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Auf dem Marsche.

21. Zum Bromo.

Unser Weg führte uns nach Surabaja zurück, das wir ja beim ersten Javaaufenthalt nicht sonderlich lieben gelernt hatten, und an dem wir auch diesmal keine freundlichen Züge entdeckt haben. Das Schöne an Surabaja ist, dass man es schnell verlassen kann. Mit ein paar Stunden Eisenbahn- und Wagenfahrt vermag man seine staubige, heisse Atmosphäre, die wenn auch gemildert selbst in den Binnenhof des Hotel des Indes drang, mit der kühlen, erquickenden Luft der in der Nähe hoch an 4000 Meter aufragenden Vulkanberge zu vertauschen. Diesmal wechselten wir für Surabaja Tosari ein, das 1800 Meter hoch am gewaltigen Tenggerberge liegt. Das Vulkangebirge erscheint im Gegensatz zu der üblichen, kegeligen Gestalt der Feuerberge in weitausgreifender flacher Gestalt, sodass man seine auch an 3000 Meter betragende Höhe leicht unterschätzt. Sein Abhang ist von einer Unzahl von Thälern durchfurcht, die von der Bergeshöhe nach unten laufen und das Gebirge sehr malerisch wie aus lauter Coulissen aufgebaut erscheinen lassen.

Der Tengger ist der Gemüsegarten Javas. Der Wald ist hier fast vollständig gefällt, und an seiner Stelle erblickt man auf den steilen Thalflanken in sorgfältigst gehaltenen Anpflanzungen Mais, Kartoffeln, Kohl in reicher, aber etwas prosaischer Fülle. Interessanterweise stellen sich auf den Höhen europäische, wild gedeihende Gewächse ein, unsere Kappern, Vergissmeinnicht, Klee, Wolfsmilch u. s. w. Duftende Rosen schmücken die Gärten der Hotels in heimathlicher Art. Auch Weinbau hat man versucht, doch fehlt den Früchten der europäische Wohlgeschmack.

Der Frühzug brachte uns durch die Zuckerrohr- und reisreiche Ebene nach Pasuruan, ein Wagen mit flink trabenden Pferdchen nach Paserpan und ein anderer bald nach Puspu, sodass wir um 1 Uhr das Mittagsmahl schon in 600 Meter Höhe in kühler Luft einnehmen konnten. Unser Wirth war ein alter Schweizer, dem es schon an 40 Jahre in Indien gefiel. Wir blieben bis zum andern Morgen unter seinem Dache, um nicht zu schnell in die Bergkühle zu kommen. Dann gings in kleiner Karawane mit einigen Kofferträgern ins Gebirge durch verschiedene Dörfer hindurch. Es ist merkwürdig, dass der die Kälte scheuende Javane sich so zahlreich hoch am Tengger angesiedelt hat. Auf vielen, schmalen Bergesleisten, die am Gebirge hinablaufen, sieht man die malerischen Gruppen der Eingeborenenhütten. In der Nähe verschwindet die Poesie der Bilder. Man erkennt niedrige Holzbauten, oft ohne Fenster, und ein Blick ins Innere zeigt grade keine besonders anheimelnden, sauberen Verhältnisse. Die Tenggeresen scheuen offenbar etwas das Wasser. Kälte macht ja wasserscheu, und es ist wirklich reichlich frisch hier oben. Als wir am andern Morgen sehr früh bei klarem Mondenscheine in Tosari, wo ein sehr gutes Hotel Gesunden und Kranken Aufnahme gewährt, aus unserem Schlafpavillon ins Freie traten, kam es uns vor, als seien wir in eine frostige, deutsche Winternacht gerathen. Man sah den Hauch dick in der Luft und spürte die Kälte an Hand und Gesicht. Das Thermometer zeigte nur eine Wärme von 11½° Celsius, und das war für uns klappernd kalt. Erst als ich eine Tasse heissen Kaffee getrunken und zwei Kohlstockhemden übereinander angezogen hatte, wurde es erträglich.

Noch vor Sonnenaufgang marschirten wir los, denn es galt bei guter Zeit die Vulkanwelt hoch oben am Tengger zu erreichen. Ich zog es der Kühle und des Interesses an den Gesteinen wegen vor, zu Fuss zu steigen. Sitzt man im Sattel, so lassen einen die natürliche Faulheit und der schnelle Schritt des Pferdes leicht etwas verpassen. Ehe man recht den Entschluss gefasst hat, ein Ding genauer anzusehen, hat uns das Rösslein schon weiter und vorbei getragen. Wer sehen will, der muss nach deutscher Art das Wandern auch verstehen. Hier in den Bergen schafft ja das Gehen keinen Verdruss mehr wie in der schwülen Ebene, sondern ist ein Genuss, wie im deutschen Vaterlande.

