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6. Ein Wort über den nahen Frieden

Endlich erschallt denn nach fünfjährigem blutigem Kampfe, nachdem ganz Europa an Menschen und Geld erschöpft ist, das Gerücht von einem bevorstehenden allgemeinen Frieden, von einem Frieden, den man vor fünf Jahren nicht in Deutschland verlangen durfte, ohne als Jakobiner verschrieen zu werden.

Von deutscher Seite sind während dieses Krieges drei Feldherren vom Schauplatz abgetreten, davon der eine gleich nach Paris marschieren wollte, weil man damals den Einmarsch in Frankreich für so leicht als die Croisade nach Holland ansah, wo gewisse Silberservice einst so leicht zu erbeuten waren. Der zweite dieser Feldherren, der Prinz von Coburg, zeigte sich schon bei Gelegenheit der Verräterei des Generals Dumouriez als ein Mann von zu gemäßigter und vernünftiger Denkungsart, als daß er sich länger zum Werkzeuge der unausführbaren Absichten der Koalition hätte erniedrigen können. Der dritte, Graf Clairfayt, nach dem Urteil aller Sachverständigen einer der vorzüglichsten österreichischen Generale, hatte seit fünf Jahren immerfort dauerndes Unglück, und erst gegen das Ende des Jahres 1795 errang er sich einen Lorbeerkranz, der um desto herrlicher grünte, da er der einzige war, den die koalisierten Mächte aufzeigen können. Freilich weiß man jetzt, daß er nicht auf der schönsten Erde wuchs, daß die Deutschen diesen Sieg minder ihrer Tapferkeit als dem verräterischen General Courtot, der Demarkationslinie und den fränkischen Kommissarien zu danken haben, welche die braven Verteidiger der Republik darben ließen, indes die zurückgekehrten und in die wichtigsten Stellen eingeschobenen Ausgewanderten mit Hilfe der royalistischen Konventsdeputierten alle Kräfte anwandten, die innere Regierung zu desorganisieren und alle Offizierschargen mit ihren Genossen zu besetzen. Aber bei einem Generale der Koalisierten ist es ja schon Verdienst genug, den Zweck durch alle möglichen Mittel zu erreichen.

Auch Clairfayt tritt nunmehr vom Schauplatze ab und wird, falls sich die Friedensunterhandlungen zerschlagen sollten, die künftigen Lorbeern der Österreicher nicht teilen. Vermutlich liegt bei diesem Abschied eine Hofkabale zugrunde. Entweder nämlich ist dieser General aufrichtig genug gewesen, dem Kaiserlichen Hofe zu entdecken, daß ähnliche große Coups nicht öfter erfolgen möchten, oder der Hofkriegsrat hat es übelgenommen, daß Clairfayts Dispositionen besser glückten als die des Kollegiums, oder (welcher Fall ebenso möglich ist) man ist überzeugt, Belgien in kurzem wieder zu erobern und will diese glänzende Tat lieber einem Prinzen gönnen. Man rechnet auf die große Partei, welche der Erzherzog Karl in den Niederlanden haben soll, und gibt diesem den weltbekannten Obersten Mack zum Beistande, dessen berühmte Pläne noch jedermann in frischem Andenken und in Böhmen sogar zu einem Volksliede geworden sind.

Hoffentlich wird ein ernstlicher Friede uns um das Vergnügen bringen, die großen Entwürfe Macks ausgeführt zu sehen. Ich sage »ein ernstlicher Friede«, denn bis jetzt bin ich noch überzeugt, daß der Friede, den Toskana und Preußen schlossen, Kabinetts-Friedensschlüsse waren, um den Feind desto besser zu bekämpfen. Der liebenswürdige Graf Carletti, die noch liebenswürdigere Demarkationslinie und die preußischen Lobpreisungen des schönen royalistischen Prairialsystems beweisen mir die Aufrichtigkeit der damaligen Grundsätze eines gewissen Hofes. Ich erkenne den blutigen Finger des Mannes, der das Freundschaftsbündnis mit Polen schloß. Dem biedern Hardenberg ist schwerlich einige Schuld beizumessen.

