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Unsere Behausung auf der Insel Bentenan, Minahassa, Celebes.

8. Auf den Inseln.

Meine technisch-geologischen Untersuchungen beziehen sich hauptsächlich auf einen Schwarm unbewohnter Inseln, die sich auf eine Erstreckung von etwa 20 Kilometern in meist nicht bedeutendem Abstand von der Küste in malerischer Vertheilung gruppiren. Unser Dörfchen Belang liegt etwa gegenüber der Mitte der Reihe auf dem Festlande. In der Nähe unseres Häuschens haben wir ein chemisches Laboratorium errichtet, in dem wir die angesammelten Inselschätze untersuchen.

So gliedert sich denn unsere Thätigkeit in Streifzüge auf dem Inselreiche und in Arbeiten am Studirtische und an den Schmelzöfen des Laboratoriums. Öfter bleiben wir an 8 Tage auf den Eilanden und wohnen dort auf Pulu Babi oder Pulu Bentenan, zwei grösseren Inseln, auf denen für einfachen Unterschlupf Hütten für uns und eine Anzahl Kulis errichtet sind. Meine Frau bleibt in solchen Fällen allein zwischen den Malayen des Dorfes. Wir können das wagen, da wir unsere Malayenbrüder als harmlose Leute kennen, und im Übrigen natürlich unsere Hausjungen als Schutzwache zurückbleiben. Schliesslich haben wir für alle Fälle einige Male öffentliches Preisschiessen abgehalten, an dem auch meine Frau sich betheiligte, sodass man im Dorfe weiss, dass Gewehr und Revolver im Hause sind.

Hiermit lade ich nun die freundlichen Leser ein, sich mit uns einem Boote anzuvertrauen und über das Meer eine Fahrt nach den lieblichen Inseln zu machen. Wir haben eine förmliche kleine Flotte, ein hübsches europäisches Boot mit Segelvorrichtung und einige Prauen oder Blottos, Einbäume, aus einem Stamm durch Aushöhlen in einem Stück gefertigt. An sich ist ein Blotto allerdings ein beunruhigend schwankiges Fahrzeug. Durch sogenannte Ausleger, auf Querhölzern zu beiden Bootsseiten weit draussen angebrachte Bambusstangen, erhält es aber ein ganz gutes Gleichgewicht. Unsere Malayen verstehen es, diese Boote mit grossem Geschick schnell durch das Wasser zu paddeln.

Heute wollen wir nach Bentenan gondeln. Leider will sich der Südwind Slatan nicht einstellen, der uns sonst oft kräftig nordwärts hilft. Umsonst entlockt unser Steuermann Usuppu seiner grossen Meeresmuschel dumpfe, langgezogene Posaunentöne. Verlorene Mühe heute. Er ruft den Wind vergebens, auch Pfeifen und Segelkratzen hilft ein Mal wieder nichts, es muss gerudert werden, sodass wir uns auf 4 Stunden Meeresfahrt gefasst machen können, bei der flimmernden Hitze auf dem Wasser kein Genuss. Vor den sengenden Sonnenstrahlen sind wir im Schatten unserer Hüte geschützt; ich habe meinen grössten auf dem Kopfe, der mit seiner dreiviertel Meter breiten, flachen Kegelfläche eine ganze Familie beschirmen könnte. Langsam, langsam in grossen Pausen senken unsere Kulis die Ruder ins Wasser, und entsprechend langsam nähern wir uns den Eilanden.

Das Meer athmet mit langer Dünung und hebt und senkt seine gewaltige Wasserbrust. Unser Boot wird dabei natürlich wie ein schwimmendes Stäubchen spielend mit auf- und niederbewegt, und wir müssen uns jetzt, wo wir an einer Insel entlang rudern, vorsehen, beim Niedergange eines solchen Wasserberges nicht auf einen Felsen gesenkt zu werden. In der Landnähe umsäumen viele Korallenriffe den Strand, die mit ihren Zacken und Spitzen leicht den Böden der Boote gefährlich werden. Gelegentlich geräth man zwischen den Inseln auch in heftige Meereströmungen, die sich um die Felsen winden und verschiedentlich Strudel bilden. Heute geht alles gut und glatt. Wir haben aber in unseren Nussschalen auf dem Meere schon allerlei dramatische Scenen erlebt. Einmal führte uns unser Weg quer über ein langgestrecktes Riff zwischen Bentenan und dem Festlande. Über der seichten Stelle schäumte und brauste das Meer mit einem weissen breiten Gischtbande, und von Zeit zu Zeit rollte eine grüne, oben schaumgeschmückte Wasserwand darüber hinweg. Es galt dann, mit einer solchen Welle die Fahrt über die Untiefe zu machen. Da sich unsere braunen Ruderer hierbei ausnahmsweise einmal kräftig in die Riemen legten, kamen wir glücklich hinüber, allerdings nicht ohne einen mächtigen Wasserschwall im Boote mitzu[nehmen]. Ein ander Mal verloren wir in starker Brandung einen Ausleger, sodass unser Prau arg schief stand. In diesem Falle bewährten sich aber unsere seegewohnten Malayen als gute Meeresfahrer und als echte Söhne ihrer kühnen, seeräubernden Väter. Einer sprang muthig in das schäumende Meer, gelangte über das Uferriff ans Land, holte von unserer Hütte, die wir grade verlassen hatten, eiligst Taue und kam zurückgeschwommen, sodass wir nun unseren Ausleger wieder befestigen konnten.

