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Elftes Kapitel

Zum Dreißigjährigen Kriege.

Im ersten Jahrzehnt des Dreißigjährigen Krieges war die katholische Partei (der Kaiser, Spanien und die Liga deutscher katholischer Fürsten unter Führung Bayerns) siegreich. Als Siegespreis nahm sie in Aussicht, durch das »Restitutionsedikt« die Zurückgabe des von evangelischen Fürsten seit 1552 eingezogenen ehemaligen Kirchengutes zu erzwingen. Da hierdurch den evangelischen Landeskirchen die finanzielle Grundlage entzogen worden wäre, widersetzten sich die evangelischen Fürsten aufs lebendigste. Seit der Landung Gustav Adolfs in Pommern 1530 änderte sich allmählich die Lage, und die Ausführung des Edikts wurde unmöglich.

Gustav Adolf und Wallenstein i. J. 1632.

Eigentlich von den Ufern der Ostsee war die allgemeine Wendung, welche die Dinge seit drei Jahren genommen hatten, ausgegangen.

Friedlands [Wallenstein] Besitznahme von Mecklenburg hatte dem König von Schweden einen vor aller Welt gerechtfertigten Anlaß gegeben nach Deutschland zu kommen. Da lagen denn die Umstände so günstig für ihn, daß er als der Vorfechter der großen religiös-nationalen Sache, der Hersteller des Religionsfriedens und der mit demselben zusammenhängenden Reichsgesetze auftreten konnte, wäre er allein deshalb über die See gekommen, um altgesetzliche Zustände im Reich herzustellen und wieder aufzurichten, so würde seine Mission nahezu vollendet gewesen sein. Allein er hatte sein schwedisches Interesse keinen Augenblick aus den Augen verloren, und durch Besitzergreifungen, Bündnisse und selbst Huldigungen im deutschen Reiche eine so gewaltige Stellung eingenommen, daß er als der vornehmste Repräsentant des protestantischen und antiösterreichischen Prinzips in Europa erschien. Welches waren nun hier seine Absichten? Hat er wirklich gedacht römischer Kaiser zu werden, wie man ihm nachsagt, und die Reichsgewalt in seine Hand zu nehmen?

Oxenstierna hat einst dem brandenburgischen geheimen Rat auseinandergesetzt, die Intention des Königs sei im allgemeinen gewesen, sein Reich der Ostsee zu versichern, die gegnerischen Bestrebungen zu brechen, die bedrängten Lande zu befreien, dann weiter zu gehen, oder inne zu halten, je nachdem es das Bessere scheine; er habe jedoch nie geglaubt, soweit zu kommen als er gekommen sei; er sei nur immer der Gelegenheit gefolgt, die Lage des Moments sei die Grundlage seiner Ratschläge gewesen.

Dazu nun, daß er hätte hoffen können, die höchste Gewalt im Abendlande in die Hand zu nehmen, waren in diesem Augenblick die Verhältnisse nicht angetan. Frankreich hätte es nimmermehr zugelassen, und auch Österreich-Spanien entwickelte Kräfte des Widerstandes, die er nicht hätte überwältigen können.

Noch eine andere vertrauliche Äußerung des Kanzlers liegt vor, nach welcher der König die Gründung eines selbständigen skandinavischen Reiches beabsichtigte. Schweden, Norwegen und Dänemark bis an den Großen Belt sollten vereinigt, und die Küstenländer der Ostsee, im Gegensatz mit Polen und Deutschland, dazu geschlagen werden. Es ist der Grundgedanke der schwedischen Macht, der von da an anderthalb Jahrhunderte die Welt beschäftigt hat. Und wenn es authentisch ist, was wir sahen, daß der König nicht der Meinung war, die Städte und Lande, welche er eingenommen, obgleich er sie hatte huldigen lassen, zu behalten, sondern nur sie zum Pfand der Abtretungen zu machen, die ihn seiner maritimen Macht versicherten, so stimmt das damit im allgemeinen zusammen. Der Gedanke des skandinavischen Reiches beherrschte auch die deutsche Politik Gustav Adolfs.