Doch der Genius der Menschheit hat die Republik in eine Periode gerettet, die, ohngeachtet sie überall gepriesen wurde, dennoch gefährlicher war als die Periode Robespierrens, grausamer als die Periode der Septembermordtaten, mordender als die Guillotine, ungesetzlicher als der 31. Mai und verderblicher als Cambons System. Das »Neue graue Ungeheuer« hat doch nicht ganz unrecht gehabt, als es der Menschlichkeit der Thermidorianer nicht traute. – Genug davon! Dies System der Auxiliaren, vermöge dessen man die Priester Roms und die Emissäre Provences zu Hilfe rief, um Robespierrens Soldaten zu bekämpfen, ist vorübergegangen. Freilich hat es der Republik viele Milliarden gekostet, die Armeen desorganisiert, den Agioteurs freien Spielraum gegeben, dem Auslande die Schätze Frankreichs zugeführt, ein Raubsystem autorisiert, dem man noch jetzt nicht ganz abhelfen kann, mehr als 30 000 Patrioten unter dem Namen der Terroristen unter das Mordmesser der grausamen Wiederhersteller der Ordnung und der Religion gebracht und die gänzliche Demütigung aller Feinde der Menschheit verhindert, aber – wir wollen dem Vater aller Freiheit danken, daß wenigstens späte Rettung erfolgte.

Robespierre soll kurz vor dem 9. Thermidor den Plan gehabt haben, Belgien und alle Grenzländer soviel als möglich zu erschöpfen, so daß keine feindliche Armee darin ihren Unterhalt finden könne. Dann wollte er die französischen Armeen in die Kette der dreifachen Grenzfestungen zurückziehen, eine furchtbare Verteidigungslinie behaupten und so über den Frieden traktieren. So versichern wohlunterrichtete und redliche, vielleicht getäuschte Mitglieder der ehemaligen Regierung. Eine andre Partei behauptet, er habe Österreich Belgien unter der Bedingung zurückgeben wollen, daß man ihn als Frankreichs Cromwell anerkenne, und es erhält auch diese Meinung dadurch einige Wahrscheinlichkeit, daß der Wiener Hof Robespierrens Tod weit mehr als Ludwigs Hinrichtung betrauerte. Jetzt hat sich die Lage der Dinge sehr geändert. So wenig die feigen, frömmelnden und vorurteilsvollen Belgier verdienen, daß sich Frankreich ihrer annimmt, so können sie doch nicht wieder unter die Herrschaft des Kaisers kommen, ohne daß Frankreich die ihm so nötige Kommunikation mit Holland verliert. Daher möchten die Aufopferungen des Direktoriums, welche Mercier ankündigt, schwerlich von dieser Seite zu erwarten stehn, es müßten denn die Holländer durch ihr Betragen sich der dauernden Freundschaft der Republik Frankreich unwürdig machen.

Wir wollen hoffen, daß Mercier nur eine Phrase gesagt habe und daß die Republikaner einen ehrenvollen Frieden schließen mögen. Ohne uns mit Prophezeiungen abzugeben, wollen wir lieber einige Worte über die Folgen desselben für Frankreich und für Deutschland sagen.

Man hat behauptet, die fränkische Regierung müsse den Krieg absichtlich verlängern und wohl gar, zufolge einer grausamen, aber notwendigen Politik, den größten Teil der jetzigen Armeen aufreiben lassen, ehe sie Friede schließe, weil von den zurückkehrenden Truppen die, größten Unordnungen zu befürchten sein möchten. Ich glaube dies nicht, ohnerachtet ich für meinen Teil nichts dawider einzuwenden hätte, wenn die zusammengetriebene »jeunesse chouanne« etwas verdünnt werden könnte. Aber die Masse der alten Armee, der Stamm, wenn ich mich so ausdrücken darf, besteht aus wahren Republikanern. Im Kampfe verstärkt sich jede Kraft, im Kampfe üben sich Körper und Seele zugleich. Die Armeen, welche auf einen geliebten Feldherrn (Dumouriez) schossen, sobald sie seine Zweideutigkeit bemerkten, die Armeen, welche, unabhängig von allen Veränderungen im Innern, die gute Sache mit der nämlichen Aufopferung verfochten, die Armeen, welche selbst durch ihre räuberischen Kommissarien nicht zum Aufstand gebracht wurden, welche Hunger und Not aller Art mit einer nur in den Annalen Spartas bisher zu findenden Resignation ertrugen, die Armeen, welche in den Tagen des Vendémiaire weder von der schönen Pariser Welt noch von verräterischen Konventsdeputierten zu verführen waren, diese Armeen, die Söhne der Freiheit, ihre Verfechter und Gründer werden auch im Innern die nämlichen Patrioten bleiben, welche sie an den Grenzen waren.

