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Lagune an der Küste bei Belang, Minahassa, Celebes.

12. Posso. Auf verbotenen Wegen.

Dieses Erinnerungsblatt schreibe ich unter idyllisch einfachen Verhältnissen auf der Insel Bahoi. Die auf der Erde liegende Tasche meines photographischen Apparates dient als Schreibtisch; ich habe mich davor auf meinem Regenmantel ausgestreckt. Einige zwanzig Schritt vor und unter mir eine blaue Meeresstrasse, so breit und schön wie der Rhein bei Königswinter. Rechts neben meinem Lagerplatz steht ein Hüttchen, vier Pfähle und ein schräges Dach, für einige unserer Arbeiter, die mit Fällen und Sägen von Holz beschäftigt sind, damit wir einen Meiler für den Bedarf an Holzkohle im Laboratorium bauen können.

Es ist Mittagsluft, flimmernd hell und warm. Doch macht ein leichter Wind, in dem die Wipfel der hohen Laubbäume und Kokospalmen über uns leise rauschen, den Aufenthalt im wunderschönen urwüchsigen Walde an diesem dritten Märzentage ganz erträglich, sodass ich sogar das Schreibewerk nicht scheue, die Erinnerung an die letzten Tage zu Papier zu bringen.

Durch die schöne, schmale Meeresstrasse, die da zwischen dem smaragdgrünen Festland von Celebes und den Bergen von Bahoi sich hinzieht, sind wir vor drei Tagen gerudert, um dem Dorfe Kotabuna und alten Goldwäschereien, die in der Nähe liegen sollten, einen Besuch abzustatten. Nachdem wir auf Pulu Babi gelandet und dort in der Unterschlupfhütte von abends 9 bis morgens 5 geschlafen hatten, hielten wir Kurs quer über die weite Totokbucht auf die langgestreckte Inselreihe Dakukaju, und als wir auch diese im Rücken hatten, lag unabsehbar das blaue Molukkenmeer nun grade vor uns, während rechts und links die lange Küste von Bentenan bis weithin zum Cap Flesko sich erstreckte. Die heisse Sonne tauchte alles in flimmerndes Licht, und eigenthümliche Strahlenbrechungen lösten Küste und Inseln in Perlenreihen auf, die über dem Meere zu schweben schienen. Weit in der Ferne liessen sich die Hütten von Kotabuna erkennen und der Palmenhain, der in üblicher Weise das Dorf umgiebt. Dennoch mussten unsere Leute noch gut drei Stunden kräftig rudern, ehe wir ans Ziel gelangten. Einige Abwechslung verschafften Heerden schwarzer Schweinsfische (ikan babi), die mit gewaltigem Prusten und Schnaufen nahe der Oberfläche des Meeres dahinzogen, auch gelegentlich mit kräftigem Schwünge an 1–2 m in die sonnige Luft hineinschnellten.

Kotabuna ist noch lange keine Grossstadt, ja selbst gegen unser Belang ein ziemlich klägliches Nest. Kein Garten umgiebt die Hütten, und keine Strasse gliedert sie in Komplexe. Überall Baufälligkeit, niedrige schiefe Häuschen, wenig Sinn für Reinlichkeit. Wenn trotzdem auch dies Kotabunesische Bild seine Reize hatte, so lags an der verschwenderischen Natur, die mit Baum- und Strauchwuchs alles vom Menschen gräulich Errichtete und Vernachlässigte mit ihrem schönen, grünen Rahmen umkleidete. Nur ein mit Wellblech gedecktes, ziemlich stattliches Haus hob sich günstig aus dem Zerfall heraus. Es gehörte einer Anzahl Araber, die hier durch Handel mit Ebenholz und durch fleissiges Betrügen der Eingeborenen allmählich reich geworden sind.

Am Strande empfing uns ein Schweizer, Herr Weber, künftiger Administrator der zu gründenden Goldbergbaugesellschaft Kotabuna, der uns durch freundliche Einladung sehr zu Dank verpflichtete. Auf den Bericht meines Vorhabens, die Goldwäschereien bei Kotabuna zu besichtigen, musste er zu seinem grossen und unserem noch grösseren Bedauern mittheilen, dass jeglicher Besuch der Berge hier bei Kotabuna posso, das heisst durch Fosso, das ist Aberglauben, verboten sei.

