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11. Über die deutschen Reichskriege

Daß das Deutsche Reich seit mehr als vier Jahren in einen Krieg mit Frankreich verwickelt worden ist, weiß jeder Deutsche. Aber die eigentliche Veranlassung dieses Krieges und die Ursache, warum dieser Krieg ein Reichskrieg genannt wird, ist den meisten Zuschauern unbekannt. Um diese Aufgabe aufzulösen, ist es notwendig, die Urheber dieses Krieges zu entdecken. Daß kriegführende Mächte sich jederzeit bemühen, nie als die Angreifer angesehen zu werden, ist bekannt und folglich auch sehr natürlich, daß man bei gegenwärtigem Kriege alle Schuld von sich weg und auf Frankreich wälzen wollte, aber vergebens. – Wenn es auch möglich wäre, alle die Unbesonnenheiten der kleinern und größern Fürsten bei diesem Kriege zu verschweigen, so würde doch die Nachwelt sehr leicht aus Tatsachen entscheiden können, wer eigentlich mit der Schuld dieses' Krieges zu belasten sei und wie unrechtmäßig die Privatangelegenheiten einiger zu einem allgemeinen deutschen Reichskriege umgeschaffen worden. Können also die Großen der Erde der Kritik der Nachwelt nicht entgehen, so ist es besser, solche gegenwärtig anzustellen in der Hoffnung, das deutsche Publikum über diesen Gegenstand aufzuklären und wenigstens die künftigen Versuche, Deutschland in Reichskriege zu verwickeln, fruchtlos zu machen.

Daß die Franzosen den Kaiser in Belgien zuerst angegriffen, ist freilich nicht zu leugnen, aber deshalb sind sie dennoch nicht als Urheber dieses Krieges anzusehen, ebensowenig als Friedrich der Große Urheber des Siebenjährigen Krieges zu nennen ist, ob er gleich zuerst zu den Waffen gegriffen hat. Man kann sagen, die Franzosen haben keineswegs den Krieg mit dem Kaiser gesucht, aber die Zurüstungen des Kaisers und die Lage der Sachen war so beschaffen, daß der Krieg unvermeidlich war und sie nichts taten, als ihren Gegnern zuvorzukommen. Daß dieses Wahrheit ohne Schminke und kein leeres Vorgeben sei, ist daraus zu erweisen, weil der Kriegsschauplatz erst im Jahre 1792 eröffnet wurde, obgleich der Pillnitzer Traktat bereits im Jahre 1791 geschlossen und in solchem Krieg, ja, was noch mehr war, eine teils hinterlistige, teils gewaltsame Teilung und Zerstückelung des französischen Reichs unterschrieben und besiegelt wurde. Dennoch wollten die deutschen Fürsten und ihre Räte die Ursachen dieses Krieges nicht in sich selbst suchen, sondern schoben alles auf das Freiheitssystem der Neufranken und waren hocherbittert, wenn solche Abänderungen ihres eignen Staatssystems machten, die mit den Theorien deutscher Fürsten nicht übereinstimmten. Überhaupt ist doch wahrlich nichts törichter als 1. über Befugnisse und Nichtbefugnisse einer ganzen Nation in Ansehung der Änderung ihrer Regierungsform räsonnieren zu wollen, und 2. einer ganzen Nation von 25 Millionen Seelen Vorschriften zu machen, was sie tun soll, wenn sie sich empört, und wie sie besser oder anders handeln könne. Und finden sich nicht eine Menge solcher lächerlichen Vorschriften fast in allen Schriften unsrer Staatsmänner und aristokratischen Politiker? –

