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Einleitung

Rankes Sehnsucht war nach seinem eigenen Bekenntnis, »die Mär der Weltgeschichte aufzufinden, jenen Gang der Begebenheiten und Entwicklungen unseres Geschlechtes, der als ihr eigentlicher Inhalt, als ihre Mitte und ihr Wesen anzusehen ist; alle die Taten und Leiden dieses wilden, heftigen, gewaltsamen, guten, edlen, ruhigen, dieses befleckten und reinen Geschöpfes, das wir selber sind, in ihrem Entstehen und in ihrer Gestalt zu begreifen und festzuhalten.«

In diesem allumfassenden Streben hat er seine Werke geschrieben; nie hat er in der Betrachtung des Einzelnen, mochte es eine Persönlichkeit, ein Staat, ein Volk oder eine Epoche sein, den Blick auf den großen Zusammenhang der Dinge verloren, sondern stets das Besondere mit dem Allgemeinen innerlich verbunden. Träger der universalen Entwicklung, jener »Mär der Weltgeschichte«, sind ihm die Nationen, insbesondere die eine geistige Einheit bildenden romanisch-germanischen Völker. Verschieden in ihrem Wesenskern haben sie doch den großen geistigen Besitz der Antike und des Christentums gemeinsam; jedes ergreift ihn in eigentümlicher Weise nach seiner gottgegebenen Kraft, und in unaufhörlichen friedlichen und kriegerischen Wechselwirkungen stehen sie bald gebend bald empfangend in unauflöslicher Verbindung. Die Entfaltung der einzelnen Nationen in besonderen Darstellungen wie den großen Zusammenhang in einer Weltgeschichte zu schildern, war Rankes Arbeitsprogramm. Unerreichtes hat er geschaffen, durch mustergültige Werke ist er der Führer für weitaus die meisten deutschen und nichtdeutschen Historiker geworden, aber die ganze Aufgabe in seinem Sinne zu lösen, ging weit über die Kraft eines einzelnen Mannes. Insbesondere war es ihm nicht vergönnt, uns mit einer deutschen Geschichte aus einem Guß zu beschenken, Aber er hat umfangreiche Abschnitte aus der Geschichte seines Volkes in großen und kleineren Arbeiten behandelt und ihrer in der Weltgeschichte und anderen Darstellungen, wie in der Geschichte der Päpste und der Französischen Geschichte so oft gedacht, daß es doch möglich ist, sich aus seinen Werken eine Vorstellung von dem Gesamtverlauf der deutschen Geschichte, wenigstens in ihren wichtigsten Epochen, zu bilden. Diesem Suchen nach einem Überblick über unsere Vergangenheit will unsere Zusammenstellung, die sich ihrer Natur nach nicht an den Kenner, sondern an den Laien wendet, dienen; sie will dem Leser zeigen, wie Ranke die bedeutendsten Ereignisse im Leben unseres Volkes angesehen hat, und die Neigung, in Rankes Werken zu lesen, in ihm bisher fernstehenden Kreisen erwecken.

»Würde man die Geschichte«, fragt Ranke in einem Tagebuch aus der Blüte seines Schaffens einmal, »ohne den Impuls der Gegenwart überhaupt studieren? Wie dem auch sei, es bleibt immer die Aufgabe, sich zu reiner Anschauung zu erheben.« Solche Impulse, sich in Höhen und Tiefen der Vergangenheit in liebevollem Erkenntnisstreben zu versenken, dürften sich dem Deutschen heute aus der Betrachtung der Gegenwart hinreichend ergeben, denn, heißt es einige Zeilen weiter: »die Wahrheit ist nie trostlos«.

Es war unvermeidlich des inneren Zusammenhangs halber einzelne Abschnitte durch Zwischensätze zu verbinden, sowie hier und da einige Erläuterungen einzuschieben. Solche Zusätze des Herausgebers, die nach Möglichkeit beschränkt worden sind, sind durch Kursivdruck und eckige Klammern bezeichnet. Auslassungen innerhalb der Abschnitte sind durch Punkte angedeutet.

Roloff.


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