Erst nach dem Frieden wird es der fränkischen Regierung möglich sein, eine gründliche Verbesserung und Wiederherstellung ihrer so sehr verfallenen Finanzen vorzunehmen. Solange es immer darauf ankam, die augenblicklichen Bedürfnisse durch jedes mögliche Mittel herbeizuschaffen, konnte bloß an Palliativ-Kuren gedacht werden, welche gemeiniglich schlimmer waren als das Übel selbst, welches sie heilen sollten. Die Masse von Patrioten, welche ihren friedlichen Beschäftigungen wiedergegeben wird, wird darauf denken, die Frucht so vieler Siege nicht durch verderbliche Egoisten zu verlieren.

Es ist nicht zu leugnen, daß seit Robespierrens Tod ein geheimer Plan, selbst von Mitgliedern der Regierung, in Ausübung gebracht wurde, um Frankreich von Seiten der Finanzen zu erschöpfen. Man hob das Maximum auf, schmeichelte dadurch dem reichen Bauern, um ihn für die neue Faktion zu gewinnen, und richtete das Volk zugrunde. Die törichten betrognen Kaufleute sahen nicht ein, daß sie durch Erduldung der Unannehmlichkeiten dieser Taxe an dem Wert der Assignaten gewinnen würden, was sie eine Zeitlang an dem vorteilhaften Verkaufe der Waren verloren. Noch mehr! Man beging den Unsinn, Handlungsfreiheit zu geben. Nichts ist freilich besser und vernünftiger als allgemeine Freiheit der Handlung, aber nur nicht für einen Staat in der Lage, wie Frankreich damals war. Dieses verderbliche Dekret hatte zweierlei fürchterliche Folgen. Erstlich nämlich ging alles bare Geld, alle Produkte der Industrie, alles Silber und Gold aus dem Lande, die Emigrierten erhielten ungeheure Summen, und die Assignate wurden um jeden Preis verschleudert. Zweitens setzte dieses Dekret die Fremden in den Stand, den Kurs der Assignaten durch Agiotage zu bestimmen. So wie die Assignaten von Tage zu Tage fielen, versechsfachten sich in einem Monat die Bedürfnisse der Regierung. Die ganze Klasse der Rentenierer wurde zugrunde gerichtet und gesellte sich aus Not den Feinden der Republik bei. Verräterische Agenten der Republik und des Auslandes stahlen ungeheure Summen, fremde Abenteurer, welche mit einigen hundert Louisdor nach Paris kamen, wurden in unglaublich kurzer Zeit zu Millionären, der Ertrag aus dem Verkaufe der Nationalgüter, wobei die Termine der Verkäufer in Assignaten bezahlt worden waren, ging zunichte, und Frankreich sah sich in einer Zeit von wenigen Monaten fast gänzlich erschöpft.

Man möchte vielleicht glauben, daß die Republik Freunde an den Glückspilzen gefunden habe, welche sich vermittelst der Agiotage so plötzlich bereicherten. Allein diese Räuber des Nationalvermögens wurden im Gegenteil die grimmigsten Feinde der Freiheit und taten und tun noch alles, um das Königstum herbeizuführen. Sie fürchten, daß man (wie es denn nicht anders als billig ist) Rechnung von ihrem Haushalte, Abgabe von ihrem Reichtum fordern möge, und glauben dieser Rechnung unter einem Könige zu entgehen. Sie waren der Freiheit nur so lange ergeben, als sie unter dem Vorwande, sie zu befördern, stehlen und rauben konnten. Sie machen die berühmten »honnêtes gens« von Paris aus, welche immer von Grundsätzen sprechen, auf die braven Arbeiter als auf ein Pack Lastvieh herabsehen und nur durch die Guillotine im Zaume gehalten werden können.

Wahr ist es, was die spitzbübischen Royalisten der fränkischen Regierung vorwerfen, daß ihre Finanzen bisher immer durch gewaltsame Mittel rekrutiert worden seien. Allein, wer war daran schuld als eben die nichtswürdigen Räuber, die sich dennoch meistens der gezwungenen Anleihe zu entziehn wußten, die nichtswürdigen Deputierten, welche, von Pitts Gelde erkauft, den Eifer der Gesetzgebenden Versammlung, die schädlichen Folgen des Schreckenssystems zu zerstören, mißleiteten und zur Zerstörung auch des unleugbar Guten benutzten, welches unter dem vorigen Wohlfahrtsausschuß und durch ihn gewirkt worden war? – Der Grund allen Übels liegt in jenen zwei Dekreten, deren Urheber seinem Vaterlande mehr als selbst Robespierre geschadet hat.