Die Einrichtung des Fosso bringt mit sich, dass für den Fremden ziemlich alles posso ist. Fosso ist ein alter, alfurisch heidnischer Gebrauch, den die Kotabunesen neben ihrem Muhamedanismus walten lassen. Es handelt sich dabei um die Austreibung böser Geister aus Dorf und Land, und zwar sucht man ihnen das Verweilen durch Anzünden grosser Feuer, Aussprengen von Blut, Aufrichten von Altären und durch Gebete zu verleiden. Während der Fossozeit ruht alle Arbeit ausser den nothwendigsten Verrichtungen des täglichen Lebens. Daher kommt es dem Malayen recht gelegen, wenn das Fest lange ausgedehnt wird, denn was wäre ihm lieber als offiziell und zu Ehren einer guten Sache faulenzen zu dürfen. Ferner ist es verboten, bestimmte Gebiete z. B. des Dorfes oder der Berge zu betreten bezw. zu verlassen.

Die Fossofeiern wiederholen sich jährlich und werden auch zwischendurch nach Bedarf oder Neigung abgehalten. Im vorliegenden Falle schien es eine Massregel gegen unseren Gastgeber Weber zu sein, der in Kotabuna gelandet war und seit einigen Wochen als einziger Europäer unter dem braunen Volke hauste, um Fühlung mit den Eingeborenen zu gewinnen und den Goldbergbau vorzubereiten.

Mit dem Plane der Aufrichtung einer Goud-Maatschappij war anscheinend nun die Bevölkerung nicht einverstanden und trotz Vertrag und Zusicherung wohl auch der hier herrschende Radja nicht. Nach langem, über Tage und Wochen sich hinziehenden Warten, Parlamentiren, feierlichen Brief- und Botensendungen war es Herrn Weber gelungen, Audienz beim Staatsoberhaupte und auch beim Dorfschulzen zu erlangen. Doch das Ergebniss war und blieb posso. Da Weber natürlich, schon in Anbetracht seiner einsamen Lage, kein Zerwürfniss mit dem Volke herbeiführen durfte, so hatte er noch keinen Schritt ausserhalb des Dorfes thun können. Fosso verschloss ihm die goldreichen Berge. Bald mussten erst noch drei seltene Fische im Meere gefangen werden oder ein Wildschwein im Walde, um den bösen Geistern würdige Opfer bringen zu können, bald hatten die Vögel ungünstig geschrien, drum Fosso und immer weiter Fosso.

Da waren wir durch das unglückselige posso in eine unerfreuliche Lage gekommen und konnten uns gefasst machen, den weiten Ruderweg umsonst gemacht zu haben. Jedoch beschlossen ich und mein Begleiter, unser Administrator aus Belang, jedenfalls den Versuch zu machen, zu den Goldlagerstätten trotz des Verbotes zu gelangen, von dem wir ja sozusagen amtlich keine Kunde erhalten hatten. Natürlich konnten wir uns nicht verhehlen, dass wir ein mehr oder minder gefährliches Wagniss hiermit unternahmen.

Einer meiner Leute, Zacharias mit dem Menschenfressergesicht, hatte früher eine Reihe von Jahren bei Kotabuna gearbeitet und behauptete, alle Goldstellen genau zu kennen. So zogen wir zwei Europäer dann mit dem Zacharias los in den Wald. Als Tröster für etwaige unangenehme Fälle hatten wir einen Revolver und eine Flinte mitgenommen.

