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Der Gunung Api (Feuerberg) Saputan, Minahassa, Celebes.

17. Zum Krater des Saputan.

Vor vielen undenklichen Jahren war die jetzt so lieblich schöne, grüne Minahassalandschaft der Schauplatz stürmischer vulkanischer Thätigkeit, eine Stätte der Zerstörung alles Lebendigen. Man findet als Zeugen dieser Zeit weit verbreitet einen gelben vulkanischen Tuff, oft schön durch Bimssteinstücke gefleckt, das Produkt kolossaler Eruptionen, die viele Quadratmeilen Landes unter vulkanischem Schutt begruben. Vielleicht lag in der Gegend, die jetzt zwischen steilen Bergzügen der See von Tondano einnimmt, eine Centrale, von der aus die viele Meter dicken Bimssteinlagen auf das umliegende Land geworfen oder als Schlammströme ergossen wurden, deren Unterlage jetzt nur noch vereinzelt aus dem darüber ausgebreiteten Schleier der Eruptionsmassen heraussieht. Die vulkanische Thätigkeit ist nun aber auch später nicht erloschen und klingt in unsere Tage herüber. Leise Erdbeben erschüttern noch recht oft den Boden, und von Zeit zu Zeit mahnen ungestüme Ausbrüche daran, dass die Kräfte der Tiefe unter der Minahassa nicht erloschen sind. So haben sich denn an vielen Stellen über den alten Bimssteintuffen bezw. ihrer Unterlage neue vulkanische Massen ausgebreitet. Schwarze Lavaströme sind verheerend ins Land ergossen, und mächtige Feuerberge haben sich um Ausbruchstellen bis hoch zur Wolkenhöhe aufgebaut. Doch zumeist grünt und blüht die Vegetation in übergrosser Fülle bereits wieder über den aus der Tiefe emporgedrungenen einst gluthflüssigen Gesteinsmassen. Nur dort, wo in jungen Jahren erst die Ausbrüche erfolgten, liegt die Natur noch steinern, ohne den Schmuck von Baum und Strauch und bildet dann einen wundersamen Gegensatz zu der üppigen Pflanzenwelt in der Umgebung. Eine solche Stelle ist der Saputan, der sich finster als mächtiger brauner Kegel neben dem schon wieder grün umkleideten Manimporok aus der südlichen Minahassa erhebt. Er hat früher vielfach Unheil über das Land gebracht, zum letzten Male 1838 unter gewaltigen Explosionen an sieben Tage lang das Land mit Asche, Staub und Steinen überschüttet und in Wüste verwandelt, die nun aber schon bis auf den eigentlichen Feuerberg und kleinere Strecken an seinem Fusse von der unaufhaltsam vordringenden Pflanzenwelt wieder in Besitz genommen ist.

Von Belang, unserem Wohnsitz an der Celebesküste, ist der Fuss des Vulkans leicht mit einem halben Tagesritt zu erreichen; natürlich habe auch ich unserem feurigen Nachbar meinen Besuch gemacht und meine Karte in einer geleerten Flasche an seiner Höllenpforte niedergelegt. Mein Weg, den ich mit drei leidlich kräftigen Malayen einschlug, führte über Lewutong nach Tombatu, wo ich nächtigte und einen Führer für den Weg durch den Wald bis zum Fusse des Vulkankegels anzuwerben dachte. Dabei stiess ich aber auf unerwartete Schwierigkeiten. Die Leute betrachten einmal schon den Vulkanriesen selbst mit grosser, wohl zu verstehender Scheu und haben Angst, die Ruhe des im Berge schmiedenden Gottes zu stören. Dann aber lieben sie seinen Besuch auch deshalb nicht, weil Schaaren von kleinen Ochsen (sapi utan genannt) auf dem Berge und im Walde in seiner Nähe hausen. Es lässt sich allerdings mit einem solchen Gethier, das sogar ohne eigentlichen Grund, ungereizt, den Menschen annimmt, nicht spassen. Doch schien mir die Angst der Leute immerhin stark übertrieben. Mein mit Hülfe des Obersten im Dorfe, des Hukumbesaar, gefundener Führer wünschte zu seinem und meinem Schutze bescheidener Weise nur noch etwa 50 andere Leute mitzunehmen. Das konnte ich aber schon wegen meines auf solche grosse Heereszüge nicht geaichten Geldbeutels keinenfalls zugestehen, und billigte ich ihm nur noch einen Mann zu. Ich hatte meinen guten Grund dafür. Wenn nämlich eine wilde sapi utan Bestie auf uns losstürzen würde, so konnte ich ganz fest darauf rechnen, dass sämmtliche 51 tapfere Malayen im Handumdrehen spurlos in Busch und Wald verschwunden sein würden und ich doch allein den Ochsenbesuch zu empfangen haben würde. Fernerhin ist es immer bedenklich, mit einer grossen Zahl von Leuten einen geröllreichen Berg hinauf oder hinabzuklettern, da die unter den Tritten der oberen sich lösenden Steine leicht den unteren Schaden bringen. Zu seinem Troste schleppte mein Malaye noch eine alte Flinte an, die nun aber wieder mir gefährlicher schien als ein wilder sapi utan, denn sie sah so altersschwach und mürbe aus, als könnte sie beim nächsten Schuss nicht nur vorn, sondern auch nach hinten und allen Seiten losgehen, zumal der Besitzer eine unglaubliche Patrone aus Pulver, Blei und Kokosfasern zusammenstopfte.