Dies Palliativsystem muß aufhören. Nach dem Frieden müssen die Schwämme, die sich vollgesaugt haben, noch einmal tüchtig ausgedrückt und die Käufer der Nationalgüter, welche diese um eine ihrem Werte gar nicht angemessene Summe erschlichen und gewuchert haben, zu einer verhältnismäßigen Nachzahlung angehalten werden. Sie, die durch das Papiergeld so unermeßlich reich geworden sind, mögen so lange bluten, bis die französischen Mandate, Reskriptionen etc. eingelöst oder zu einem bedeutenden Werte gestiegen sind.

Es gibt nach dieser Periode keine Domänen zu verkaufen, keine außerordentlichen Hilfsmittel, keine Kontributionen mehr, die ohnedem meist in die Tasche der Eintreiber fallen. Daher muß eine strenge Ökonomie eingeführt und die Ausgabe der Einnahme genau angepaßt werden.

Leider scheint diese Ökonomie gar nicht im Charakter der Franken zu liegen. Ein Deputierter, der neuerdings darauf aufmerksam machte, daß man lieber die Kavallerie um den Louvre, die griechischen und römischen Trachten auf eine andere Zeit versparen sollte, wurde ausgelacht, und doch, dünkt mich, verdienten die Bemerkungen dieses Mannes eher reifliche Überlegung als Spott.

Ich möchte behaupten, daß die fränkische Verfassung einen wesentlichen Mangel habe. Sie macht zwar die Minister für die Summen verantwortlich, welche ihrer Disposition anvertraut worden sind. Allein dies ist das Geringste. Natürlich wird der Minister, welcher hundert Millionen erhalten hat, sich wohl hüten, nur achtzig oder neunzig zu berechnen. Wo bleibt aber die Garantie dafür, daß die Regierung nicht mehr ausgebe, als die jährlichen Einnahmen betragen? Die Franzosen haben eine entschiedene Neigung zu nützlichen, großen und schönen Anstalten. Allein auch die nützlichste und beste Anstalt muß nicht zur Unzeit errichtet werden, sonst ist sie schädlich und verderblich. Es ist bei großen Staaten verhältnismäßig ein gleicher Fall als bei einem Privatmann. Von diesem ist es sehr löblich, wenn er Armen ihr Schicksal erleichtert, Künstler unterstützt und dergleichen. Will er aber sein Geld an Arme geben oder Gemälde einkaufen, solange seine Familie darbt, so ist er strafbar.

Der Friede wird die fränkische Regierung in den Stand setzen, ihre Einnahme und Ausgabe gegeneinander abzuwägen und ihre notwendigen und jährlich wiederkehrenden Bedürfnisse mit der größten Genauigkeit zu bestimmen. Die Freiheit liegt in der Ökonomie, sagte neulich ein Mitglied des Rats der Fünfhundert nicht ohne Grund, und gerade bei einer wechselnden republikanischen Regierung ist es um so nötiger, daß sie auf die dem Staate nicht zu sehr zur Last fallenden Ausgaben eingeschränkt und ihr die Hand gebunden werde, weil sonst jeder Regierende nur für die Zeit seiner Verwaltung und für die Erwerbung guter Freunde sorgt und sich nicht darum bekümmert, ob den Nachfolgern etwas übrigbleiben werde. Im Gegenteil erschöpft der Ehrgeizige gern alle Quellen und sieht es recht gern, wenn die, welche nach ihm an die Regierung kommen, in Verlegenheit gesetzt werden.

Die zweite Folge des Friedens für Frankreich wird diese sein, daß die Regierung in den Stand gesetzt wird, mit Kraft und Nachdruck die verschiedenen Faktionen zu bekämpfen, ohne temporisieren und bald den Anarchisten, bald den Fanatikern und Royalisten in einzelnen Punkten nachgeben zu müssen.

