flüssigkeit ihn tödten soll. Die Beos sind im Übrigen höchst gelehrige Thiere und lernen sehr leicht sprechen. Im Garten von Garut sahen wir einen, der lange Sätze sehr natürlich redete. Mit ganz besonders tiefsinniger Überzeugung schloss er gewöhnlich seine Unterhaltung mit einem gedehnten Ja – ja – ja! wie ein Mensch, der nach längerem Gespräch, wenn er weiter nichts mehr weiss, diese inhaltsschweren Worte langsam und feierlich von sich giebt. In Tandjong Priok, dem Hafenorte von Batavia, lag ein schmuckes Lloydschiff, das uns sammt Vogelheerde aufnahm und uns jetzt, wie der Leser weiss, gen Singapur weiterführt. So haben wir wieder heimathlichen Boden unter den Füssen, wenn auch vorerst nur die deutschen Schiffsplanken der »Stettin«.

Als Reisegefährten gehen mit uns der Administrator einer deutschen Plantage in Neu Guinea, den heftiges Fieber gezwungen hat, den Aufenthalt in unserer Kolonie aufzugeben, weiterhin ein Missionar mit Frau, die gleichfalls dorther kommen. Beide sind fieberkrank und suchen Heilung in der Heimath. Als Deckpassagiere bringt das Schiff 80 Chinesen aus Neu Guinea zurück. Sie sind voll Wunden und Krankheiten. Es ist der Rest von 500 Arbeitern. Die Übrigen hat das Fieber hingerafft. Man sieht, die Anfänge der Kolonisirung fordern Menschenopfer. Wir wünschen und glauben, dass sie nicht nutzlos gebracht werden.


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