Daß die Rechte der Fürsten im Elsaß verletzt worden, ist nicht zu leugnen, aber das war nicht anders möglich, denn die Abschaffung des Lehnsystems gehörte mit zu den wohltätigen Wirkungen der Französischen Revolution, und ohnmöglich konnten sich die Franzosen rühmen, etwas zum Besten der Freiheit getan zu haben, solange noch die alte Lehnsverfassung existierte. Vernünftig wäre es gewesen, sich nach dem Gange der Kultur des Zeitalters zu richten und sich gütlich mit den Begriffen abzufinden, die einmal im Schwange gingen, denn mit Gewalt sich ihnen entgegenzustemmen, zu verlangen, daß alles in die Form weniger einzelner gepreßt werde, ist unnatürlich. Aber von diesem Nachgeben wollte man nichts wissen, und so wollte man auch keine Entschädigung annehmen, welche die Franzosen für die verletzten Rechte angeboten haben. Ebenso ging es mit den Rhein- und Moselländern. Die Ansprüche der deutschen Regierer geist- und weltlichen Standes mußten von den Neufranken aufgehoben werden, denn wie wäre es möglich gewesen, den geistlichen Herren, Stiftern, Abteien und Klöstern ferner Korn und Wein zur Mast zuzuführen und doch behaupten zu wollen, man habe alle Provinzen frei gemacht, wenn man ihnen Fesseln am Halse ließe, die ihnen noch in dunkeln Jahrhunderten angelegt worden. Überhaupt können so wichtige Veränderungen, als die Franzosen hinnehmen mußten, nie ohne Beeinträchtigung eines Dritten geschehen. Es ist auch gar nicht zu tadeln, wenn dergleichen beeinträchtigte Personen sich darüber beschweren und Entschädigung fordern, aber diese auszuschlagen und durchaus zu verlangen, daß alles auf den alten Fuß gesetzt werde, ist eine törichte Einbildung. Den geistlichen Fürsten wurde Schadenersatz angeboten, aber diesen wollten sie nicht abwarten, sondern bildeten sich ein, die Franzosen würden sich fürchten und um ihren Bannstrahl zu vermeiden, alle Forderungen der geistlichen Herren bewilligen. Und hatten die Franzosen wohl etwas anders getan, als was Joseph II. Preußen und viele andre Fürsten sich erlaubt hatten?