Selbst das jetzige Direktorium konnte bei aller Standhaftigkeit und Weisheit, die es an den Tag gelegt hat, zuweilen ein gewisses Schwanken in seinen Maßregeln nicht vermeiden. So war man zum Beispiel unter der ersten Regierung beinahe mit der Unschädlichmachung der Priester zustande gekommen. Jetzt kann man es endlich sagen, daß der Eid, dessen Ablegung man von ihnen verlangte und der als eine unpolitische Maßregel verschrieen wurde, ein weises Mittel war, um sie zu trennen und ihr Gift zu neutralisieren. Die konstitutionellen Priester wurden von den ungeschwornen ärger gehaßt als Heiden und Zöllner, und beide rieben sich untereinander selbst auf. Als die geschwornen Priester in der Folge so viel Immoralität zeigten, als sie die empörendsten Farcen Héberts mitspielten und dadurch Beweise gaben, daß sie alles aus Eigennutz zu tun fähig seien, wurden sie dem Volke so verhaßt und verächtlich, daß man sich ihrer mit leichter Mühe entledigen konnte. Das Volk fand allmählich Geschmack an dem reinen, deistischen Gottesdienst und würde in der Folge noch mehr daran gefunden haben. Einigen alten Betschwestern konnte man immer erlauben, noch zuweilen Messe zu hören, solange keine öffentlichen Unruhen daraus erfolgten. Das abscheuliche System der Auxiliaren nach dem 9. Thermidor verdarb alles. Die ungeschwornen Priester, die man scharenweise herbeigerufen hatte, um eine Faktion zu unterstützen, wurden bald dem Konvente furchtbar. Man muß es endlich einmal laut gestehen, daß die Septembermordtaten und die Guillotine nicht den sechsten Teil der Menschen kosteten, welche nach dem 9. Thermidor in den südlichen Departements unter den raffiniertesten Grausamkeiten durch die Maschinerien dieser Priester und die von ihnen fanatisierten Meuchelmörder fielen. Spät erwachte der Konvent aus seinem Taumel, und erst der jetzigen Regierung war es vorbehalten, diesen Auswurf aus den Ländern der Republik zu entfernen und die Jesus- und Sonnen-Compagnien zu zerstören.

Überhaupt muß die Herrschaft der katholischen Religion gänzlich untergraben werden, wenn die Ruhe wiederhergestellt werden soll. Die geschwornen Priester taugen im Grunde nicht mehr als die ungeschwornen. Grégoire, der sanfte Grégoire, gibt uns davon den unwidersprechlichsten Beweis durch seine neuen Hirtenbriefe, durch seine Anpreisungen des Zölibats und der Fasten. Jetzt hat er die Maske selbst abgeworfen. Es ist nicht Duldung, nicht Liebe gegen Schwache, nicht Überzeugung von der Notwendigkeit einer allgemeinen Religionsfreiheit, was aus seinen schönen Worten hervorleuchtet. Die Begründung der päpstlichen Religion, eine neue Hierarchie, deren Oberhaupt er sein möchte – das ist es, was er will. Mit den ungeschwornen Geistlichen kann er sich nie vereinigen wollen, und an seine Fasten glaubt er selbst nicht, dazu ist er zu klug. Was will er also sonst? Fanatisieren und herrschen.

Die zurückkehrenden Truppen werden auch in dieser Hinsicht das Direktorium in seinen kräftigen Maßregeln unterstützen. Sie können nicht anders als sehr erbittert gegen die Pfaffen sein, deren Schädlichkeit einzusehen sie Gelegenheit genug gehabt haben. Ihr Aufenthalt in Holland, in einigen deutschen Ländern etc. muß ihnen augenscheinlich gezeigt haben, wie man es jedem Lande gleich ansehen kann, ob es unter Pfaffendruck schmachtet oder einer wohltätigen Religionsfreiheit genießt. Sechsmal hunderttausend Leute die dem Tode so oft getrotzt haben, die es wirklich gut mit ihrem Vaterlande meinen und entschlossen sind, die Früchte ihrer Siege, es koste auch was es wolle, zu behaupten, sind gar kein übler Beistand, um allenfalls ein paar Dutzende fanatischer Dörfer, zu bezwingen und die lieben Seelsorger in jedem Schlupfwinkel aufzusuchen, wo sie zum Heil des christlichen Glaubens und Pius des VI. und zum Verderben der Republik ihre Kabalen ausbrüten mögen.