Der Weg ging durch die baumreiche Niederung, in der noch einige zu Kotabuna gehörige Häuser, auch das des Radja, zerstreut liegen, zu einem geröllreichen Bache. Keiner der uns begegnenden Eingeborenen sagte uns überraschender Weise ein unfreundliches Wort, ja es war befremdlich, wie so sehr wenig sie uns überhaupt beachteten, eine Gleichgültigkeit, die sich sogar auf die Dorfhunde übertragen zu haben schien. Wir kamen glücklich aus dem im Busch verzettelten Dorfe heraus und kletterten nun auf schmalem, aber ganz leidlichen, stellenweise allerdings treppensteilen Wege in kräftiger Mittagshitze und natürlich unter vielem Schweissvergiessen den Berg hinan. An einem lauschigen Platze wurde Halt gemacht und Zacharias in eine Kokospalme geschickt, um einen kühlen Trunk »Klapperwasser« zu holen. Nach Malayenart kletterte er wie ein Affe auf den hohen, schlanken Baum, den Rücken gekrümmt, die Füsse gegen den Stamm gestemmt, den er mit ausgestreckten Armen umklammerte. Nach der köstlichen Erquickung gings dann weiter. Doch der gute Zacharias flösste uns bald Bedenken ein, nicht etwa dass er uns gefährlich werden könnte, sondern bezüglich der Gründlichkeit seiner Kenntniss Kotabunesischer Goldfelder. Die zu suchende Goldgrube der Malayen sollte erst nur auf etwa 2 paal, also rund 3 Kilometer, Weges liegen, allmählich entfernte sie sich im Verlauf seiner Rede immer weiter, war schliesslich 12 paal weit, und zu allerletzt sollten Bienenschwärme den Zugang sehr misslich und bedenklich unangenehm machen. Es war also nichts mit der Weisheit Zacharias, und als er uns zumuthete, noch eine Stunde in einem in enger Schlucht steil den Berg hinabrauschenden Bache aufwärts zu kriechen, streikten wir und erklärten für heute den Rückzug nach Kotabuna, um morgen nochmals einen Versuch zu machen.

Inzwischen hatte sich wohl die Kunde von unserem Marsche nach den Bergen verbreitet. Wir fanden auf dem Rückwege an einigen vier oder fünf Stellen den Weg durch frisch gefällte Bäume versperrt, auch verschiedentlich über ihm an Zweigen schwer herabhängende Steine oder klöppelartig behauene Baumstämme in Rotanschlingen aufgehängt. Wären wir in der Dunkelheit zurückgekehrt, so hätten wir uns wohl einige Beulen holen können. Vielleicht galt uns auch ein dicker Felsblock, der an einer steilen Wegstelle hinter uns herkollerte. An einem Hause war man mit Altarbauen beschäftigt, wahrscheinlich um die Eindringlinge wegzuräuchern. Jedenfalls kamen wir aber sicher und wohlbehalten bei Herrn Weber wieder an, leider allerdings ohne ein Fünkchen kotabunesisches Gold gesehen zu haben. Da aber auch hier in Kotabuna mit Geld und Worten etwas zu erreichen sein musste, thaten wir uns nach einem anderen Führer um und fanden ihn denn auch mit Hülfe der in dem Dorfe ansässigen Araber in dem Sohne vom früheren Dorfschulzen. Zwar kannten die Araber gleichfalls die Goldfundstellen, hatten aber Angst, sie zu verrathen, weil sie natürlich mit Recht fürchteten, dadurch in Verwickelungen mit dem Radja und den Dorfbewohnern zu kommen. Solche Angst hatte allerdings der neue Führer auch; er hoffte aber im Schutze der Dunkelheit uns ungesehen durch Dorf und Wald bringen zu können. So wurde demnach als Aufbruchszeit morgens 4 Uhr festgesetzt. Wir legten uns, befriedigt von der neuen Aussicht auf Erfolg, zu Bette, d. h. in diesem Falle auf die auf dem Boden ausgebreiteten Matrazen und waren grade am Einschlafen, als uns ein mächtiges Poltern im Hinterhause wieder munter machte. Die Ursache lag in einem dicken Stein, den man als Abendgruss ins Haus geschleudert hatte. Er hat aber wenig Schaden angerichtet. Die beiden malayischen Diener, die wir der Sicherheit wegen vorn auf der Veranda schlafen liessen, wollten auch einen Steinwurf erhalten haben. Wir wussten ja nun, dass man uns hier im Dorfe nicht grade hold war. Unwillkürlich fielen einem allerlei Mordgeschichten ein, von denen man mir früher erzählt hatte. Für feiges Gesindel sind die malayischen Pfahlbauten wie geschaffen. So berichtet man, dass die Kerle mit Lanzen oder Säbeln unter die hochstehenden Hütten gehen, auf derem Boden verhasste weisse oder auch braune Gäste schlafen, dass sie durch die Ritzen zwischen den Brettern der Fussböden gefährliche Stiche nach oben ausführen oder auch mit langen Speeren durch die Fensteröffnungen stechen. Eine andere Art des Umbringens besteht darin, den Schläfer zunächst mit Hülfe eines langen Blaserohrs, dessen Ende man in seine Nähe bringt, und durch welches man böse Dämpfe schickt, sanft zu betäuben. Nicht unbeliebt soll es auch sein, dem Essen die feinen vom jungen Bambus leicht abzuschabenden Härchen zuzusetzen, die gefährliche Darmleiden hervorrufen.

