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5. Eingang

Der Krieg, welcher jetzt geführt wird, ist von allen andern bisher geführten Kriegen ziemlich verschieden. Statt daß gewöhnlicherweise die Bürger der Staaten dabei ganz ruhig sein konnten, ob dieser oder jener siege, ob eine rote oder blaue oder weiße Fahne künftig von ihren Wällen wehe, statt daß sie sich sonst in der Lage einer Herde Schafe befanden, deren Eigentümer mit einem andern über ihren Besitz einen Prozeß führte, dessen Ausgang den Schafen gleichgültig sein konnte, statt dessen sind wir jetzt alle bei dem großen Kampfe interessiert, der fast noch mehr mit der Feder als mit den Waffen geführt wird. Wir haben in Deutschland wahrhaftig fast soviel Parteien als unsre Nachbarn in Frankreich. Wir haben unsre Enragés, unsre Dolchritter, unsre Jakobiner, unsre Feuillants und, dem Himmel sei's geklagt, unsre Eudämonisten! Der Berg hat auch bei uns gesiegt, das Schreckenssystem ist auch bei uns organisiert. Unsre Marats schreien nach Blut, und Schafotte und Kerker warten auch bei uns auf ihre Opfer. Warum fielen Hebenstreit, Jutz, Riedel, Prandstätter? Welcher Kerker birgt Kröbern? Wo sind die zweiundsiebenzig Vertriebnen aus Mainz? Warum schweigen so viele Stimmen ganz, die sonst so laut und schön sprachen? Auf welches Opfer lauern jene schrecklichen Türme, die dort, der Bastille ganz ähnlich, in wenig Monden erbaut werden? Woher stammen jene schrecklichen Befehle, die Tod und Verderben atmen und mit zehnjährigen Ketten die versäumte Pflicht der Angeberei, mit dem Schwerte die laute Klage der Unterdrückten bestrafen? Wer sind die Richter im Verborgnen, die, gleich der heiligen Feme, im dunkeln verhören, im dunkeln verdammen?

Ich frage, und niemand wagt es, zu antworten. Nur im Norden Deutschlands gibt es noch Männer, die laut zu rügen wagen, und Regenten, die das Licht nicht scheuen. Der Süden ist bereits unterjocht. Da ziehn Weiber den Pflug, und die Männer bluten für Pitt, da treibt die Jagd über die Saatfelder, da öffnet eine Staatsinquisition verschlossene Türen, da belauschen Laurer die arglosen Spaziergänger. Da verschließen sich auf ewig scheußliche Kerker und über ihren Türen steht das Wort »Staatsgeheimnis«, das den Frager zurückschreckt. Da wird der Diener selbst souveräner Fürsten verhaftet und wartet sechs Wochen vergeblich auf Verhör. Da irrt der Priester umher, den Chapuis Blut verfolgt, und hetzt Fürsten auf gegen ihre Bürger.

Darum rufe, wem Wahrheit, wem Gerechtigkeit, wem wahre Freiheit teuer ist, laut, ehe es zu spät wird! Darum lasse der Arzt nicht den Kranken, wenn er gleich vor der Sonde zurückbebt! Es ist besser, daß er jetzt Schmerzen fühle, als daß das Übel unheilbar werde! Darum erhaltet das Licht, wo noch Licht ist, und erhellet das Dunkel, wo das Licht schon verlöscht ist.

Wohlan denn, Schildwache, auf deinen Posten! Hüte dich, nie zu schlummern, indes der Feind auf Überfall oder auf heimliches Beschleichen sinnt! Rufe, wo Gefahr ist, und fällst du auch als das erste Opfer, du bist nicht verloren, wenn du nur erst deine Pflicht getan hast.


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