Man hat behaupten wollen, daß unter den Armeen eine Menge Terroristen seien, welche die Anarchie und das Schreckenssystem wiederherzustellen die Absicht haben möchten. Nun ja, wenn man unter Terroristen diejenigen Patrioten versteht, welche Richer-Sérisy mit diesem Namen bezeichnet, so wird freilich eine Art Terrorismus in Frankreich wieder in etwas die Oberhand gewinnen. Die zurückgekommenen Bürger werden die sanften Menschenfreunde freilich nicht sonderlich schätzen, welche die für die braven Truppen an den Grenzen aufgekauften Kleidungsstücke unter die Chouans zu Paris verteilen ließen. Ebensowenig werden sie den Kommissarien gewogen sein, welche sich von dem bereicherten, was sie den Armen stahlen. Manchem dieser Herren wird noch gesagt werden: »Tue Rechnung von deinem Haushalten!« Nicht minder werden die feigen und niederträchtigen Chouans, welche zu Paris in den Schauspielhäusern so große Heldentaten verrichten, künftig eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Aber im ganzen sehnt sich der Arme auch nach Ruhe, und jeder vernünftige Bürger in Frankreich, sei er auch selbst Royalist aus Grundsätzen, muß endlich einsehen, daß neue, blutige Revolutionen unmöglich das Mittel sein können, die Wunden zu heilen, welche eine alte geschlagen hat. Ebendies gilt auch von denen, welchen die Revolution noch nicht vollendet genug zu sein scheint. So bleiben denn nur noch die Glücksritter übrig, welche in der Verwirrung ihren Gewinn finden, und gegen diese ist die Guillotine ein treffliches und souveränes Mittel.

Ganz ruhig kann es übrigens so leicht in Frankreich nicht werden, ehe die gegenwärtige Generation größtenteils ausgestorben ist. Die vielen individuellen Leidenschaften der Rache, des Eigennutzes etc. müssen sich erst abstumpfen, an die Stellen alter Interessen müssen neue treten. Was wollen aber diese einzelnen Bewegungen im ganzen sagen? – Der Schutzgeist der Freiheit hat die Sache der Menschheit mit jedem Jahre ihrer Vollendung nähergebracht. Es war wahrlich nichts Geringes, aus einem sklavischen, sittenlosen, fanatischen Volke Menschen zu bilden, laßt uns warten! Später oder früher werden diese Menschen auch zu Republikanern werden!

Und Ludwig XVIII., der König der Emigrierten zu Verona? Ach, der ist jetzt nur eine Art von Mondkaiser. Inzwischen gibt er doch seine Hoffnungen nicht auf, hält seine Levers und Couchers mit allen Formalitäten und teilt Kreuze aus, wobei jedoch neuerdings das Gold durch Tombak repräsentiert wird. Durch Charettens Tod ist ein großer heiliger Geistorden erledigt worden. – Eine Neuigkeit des Hofes zu Verona ist folgende: Der König daselbst hat sein ganzes Ministerium abgedankt, weil dessen Grundsätze viel zu gemäßigt und also verdächtig waren. An die Stelle seiner bisherigen Räte sind drei neue getreten. Der mildeste und sanfteste von diesen, der aber, eben um dieser Sanftmut willen, auch den wenigsten Einfluß haben soll, hat in einem eigenen Memoire dargetan, daß der König bei seinem Einzuge Gnade vor Recht ergehen lassen und sich mit der Hinrichtung eines Menschen aus jeder Munizipalität begnügen müsse. – Dies würde die kleine Summe von 44 000 Menschen ausmachen. Diese Gelindigkeit muß dem neuen König notwendig alle Herzen gewinnen, und er hat auch sogar seine täglichen Spazierritte eingestellt, um sich mit desto mehr Muße zum Einzug vorzubereiten. Doch genug des Scherzes! Nun noch ein Wort von den Folgen des Friedens für unser deutsches Vaterland, soviel sich darüber jetzt noch sagen läßt.

Man behauptet, daß die Absichten des vorigen Wohlfahrtsausschusses auf eine Teilung Deutschlands in drei Teile gerichtet gewesen seien. So wünschenswert eine solche Konsolidation unsrer verschiedenen kleinen Fürstentümer in wenige große Provinzen in mancher Hinsicht auch sein möchte, so wenig scheint sie ohne vorherige Demütigung einer gewissen, bedeutenden deutschen Macht vors erste erfolgen zu können. Die Absichten dieser Macht auf Bayern und Salzburg waren längst nicht mehr zweideutig, und man dürfte, im Fall ein neuer Feldzug, wie es immer wahrscheinlicher wird, erfolgen sollte, gar bald sehen, wie die Truppen dieser Macht bei der geringsten Niederlage Mainz preisgeben und Mannheim zu erhalten suchen würden. Es ist aber im Gegenteil eher zu vermuten, daß Preußen im nördlichen Deutschland mehr Gewicht erhalten möge, so wie überhaupt Preußens Verstärkung vors erste deswegen wünschenswert ist, um vor dem Koloß im Osten einen Damm zu haben.