Die Echtheit der protestantischen Gesinnung des Königs dürfte man nun nicht leugnen: sie war mit seinem schwedischen Gedanken, und zwar für ihn selbst ununterscheidbar verbunden. Indem er den Einfluß der Kaiserlichen in Polen brach und sie von der Ostsee verdrängte, kam er zugleich den Protestanten gegen die katholisch-österreichische Übermacht, wie sie noch 1629 war, zu Hilfe. Dem Protestantismus hat er seine Selbständigkeit im Reiche zurückgegeben, niemand wird ihm diesen Ruhm entreißen. Dem Interesse desselben entsprach sein Plan und Wunsch, die Gleichheit der Bekenntnisse in dem kurfürstlichen Kollegium herzustellen, wie denn davon das Gleichgewicht derselben und der Friede am meisten abhing. Ganz anders verhielt es sich mit seiner Absicht, die Küsten der Ostsee für Schweden zu gewinnen. Wenn er Pommern verlangte, auf welches der Kurfürst von Brandenburg die bestbegründeten Ansprüche hatte, so machte er dadurch eine weitere Umgestaltung notwendig, da es ohne Entschädigung Brandenburgs, diese aber ohne Säkularisation nicht möglich war. Die Umwandlung mußte noch weiter geführt werden, als es durch die protestantischen Bistümer und Erzbistümer geschehen war.

Gustav Adolf hatte eine Umgestaltung des Reiches in der Weise, wie sie sich später wirklich vollzogen hat, im Sinne. In dem Eindringen dieses Fürsten im Reich, das für die Rettung des Protestantismus unentbehrlich war, das nun aber wieder zur Folge hatte, daß er eine Ausstattung von dem Reiche verlangte, wie sie für sein Schweden wünschenswert war, lag die Krisis der deutschen Geschicke für alle Zeit.

Weder diese Abtretungen noch die Säkularisationen noch die in Aussicht gestellten Verfassungsbestimmungen konnte der Kaiser zugestehen. Friedland durfte auf Zurücknahme des Ediktes, welches die Protestanten zu dem Äußersten getrieben hatte, auf weltliche Verwendung der geistlichen Einkünfte dringen; aber nicht auf Abtretung ansehnlicher Gebiete und Säkularisation, welche den Rechten und Ansprüchen des Kaisers geradezu entgegengelaufen wären. Der damalige Standpunkt des Kaisers und Wallensteins ist dem verwandt, welchen einst Karl V. einnahm, als er sich dem von Matthias Held geschlossenen katholischen Bündnisse fern hielt, die Protestanten durch Konzessionen zu beruhigen, aber dabei das Übergewicht des Katholizismus und die Einheit des Reiches aufrecht zu halten suchte. Wenn Wallenstein überdies seinen persönlichen Anspruch in vollster Ausdehnung festhielt, so meinte er denselben unter der Autorität des Kaisers durchzuführen, und durch die Verbindung der früheren mit neuen Verdiensten die höchste Stufe in der Rangordnung deutscher Reichsfürsten zu erwerben.

Die nächste Frage, in der sich in dem Augenblick alle großen Interessen konzentrierten, war, ob die protestantischen Fürsten zu einer Vereinbarung mit dem Kaiser, ohne Rücksicht auf Schweden, gebracht, oder ob sie bei diesem Bunde festgehalten werden würden.

Der König wäre geneigt gewesen, wenn ihm seine Grundbedingung bewilligt wurde, den deutschen Fürsten die weitere Vereinbarung unter sich selbst zu überlassen. Friedland meinte noch die Unterordnung der Fürsten unter dem Kaiser festzuhalten. Nicht so sehr jedoch die Idee über Kaiser und Reich, als die religiöse erregte die Gemüter. Wallenstein war jetzt für die vornehmste Forderung der Protestanten; aber welch eine Gefahr für diese, wenn er den Sieg erfocht, später aber nicht imstande war, den Religionseifer des Kaisers nachhaltig zu mäßigen. Für Gustav Adolf war der evangelische Name alles: er stritt für das Bestehen des Protestantismus mit vollem Herzen. Er hatte denselben zum Prinzip seiner Heerführer gemacht: er selbst gehörte ihm mit freudigem und sicherem Bekenntnis an, heiter von Natur, durch und durch populär, ein Mann der deutschen Bürgerschaften, die ihn mit Freuden selbst als ihren Herrn begrüßt hätten. Die Verehrung, die man ihm zollte, war ihm fast zu stark.

