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Wasserfall von Tondano, Minahassa, Celebes.

11. Weihnacht unter dem Äquator.

Der 24. December ist herangekommen. Da denken wir an das ferne Hannover. Ein frischer, klarer Wintermorgen. Draussen breitet sich eine flaumige, weisse, fusstiefe Decke aus von leuchtendem Schnee. Baum und Strauch trägt oben auf Zweig und Zweiglein einen glitzernden weissen Streif, und Häuser und Thürme heben sich scharf vom winterklaren, blauen Himmel ab. In unseren Zimmern herrscht behagliche Wärme, und der Hauch der Harzer Weihnachtstanne durchduftet die Luft

Aber zwischen diesem lieblichen Weihnachtsbilde und uns ist eine ganze Erddicke. Hier in Belang macht der 24. December ein anderes Gesicht. Zwar hat sich die Temperatur bei dem reichlicheren Nachmittagsregen etwas der deutschen Winterstimmung genähert. Immerhin zeigt unser Minimalthermometer noch mindestens 21° C. als niedrigste Nachttemperatur an, das Quecksilberfädchen verlängert sich tagsüber kräftig, und es klettert und klettert, bis es mittags an 30° im Schatten erreicht, um dann gegen Abend auf 23–24° zu fallen. Das sind doch noch weihnachtswidrige Verhältnisse.

Draussen macht die tropische Natur dasselbe Gesicht wie im October, als wir sie zuerst erblickten. Ihr sommerliches Antlitz bleibt das ganze Jahr bestehen. Keine Winterstimmung, trübe mit kahlen Bäumen, Nebel und kaltem Regen oder klar und frisch mit Rauhreif und Schnee auf Busch, Baum und Flur, kein milder, sonnig schöner Frühling, kein Herbst mit gelben und rothen Blättern. Frühling, Sommer, Herbst greifen hier am nullten Breitengrade durcheinander.

Wie immer erhebt sich die Sonne gegen 6 schnell aufsteigend aus dem Meere, wie immer umhüllt sie die stattlichen Palmenwipfel mit grünem Schein und lässt sie die grossen Blüthen der Schuhblume in leuchtendem Roth erstrahlen. Alles grünt und blüht wie früher. Eine ausgesprochene Regenzeit haben wir hier nicht. Jeder Tag bricht mit hellem Sonnenglanze an. Gegen 2 oder 3 regnet es eine gute Stunde, und dann ist der Abend so strahlend schön wie der Morgen.

Frau Else meinte, es sei in dieser Sonnenglut unmöglich, eine rechte Weihnachtsstimmung herzuzaubern, und wir hatten, uns bereits darin gefunden, das schöne Fest nur in Gedanken an die deutsche winterliche Heimath zu feiern. Als aber am späten Nachmittage die Schatten der Mangabäume und Kokospalmen sich auf unser Haus legten und frische Kühlung von den Bergen wehte, da tauchte doch eine kleine Weihnachtssehnsucht in uns auf. Wir schauten uns nach einem Baume um. Tannenartige Gewächse giebt es nur oben im Gebirge, ein hübscher Muskatnussbaum thats mit seinem gleichmässigen Rundbau aber auch. Unter allseitiger Hülfe, selbst unserer braunen Diener, ward er ausgeschmückt, und als er schliesslich in seiner Lichterfülle, im Schmuck von Backwerk und Lametta aus Hannover erstrahlte, war nun doch ein Weihnachtsfest da. Kleine Geschenke, meist trinkbarer Art, wurden schnell aus dem Vorrathsraum geholt, auf dem Weihnachtstische aufgebaut, und schliesslich klangen sogar nach dem Abendessen Gläserklang, Weihnachtslieder und Studentensang in die monddurchglänzte Tropennacht. Für unsere Belanger war das ein überraschender Genuss. Allmählich sammelte sich das halbe oder ganze Dorf auf der Strasse vor unserer Veranda an, auf der unser Baum im Lichterscheine stand, denn selbstverständlich feierten wir unser tropisches Weihnachten im Freien. Alt und Jung, Männlein und Fräulein guckten sich die Augen aus nach dem Feuerbaum und lauschten auf die fremden Klänge des Liedes vom Tannenbaum, von Deutschland, Deutschland über alles, der Wacht am Rhein, der Lindenwirthin und was sonst noch für uns möglich war zu singen. Dass dieser Sängerabend noch verhältnissmässig gut verlief und wir mit unseren Liedern nicht gleich beim ersten Verse stecken blieben, dafür sorgte ein kleines Commersbuch, das stets mitzunehmen wir jedem Reisenden nur empfehlen können.

Nachdem Badjo und Martin, die wegen der auch ihnen zugefallenen Geschenke mit der europäischen Einrichtung eines Weihnachtsfestes sehr zufrieden waren, die Kerzen ausgeblasen hatten, hielt es uns mit Erinnerungen an die Heimath noch lange bis nach Mitternacht in der freien lauen Luft, und als wir uns schliesslich zu Bett verfügten, war es allmählich wohl in Hannover so weit, den Tannenbaum im Lichterglanz erstrahlen zu lassen.

Ein unfreiwilliges Weihnachtsgeschenk brachten wir noch den Ärmsten der Armen des Dorfes, den stets verjagten und geplagten Hunden dar, die sich in der heiligen Nacht auf unserer Veranda einfanden und ihren Hunger an dem herabhängenden Backwerk des Christbaums stillten.

Trotzdem hat unser stattlicher Muskatbaum noch zwei Abende ausgehalten, und als er am »dritten« Feiertage nochmals brannte, sah er trotz seiner ein wenig trüb herabhängenden Blätter noch ganz festlich aus. Dann überliessen wir ihn der Belanger Jugend, die sicher zum ersten und wohl auch zum letzten Male in ihrem Leben einen Weihnachtsbaum geplündert hat.


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