Zu auffallend ist in der Tat der Widerspruch, daß Österreich die Einbeziehung der geistlichen Güter in Frankreich als Raub betrachtete, da Josephs Beispiel, alle Jesuitengüter in den katholischen Staaten und so viele Einziehungen geistlicher Stifter das nämliche Schauspiel zeigten. Als Grund dieser Gütereinziehungen wurde von Frankreichs Seite angegeben, daß man die Kirche nicht als Eigentümerin, sondern als Pfründenbesitzerin betrachte, die man für gewisse sogenannte Arbeiten besolde und folglich ihren Sold aufheben könne, sobald man ihre Arbeit nicht mehr haben möchte, und dieser Grund war ebenso vernünftig als Josephs Unternehmungen, der von der Zwecklosigkeit und Schaden im Vergleich des geringen Nutzens sprach, den solche Besitzungen haben könnten. Aber die geistlichen Herren, die auch nicht eine Weinranke in ihrem geistlichen Weinberge missen wollen, wollten von Vernunft nichts wissen, sondern entzündeten den Mordkrieg und gossen die ersten Öltropfen ins Feuer. Als krüppelhafte Zwerge zeigten sie Stolz und Übermut gegen einen Riesenkörper, klirrten mit den Waffen und forderten den Riesen zum Kampf auf. Als dieser erwachte und sie zu zerquetschen drohte, riefen sie das Deutsche Reich zum Beistand an, und wer hätte wohl glauben sollen, daß dieses auch schwach genug wäre, ihnen Hilfe zu bewilligen. Sie dachten nicht an Unterhandlungen mit Frankreich, sondern schrien und pochten wie trotzige Kinder, denen man ihr Spielzeug genommen hat. An die Tränen wurde nicht gedacht, die sie ihren unschuldigen Untertanen auspreßten, denen es gleichviel gelten konnte, ob diese Hirten eine Präbende mehr oder weniger hatten. Sie bewiesen durch ihr Benehmen abermals den Satz, daß Priester von jeher mehr Würgeengel als Boten des Friedens gewesen sind. Sie nahmen den Auswurf des französischen Volks in Schütz, welche davongelaufen waren, um als Faulenzer sich nebst ihren Prinzen von Deutschen füttern zu lassen. Obgleich Frankreich oft und dringend bat, dieses Gesindel wegzuschaffen, so hörten dennoch die geistlichen Fürsten nicht auf, diese Brut zu füttern und ihren Untertanen neue Lasten durch diese faulen Blutegel aufzubürden. An den biblischen Ausspruch, daß es nicht fein stehe, das Brot den Kindern zu entziehen und es vor die Hunde zu werfen, dachten sie gar nicht, sondern es wurde im Gegenteil den Deutschen zur Ehre angerechnet, daß die Prinzen und Marquis die, überschwengliche Gnade hatten, das Fett des deutschen Vaterlandes mit verzehren zu helfen. Kaum wird die Nachwelt den Unfug glauben, den ein verlaufener Graf Artois und sein Anhang in Koblenz getrieben hat. Nicht genug, daß er mehr denn fünfzig Reitpferde und vier Mätressen hielte, sondern der Exminister Calonne war so frech, den Kurfürsten von Trier auf dessen Bemerkung, daß er gehört habe, sein Vetter lebe etwas ausschweifend, zu antworten: »Nein, Ihro Durchlaucht, nie hat der Graf Artois so mäßig gelebt als jetzt, denn er hat gegenwärtig nur vier Mätressen, statt daß er sonst mehr als zwanzig hatte.« Wer mehrere solche Tatsachen, für welche die Menschheit schaudert, nachlesen will, dem empfehle ich das 3. Stück des »Neuen grauen Ungeheuers«. – Und solcher wollüstigen Bettelprinzen und ihres Anhangs wegen wurde Krieg geführt und soviel deutsches Blut vergossen, ja was noch mehr ist, dieser Unholde wegen, die sich Fußbäder von Wein machten und deren Mätressen täglich für 2 Livres Lavendelwasser in ihr Nachtgeschirr schütten ließen, um Wohlgerüche zu haben, wurden die Deutschen gezwungen, an einem Kriege Anteil zu nehmen, der ihnen dasjenige vollends auffraß, was die üppigen französischen Windbeutel noch übriggelassen hatten. Wahrlich, es ist unmöglich, ein ehrlicher Deutscher zu sein und hierbei kalt zu bleiben. Es ist unbegreiflich, wie das deutsche Publikum sich von Schirachisten und Girtannerschen Marktschreiern so gröblich konnte hintergehen lassen, die solche Menschen lobpreisen und sie für den allein, gesund gebliebenen Teil der Nation erklären konnten, die frech genug waren, in ihren Journalen zu sagen: »Nur das auswärtige Frankreich verdienet allein Respekt, indem des Landes tugendhafte Männer am Rheine stehen und deutlich beweisen, wie sehr Verdienst mit durchlauchtigen Blute verbunden sei.« Solchen bösen Unsinn konnte man sich erlauben im letzten Jahrzehnt unsers Jahrhunderts zu schreiben, und das Publikum kaufte und las solche Schriften, ja wer es wagte, die Tollheiten solcher Journalisten aufzudecken und ihnen zu widersprechen, wurde als Illuminat und Jakobiner denunziert und selbst von deutschen Richtern nicht bloß zur Rechenschaft gezogen, sondern sogar gemißhandelt. – Das Unwesen, welches die Emigranten in Deutschland trieben, wäre allein hinreichend gewesen, die Franzosen zum Kriege zu reizen, aber sie wollten nicht Urheber dieser Fehde sein und nahmen anfangs keine Notiz von dem Betragen ihrer Flüchtlinge. Diese warben Truppen, kauften Munition, legten Waffenplätze und Magazine an, und die geflüchteten Bettelprinzen hatten sogar einen glänzenden Hofstaat, Garden zu Pferde und zu Fuß, Minister und Büros und eine immer offne Bastille. Frankreich lachte zu diesem Possenspiel, als aber sogar zu Mainz auf hohen Befehl die dreifarbige Flagge von einem französischen Fahrzeuge abgerissen wurde, als die Franzosen den bereits im August 1791 gemachten Pillnitzer Traktat erfuhren, als sie bei allen Gelegenheiten nicht nur mit Verachtung begegnet, sondern sogar mit Trotze behandelt wurden, da waren auch sie genötigt, auf ihre Verteidigung zu denken. Daß aber die Franzosen keinen Krieg wünschten, ist aus den Aufträgen zu ersehen, welche der Minister Noailles in Wien erhielt, um im Jahre 1792 die Fortdauer des Friedens zu bewirken. Aber von welchem Inhalte war die Note, die der kaiserliche Minister Cobenzl dem französischen Gesandten übergab? In solcher wurde nichts weniger verlangt, als: 1. Die Wiederherstellung der alten Lehnsgewalt in Elsaß. 2. Die Einsetzung des Königs in seine vor der Revolution gehabte Macht, und 3. die Rückgabe von Avignon an den Papst. Als die Franzosen diese Punkte nicht annehmen konnten, weil sie außerdem die neue Konstitution gänzlich vernichten mußten, die der König selbst bereits im September 1791 angenommen hatte, so wurde das Signal zu einem Kriege gegeben, zu welchem die unparteiische Nachwelt Frankreich gewiß nie als die Urheberin ansehen wird.