Dagegen konnte dem Friedländer nie Verehrung genug bewiesen werden. Man wußte nicht, ob er der Religion, die er bekannte, wirklich ergeben sei: man sagte, er glaube mehr an die Gestirne, die sein Astrolog befrage: manche meinten, er glaube auch daran nicht. Bei ihm war alles bedachter Plan, umfassende Kombination, ein immer höher strebender Ehrgeiz. Wenn auch der König ein weiteres Ziel verfolgte, so trat das doch vor den freien populären Impulsen zurück, denen er jeden Augenblick Raum gab. Wallenstein war ein podagrischer Strateg; der König ein General von rüstiger Beweglichkeit; er hatte eine lebendige, kriegsmännische Ader. Wallenstein wollte die Formen des Reiches erhalten, mit möglichster Schonung des Protestantismus; Gustav Adolf sie durchbrechen: mit voller Feststellung des Bekenntnisses. Niemand verließ sich auf Wallenstein: zu Gustav Adolf hatte jedermann Vertrauen.

So umfaßte der Widerstreit der beiden Heerführer die Welt und das Reich der Ideen, die politische und religiöse Zukunft von Deutschland: als sie an dem Eingang der großen sächsischen Ebene, Regionen, die noch manchen anderen Weltkampf gesehen haben, aufeinander stießen. Es entspricht ihrem Verhältnis, daß Gustav Adolf unaufhaltsam vordrang, Wallenstein dort an der Landstraße von Lützen eine von Gräben und Verschanzungen geschützte starke Position genommen hatte, um ihn festen Fußes zu empfangen [16. Nov. 1632].

Einen Augenblick hielten die beiden Schlachtordnungen einander gegenüber, etwa dreihundert Schritt voneinander: die Feldstücke spielten gegeneinander. Die Heere waren nicht gerade sehr zahlreich. Die Schweden werden nicht über 14 000, die Kaiserlichen am Morgen nicht über 12 000 Mann stark gewesen sein. Aber noch zur rechten Zeit traf Pappenheim mit seiner Reiterei von Halle kommend ein, eben in dem Augenblick, als der König angriff.

Zu persönlichem Zusammentreffen ließen die Schlachten dieser Zeit nicht mehr soviel Raum, wie noch im vorigen Jahrhundert die Bataillen der Hugenotten in Frankreich. Aber es erinnert noch daran, wenn hier auf dem linken Flügel der Kaiserlichen, den der König angriff, zuerst Pappenheim tödlich verwundet weggebracht wurde, gleich darauf auch der König in den Arm geschossen, sein Pferd nicht mehr führen konnte und von ein paar Kugeln getroffen auf dem Schlachtfelde niedersank.

Eigentlich über seiner Leiche entzündete sich auf diesem Flügel die Schlacht ...

Die Schweden und Protestanten hatten ohne Zweifel die Oberhand; aber auch sie waren nach Weißenfels zurückgegangen, wohin die Leiche des Königs gebracht worden war. Da hielten sie ihren Rat.

Wir können die Schlacht als eine im eminenten Sinne historische bezeichnen. Der Überflutung von Norddeutschland durch die Liga seit der Schlacht am Weißen Berge war bei Breitenfeld ein Ziel gesetzt worden. Noch einmal trat die Wiederherstellung der kaiserlichen Übermacht in Aussicht; sie würde den Protestantismus unter erträglichen Bedingungen in den alten Formen, aber auch in den alten Gefahren haben bestehen lassen. Ihr ward durch die Schlacht von Lützen Einhalt getan. In dem Kampfe zwischen Aktion und Reaktion, der Europa umfaßte, stellte sich in Deutschland eine Art von Gleichgewicht der Kriegskräfte, der Bekenntnisse, der Dynastien her.

Ist es nicht wie eine Fügung des Schicksals, daß der Urenkel des niedergeworfenen, geächteten, beraubten Johann Friedrich, ein fast besitzloser Herzog von Weimar es sein mußte, der diese entscheidende Schlacht vorbereitete und dann hauptsächlich zu einem glücklichen Ende brachte?