Hoch oben am Tengger liegt eine wundersame Vulkanwelt, die in ihrer Grossartigkeit überwältigend wirkt, zumal sie mit einem Schlage vor dem Wandersmann erscheint. Einen schwachen Abglanz der Wirklichkeit bietet das Bild zu Anfang dieses Buches.

Man zieht auf krummen Wegen manche Schlinge den Berg hinan, und auf einmal öffnet sich unmittelbar zu Füssen ein weiter grossartiger Blick. Ohne vorher das Geringste von der vulkanischen Scenerie zu sehen gelangt man plötzlich an den steil und tief abfallenden Kraterrand des alten Tenggervulkans. Dieser schroffe Wall umschliesst einen in der Tiefe ausgebreiteten, wohl eine Quadratmeile grossen spiegelglatten Platz, der einem See nicht unähnlich ist. Es ist der dasar (Sandsee), und aus ihm erheben sich merkwürdige Vulkangestalten: der Batok, mit seiner regelmässigen Form einem ungeheueren Topfkuchen gleichend, der scharfgefurchte Widodaren und der niedrigere dampfende Bromo, der heilige Berg der Tenggeresen. Über allem thront im Hintergrunde der 3800 Meter hohe Smeru, der aus seinem hochragenden schlanken Gipfel von Zeit zu Zeit riesige Dampfwolken gen Himmel pafft. Ein wunderbarer Farbengegensatz in dem eigenartigen Bilde. Hier das Grün des hohen Kraterrandes, auf dem wir stehen, und der, allmählich in blaue Färbung übergehend, sich weit hinzieht. Zu Füssen die graugelbe Sandmeerfläche, in ihrer Mitte in grüngelbem Kleid die erloschenen Vulkane Batok und Widodaren, und wiederum in starkem Gegensatz dazu die weisslich graue niedrige Gestalt des dampfenden Bromo. Darüber die blaue Glocke des javanischen Himmels, und alles in grelles Licht getaucht.

Den steilen inneren Kraterabfall hinunter und dann über den sonnenbestrahlten, warmen Sand des dasar hinweg war es eine etwas mühsame Wanderung, hingegen erwies sich die Besteigung des nur 250 Meter aus dem steinernen See sich erhebenden Bromo als verhältnissmässig leicht, zumal an der obern steilen Hälfte eine Holztreppe das Klettern natürlich wesentlich unterstützt. Sie wird jährlich erneuert vor den grossen Festen und Versammlungen, die die Tenggeresen zu Ehren ihrer heidnischen Götter auf dem Sandsee abhalten. Die Priester steigen den Bromo hinauf, wenn es angängig ist auch in den Krater hinunter, um Hühner und Früchte zu opfern. Bei unserem Besuch gestattete nicht allzu heftige Thätigkeit des Bromo einen guten Einblick in seinen grauen vulkanischen Riesentopf, in dessen Tiefe es mit gewaltigem Brausen und Zischen kochte. Die unteren Wände und ein Theil des Bodens waren mit einem grellen, knallgelben Schwefelbeschlag belegt, der sich aus den an schwefliger Säure und Schwefelwasserstoff reichen Dämpfen abgesetzt hat.

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Der Krater des heiligen Bromovulkans.

Nachdem wir uns an dem Höllenpfuhl satt gesehen und satt gehört, ihm und seiner Umgebung eine Reihe photographischer Platten geweiht hatten, gings den Bromo aussen wieder hinunter, quer durch den jetzt in der Mittagshitze wie die Sahara glühenden Sandsee hindurch, unter manchem Schweissvergiessen den, wie es einem innerlichen Kraterabhang zukommt, ungemein steilen Abfall hinauf und allgemach dem Tosarihotel wieder zu.

Am anderen Morgen noch ein Stündchen auf der aussichtsreichen Veranda vor dem Rosengarten: tief unten die grüne Ebene, rechts das im weissen Nebel des Ostmonsuns verschwimmende Meer und die Insel Madura, links das herrliche Bild schlank und steil aufragender Vulkane, der Ardjuno, Ringit und Walirang, alte Freunde, deren Anblick uns im vorigen Jahre in Prigen erfreute.

Bei dem Ritt abwärts tauchten wir fühlbar mehr und mehr in die Glut der Ebene hinunter, deren Atmosphäre uns nach dem Genuss der kühlen Höhenluft doppelt drückend erschien. Aber erst der Gegensatz schafft richtige Würdigung der guten Dinge.


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