Wenn wir aber auch einräumen, daß Österreich Veranlassung hatte, Krieg mit Frankreich zu führen, so kann man dennoch die Bewegungsgründe nicht einsehen, wie aus diesen Mißhelligkeiten ein allgemeiner Reichskrieg entstehen konnte! Aber ein Blick in die ältere Geschichte beweist offenbar, daß Österreich jedesmal seine Privatkriege zu Kriegen des Deutschen Reichs umgestempelt hat und daß Österreichs Feinde, die es von jeher hatte, nie Feinde des Deutschen Reichs waren, ob es gleich bei jeder Gelegenheit mit Gewalt in Kriege verwickelt worden, um die Last des Krieges nicht bloß zu teilen, sondern ganz auf das Deutsche Reich zu wälzen. So ist also die Verfassung der deutschen Reichskonstitution von der Beschaffenheit, daß das Deutsche Reich bei jeder Gelegenheit, wenn es dem Hause Österreich gelüstet, einen Krieg anzufangen, mit in einen Streit verwickelt wird, der ihm immer nachteilig werden muß, ohne je Aussicht zu haben, einen Vorteil zu erkämpfen, welches doch bei jedem Kriege der Fall sein sollte. Was hätte wohl das Deutsche Reich erworben, wenn der Plan gelungen wäre, in Frankreich einzudringen? Es wäre nicht vergrößert, sondern durch diesen Krieg geschwächt worden, und nur die Fürsten hätten sich bei einer möglichen Teilung Frankreichs bereichert. Auch die Wahrheit dieses Satzes bestätigen die Beispiele der älteren Geschichte. Nie hat das Reich etwas durchs Schwert erworben, öfters aber verloren. Nie konnte es vermöge seiner Einrichtung Vorteil haben, denn die Unfähigkeit, je einen glücklichen Krieg zu führen, liegt schon im Systeme seiner Verfassung. Alle Türkenkriege waren gegen Österreich gerichtet, und den Muselmännern ist es nie eingefallen, das Deutsche Reich zu bekriegen, dennoch mußte deutsches Blut die österreichischen Provinzen gegen die Türken verteidigen helfen.

Wo ist ein Beispiel in der Geschichte aufzustellen, daß der Vorteil eines Reichskrieges auf seiten der Stände gefallen? Aber daß man ihnen mit Exekution drohte, wenn sie nicht gleich auf Verlangen des österreichischen Hauses die Waffen ergriffen, das ist oft genug geschehen. Was die Beute betrifft, pflegt das Deutsche Reich immer leer auszugehen, die blutigen Köpfe ausgenommen, die es jedesmal reichlich genug mit nach Hause erhalten hat. Und daher kann man auch mit Recht sagen, daß jeder Reichskrieg unnütz und zwecklos geführt worden und daß die armen Deutschen so oft schon in Privatangelegenheiten des Hauses Österreich geblutet haben, weil solches zugleich der Inhaber der Kaiserwürde ist.

Oder war durch die neue französische Staatsumwälzung vielleicht die Gefahr für das Deutsche Reich so groß geworden, daß das Oberhaupt für nötig fand, solches aufzufordern und sich an die Spitze zu stellen? Das zu behaupten, hat man freilich versucht, aber vergebens, denn wenn auch die neue Konstitution nicht zu billigen gewesen wäre, so konnten die Nachbarn doch kein Recht geltend machen, die alte Einrichtung der Dinge mit Gewalt der Waffen wiederherzustellen. Wo ist der Traktat, der Nationen das Recht gibt, sich in die innern Angelegenheiten ihrer Nachbarn zu mischen. Dem Deutschen Reiche insbesondere konnte es sehr gleichgültig sein, ob Frankreich von Mätressen und deren Kreaturen oder von einem Nationalkonvent gerichtet werde, ob die Priester mager oder fett sind und ob die Menschen nach ihren Talenten oder auch nach einem Stückchen Eselshaut geschätzt werden, welches man Diplom nennt. Ich möchte wohl wissen, wenn in Frankreich alles auf dem alten Fuß wieder gesetzt worden, so wie es das Haus Österreich verlangte, wenn Finanzpächter den französischen Bauern drücken und die Edelleute ihre Wappen und Büffelshörner behielten, was das alles dem Deutschen Reiche für Nutzen schaffen könne? Freilich sind diese Lächerlichkeiten nicht als Kriegsveranlassung aufgestellt worden, sondern in dem Zuruf an die Deutschen, der in Zeitungen eingerückt war, hieß es: »Auf ihr Deutschen, denn euer Vaterland, eure Freiheit ist in Gefahr.« Das klang in der Tat so ängstlich als, herzbrechend, doch nur für die Klasse von Menschen, die ihre Vernunft gefangennehmen unter den Gehorsam, Deutsche im Gegenteil, die zu denken gewohnt waren, fragten sich oft selbst: »Wie ist es möglich, daß unser Vaterland in Gefahr geraten kann, wenn die Franzosen ihre Regierungsverfassung umändern?« Und was die Freiheit betraf, welche in gedachtem Zurufe erwähnt wurde, mußte der Deutsche nicht die Frage aufwerfen: »Also haben wir Freiheit? Aber wo ist solche zu finden?« –