Verluste des Reichs an Frankreich.

Durch die Schlacht von Lützen und ihre nächsten Folgen war das Gleichgewicht zwischen den Kriegskräften beider Parteien hergestellt: Frankreich konnte seine Politik behaupten, welche darin bestand, an dem Kampf nicht unmittelbar teilzunehmen, sondern nur die Truppen in schlagfertigem Stande zu erhalten, um sich der günstigen Gelegenheiten, an denen es nicht fehlen werde, zu seinem Vorteil zu bedienen. Wie in Italien auf Piemont und die Alpenpässe, so war nach der deutschen Seite hin das Augenmerk des Kardinals [Richelieu] auf Lothringen, den Elsaß, die Rheinlande überhaupt, namentlich die Übergänge über diesen Strom gerichtet.

Schon bei Lebzeiten Gustav Adolfs war ihm da eine große Erwerbung gelungen.

Trier.

Als die von den vordringenden protestantisch-schwedischen Heerscharen bedrängten deutschen geistlichen Fürsten die französische Vermittlung anriefen, die sie wohl hätten erwarten dürfen, die ihnen aber aus Rücksicht auf die allgemeine Lage der Dinge nicht bewilligt ward – eine Sendung nach Paris in dieser Absicht war vergeblich – entschloß sich einer von ihnen, der Kurfürst von Trier, seine Festungen geradezu den Franzosen zu überliefern.

Es war Philipp Christoph von Söttern, zugleich Fürstbischof von Speier, ein katholisch eifriger Jesuitenzögling, und dabei, wie manche andere Prälaten nach dem Muster Papsts Sixtus V., ökonomisch, selbstherrisch, kriegerisch gesinnt. Das westliche Deutschland verdankte ihm ein paar namhafte Festungen, Philippsburg, das seinen Namen trug, und den Ehrenbreitstein, den er zuerst zu einem haltbaren Platz machte. Zu diesen Zwecken und zu anderen Unternehmungen hielt er sich für berechtigt soviel Steuern, als er brauchte, aufzulegen: seine Stände, die ihm darin nicht zu Willen waren, wußte er zu zwingen. Er ließ sie von Soldaten umstellen, bis sie unterschrieben, oder einzelne Mitglieder einsperren, bis sie ihren Widerspruch aufgaben; um die Appellation an den Kaiser kümmerte er sich nicht. Er war bereits ein alter Mann, kahlköpfig, mit dem Podagra behaftet, aber unter seiner breiten Stirn mit dichten Brauen funkelten ihm ein paar Augen mit dem Ausdruck von Entschiedenheit und verwegenem Willen; alles schien ihm erlaubt, um diesen durchzuführen. Da sich seine Stände an die Infantin in den Niederlanden gewendet hatten, welche sich dann seiner Hauptstadt Trier bemächtigte, so war er schon um deswillen mit Richelieu in Verbindung getreten. Die Reaktion gegen eine Politik, die er an seinem Teil immer lebhaft befördert hatte, führte ihm jetzt den Schwedenkönig in die Nähe; er trug kein Bedenken, da ihn der Kaiser vor demselben nicht schützen könne, sich in aller Form unter den Schutz des allerchristlichsten Königs zu begeben. Seine beiden Festungen, das beste Resultat einer angestrengten Staatsverwaltung, war er bereit, den französischen Truppen, ohne alle weitere Rücksicht auf das Reich, zu öffnen. Nur für Territorialgewalt und Religion hatte er gearbeitet; was das Vaterland sei, davon hatte er nie eine Ahnung gehabt. Schon im Mai 1632 besetzten die Franzosen den Ehrenbreitstein. Unter ihrer unmittelbaren Hilfe kehrte im August auch Trier in seine Hand zurück; eine Empörung, die sich erhob, ward im Beginn erdrückt. Wir brauchen nicht auszuführen, welch ein Vorteil von höchstem Wert für die Franzosen in der Erwerbung dieser großen militärischen Positionen lag ...

Lothringen.

Da die Schweden den Mittelrhein beherrschten – in Mainz hat man der Tochter Gustav Adolfs den Eid der Treue geleistet – und die vorderen Reichskreise jedes Vordringen kaiserlicher Truppen nach Westen hin abwehrten, so konnte Richelieu ohne Besorgnis, von Deutschland her gestört zu werden, an ein Unternehmen gehen, das er längst im Sinne gehabt hatte.