Doch überlassen wir es immer den Diplomatikern, die Verhältnisse zu bestimmen, in welchen künftig Deutschlands beide mächtigsten Stände gegen Frankreich und unter sich selbst stehen mögen. Nur kann ich den Wunsch nicht ganz unterdrücken, daß die drei geistlichen Kurfürstentümer aus politischen und moralischen Hinsichten aussterben und in eine weltliche Provinz verwandelt werden möchten. Die Kurfürsten von Mainz und Trier sind dabei nicht zu beklagen. Sie haben ihr Schicksal verdient und, zumal der erste, hat seine Unfähigkeit zur Regierung deutlich genug an den Tag gelegt. Der brave Maximilian verliert am wenigsten und verdient, ein weltlicher guter Fürst zu sein.

Was wird aber wohl der Sieg, den Frankreich über seine Feinde errungen hat, in Ansehung der Fortschritte Deutschlands zu seiner Vervollkommnung im Innern wirken?

Diese Wirkungen werden sehr verschiedenartig, im allgemeinen aber, glaube ich, alle gut und erwünscht sein. Die Feinde des Friedens haben diesen immer dadurch verzögern wollen, daß sie unsern Fürsten mit einer Revolution drohten, welche sich durch die Verbreitung der fränkischen Grundsätze auch in Deutschland äußern werde. Meine Meinung darüber ist kürzlich folgende:

Unsere Fürsten müssen gut regieren und dahin trachten, ihre Untertanen so glücklich zu machen, daß sie sich nicht nach einer Regierungsveränderung sehnen. Fühlen sich die Einwohner Deutschlands glücklich, so werden sie gewiß alle metaphysischen und politischen Grübeleien über ihre Verfassung beiseite setzen und es den Franken gerne gönnen, wenn sie auf eine andre Art glücklich sind, ohne ihnen deshalb nachzuahmen. Noch sind die schrecklichen Greuel der fränkischen Revolution in zu frischem Andenken und ihre guten Wirkungen zu entfernt und zu wenig in die Augen fallend, als daß andre Völker Lust haben sollten, den Kampf der Franken zu kämpfen. Verschiedenheit der Sprache und selbst der Denkungsart, natürliche Bedächtigkeit und Langsamkeit der Deutschen, Ausschweifungen der fränkischen Truppen und Kommissarien – dies alles, macht die deutsche Nation eben nicht der fränkischen Freiheit geneigt. Sie wird selbst Leiden und Bedrückungen, wenn sie nur zu ertragen sind, lieber dulden, als daß sie sich den Übeln aussetzen sollte, welche mit ihrer Abwerfung verbunden sind.

Wenn aber freilich Robespierrens Schreckenssystem in manchen Ländern organisiert wird, wenn man geflissentlich alles, was nur immer einer Verbesserurig der Mißbräuche von weitem ähnlich sieht, vermeidet, wenn Kinder auf dem Throne sitzen und Weiber und Beichtväter regieren, wenn eine gewisse Partei deutscher Obskuranten noch länger Wege zum Ohre unserer Fürsten findet, wenn durch Unterdrückung der Preßfreiheit die Regierungen verhindert werden, die öffentliche Meinung zu erfahren – wenn, quod superi avertant, diese verkehrten Maßregeln noch lange befolgt werden, so ist es nicht anders möglich, als daß auch in Deutschland das Volk klage, murre und sich endlich zu helfen suche, es koste auch, was es wolle.