Nun gings also morgens früh in kleiner Karavane von 6 Mann los, entlang an schönen grünen Reisfeldern, vorbei an merkwürdigen Gräbern mit bunt bemalten Laden und Miniaturhäuschen mit voller malayischer Einrichtung für die Seelen, und auf schmalem Pfade hinein in den Urwald, der uns mit seinem grünen Lichte dann stundenlang umschloss. Für mich war es ein schöner Ritt, für meine Leute aber ein höchst unangenehmer Marsch, denn unzählige Blutegel hefteten sich an ihre nackten Füsse und Beine, sodass diese bald ganz mit Blut bedeckt waren. Alle Viertelstunde musste Halt gemacht werden, um die Sauger abzulesen. Ihre Bisse können bösartige Geschwüre veranlassen, zumal wenn man die Plagegeister abstreift. Die Malayen wissen sie durch Tabackspeichel zum Loslassen zu bringen. Von der in Celebes nicht seltenen Milbenplage, der Gonnone, blieben wir dies Mal glücklich verschont.

Den Aufstieg zum Kratergipfel hatte ich für die Nacht geplant, und so legten wir uns, nachdem bescheiden abgekocht war, auf Holzpritschen, die wir in einem verlassenen Hüttchen im Walde vorfanden, um 6 Uhr abends, als das Dunkel schnell im Walde einbrach, zur Ruhe nieder.

Eine Nacht mitten im Urwalde hat einen romantischen Charakter, so auch hier am Fusse des einsam in Celebes aufragenden Saputanberges. Mein niedriges Hüttchen bestand lediglich aus einem löcherreichen, einseitig schrägen Dach, das auf ein paar Pfählen ruhte, war also ringsum offen. Von der niedrigen Knüppellagerstätte konnte ich den Blick frei in die schwarze Nacht ringsum richten, zu dem Gewölbe der Bäume, durch deren Wipfel hier und da ein Sternlein blinkte. Neben meinem Lager suchte sich mein Pferd einiges Gras, in Busch und Baum zirpten unzählige Insekten, in den Zweigen gellte oft durchdringend ein lauter Vogelschrei, in den dichten nahen Büschen knackte und stampfte es zuweilen von den Tritten vorüberziehender Thiere, wahrscheinlich der sapi utan. Der Zauber der Nacht wurde dadurch ein wenig beeinträchtigt, zumal ferner hier in der Wildniss am Saputan auch grosse Schlangen und anderes niedere, kriechende und gelegentlich auch beissende Gethier, wie lange Tausendfüsse, nicht ganz selten sind. Eine unangenehme Zugabe zur Romantik gab es noch in Schaaren blutgieriger Moskitos, die sich mit der Dunkelheit einstellten und uns das Leben sauer machten. Trotz der Schwüle hüllte ich mich in meine lange Decke wie in einen Sack; meine armen Begleiter, die zuerst am nackten Körper von den Mücken arg zugerichtet wurden, halfen sich dadurch, dass sie Knüppellagerstätten neben dem Feuer errichteten, dessen Qualm die Plagegeister aus dem Felde schlug.