In den letzten Verwicklungen hatte er den Herzog von Lothringen genötigt, vier von seinen besten Plätzen abzutreten, aber dies genügte ihm noch nicht. Das Gutachten ist übrig, in welchem er seinem König vorstellt, daß der Herzog alle Verträge breche, alle Rücksicht aus den Augen setze; hauptsächlich aber sei er von unversöhntem und unversöhnlichem Herzen, er warte nur auf die Gelegenheit, wo er mit Spanien und dem Kaiser verbunden Frankreich in seinem Innern anfallen könne; höchst gefährlich mache ihn die Ehe seiner Schwester mit dem Herzog von Orleans für die Ruhe des Königs und des Königreichs; man müsse ihn zugrunde richten, dann lasse sich auch hoffen, daß man diese Verbindung wieder auflöse, und den König mit seinem Bruder noch einmal versöhne. Alle Motive der inneren und äußeren Verhältnisse faßte er zusammen, um zu einem entscheidenden Versuch anzutreiben. Der Beschluß war, daß sich der König Nancys bemächtigen müsse.

Nancy galt damals für einen der festesten Plätze in Europa. Von drei tiefen Festungsgräben und starken Basteien umgeben und mit allem Notwendigen versehen, schien es eine Belagerung von zwei Jahren aushalten zu können. Man erstaunte, daß der König von Frankreich in schon vorgerückter Jahreszeit, es war im August 1633, sich davor lagerte. Er selbst leitete mit Richelieu und La Force die Umschanzung des Ortes, die auf das engste gezogen ward; er tat den ersten Spatenstich in den Linien. Dem Herzog ist es zum Vorwurf gemacht worden, daß er sich nicht in seiner Festung eingeschlossen und daselbst mannhaft verteidigt habe: er antwortet, er habe sich nicht wollen zum Kriegsgefangenen machen lassen: die bisherige Saumseligkeit der Spanier und Kaiserlichen habe ihm wenig Hoffnung auf Entsatz eingeflößt; Nancy hätte sechs Monate, oder vielleicht ein Jahr, behauptet werden können, aber nicht länger; dann würde der Feind auf das Kriegsrecht oder die aufgewandten Kosten Anspruch immerwährenden Besitzes gegründet haben. In diesen Erwägungen zog es der Herzog vor, Nancy durch förmlichen Vertrag in die Hände des Königs von Frankreich zu deponieren, auf so lange, wie es in der Abkunft hieß, bis sein Betragen oder die Beilegung der Unruhen in Deutschland jeder Besorgnis gegen ihn ein Ende gemacht habe, und die Vermählung der Prinzessin Margaretha für null und nichtig erklärt sei.

Militärisch war auch dieser Besitz unschätzbar: Richelieu bemerkte, daß Nancy fortan eines der besten Bollwerke von Frankreich gegen den Kaiser und die Spanier bilden werde, fähig, sie jahrelang aufzuhalten, noch wichtiger als Metz ...

Andere Verluste.

Durch die Erinnerung an die Rechte des deutschen Reiches auf Lothringen ließ sich Richelieu in seinen Unternehmungen nicht irren; die Oberlehensherrschaft des Kaisers über dieses Land erklärte er für eine alte Usurpation, die Frankreich habe dulden müssen, solange es nicht anders gekonnt habe: aber zwischen großen Fürsten gebe es keine Verjährung; jetzt habe Gott dem König von Frankreich den Weg eröffnet, den vollen Umfang der Rechte seiner Krone wiederherzustellen: die Nachwelt würde ihn tadeln, wenn er es nicht täte. Es ist als wollte Richelieu auf die alten Streitigkeiten des östlichen und westlichen Franken über das lothringische Erbe, die im neunten und zehnten Jahrhundert ausgemacht waren, zurückkommen und sie zugunsten des letzteren entscheiden. Wovon er noch vor kurzem fast offiziell erklärt hatte, daß es nicht in seiner Absicht liege, das führte er jetzt ohne Bedenken aus; am 26. August 1633 ließ er das neue Parlament in Metz mit aller Feierlichkeit installieren. Da die Bistümer Toul und Verdun in den Händen lothringischer Prinzen waren, deren jurisdiktionellen Rechten die Befugnisse des Parlaments entgegenstanden, so sieht man wohl, wie genau dies mit den übrigen Feindseligkeiten zusammenhing. Aber die Hauptsache ist, daß den Beziehungen dieser Länder zum deutschen Reiche ein Ende gemacht werden sollte. Statt des Reichsadlers erschienen jetzt die Lilien in den großen Gerichtssiegeln; denn der König, so drückt sich das Edikt darüber aus, dürfe nicht dulden, daß in den Ländern seines Gehorsams ein fremdes Wappen als Siegel gebraucht werde.