Nun uns ging es nicht so schlimm. Morgens in aller Frühe weckte mich der Führer aus friedlichem Schlafe. Schnell wurde Toilette gemacht, eine Tasse Kaffee getrunken und abmarschirt. Es war eine wundervolle Nacht. Heller Mondschein schien durch die Lücken in den Baumwipfeln auf den grasigen Boden, und die Sterne blinkten am Himmel. Der Kotabunese ging mit unhörbaren Schritten eilig voran, während wir mit einigem Stolpern über Baumwurzeln, morsche Stämme u. s. w., die man in dem dunklen Waldschatten nicht deutlich sah, hinter ihm her stapften. Dann kam als Nachhut Zacharias mit der Flinte. Ringsum zirpten und piepsten Millionen Insekten im Walde, und von Zeit zu Zeit gellte ein warnender Vogelschrei: Huáo. Unser malayischer Führer war aber aufgeklärt genug, sich um dieses schlimme Zeichen nicht zu kümmern und nicht umzukehren, wie wir fürchteten. Der versprochene Lohn hielt ihn wohl bei der Stange.

Nachdem wir eine Zeit lang den Weg vom Tage vorher verfolgt hatten, auch an den Bach gekommen waren, aus dem jetzt zwei Wildschweine, die ihren Morgentrunk nahmen, wie der Wind bei unserem Nahen fortstürzten, bog der Führer links ab, und kurz nach dem strahlendem Aufgang der Sonne gelangten wir zu einem gelbroth leuchtenden, schroffen, steinigen Hügel von etwa 50 m Höhe, von dem die Kotabunesen schon seit vielen Jahren Golderze geholt haben. Er erwies sich als ein interessantes Vorkommen, stellt nämlich eine Verkieselungszone im Andesit dar, der hier besonders in zahlreichen Quarzschnüren mancherlei Kiese und auch Gold enthält. Die Eingeborenen suchen den leicht kenntlichen Quarz aus, zerschlagen ihn in Steinmörsern und waschen das Pulver sorgfältig in dem Bache, der an der einen schroffen Seite des gangartigen Vorkommens fliesst. Der gewonnene Goldstaub wird zusammengeschmolzen und verkauft. Früher bezahlten die Kotabunesen alle ihrem Radja zu entrichtende Steuer mit solchem Golde. Und noch vor kurzem brachte mir einer ein Klümpchen von 9 gr Schwere.

Wir hatten die Befriedigung das interessante Vorkommen trotz posso gesehen zu haben und traten, nachdem ich den Hügel möglichst eingehend studirt und für spätere Untersuchungen reichlich Material eingesackt hatte, den Rückzug an.

Um seine Schuld nicht allzu sehr zu häufen, war der Führer dem eigentlichen Goldhügel fern geblieben. Er erwartete uns an dessen Fusse, warnte mich der bösen Geister wegen auf einen schönen schlanken Vogel zu schiessen, der sich über uns in einen Baumwipfel setzte und brachte uns dann, nachdem wir die Erzschätze in Blätter gewickelt, zu einem Bündel vereinigt und dem Zacharias aufgeladen hatten, wohlbehalten nach Kotabuna zurück. Ein frisches Bad und gutes Frühstück stärkten uns für die Rückfahrt, die wir alsbald antraten. Wir richteten den Kurs wieder nach Pulu Babi, warteten dort einen kräftigen Regen ab und gelangten spät abends durch das in den Ruderschlägen wie Feuer leuchtende Meer nach Belang zurück.


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