Unter diesen Umständen kam es, dass wir recht oft aufwachten, und manche Viertelstunde verging, in der ich in die dunkle Nacht sah und hörte. Nach Mitternacht schimmerte goldenes Mondenlicht durch die Wipfel, sodass wir den Marsch antreten konnten, der uns noch ein Stückchen durch den Urwald und dann ins Freie brachte. Schon am Tage vorher hatte ich mir die günstigste Stelle für den Anstieg ausgesucht. Da lag nun eine hügelige, zum Saputan ansteigende schwarze Sandfläche vor uns, über der breit und gewaltig als mächtiger Schattenriss der eigentliche Kegelberg sich erhob. Hinter uns weiter dunkler Wald, der sich auch links und rechts ein wenig gegen den Saputan hinzog, sich aber allmählich in kleines Buschwerk verlor, aus dem einzelne hochragende indische Tannen emporstrebten.

Mein tapferer Führer wollte über den schwarzen vor uns liegenden hügeligen Platz nicht vorangehen, wie es eigentlich seine Pflicht als Wegkundiger war. Es lag ihm wieder die sapi-Furcht in den Gliedern. Allerdings hatten wir tags zuvor ausserordentlich viel Spuren der Waldochsen hier gesehen, ja förmliche ausgetretene Wege. So spielte ich denn meinen eigenen Führer, und wir gelangten auch ganz unangefochten an den steilen Anstieg. Die sapi wichen uns vernünftigerweise aus, wie wir am Geräusch abziehender Thiere merkten. Der Aufstieg am Saputankegel war stellenweise ziemlich schwierig, weil einmal die Neigung des Bergmantels oft ausserordentlich gross, gewiss zuweilen an 30-35° ist, und dann weil er überall von lose liegenden Bomben der Kanonade vom 1838er Ausbruche bedeckt ist. Am Fusse des Kegels sind diese Auswürflinge im Allgemeinen klein, erbsen- bis wallnussgross, natürlich untermischt mit einzelnen grösseren, ja zuweilen ganz gewaltigen Blöcken. Nach oben zu werden die Bomben im Durchschnitt grösser, bis faustgross und mehr, und sie liegen hier, wo die Steilheit des Berges sehr bedeutend ist, sehr lose, rollen unter dem Schritt und kollern oft mit mächtigem Gepolter in die Tiefe. Es ging deshalb nur langsam vorwärts, Richtung: stracks auf den Gipfel, wo ein mächtiger Felsen, den ich zu Ehren meiner Frau batu Else (Elsenstein) getauft habe, sich gegen den nächtlichen Himmel abhob. Als das Kreuz des Südens schon horizontal lag und die Morgenröthe sich leise am Himmel zeigte, waren wir auf dem Gipfel angelangt. Es lag alles noch im Dämmerlicht, das die vielen glitzernden Sterne und der halbe Mond erzeugten. Um so gewaltiger war der Eindruck, den der plötzlich vor unseren Füssen sich öffnende, vom scharfen Bergrande als ungeheurer Schlund sich abstürzende Kraterkessel machte. Es ist ein ganz gewaltiges Loch, das hier in der Axe des Kegelberges ausgeblasen ist, wohl an 400 Meter im Durchmesser und an 250 Meter tief.

Auf der höchsten Spitze des schmalen ausgezackelten Kraterrandes erwarteten wir den jungen Tag, der in strahlender Schönheit hereinbrach, erst mit rothen, grünen, blauen Farbensäumen auf dem hohen Meereshorizonte, bis dann der rothe Sonnenball aus der Fluth sich erhob und sich in ihr in langem Streifen spiegelte. Alsbald lag heller Sonnenschein auf dem Landschaftsbilde unter uns, und das goldige Licht drang auch schnell weiter und weiter in den Kraterkessel hinab. Seine ganze Tiefe konnte man nicht ermessen, da unten steilabstürzende Wände den Schlund verdeckten. An den schroffen Innenflächen zogen sich rothe Geröllhaufen hinunter. An den wechselnden rothbraunen und röthlichweissen Streifen liess sich der Aufbau des Vulkans aus übereinandergeschichteten Bomben- und auch wohl Lavalagen erkennen, die nun wieder von radialen Gängen wie von zackeligen Mauern durchschnitten wurden. An einzelnen Stellen, die sich schon von ferne durch Bleichung kenntlich machten, stieg Rauch empor.