Reift dann, wie es wahrscheinlich ist, Frankreichs Glück immer mehr und mehr, sehen die deutschen Landleute ihren Nachbar, den fränkischen Landmanri, wohlhabender und froher, als sie es sind und sein können, so liegt es ganz in der menschlichen Natur, daß sie nach einem gleichen Glücke trachten. Vergebens werden die Unterdrücker des Volkes dann auf ihre stehenden Truppen, diese Stütze der Despotie, rechnen. Wahr ist es, die Lohnknechte in Uniform haben sich bis jetzt wie Fleischerhunde auf jeden hetzen lassen, der ihren Treibern im Wege stand, aber so ganz verwahrloset ist doch der Mensch nicht von Natur, daß nicht selbst unsre Dreikreuzerhelden hätten fühlen sollen, der fränkische Soldat sei ein achtungswerteres Wesen als sie. Durch die fränkische Revolution hat auch der stumpfeste Mensch aus dem Taumel geweckt werden und wo nicht denken doch wenigstens fühlen lernen müssen. Der Begriff einer bürgerlichen Gesellschaft, die über dem Manne oder den Männern steht, welchen ihre Einrichtungen anvertraut sind, ist deutlicher entwickelt worden, und die aus den Feldzügen gegen die Franken heimgekehrten Truppen haben sich beinahe überall aus bloßen Maschinen in Menschen verwandelt. Der Mangel an Gemeinsinn in Deutschland und die Zerstückelung des Heiligen Römischen Reiches in so viele Dynastien hat die verschiedenen Einwohner bisher voneinander entfernt und sie gehindert, gleichen Schritt zu halten. Erfolgt aber vielleicht hie und da eine Konsolidation oder auch nur eine Explosion in einem größern Staate, so müssen die Kleinern mit oder wider ihren Willen nachfolgen.

Zu wünschen ist eine gewaltsame Revolution aber in Deutschland gewiß nicht, und noch kann sie verhindert werden, wenn man nur nicht fortfährt, sie aus Ängstlichkeit und Unwissenheit durch die verkehrten Maßregeln, welche man dagegen anwendet, zu beschleunigen. Der Deutsche ist schwer in Feuer zu setzen, aber ist er einmal in Wut gebracht, so schlägt er auch derb zu. Das Volk würde bei uns gewiß nicht die Volksfeinde erst zum Auswandern kommen lassen, sondern sie gleich zerschmettern. Auch läßt der Mangel an feinen Gefühlen bei der Masse unsrer Nation vermuten, daß unsre Revolution an Schrecklichkeit die französische noch übertreffen möchte.

Wohl dem Lande, dessen Regierung selbst der wohltätigsten und sanftesten Revolution die Hand bietet! Wohl dem Lande, dessen Vorsteher nicht den unmöglichen Plan verfolgen, die Fortschritte der Bürger zur allmählichen Verbesserung und Vervollkommnung zu hemmen, sondern, wo beide, Regierte und Regierende, sich vielmehr bestreben, immer weiterzukommen, immer mehr dem Geiste der Zeit sich anzuschmiegen.

Möchten dies doch endlich einmal alle Könige, Fürsten und Minister recht lebhaft einsehen! Es ist ja so klar, so anschaulich! Der menschliche Geist ist so sehr zur Ruhe geneigt, daß es wahrlich Kunst kostet, ihn zu beunruhigen! Möchten doch die Regierungen, welche schon jahrelang nach vernünftigen Grundsätzen gehandelt und ihren Wert durch Erfahrung erprobt haben, sich nicht durch einzelne Menschen und in einzelnen Fällen zu Ungerechtigkeiten hinreißen lassen! Die Grundsätze, nichts als die Grundsätze und immer die Grundsätze! So rufe jeder, der es gut mit der Wohlfahrt des Menschengeschlechts, der es gut mit Fürsten, gut mit Bürgern meint, so oft und so laut als er kann. Keine Rücksicht halte uns ab, jeder, auch der besten Regierung, immer ins Gedächtnis zurückzuführen, daß Volksglück ihr Zweck, das Volk ihr Oberherr sei, daß sie nie ein unveräußerliches Menschenrecht verletzen, nie der Wahrheit ihr Ohr verschließen, nie Vorurteile unterstützen, nie dem Beleidigten die Mittel zu seiner Rechtfertigung verbieten, nie die freie Erörterung irgendeines Gegenstandes, heiße dieser Gegenstand Religion, Staatsverfassung, Adelsaristokratie, Point d'Honneur usw. hemmen dürfe. Laßt uns dies sanft, und wenn sanfter Ruf nichts helfen sollte, laut, kräftig und derb sagen, und keiner fürchte sich, ein Opfer der Wahrheit zu werden! Sei dann der Erfolg, welcher er wolle, sei er selbst blutig, so können wir ruhig sein, denn wir haben unsrer Pflicht getan!


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