Kein Zweifel, daß Richelieu, der allen durch die Jahrhunderte geheiligten Verhältnissen zwischen den beiden Reichen so entschlossen entgegentrat, die Rheingrenze bereits ins Auge gefaßt hatte; gegen seinen König hat er davon mehr als einmal unverhohlen geredet.

Und niemals sind wohl territoriale Besitzergreifungen, wenngleich zunächst provisorischer Art, jemand leichter geworden, als damals dem Kardinal.

Den Herzögen von Württemberg, welche ihre Herrschaft Montbelliard gegen die aus der Franche-Comté drohenden Angriffe nicht zu verteidigen vermochten, ward es als eine Art von Gnade angerechnet, wenn der König eine Besatzung dahin schickte, um sie in Schutz zu nehmen. Die Franzosen besetzten ohne alle weitere Bedingung im September 1633 Montbelliard – Schloß, Zitadelle und Stadttore – sowie Blamont und Hericourt. Gleich darauf eröffnete sich ihnen der Elsaß. Die Schweden und ihre Verbündeten hatten des Landes doch nicht Meister werden können; in den Fluktuationen der Kriegserfolge, welche mit entsetzlichen Verwüstungen verknüpft waren, stellte sich den Bedrängten die französische Kriegsmacht als die einzige Schutzwehr dar. Von dem Grafen Salm mit Vertilgung bedroht, entschlossen sich zuerst die elsässischen Orte Buchsweiler, Ingweiler und Neuweiler, hierin in Widerspruch mit den Schweden, französische Truppen, durch die sie dann geschützt wurden, bei sich aufzunehmen. Aber gleich darauf sah sich der Graf Salm in einem ähnlichen Falle. Von dem Rheingrafen im Felde geschlagen und auf seiner Feste Hohbar belagert, in Gefahr, sich auf Gnade und Ungnade ergeben zu müssen, wußte er sich mit den Franzosen zu verständigen; die Belagerer fühlten sich ihrer Beute schon sicher, als ein französischer Oberst aus dem Schlosse hervortrat und ihnen erklärte, es gehöre jetzt dem König von Frankreich an. Der Graf trat nicht allein seine Bergfeste an die Franzosen ab, er bewirkte, daß auch Hagenau und Reichshofen an sie übergingen. Sein Beweggrund war, er gönne die Orte lieber den Franzosen als den Schweden und den Evangelischen. Und ganz ebenso waren ihrerseits auch diese gesinnt. Als der Rheingraf einige Monate später das Feld gegen die Gegner nicht mehr behaupten konnte, wenn er nicht seine Garnison aus Schlettstadt und Kolmar zog, entschloß er sich, auch diese Orte, die sonst ohne Zweifel verloren gewesen wären, den Franzosen zu überliefern, denn er gönne, wie der alte hierüber am besten unterrichtete Geschichtschreiber sagt, die Orte im Elsaß den Franzosen lieber denn dem Feinde.

So gewannen die Franzosen im Elsaß eine Reihe von Plätzen, die ihnen so wenig jemals wieder haben entrissen werden können, als die drei Bistümer. Sie haben dieselben nicht eigentlich mit den Waffen erobert; sie sind ihnen von den feindlichen Brüdern entgegengesetzter Konfession, aus Hast der einen gegen die anderen, überliefert worden.

Im Westfälischen Frieden (1648) wurden dann den Franzosen die Rechte und Besitzungen des Hauses Habsburg im Elsaß abgetreten.


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