Bentenan ist ein wunderschönes, vielgipfeliges, waldbedecktes Eiland, an zahlreichen Stellen sich schroff mit Felswänden ins Meer hinabsenkend. Leider mangelt ihm Trinkwasser gänzlich, ein kleiner Sumpf am Strande ist brakig, und auch in Brunnen trafen wir kein süsses Wasser. So müssen wir es uns denn nach hier stundenweit heranfahren lassen. Zuweilen geht es zu frühe aus. Dann muss man nothgedrungen zunächst auf das Waschen verzichten. Nun fluthet ja aber um die Insel das klarste Meer der Erde, und natürlich haben wir uns täglich von ihm tragen lassen. Allerdings kann das Seewasser das vom Lande auch beim Bade nicht ganz ersetzen. Spült man sich nicht mit süssem Wasser zum Schluss ab, so wird die Haut eigenthümlich fettig, offenbar in Folge der auf ihr auskrystallisirten geringen Menge Meeressalze, die als hygroskopische Substanzen in der feuchten Tropenluft nicht vollständig eintrocknen.

Ein weiterer Übelstand auf Bentenan ist das Vorhandensein eines breiten Korallensaumriffes, das zur Ebbezeit auf grosse Strecken bloss liegt und üble Dünste in der heissen Sonnenglut ausstrahlt. Wir schreiben die vielen Fieberanfälle, die unsere Arbeiter grade auf Bentenan erleiden, diesem Umstande zu und nehmen für unsere Streifzüge auf der Insel stets reichlich Chinin für uns und unsere Leute mit.

Bei den Ausflügen auf Bentenan haben wir oft in landschaftlichen Schönheiten geschwelgt. Um die einzelnen Höhen untersuchen zu können, liessen wir reichlich Wege hauen und Ausblicke machen, und immer wieder waren wir bei einem neuen Ausguck überrascht von der entzückenden Schönheit von Meer und Land. Nach Süden zu dehnte sich die endlose, strahlend blaue Wasserfläche, nur hier und da von einer grünen, vom Gischt der Brandung weiss umränderten Insel unterbrochen. In der Strandnähe von Bentenan sah man hoch von den Bergen herab durch das klare Wasser den Meeresboden, rundum unter uns grünte üppiger Wald, und nach Norden hin dehnte sich jenseits einer Meeresstrasse die schön geschwungene Celebesküste, über deren weissen Gesteinen sich schmale flache Küstensäume hinziehen, überragt von welligen Höhenzügen und aufgesetzten mächtigen Vulkanen.

Aber in all dieser grünen Waldesherrlichkeit fehlte es doch auch wieder nicht an tropischen Plagen. Auf Bentenan war es, wie auch sonst vielfach in Celebes, die Gonnone. War man einige Stunden auf der Insel umhergelaufen, so verspürte man ein heftiges Jucken an den Füssen und den Fussgelenken, das sich dann bald über den ganzen unteren Körpertheil verbreitete. Wir wussten schon aus den Beschreibungen der Gebrüder Sarasin, dass es sich um eine winzig kleine Milbe handeln musste, die sich in die Haut massenhaft einbohrt und ein höchst fatales Jucken veranlasst, das sich durch Kratzen noch ungemein steigert. Glücklicherweise hört die Plage nach ein paar Tagen auf, und für künftige Fälle kann man sich durch Einreiben mit Perubalsam schützen. Vergisst man das, so ist man wieder für einige Zeit wie mit Nesseln geschlagen. Auf Bentenan lernten wir bei unseren Wanderungen am Strande auch die wenig angenehmen Rhizophorensümpfe kennen, die sich vom Ufer oft weit ins flache Meer hinauserstrecken. Sie werden durch einen von den Malayen Kaju ting genannten merkwürdigen Baum gebildet, der langgeschwänzte Früchte hervorbringt, die nach dem Abfallen derart auf dem Meere schwimmen, dass die braune Frucht oben sich befindet und der oft mehrere Fuss lange, stark fingerdicke grüne Schwanz nach unten taucht. Erreicht die Schwanzspitze beim Treiben den Boden des flachen Meeres, so schlägt das Pflänzlein Wurzel und wächst sich bald zu einem neuen Baume aus. Nicht selten gewahrt man einen Kaju-ting-Busch einsam für sich im Wasser stehen, ein vorgeschobener Posten, der Ausgangspunkt für einen späteren Wald in der See. Bei Ebbe sieht man die zahlreichen, bogenförmig nach aussen gewölbten Wurzeln des Baumes, die einen Gang durch die Wildniss des Sumpfes ungemein erschweren, wozu dann noch der Verwesungsgeruch kommt, der in Folge des Verfaulens von Pflanzen und Thieren in dem Moraste herrscht.