Angenommen, daß ein solcher Reichskrieg wie der gegenwärtige nach der Reichskonstitution auch gesetzmäßig sei, wie wir uns denn nicht unterfangen können, solches zu leugnen, weil außerdem die Aufforderung als gesetzwidrig und die Aufforderer als ungerecht erscheinen würden, so ist doch soviel gewiß, daß die deutschen Fürsten selbst verbunden sind, dieser Konstitution getreu zu bleiben und picht nach Willkür zu handeln. Auch versicherten diese Stände in einem Reichsgutachten vom 3. Juli, daß sie alles zum Besten der deutschen Freiheit und Reichsverfassung unternommen hätten, daß sie einen allgemeinen Reichsfrieden dem Reiche in ungeteilter Vereinigung mit dem Reichsoberhaupt im Wege der Konstitution zu erhalten suchen würden, ohngeachtet dieses Versprechens haben mehrere Stände des Reichs teils Separatfrieden mit Frankreich geschlossen, teils ihre Kontingente zurückgezogen, je nachdem sie solches ihrem Privatinteresse gemäß fanden und so ihre eigene Verfassung zerrüttet und ihre alte Konstitution aufgehoben, sie, die sie gegen Frankreich zu Felde zogen, weil solches sich an seiner Konstitution vergriffen hatte. Dem größten Teile der Nation sollte es nicht erlaubt sein, seine Verfassung umzuändern, und einzelne Stände eines Reiches wären berechtigt, ihre Verfassung nach Willkür aufzuheben und sich vom gemeinsamen Reichsinteresse zu trennen? – Braunschweig, von welchem jenes bekannte fürchterliche Manifest herrührte, das Paris in einen Steinhaufen zu verwandeln drohte, weil es seine Konstitution umgeändert hatte, fand das Hessische reichswidrige Verfahren für verzeihlich, weil die mißliche Lage Deutschlands diese Abweichung von der Reichskonstitution veranlaßt habe und nach wiederhergestelltem Frieden alles ins gehörige Gleis könne gebracht werden. Sollte man wohl glauben, daß es möglich sei, im Ernst gesetzwidrige Handlungen auf solche Art entschuldigen zu wollen, wenn man sagt, man schmeichle sich, daß ein solcher Separatfriede nicht als verfassungswidrig werde angesehen werden, da nach wiederhergestelltem Frieden alles, was jetzt dem Anschein nach abweichend wäre, mit der Reichsverfassung vereinbart werden könnte? Das heißt mit andern Worten nichts weiter, als: Wir wollen zwar die Reichsverfassung beibehalten, weil solche uns zuweilen nützlich sein kann, aber wenn wir es unserm Interesse gemäß finden, wollen wir trotz dieser Verfassung Separatfrieden schließen und ganz nach unsrer Willkür handeln.

Aus dem allen drängt sich jedem unparteiischen Leser von selbst die Bemerkung auf, daß gegenwärtig an eine fest bestimmte und gesicherte Reichskonstitution gar nicht zu denken, sondern solche ein schwankendes Rohr sei, das von den Großen der Erde hin und her bewegt wird, und daß es sich mit den Reichskriegen auf gleiche Art verhalte, daher solche, weil sie bloß von Launen der Fürsten bestimmt werden, für die Deutschen immer nachteilig ausfallen müssen. –


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