Und nun ein Blick auf das meerumschlungene Land zu meinen Füssen. Der nördliche Zipfel der schmalen Insel Celebes, die ganze Minahassa, lag tief unten ausgebreitet, dazu noch ein gut Stück des Reiches Bolang Mongondo, alles eingebettet in das fast 2000 Meter unter uns liegende blaue Meer. Die Landschaft grün bis auf den finsteren Kegelberg, auf dem wir stehen; so weit das Auge ins Land reicht, Wälder, hohe Berge, Höhenzüge. Nur sehr schwer bemerkt man einzelne braune Dörfer.

Besonders lieblich ist der Blick nach Norden, wo dem Saputan sich malerische Bergformen anschliessen und zwischen schön geschwungenen Gebirgszügen der grosse See von Tondano sich lang ausbreitet und wo, alles überragend, die mächtigen Vulkangipfel der Lokongruppe, des Malayischen Göttersitzes, und der Klawat sich erheben.

Nach den Mühen einer langen Wanderung und beschwerlicher Kraxelei hoch oben von dem einsamen Celebesberge in die feierlich stille Landschaft zu sehen, fern ab vom Treiben der Menschen diese wundervolle Natur, die gleichsam für uns allein hier ausgebreitet liegt, zu betrachten, weithinein in noch unerforschte Länder zu schauen, was ist das für ein beglückendes Gefühl! Man ist dem Schicksal dankbar, das uns diesen Genuss im Leben bereitet hat und fühlt sich froh und frei, durch eigene Wanderarbeit über all das menschliche Getriebe gestellt. Europa liegt so fern, und nur der Zauber unverfälschter Natur wirkt auf uns ein. Dazu kommt die frische Kühle der Bergesluft, deren 11° C. wir wie einen frischen Trunk empfanden nach der Treibhausatmosphäre des niederen Geländes.

Noch ein halbes Stündchen, bis die Wolken kommen werden, dürfen wir von der hohen Warte des kahlen, schwarzen Berges in die grüne Landschaft sehen. Allmählich erobert sich die Vegetation an seinem Fusse verlorenes Gelände bereits wieder, doch wirds noch lange dauern, ehe sie das schwarze vulkanische verbrannte Land ganz mit ihrem grünen Teppich zugedeckt hat. Nichts bürgt aber anderseits dafür, dass die schöne Landschaft im Umkreise nicht von neuem dem Verderben preisgegeben wird oder gar die ganze Minahassa, wie einst das Königreich Temboro, dem Untergang verfällt. Vielleicht wird bald wieder die Erde von den Molukken bis Sumatra erbeben, das Meer in wilde Bewegung kommen, Schiffe ans Land werfen und Wälder, Häuser, Menschen hinwegfegen, der Tag zur Nacht verfinstert werden und alles Lebendige in dem Regen von feurigen Steinen und der Aschenmassen den Tod erleiden.

Wir wünschen, dass ein gütiges Geschick das schöne Land zu unseren Füssen vor solchen vernichtenden Gewalten der Erdtiefe bewahre!

Und nun muss geschieden sein. Weisse Wolkenballen erheben sich schon aus der Tiefe zwischen Saputan und seinem älteren Nachbar Manimporok, in dessen weitaufgerissenen Kraterschlund wir hineinsehen können. Hier und dort fliegen Nebelballen an unseren Kegel heran und bleiben an ihm hängen: der Saputan setzt wie gewöhnlich gegen Mitte vormittags seine Wolkenmütze auf. Also zurück am Abhang hinunter.

Der Abstieg auf den losen Rollsteinen war noch unangenehmer als der Aufstieg. Schliesslich kamen wir aber doch, abgesehen von einem etwas zerschlagenen Knie, das ich mir bei einem Sturze holte, leidlich wohlbehalten in dem Hüttchen wieder an, reich belohnt für die Anstrengungen der Nacht und des Tages.


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