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Fahrt im Kaju-ting-Sumpfe, Insel Bentenan, Minahassa, Celebes.

So gabs denn zu den Freuden der Wanderungen in der Tropennatur auch Mühseligkeiten genug. Zwar war das geologische Tagewerk für uns gesunde Leute natürlich wie immer eine sehr bekömmliche Arbeit, oft dabei aber selbstverständlich eine recht anstrengende Sache, sei es nun, dass man sich Schritt für Schritt im Waldesdickicht mit dem Buschmesser einen Weg hauen oder hauen lassen musste, stundenlang an steilen Gehängen über dem Meer oder auch unten am Strande über die Gesteinsblöcke durch das Wasser zu klettern hatte, oder uns unser Weg durch übel duftende Sümpfe führte. Manche Hose wurde da zerrissen und manche Sohle verloren. Anderseits waren die Untersuchungsausflüge zuweilen nichts als hübsche Spazierfahrten um die Inseln herum, falls es nur im Boote möglich war, den schroff ins Meer abfallenden Gesteinswänden zu nahen.

Wie es grade die Umstände mit sich brachten, wurde bei den Ausflügen gegen Mittag am Strande hier oder dort abgekocht, wobei es natürlich nicht wie bei Dressel oder Uhl, sondern eben wie in der Wildniss, höchst urwüchsig zuging. Die Malayen machten mit unseren Schweden Feuer an; der mit Meerwasser gefüllte Kochtopf wurde auf drei Steine gestellt und die Conservenmahlzeit hergerichtet. Beim Speisen lagerte jeder von uns Europäern mit seinem Teller auf dem Sande, oder man gruppirte sich sonst malerisch auf umgefallene Bäume. Das Essen in der grünen Natur hat uns in Celebes immer ebenso gut geschmeckt wie im deutschen Walde, und das Trinken haben wir nicht vergessen. Meist gabs allerdings nur Apollinaris, gelegentlich eine Flasche Bier, die uns mundete und war der Gerstenwein auch 25 Grade warm. Unsere braunen Begleiter begnügten sich mit gedämpftem Reis (nassi) und spanischem Pfeffer, schwelgten auch wohl in gedörrtem Fisch und den Resten unserer Mahlzeit. Mit dem Gebrauch von Messer, Gabel, Löffel mögen wir ihnen wohl ebenso eigenartig vorgekommen sein, wie sie uns in ihren Essgebräuchen erschienen. Sie füllten ihren gemeinsam zu vertilgenden Reisberg auf ein grosses Blatt und setzten sich in tiefer Kniebeuge darum herum. Mit den weit vorhängenden Armen und ihrer Art schmatzend zu essen erinnerten sie immer lebhaft an eine Affenheerde. Jeder langte mit den Händen zu, ballte mit den Fingerspitzen der Rechten einen Klumpen Reis etwas zusammen und schob ihn dann, mit dem Daumen nachhelfend, in den Mund.

Übrigens wollen wir uns nicht allzu sehr über unsere Malayen erheben. Maria Theresia musste ihren Offizieren auch noch verbieten, bei Hoffestlichkeiten mit den Fingern in den gemeinsamen Essnapf zu fahren, und in unseren Kasernen kann man wohl beobachten, wie z. B. biedere, ungeschlachte Westfälinger ihr Stück Fleisch mit den Fingern aus der Suppe fischen, zum Munde führen und mit den Zähnen zerreissen.

Zuweilen tauchten zum Malayen-nassi allerdings ganz bösartige Sachen auf, so stinkender Fisch, der ein besonderer Leckerbissen zu sein scheint. Wenn wir gerecht sein wollen, können wir aber selbst das nicht allzu sehr tadeln im Hinblick oder Hinriechen auf den Käse Deutschlands, der ja auch nicht nur öfter unglaublich schaurig duftet, sondern zuweilen nur durch eine übergestülpte Glocke am Auswandern verhindert wird.

Abends sitzen wir vor unserer Hütte auf der Insel, sehen bei einer Cigarre auf das nie ganz dunkle Meer, lesen wohl ein wenig und gehen bald nach dem Abendimbiss zu Bett nicht grade, aber wenigstens zum Schlafen. Matten, Bootskissen, Hängematten haben wir der Reihe nach versucht, und im Allgemeinen nach des Tages Arbeit auf allen gleich vortrefflich geruht.

Nach einiger Zeit ziehen wir dann wieder heimwärts nach Belang, um unser gewonnenes Material zu untersuchen und von den Strapazen auf den Inseln uns etwas zu verschnaufen. Meist kommen wir spät abends an. Schon weitab bläst Usuppu in sein Muschelhorn, Lichter erscheinen am dunklen Strande, zum Zeichen, dass uns meine Frau dort erwartet, und unser kleiner Zug begiebt sich auf die im Scheine einer grossen Hängelampe und in ihrem weissen Anstrich hellstrahlende Veranda unseres Häuschens, das uns dann nach den urwüchsigen Verhältnissen auf den Inseln natürlich ganz besonders gemüthlich vorkommt.


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